Wirkungsweisen des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“ in der
kommunalen Kulturpolitik des Bezirks Berlin-Neukölln am Beispiel des Projekts
„KreativNetz NeuKölln“ (KNNK)
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung 2
2.
Das Programm „Soziale Stadt“ 2
2.1. Entwicklung 2
2.2. Ziele 3
2.3. Basisinstrument:
Integrierte Entwicklungskonzepte 4
2.4.
Quartiermanagement 5
2.5. Partnerprogramm
BIWAQ 6
3.
Das Projekt „KNNK“ 7
3.1. Die Initiatoren 7
3.2. Ziele des Projekts 8
3.3. Problemstellung 8
3.4. Maßnahmen 9
3.5. Bewertung 11
4.
Schlussbemerkungen 12
5.
Literaturverzeichnis 13
6.
Anhang 14
1. Einleitung
Das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf –
Soziale Stadt“ (kurz: „Soziale Stadt“) ist ein Städtebauförderungsprogramm des
Bundes und der Länder. Als wichtiger Bestandteil der nationalen
Stadtentwicklungspolitik richtet es seine Aufmerksamkeit auf städtebaulich,
wirtschaftlich und sozial benachteiligte Quartiere. Ein zentrales
Schlüsselinstrument ist hierbei das Quartiermanagement. Hintergrund dafür ist
eine gebietsbezogene Umsetzung der Ziele des Programms „Soziale Stadt“
innerhalb der benachteiligten Bezirke mit starker Orientierung an den
ortsüblichen Problemen. Doch nicht alle Fördermaßnahmen, die dem Instrument
Quartiermanagement zur Verfügung stehen, sind ausreichend, um die Zielsetzungen
der Handlungsfelder des Programms nachhaltig umzusetzen. Daher ist die „Soziale
Stadt“ darauf ausgelegt, weitere Fördermittel aus verschiedenen Ressorts
miteinzubeziehen. Ein Partnerprogramm ist dabei das Programm „Bildung,
Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ (BIWAQ), das aus dem Europäischen Sozialfonds
finanziert wird. Aus diesem Partnerprogramm speist sich auch das Projekt
„KreativNetz NeuKölln“ (KNNK), welches von dem Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung
„Coopolis“ ins Leben gerufen wurde. Ziel des Projekts ist es kooperative
Wertschöpfungsketten und kollaboratives Arbeiten zu fördern, Unternehmen zu
stabilisieren und in Neukölln zu verwurzeln sowie die gemeinsame
Außendarstellung des Bezirks zu erleichtern und ein positives Image
herzustellen. In meiner Arbeit möchte ich das Programm „Soziale Stadt“
vorstellen und seine Wirkungsweise an Hand des Beispiels vom „KNNK“ darstellen,
um zu bewerten, welche Ziele des Programms „Soziale Stadt“ hier im Rahmen von
Quartiermanagement und BIWAQ umgesetzt werden.
2. Das Programm „Soziale
Stadt“
2.1. Entwicklung
In der traditionellen
Städtebauförderung dominieren bauliche und investive Maßnahmen. Durch den
ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturwandel ist jedoch die soziale
Ungleichheit in den Städten gewachsen. Nach und nach sind Stadtteile
entstanden, in denen sich negative Entwicklungen verdichten. In den letzten 20
Jahren ist daher die Erkenntnis gewachsen, dass die komplexen Probleme in
benachteiligten Quartieren neuer Lösungsansätze bedürfen. Auf Basis der
Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(SPD) und Bündnis 90/Die Grünen wurde daher im September 1999 das
Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die
Soziale Stadt“ (kurz: Soziale Stadt) als Ergänzung zur traditionellen
Städtebauförderung beschlossen. Dies geschah als Weiterentwicklung der am 09.
November 1996 auf der Ministerkonferenz der ARGEBAU (Arbeitsgemeinschaft der
für das Bauen und Wohnen zuständigen Minister und Senatoren der Länder)
beschlossenen Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ (vgl. DiFU, 2003 S. 9f).
Im Jahr 1999 startete die
„Soziale Stadt“ mit 161 Stadtteilen in 124 Gemeinden. Bis zum Jahr 2007 haben
sich diese Zahlen mit 498 Gebieten in 318 Gemeinden mehr als verdoppelt (vgl.
