Wolf Wondratschek:
Mittagspause
Interpretation
Die
1969 erschienene Kurzgeschichte „Mittagspause“ von Wolf Wondratschek
verdeutlicht das widersprüchliche Erleben und Verhalten auf dem Weg
Erwachsenwerden und auf der Suche nach der eigenen Identität. Eine junge berufstätige
Frau wartet darauf, dass etwas Einschneidendes in ihrem Leben passiert.
Die
junge Frau sitzt häufig in ihrer Mittagspause allein in einem überfüllten
Straßencafé, trinkt Kaffee, liest eine Zeitschrift und hofft darauf, von einem
Mann angesprochen zu werden. Sie macht sich Gedanken um die Akzeptanz ihrer
Aufmachung und ihres Verhaltens, das offenbar nach ihrer Vorstellung dem
herrschenden Trend entsprechen soll.
Eine junge Frau sitzt nachdenklich alleine im belebten Straßencafé und liest bei einer Tasse Kaffee.
Häufig
spielt sie in Gedanken durch, wie sie sich verhalten würde, wenn sie ein Mann
ansprechen würde. Obwohl ihr diese Vorstellung Angst bereitet, beruhigt die
junge Frau beim gemeinsamen Abendessen ihre grundsätzlich verständnisvollen
Eltern, die sich jedoch Sorgen um das Erwachsenwerden ihrer Tochter machen.
Die
Geschichte endet damit, dass die junge Frau sich ihres Wunsches vergewissert,
dass etwas Ungewöhnliches passieren sollte, dass sie aus der Langeweile ihres
beruflichen und privaten Alltags befreit. Der Erzähler beschreibt das Äußere
der Protagonistin als schön, modisch und zweckmäßig. So trägt sie eine
Sonnenbrille, weil es mit dieser „einfacher [ist], nicht rot zu werden“
(Z.18f.). Diese Einschätzung gibt gleichzeitig einen Hinweis auf die
Widersprüchlichkeit im Verhalten der jungen Frau.
Einerseits
„weiß [sie] genau, was sie will“ (Z.10f), nämlich angesprochen werden (vgl.
Z.21f.), und gibt sich erwachsen und zielstrebig was auch durch das
Übereinanderschlagen der Beine (vgl. Z.2f.). Andererseits ist sie auch unsicher
und nervös, denn sie muss überlegen, wodurch sie das Rotwerden verhindern kann
(vgl. Z.18f.), und weiß nicht, wohin mit ihren Händen, wenn sie beobachtet wird
(vgl. Z.37ff.).
Die
Gedanken und Gefühle des Mädchens werden teilweise aus der personalen
Erzählperspektive wiedergegeben. Zusätzlich beleuchtet ein auktorialer Erzähler
die Innen- und Außensicht der jungen Frau und beurteilt stellenweise ihren
Charakter. So findet er, dass sie „ein Mädchen wie andere Mädchen“ (Z. 34) sei.
Zunächst
wird von der jungen Frau nur mit dem Personalpronomen „sie“ (Z. 1, 2, 3, 4, 5) gesprochen,
das jeden der ersten aufeinanderfolgenden einfachen Sätze beginnt. Durch diesen
parataktischen Satzbau wirken die einzelnen Beobachtungen aneinandergereiht und
hektisch, was zur Unsicherheit der jungen Frau und dazu, dass sie in ihrer
Mittagspause im Straßencafé wenig Zeit hat, passt.
Die
Eltern, mit denen die junge Frau offenbar noch zusammenlebt, begegnen ihrem
Verhalten grundsätzlich mit Verständnis, denn sie „sprechen […] davon, dass sie
einmal jung waren“ (Z. 29f.). Gleichzeitig haben sie Ängste und Befürchtungen
in Bezug auf die Bestrebungen der Tochter, Kontakt zu Männern herzustellen
(vgl. Z.31).
Der
Erzähler lässt offen, ob sie fürchten, dass ihr etwas passieren könne, oder ob
sie annehmen, sie löse sich dadurch von ihnen ab. Diese Gedanken der Eltern
sind nicht unbegründet, denn der Erzähler verrät, dass die junge Frau Freunde
zu Hause nicht als Freunde vorstellt (Z. 5ff.), also durchaus Geheimnisse vor
ihren Eltern hat und was zeigt, dass ihr Verhältnis mit ihren Eltern gestört
ist.
Insgesamt
wird die Mittagspause von der jungen Frau also als Möglichkeit angesehen,
angeschaut und von einem Mann angesprochen zu werden. Gleichzeitig bietet die
Mittagspause eine Möglichkeit ihre Verhaltensmuster auszuprobieren.
In
der Kurzgeschichte wird jedoch auch deutlich, dass sie während ihrer Arbeit an
der Schreibmaschine viel Zeit hat, an Katastrophen zu denken (vgl. Z. 49f.). Diese
Arbeit füllt sie also nicht aus. Somit ist die Mittagspause ebenfalls eine
willkommene Abwechslung, um der Langeweile des Alltags zu entgehen. Die Themen
die der Autor anspricht, sind die gleichen wie heutzutage (Liebe, Pubertät,
Ablösung vom Elternhaus und die Frage wie will ich leben?), allerdings hat sich
die Form geändert.
Ich
finde den Text an sich gut, aber er ist schwer verständlich und musste mehr als
einmal durchgelesen werden. Der Autor schreibt die Geschichte in klaren und
einfachen Sätzen die aber dennoch doppeldeutig sind und viel Raum für
Interpretationen und Fantasie lassen.