Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner
Szenenanalyse - 9. Szene „Straße“ – Hauptmann und Doktor
In dem
Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner aus dem Jahre 1838 geht es um, eine ärmlichen
und psychisch labilen Soldaten namens Frank Woyzeck. Dieser wird von der
Gesellschaft ausgeschlossen und unterdrückt. Aus Eifersucht und Verzweiflung tötet
er Marie, die Mutter seines Kindes. Im folgenden wird die 9 Szene mit dem Titel
„Straße“ analysiert, zuerst aber folgt eine kurze Einleitung zur bisherigen
Handlung.
Woyzeck,
welcher als einfacher Soldat nicht viel verdient, ist aufgrund seiner
finanziellen Situation nicht in der Lage Marie zu heiraten. Um an Geld zu
kommen, erledigt er Arbeit für den Hauptman (z.B.: Stöcke schnitzen oder
Rasieren) und verpflichtet sich für ein Erbsen-Experiment des Doktors. Diese
zusätzliche Belastung bringt Woyzeck seelisch und körperlich an seine Grenzen.
Auch das gemeinsame, uneheliche Kind mit Marie lässt die Gesellschaft spotten
und die Beziehung als unmoralisch ansehen. Maries Interesse an Woyzeck lässt
immer mehr nach. Stattdessen hat der Tambourmajor ihre Aufmerksamkeit geweckt.
Er verdient gut und ist hoch gebildet. Von diesen Maßstäben lässt sich Marie
beeindrucken und geht eine Affäre mit ihm ein. Er kann die materiellen Dinge
bieten, über die Woyzeck nicht verfügt. Trotz ihres Bemühens, die Affäre mit
dem Tambourmajor geheim zu halten, werden bei Woyzeck erste Bedenken ausgelöst.
Er bekommt eine Vorahnung. Auch die angeblich gefundenen Ohrringe Maries
stärken die Bedenken Woyzecks.
In dem
vorliegenden Textauszug, der 9. Szene „Straße“ des Dramas treffen sich der
Hauptmann und der Doktor. Der Hauptmann versinkt dabei in Selbstmitleid,
während sich der Doktor einen Spaß mit ihm erlaubt. Als Woyzeck dazukommt,
hetzen ihn die beiden gemeinsam gegen Marie auf. Grund ihrer Anspielungen ist
die bisher geheime Affäre zwischen Marie und dem Tambourmajor.
Demnach
gliedert sich die Szene in zwei Teile. Als erstes kommt das Gespräch zwischen
Doktor und dem Hauptmann zustande. Als zweites der Teil mit Woyzeck. In der
Szene überwiegen Dialoge, welche durch kleinere Regieanweisungen unterbrochen
werden. Die Regieanweisungen vermitteln dem Leser die Handlungen der Figuren.
Die Dialoge vermitteln die Eigenschaften, aber auch die Beziehungen der
Figuren.
Über
den Hauptmann erfährt man in dieser Szene, dass er sehr Ich-bezogen ist. So
sagt er z.B. „ich bin so schwermütig, ich habe so was Schwärmerisches“ (Z.11f).
Durch dieses häufige Nutzen der Ich Form, wirkt er überheblich und will sich
deutlich von den anderen, besonders der unteren sozialen Schicht, abgrenzen.
Des Weiteren scheint es, als wäre der Hauptmann ziemlich faul, „Rennen sie nicht
so.“ (Z.5). Er gibt im Laufe des Textauszuges öfters die Befehle, langsam zu
machen und sich nicht zu hetzen. Diese Befehlsformen lassen auf das Militär
zurückschließen und wirken sehr dominant. Der Hauptmann lässt sich von
niemanden etwas sagen, sondern gibt selber die Befehle.
Dazu
passt auch, dass er den Doktor, aber auch Woyzeck über seine Auffassung eines
guten Menschen belehrt, denn „ein guter Mensch […] geht nicht so schnell“ (Z. 7f).
Das fatalistische Denken des Hauptmanns, „es sind schon Leute am Schrecken
gestorben“ (Z. 25f), lässt auf das Ende des Stückes hindeuten. Hingegen ist der
Doktor sehr von seinem eigenen Können und Wissen überzeugt. Er nutzt
Fremdwörter (z.B. „Apoplexia cerebralis“ (Z.15f), um mit seiner Bildung
anzugeben und sich so von den anderen abzuheben. Durch seine kritische Beobachtungen,
„aufgedunsen, fett, dicker Hals“ (Z. 14) und seine Vorausdeutungen (Z. 14ff.),
„erschreckt“ er den Hauptmann (Z.25f), wirkt er eingebildet auf den Leser. Man
erkennt an dem Gespräch zwischen Doktor und Hauptmann, dass der Doktor nur
einen Blick für seine Arbeit hat. Er ist lediglich an seinen Experimenten
interessiert (Z. 21ff.).Das Verhältnis zwischen dem Doktor und dem Hauptmann
ist durch den Doktor bestimmt. Er ist durch seine Bildung überlegen und
dominiert in dem Dialog deutlich, da er durch seine Wissenspreisgabe dem
Hauptmann in einen Schrecken versetzt. Dennoch sind die Gesprächsanteile
ausgewogen. Auch gehören die beiden der höheren Schicht an, was man durch das
gehobene Sprachniveau merkt. Wobei der Doktor, durch seine Fachkenntnisse,
ebenfalls überlegen ist.
Woyzeck
wirkt auch in dieser Szene gehetzt, da er angelaufen kommt (Z.3).Durch seine
ständige Zustimmung zum Hauptmann (Z.21), lässt sich die Unterdrückung
erkennen. Durch den Gebrauch von Ellipsen, „Herr Hauptmann, ich bin ein armer
Teufel, - und hab sonst nichts – auf der Welt Herr Hauptmann, wenn Sie Spaß
machen – „(Z.27ff.) wirkt er in diesem Fall selbstmitleidig und hilflos. Das
lässt auf seine soziale Situation zurückschließen. Er wirkt ungebildet und man
merkt, dass er aus einer unteren Schicht kommt.
Seine
Sprache bestätigt das, z.B. „drüber“ (Z.17); „wir habe schön Wetter“ (Z.11).
Des Weiteren taucht in dieser Szene wieder der Zweifel an Maries Treue auf, als
er nach der Anspielung des Hauptmanns und des Doktors „kreideweiß“ wird (Z.26).Man
merkt deutlich, dass Woyzeck seinen Gesprächspartnern unterlegen ist. So ist
sein kleiner Gesprächsanteil durch Zustimmung an den Hauptmann geprägt der
Szene zu unterstreichen. Die Ansprache Woyzecks mit „Er“ (Z.4.), lässt auf die
Distanz hindeuten, die zwischen ihnen und Woyzeck besteht. Woyzeck befindet
sich in der untersten sozialen Schicht und lebt in ärmlichen Verhältnissen. Der
Doktor und der Hauptmann hingegen haben viel Ansehen und befinden sich in der
gehobenen Gesellschaftsschicht. Hier wird der soziale Unterschied der einzelnen
Schichten verdeutlicht.