Abbildung 1). Schließlich untermauern die Ergebnisse der Untersuchung „Städtebaulicher
Investitions- und Förderbedarf 2007 bis 2013 in Deutschland“ diesen Trend: Sie
zeigen unter anderem, „dass die Stärkung von Innenstädten und Ortsteilzentren
und die soziale Stadtteilentwicklung“ aus Sicht der Kommunen „die wichtigsten
Handlungsfelder der Städtebauförderung in den vergangenen Jahren waren“ (BBR
2007: 3 ff.) und auch zukünftig bleiben werden. Dies erklärt sich auch, wenn
man die Ziele des Programms betrachtet.
2.2. Ziele
Es ist zu beobachten, das
Städte zunehmend in Quartiere zerfallen, „in denen einkommensschwache und in
schwieriger sozialer Situation lebende Haushalte konzentriert sind, und in
privilegierte Stadtteile“ (DIfU, 2003 S. 10). Grund dafür sind vor allem
wirtschaftliche und politische Restrukturierungsprozesse, die – stark verkürzt
– mit den Stichworten Globalisierung, Deindustrialisierung, Bedeutungszunahme
von Informationstechnik und wissensbasierten Dienstleistungsbranchen sowie
Deregulierung umrissen werden können. Zu den Folgen dieses Strukturwandels
gehören unter anderem verstärkte Spaltungstendenzen der Gesellschaft in Bezug
auf Arbeitsmarktzugang und Beschäftigung, Einkommen, Konsummuster und
Lebensstile (vgl. Franke/Löhr/Sander 2000: 244 ff.).
Die ablaufenden Prozesse,
die eine räumliche Spaltung bewirken, verstärken sich selbst. Es entsteht also
eine Abwärtsspirale, die nur durch ein gezieltes Eingreifen zu stoppen ist.
Dies ist das Hauptziel des Programms „Soziale Stadt“: „Insgesamt geht es darum,
mit dem Programm die physischen Wohn- und Lebensbedingungen (überwiegend durch
baulich-investive Maßnahmen und Projekte), die individuellen Lebenschancen
(durch Vermittlung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen, Eröffnung von
Zugangsmöglichkeiten in den Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie Hilfen zur
Selbsthilfe) sowie Gebietsimage, Stadtteilöffentlichkeit und Identifikation mit
den Quartieren (auf Basis konkreter Stabilisierungs- und
Revitalisierungsmaßnahmen) zu verbessern“ (DifU, 2003 S. 12).
Konkrete Ziele werden im
„Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“
ausgeführt. Hier heißt es: „Die Gemeinschaftsinitiative „Soziale
Stadt" erhebt den Anspruch, Quartierentwicklungsprozesse in Gang zu
setzen, welche die sozialen Problemgebiete zu selbständig lebensfähigen
Stadtteilen mit positiver Zukunftsperspektive machen sollen“ (vgl.
2011). Unter anderem wird darin auf „typische Maßnahmen“
beispielsweise in den Bereichen Bürgerbeteiligung, Soziale Integration, Lokale
Wirtschaft, Kultur und Freizeit, Bildung, Gesundheit und Wohnen eingegangen.
Vorschläge für die Programmumsetzung auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene
sind ebenso enthalten wie allgemeine Finanzierungsgrundsätze. Eine Liste der
konkreten Ziele eingeordnet in die jeweiligen Themengebiete findet sich im Anhang
(siehe Abbildung 2). Um bewerten zu können, inwiefern diese Ziele verfolgt
werden und welche Projekte förderfähig sind, haben die einzelnen Träger sich
dem Basisinstrument „integriertes Entwicklungskonzept“ zu bedienen.
2.3. Basisinstrument:
Integrierte Entwicklungskonzepte
Eine große Spannbreite an
Handlungsfeldern im städtebaulichen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen
und ökologischen Bereich, sowie eine Vielzahl von Akteuren der Sozialen Stadt
als unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten verlangen nach einem
integrierenden Vorgehen der Programmumsetzung. Grundlage dafür sind Integrierte
Entwicklungskonzepte, in denen die Probleme und Potenziale in den Stadtteilen
identifiziert, Ziele, Maßnahmen und Projekte zur Problemlösung formuliert, Organisations-
