Oschmann,
Dirk: Friedrich Schiller
Das Drama
des Scheins: Maria Stuart
ïƒ Moment
des Scheinhaften hier am stärksten entfaltet, wo es sowohl ein
Handlungselement als auch ein zentrales Reflexionselement mehrerer
Figuren darstellt
Maria:
„Ermorden kann sie mich, nicht richten! Sie geb es auf, mit des
Verbrechens Früchten den heilgen Schein der Tugend zu vereinen, und
was sie ist, das wage sie zu scheinen“
E.: dass
es nur auf Schein ankommt, sieht sie aufgrund pragmatischer
Erwägungen noch schärfer: „mich immer trifft der Hass der Tat,
Ich muß sie eingestehn, undkann den Schei nicht retten. Das ist das
Schlimmste“ (Mortimer: was bekümmert dich der böse Schein, bei
der gerechten Sache?) „ihr kennt die Welt nicht, Ritter. Was man
scheint, hat jedermann zum Richter, was man ist, hat keinen“ ïƒ
diese Überzeugung vom Wert des Scheins bestimmt zum großen Teil ihr
Handeln
Schein
doppeldeutig: mal „böse“, mal „heilig“, verunsichert die
Figuren; nicht nur bewusste Verstellung entscheidet, sondern auch, ob
Figur „der Verstellung schwere Kunst“ gewachsen ist; sie will gut
erlernt sein, wenn sie zum Erfolg führen soll
Doppeltragödie
der Weiblichkeit: Maria und Elisabeth
ïƒ neben
Schein und Verstellung wie Wallenstein ein historisches Drama, das
die Rechtmäßigkeit von Herrschaft thematisiert
Doppeltragödie:
Fülle an Perspektiven
Charakterdrama
der zwei Hauptfiguren Maria und Elisabeth
Glaubensdrama
über Konflikt zwischen Protestantismus und Katholizismus
Politisches
Drama über Kampf zwischen England und Frankreich
Geschlechterdrama;
Gegeneinanderstellung von weiblichen und männlichen Rollenbildern
Strikt
symmetrische Form, klar anthitetischer Aufbau; Schillers am
strengsten gebaute Tragödie: I Exposition, II steigende Handlung,
III Klimax (Höhepunkt) und Peripetie (Umschlag), IV retardierendes
Moment und V Katastrophe und Lösung
Antithetik
und Symmetrie ergeben sich durch Anordnung nach Akten, Figuren und
Schauplätzen: I und V im selben Zimmer, Maria gewidmet, II und V
Elisabeth in Westminster
In
symbolischer Hinsicht bedeutsam, dass es sich um geschlossene und
künstliche Räume handelt ïƒ
Eingeschlossensein und eng begrenzter Handlungsspielraum M.s und E.s
Dagegen
III in offener natürlicher, Freiheit suggerierender Garten-Szenerie,
unsichtbare Mauer aber zeugt von Beschränkung der Möglichkeiten ïƒ
deutet voraus auf offenen Ausgang zwischen Protagonistin und
Antagonistin, III4 Höhepunkt des Dramas! ïƒ
Umkehrung der Herrschaftsstruktur; äußerlich mächtige E.
unterliegt der innerlich mächtigen M., durch Regieanweisungen
unterstützt (M. zunächst Demutsgeste, erhebt sich dann zunehmend
äußerlich und innerlich
Geht auch
um zwei Frauen, die einerseits mit eigenen Ansprüchen an ihre
Weiblichkeit kämpfen, andererseits mit Vorstellungen der ,
dass Frauen nur Objekte (Preis und Besitz) seien; beide gemischte
Charaktere mit Schwächen und Stärken
M.: jung,
attraktiv, sinnlicher Lust zugewandt; aber mind. einen Mord zu
verantworten
E.:
insgesamt negativer bezeichnet, pflichtbewusst, außerordentlich
reflektiert und leidet unter der Differenz zwischen Amt und Person,
handelt aber extrem machtbewusst und berechnend, respräsentiert
Pflicht, Maria die Neigung
Missgunst
E.: M. hat gelebt, E. wagt nicht, Neigungen zu folgen, will mit M.
auch eine Lebensform vernichten, die sie in ihrem Selbstverständnis
als Frau elementar bedroht, verbindet aber mit Hinrichtung keinen
Sieg, M. zwar tot, aber E. isoliert und allein ïƒ
doppelte Tragik
Frage der
Selbstbestimmung: existenzielle Auseinandersetzung, welche beide mit
äußeren und inneren Bedingungen zu führen haben, lassen das Stück
wesentlich als Drama der inneren Handlung erscheinen