und Managementstrukturen sowie Verfahren zur Umsetzung, Fortschreibung und zum
Controlling aufgezeigt werden. Somit dienen sie als Orientierungsrahmen und
strategisches Instrument für die Programmumsetzung. Integrierte
Entwicklungskonzepte sollten das Ergebnis beteiligungsintensiver Prozesse und
offen für Veränderungen sein (vgl. Difu 2003: S. 75). Für die Ausarbeitung und
Umsetzung dieser Konzepte wird von den Ländern die Einrichtung eines
Stadtteilbüros, dem sogenannten Quartiermanagement, angeregt (vgl. ARGEBAU,
2000 Kapitel 3 und 4).
2.4. Quartiermanagement
Die Ziele und Maßnahmen des
Programms „Soziale Stadt“ sind komplex und gleichzeitig gebietsbezogen. Ein
Anforderungsprofil für ein derart komplexes Gebietsmanagement ist vom Institut
für Stadtteilbezogene Soziale Arbeit und Beratung (ISSAB) gemeinsam mit dem
Difu erarbeitet und in seiner Gesamtheit als „Quartiermanagement“ bezeichnet
worden (vgl. Franke/Grimm 2002). Danach kann Quartiermanagement als
strategischer Ansatz zum systematischen Aufbau von selbst tragenden sowie
nachhaltig wirksamen personellen und materiellen Strukturen im und für das
Quartier verstanden werden. Dazu gehören der gezielte Einsatz kommunaler
Ressourcen, die Einbettung des gebietsbezogenen Prozesses in eine gesamtstädtische
Entwicklungspolitik, Handlungsfeld- und Ebenenübergreifende Arbeitsweisen sowie
Aktivierung und Beteiligung lokaler Akteure. Vorgeschlagen wird, auf der
Verwaltungsebene eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten und hier
auch einen Gebietsbeauftragten zu nominieren. Es soll auf der Quartierebene ein
Vor-Ort-Büro eingerichtet werden, das unter anderem für Netzwerkarbeit und die
Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren zuständig sein soll.
Die Einrichtung eines
Quartiermanagement findet unter anderem in den Richtlinien des Landes Berlin
besondere Beachtung:
„Zur Realisierung der
Zielsetzungen auf der lokalen Ebene ist ein Quartiermanagement einzusetzen, das
den Prozess der Quartierentwicklung initiiert und koordiniert. Zu seinen
Aufgaben gehören Stadtteilkoordination, Bewohneraktivierung, Projektinitiierung
sowie Mitwirkung an der Erfolgskontrolle. Als Bestandteile der
Organisationsstruktur auf Quartierebene sind ein Quartierforum für in erster
Linie lokale Akteure vorgesehen sowie eine Koordinierungsrunde zur Abstimmung
zwischen Trägern, Bewohnerinitiativen, Vertretern des jeweiligen Bezirksamtes
und - bei Bedarf - einzelner Senatsverwaltungen einzurichten. Zur
Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der integrierten Stadtteilverfahren – Quartiermanagement
– ist die übergreifende Zusammenarbeit auf und zwischen den jeweiligen
Verwaltungsressorts und -ebenen sicherzustellen. Auf Ebene der
Bezirksverwaltungen sollen ein bezirklicher Quartierkoordinator nominiert sowie
eine ressort- und ämterübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet werden.
Außerdem ist auf Senatsebene eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zu bilden“
(DifU, 2003 S. 173). Siehe dazu auch Abbildung 3.
Um derartig komplexe Systeme
und Strukturen in den Gebieten der „Sozialen Stadt“ zu implementieren, reichen
die Fördermittel, die dem Programm zur Verfügung stehen nicht immer aus. Daher
kommen hier unter anderem weitere Mittel der EU zum Einsatz. Ein wichtiges
Partnerprogramm ist dabei das ESF-Bundesprogramm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit
im Quartier“ (BIWAQ).
2.4. Partnerprogramm
"Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" (BIWAQ)
Mit dem ESF-Sonderprogramm
"Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" (BIWAQ) wird seit 2008 das
Ziel verfolgt, in Quartieren der „Sozialen Stadt“ Sozialraum orientierte
Arbeitsmarktförderung zu betreiben und gleichzeitig zivilgesellschaftliche
Strukturen sowie bürgerschaftliches Engagement in Städten und Gemeinden zu
stärken. Zielgruppe sind unter anderem Jugendliche, insbesondere auch
Migrantinnen und Migranten, die einen besseren Zugang zu Ausbildung und
Arbeitsmarkt erhalten sollen. Denn fehlende berufliche und gesellschaftliche
Perspektiven führen zu sozialer Ausgrenzung, die oft Ursache für
Fremdenfeindlichkeit ist. Weitere Schwerpunkte sind die Stärkung der lokalen
Ökonomie, auch zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze, und die Förderung des
Gemeinwesens in Städten und Gemeinden in ländlichen Gebieten (vgl. BMVBS,
2011).
„Neu im Rahmen der aktuellen
2. Förderrunde BIWAQ ist die Förderung von quartiersbezogener
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im gemeinnützigen Bereich als
eigenständiges Handlungsfeld Quartiersarbeit. Mit Quartiersarbeit soll
Langzeitarbeitslosen, die bis jetzt nicht in den allgemeinen Arbeitsmarkt
integriert werden konnten, eine neue Perspektive gegeben werden. Gleichzeitig
soll im Sinne eines integrierten Handelns Stadtentwicklungspolitik mit
städtebaulichen Investitionen und Arbeitsmarktpolitik vor Ort besser verzahnt
werden“ (BWVBS, 2011).
In diesem Programm wird auch
das Projekt „KreativNetz NeuKölln“ (KNNK) umgesetzt, das von dem Neuköllner
Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung „Coopolis“ im Rahmen des
Programms „Soziale Stadt“ initiiert wurde.
3. Das Projekt „KreativNetz
NeuKölln“ (KNNK)
3.1. Die Initiatoren
Initiator des Projekts
„KNNK“ ist „Coopolis“, ein Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung, das
in den Arbeitsfeldern Netzwerkmanagement, Leerstandmanagement,
Bewusstseinsbildung und Forschung/Diskurs tätig ist. Das Unternehmen wurde 2005
unter der Firmierung „zwischen | nutzungs | agentur“ von Stefanie Raab
(Dipl.-Ing. Architektur und Moderatorin) und Maria Richarz (Dipl.–Ing.
Stadtplanung, Dipl.-Ing. Landschaftsplanung, Coach, Videodesignerin) gegründet.
Der Fokus lag zunächst auf dem Arbeitsfeld Leerstandmanagement. Im Kontext der
Vermittlung von Räumen in Kooperation mit den jeweiligen Quartiermanagements
wurden besonders die Grundsätze von Partizipation in der Stadtplanung
berücksichtigt. Zwischen April 2005 und Ende 2007 betrieb die „zwischen |
nutzungs | agentur“ beispielsweise im Neuköllner „Reuterquartier“ ein
Gewerbeleerstandmanagement mit der Strategie der "Zwischennutzung".
Als Ergebnis dieser Arbeit wurde in über 56 Läden und Fabriketagen wieder
gearbeitet. Über 200 Arbeitsplätze konnten im Quartier neu entstehen und die
Angebotsvielfalt und Lebensqualität im Quartier somit wieder bereichert werden.
Vorwiegend kamen die neuen Angebote aus kulturwirtschaftlichen und sozialen
Bereichen. Vielfach werden seitdem innovative Dienstleistungen aus den Branchen
Medien und Kommunikation, Mode und Design, IT-Wirtschaft, Gesundheit, Kinder-
und Jugendarbeit sowie Beratung angeboten. Wesentliches Element der Strategie
war die Beratung und Vernetzung von Eigentümern und Nutzern zu neuen
Partnerschaften. Dabei wurden neue Möglichkeiten von flexiblen, individuellen
Mietverträgen zu lokal angepassten Gewerberaummieten erprobt. Das Projekt
konnte nur durch die enge Zusammenarbeit mit den Eigentümern, welche von
Gewerbeleerstandproblemen betroffen waren, ermöglicht werden. Im daran
anknüpfenden Pilotprojekt "Lokale Kooperationsnetze Eigentümer und Nutzer
stärken" unterstützte die „zwischen | nutzungs | agentur“ in Kooperation
mit dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein Berlin-Neukölln und der
Wirtschaftsförderung Berlin-Neukölln im Jahr 2008 eine Prozess orientierte
Weiterentwicklung der begonnenen Handlungsansätze, mit dem Ziel der
nachhaltigen Stabilisierung der Quartiersökonomie (Richarz, 2011). Das Projekt
wurde in den Jahren 2009 und 2010 im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“
weitergeführt. Durch die erfolgreichen Erfahrungen mit dem Ansatz der
Partizipation und Vernetzung von Akteuren entstand die Idee für ein Netzwerk im
Bereich der Kreativwirtschaft, das seit 2010 unter dem Namen KNNK entwickelt
wird.
3.2. Ziele
Das Ziel des Projektes KNNK ist die Bildung branchenspezifischer
Kooperationen und Netzwerke zur Stabilisierung der Einzelunternehmen und der
lokalen Struktur, die Bewerbung überregionaler Kunden und Märkte und die
Einbindung in überregionale Netzwerke in enger Zusammenarbeit mit den
Quartiermanagements (QMs) des Bezirks. Mit dem Ansatz „Netzwerkarbeit“ wird
eine nachhaltige und strukturelle Verbesserung der marktwirtschaftlichen
Chancen für die Einzelunternehmen geschaffen. So können langfristige
Entwicklungsmöglichkeiten für neue Betriebe im Bezirk entstehen. Laut der
Projektleiterin Judith Utz geht es hierbei besonders um die Stärkung und
Ansiedlungsoptimierung der lokalen Ökonomie, vorwiegend der in Neukölln jungen
Branchen der Kreativwirtschaft innerhalb des industriellen Sektors
Kulturwirtschaft, sowie um die Vernetzung der Akteure untereinander und zu
anderen Branchennetzwerken der Kulturwirtschaft wie zum Beispiel Mode und
nicht-industrielle Kulturwirtschaft. Ein wichtiges Ziel ist auch die
Identifikation und Herausbildung von Wertschöpfungsketten mit Unterstützung der
zugezogenen und neu gegründeten Unternehmen durch Beratungsangebote zur
Festigung der ökonomischen Basis. Langfristig sollen durch das Projekt
Ausbildungsplätze im Bezirk geschaffen und Kontakte zu neuen regionalen und
überregionalen Kunden und Netzwerken aufgebaut werden. Durch gezielte
öffentlichkeitswirksame Aktionen und Veranstaltungen wird so das Image das
Bezirks aufgewertet (vgl. Utz, 2011). Diese Ziele basieren auf einer
Problemstellung, die sich ganz konkret an der Situation des Stadtteils Neukölln
orientiert.
3.3. Problemstellung
Laut „Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2008“ ist Neukölln ein
Bezirk mit multidimensionaler Problemlage. Neukölln hat 305.230 Einwohner, 16,4
% davon sind unter 18 Jahre alt. Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2010 mit
21,2 % um 7 Prozentpunkte über dem Berliner Durchschnitt, hinzu kommen 21,5%
von nicht arbeitslosen Empfängern von Existenzsicherungsleistungen nach SGB II
und XII (vgl. 2011). Der statistisch ausgewiesene Anteil von
Mitbürgern nichtdeutscher Herkunft liegt zwischen ca. 32-38% aus 163 Nationen.
In den urban verdichteten Gründerzeitquartieren von Nord-Neukölln liegt das
Wanderungsvolumen bei 30,3%, ein Hinweis auf starke Segregationsprozesse (vgl. Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung Berlin, 2008 S. 53 f.). Diese gehen einher mit den
Spätfolgen der De-Industrialisierung und dem globalen ökonomischen
Strukturwandel. Für viele Bewohner entsteht so ein neuer Zusammenhang zwischen
eigener sozialer Lage und den Lebensbedingungen im Stadtteil Nord-Neukölln, der
besonders für die heranwachsende Generation ein entwicklungshemmender Faktor
ist. In den Quartiermanagement-Gebieten (siehe auch Kapitel 2.4) liegt ein
wichtiger Schwerpunkt daher auf der Erhöhung der Bildungschancen. Durch
laufende Ansiedlungs-Projekte der „zwischen | nutzungs | agentur“ konnten
bisher über 150 neue kleinere Unternehmen für Neukölln gewonnen werden, die dem
Bezirk eine neue Bedeutung als Wohn- und Wirtschaftsstandort für die
vielfältigen Branchen der Kulturwirtschaft verleihen und damit die
Lebensqualität in den Quartieren verbessern (vgl. Richarz 2011).
Der sich verschlechternde Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer und die
parallel dazu immer höher werdenden Berufsanforderungen erfordern neue Methoden
im Hinblick auf Vernetzung der Marktteilnehmer in einen funktional und sozial
heterogenen, urbanen Kontext. Die Dynamik der zunehmenden Globalisierung
verstärkt dabei sogar die Bedeutung der regionalen Standortfaktoren für den
wirtschaftlichen Erfolg. In gleichem Maße wie Absatzmärkte weltweit zusammen
schmelzen, gewinnen elementare Wettbewerbsfaktoren in Produktion und
Beschaffung (z.B. Wissen), deren Qualität nach wie vor den Bedingungen der
lokalen Infrastruktur unterworfen sind, an Bedeutung für den
Unternehmenserfolg. Um eine Infrastruktur bereit zu stellen, die diesen
Entwicklungen zukunftsweisend gerecht wird, soll durch die Verknüpfung von
Netzwerk- und Clusterförderung mit einer partizipativen Standortentwicklung die
lokale Entwicklung nachhaltig ausgerichtet werden. Das wirtschaftliche
Potenzial einer Region liegt zunehmend in den Händen und der Verantwortung der
lokalen Akteure, des lokal ansässigen Gewerbes, der im Umfeld befindlichen
Unternehmen, sowei Fachleuten aus der Planungspraxis, Forschungseinrichtungen
und im besonderen deren Kooperationsmöglichkeiten im Hinblick auf die
Realisierung langfristiger gemeinsamer Strategien (vgl. Richarz, 2011). Hieraus
lassen sich für das Projekt bestimmte Bedarfe ableiten und entsprechende
Maßnahmen entwickeln.
3.4. Maßnahmen
In Nord-Neukölln wurden durch die Leerstandmanagement-Projekte in
fünf Quartiermanagement-Gebieten circa 150 Betriebe aus vorwiegend neuen
Branchen angesiedelt. Damit dieses Human- und Kreativpotenzial für die
einzelnen Akteure und den Bezirk zu einer wettbewerbsfähigen und innovativen
Wirtschaftskultur zusammen wächst, bedarf es der Vernetzung und Bildung von
Standort-Bündnissen für unterschiedliche Teil-Branchen. Dies geschieht durch
fachspezifische Workshops, Beratung und Coaching zur Stabilisierung der
Unternehmen, Vernetzung mit weiteren Netzwerken der Kulturwirtschaft und
Salon-Messen zur Aktivierung neuer Kunden. In vielen dieser Berufe und
Aufgabengebiete besteht die fachliche Kompetenz zunehmend auch aus sozialem und
kulturellem Kapital. Vor diesem Hintergrund gewinnt für viele dieser
Tätigkeitsgruppen der Begriff der “Lokalität“ an grundlegend neuer Bedeutung.
“Standortgebundenes Wissen“ ist eine Wettbewerbschance und ein
Innovationsmotor, es soll akkumuliert und publik gemacht werden. Publikationen
und die Verbreitung der projektrelevanten Inhalte erfolgen über Buch, Internet,
Flyer, Videoporträts (vgl. Utz, 2011).
Mehrere Bereiche bilden die Kernelemente einer ganzheitlichen
Strategie, die mittel- und langfristig die Verbesserung der wirtschaftlichen,
sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen im Neuköllner Norden gewährleisten
soll:
-
Unterstützung
und Bildung von sich selbst tragenden Netzwerken, Bündnissen und Kooperationen
-
Optimierung
lokaler Wertschöpfungsketten sowie der Kooperationsmöglichkeiten und
Marktchancen der Unternehmen
-
Entwicklung
interkultureller Kompetenzen
-
kooperative
nachhaltige Qualifizierung von Standort und Image
Konkrete Maßnahmen hierbei sind:
1.
Bestandsanalyse
Hier werden zunächst die Bedarfe in den Branchen/Netzwerken
lokalisiert.
2.
Vernetzungsrunden
und fachspezifische Workshops
Die Themen gehen auf die konkreten Fragestellungen der Unternehmen
vor Ort ein und stärken den Prozess der Vernetzung. So sollen
Wertschöpfungsketten aktiviert und verfeinert werden und Möglichkeiten der
gemeinsame Akquise und Produktionen geschaffen werden. Es geht verstärkt darum,
eine Standortidentität zu entwickeln, gemeinsame Vertriebs- und Beschaffungsformen
zu entwickeln und Möglichkeiten zur Verbundausbildung zu erarbeiten.
3.
Stabilisierung
der Unternehmen im Quartier
Beratung und Coaching für einzelne Unternehmen: Analyse der
aktuellen Situation, Erarbeitung von Business-Plänen, insbesondere strategische
Ausrichtung, Finanzplanung und Personalentwicklung sowie Marketingaktivitäten.
4.
„Salon-Messen“
Netzwerktreffen zum Kennenlernen und Vernetzung mit
Großunternehmen der Region.
5.
Strukturvernetzung
Workshops und Vernetzungstreffen mit Verwaltungsexperten aus den
Bereichen Planung, Kultur und Wirtschaft, Schlüsselakteuren und weiteren
Netzwerken der Kulturwirtschaft (vgl. Utz, 2011).
Vergleicht man die Ziele des Programms „Soziale Stadt“ (siehe
Kapitel 2.2 sowie im Anhang Abbildung 2) mit den Maßnahmen des Projekts „KNNK“,
lässt sich feststellen, inwiefern die Programmgrundlagen der Sozialen Stadt
durch die Maßnahmen des KNNK in Neukölln wirken.
3.5. Bewertung
Die Maßnahmen des Projekts KNNK beziehen sich bei Betrachtung des „Leitfadens
zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt“ besonders auf den
Bereich „lokale Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung“. Durch das Angebot von
fachspezifischen Workshops und Netzwerktreffen wird die lokale Wirtschaft
gestärkt. Direkte Beratungs- und Coaching Maßnahmen besonders im Bereich
Business-Plan tragen zur Schaffung und Sicherung von örtlichen Arbeitsplätzen
und Beschäftigungsangeboten bei. Im Bereich „Bürgermitwirkung, Stadtteilleben“
greift das Projekt, indem es eng mit den Quartiermanagements des Bezirks
zusammenarbeitet und Ziele aus den stadtteilspezifischen integrierten
Entwicklungskonzepten aufgreift. So werden an dieser Stelle auch örtliche
Potentiale aktiviert, sowie ein Bürgerbewusstsein für den Stadtteil einwickelt.
Die „Soziale, kulturelle, bildungs- und freizeitbezogene Infrastruktur“ wird
durch das Projekt unterstützt, indem sich das KNNK auf kultur- und
kreativwirtschaftliche Aspekte konzentriert, die zur Stärkung von
stadtteilkulturellen Projekten führen und so den sozialen und kulturellen
Austausch innerhalb des Bezirks fördern. Die Bereiche „Quartierzentren“,
„Wohnen“ sowie „Wohnumfeld und Ökologie“ unterstützt das Projekt hingegen nur
indirekt (vgl. ARGEBAU 2000, sowie Abbildung 2).
Dieser offensichtliche Schwerpunkt des KNNK macht noch einmal die
explizite Förderfähigkeit durch das Partnerprogramm der Sozialen Stadt "Bildung, Wirtschaft,
Arbeit im Quartier" (BIWAQ) deutlich, dessen Zielsetzung schwerpunktmäßig
in der Arbeitsmarktförderung in den Quartieren der Sozialen Stadt besteht
(siehe Kapitel 2.4).
4. Schlußbemerkungen
Die politischen Vorgaben und
Förderprogramme von EU, Bund und Ländern sowie deren Umsetzung auf der Ebene
der kommunalen Politik ist ein spannendes und komplexes Feld. Leider reicht der
Rahmen dieser Arbeit nicht aus, um die Mechanismen und Hintergründe
ausschöpfend darzustellen. Zum einen wäre es interessant die Synergie von
EU-Förderungen und Bund-Länder-Programmen sowie das dazugehörige politischen
Funktionensystem genauer zu betrachten. Zum anderen könnte ich mir vorstellen
nach Ablauf der ersten Phase des Projekts KNNK und dessen etwaiger
Fortschreibung die Wirkungen auf die Situation von Arbeitsmarkt und sozialem
Leben im Bezirk Neukölln in Hinblick auf die hier dargestellte Zielsetzung zu
evaluieren. Darüber hinaus wäre es interessant die in Kapitel 2.2 genannten
Faktoren, die zu den problematischen Entwicklungen im Berliner Bezirk Neukölln
aber auch in anderen Bezirken und Städten geführt haben und mit denen die
Stadtentwicklungspolitik heute konfrontiert ist, näher zu untersuchen.
5. Literaturverzeichnis
ARGEBAU, Ausschuss
für Bauwesen und Städtebau und Ausschuss für Wohnungswesen, Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative
„Soziale Stadt“, Zweite Fassung, Stand 1. März 2000, abgedruckt in: Deutsches
Institut für Urbanistik (Hrsg.), Programmgrundlagen, Berlin 2000
(Arbeitspapiere zum Programm Soziale
Stadt, Bd.3).
Der Regierende Bürgermeister
von Berlin, Senatskanzlei, Landesredaktion Berlin.de (
und Stand
03/2011
BBR - Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung:
Städtebaulicher
Investitions- und Förderbedarf 2007 bis 2013 in Deutschland, Berlin 2007
BMVBS –
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: BIWAQ: Bildung,
Wirtschaft, Arbeit im Quartier ( ), (Stand: 03/2011)
DifU – Deutsches Institut für Urbanistik:
Strategien für die Soziale Stadt, Berlin 2003
Franke,
Thomas, Rolf-Peter Löhr und Robert Sander: Soziale Stadt – Stadterneuerungspolitik als Stadtpolitikerneuerung. In: Archiv für Kommunalwissenschaften. II.
Halbjahresband S. 243–268, Berlin 2000
Franke, Thomas, und Gaby Grimm (2000): Quartiermanagement: Systematisierung und Begriffs-
bestimmung. In: Bertelsmann Stiftung,
Hans-Böckler-Stiftung, KGSt (Hrsg.): Quartierma-
nagement – Ein strategischer
Stadt(teil)entwicklungsansatz. Organisationsmodell und Praxisbei-
spiele, S. 5–12. ver 2002
Richarz, M. Dipl.-Ing.
Stadtplanung, Dipl.-Ing. Landschaftsplanung, Gründerin
„Coopolis - Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung“,
Experteninterview 10.03.2011
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin:
Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin, Bearbeitung: Prof. Dr. Hartmut
Häussermann, Dipl. Soz.Wiss. Daniel Förste, Dipl. Geogr. Jan Dohnke,
Dipl.-Vwl. Patrick Hausmann. Berlin 2008
im Auftrag des BMVBS –
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
(
3_argebau.phtml), Kapitel 3, (Stand 03/2011)
Utz, J. Dipl.-Geographie, Projektleiterin „KreativNetz
Neuköllln“ KNNK, Experteninterview 15.03.2011
6. Anhang
Abbildung 1: Gemeinden im Programm Soziale Stadt (2007)
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Bonn
2010
Abbildung 2:
Ziele und
Maßnahmen für die Entwicklung der Quartiere
Bürgermitwirkung,
Stadtteilleben
Ziele
·
Aktivierung
örtlicher Potenziale, Hilfe zur Selbsthilfe
·
Entwicklung
von Bürgerbewusstsein für den Stadtteil,
·
Schaffung
selbsttragender Bewohnerorganisationen und stabiler nachbarschaftlicher
sozialer Netze
Lokale
Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung
Ziele
·
Stärkung der
lokalen Wirtschaft,
·
Schaffung
und Sicherung von örtlichen Arbeitsplätzen und Beschäftigungsangeboten,
·
Qualifizierung
der Arbeitsuchenden.
Quartierzentren
Ziele:
·
Stärkung der
Nahversorgung,
·
Herausbildung
der Zentren als Kristallisationspunkte für das städtische Leben.
Soziale,
kulturelle, bildungs- und freizeitbezogene Infrastruktur
Ziel:
·
Verbesserung
des Infrastrukturangebotes im Interesse des sozialen Ausgleichs.
Wohnen
Ziele:
·
Verbesserung
des Wohnwertes der Wohnungen, Modernisierung, Instandsetzung, Umbau und
ergänzender Neubau,
·
Sicherung
preiswerten Wohnraums, (einschließlich von Belegungsrechten für Haushalte, die
sich nicht selbst auf dem Wohnungsmarkt versorgen können)
·
Schutz der
Bewohner vor Verdrängung
·
Erhalt (bzw.
Wiederherstellung) gemischter Bewohnerstrukturen
·
Unterstützung
aktiver Nachbarschaften
·
Stärkung der
Identifikation der Mieter mit Wohnung und Wohnumfeld
Wohnumfeld und
Ökologie
Ziele:
·
Verbesserung
des Wohnwertes durch Aufwertung des Wohnumfeldes,
·
bessere
Nutzung und bessere Gestaltung von Freiflächen,
·
mehr
Sicherheit und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum,
·
bewusstere
Berücksichtigung ökologischer Erfordernisse.
Quelle: Bauministerkonferenz 2005 (ehemals ARGEBAU):
„Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt“
Abbildung 3: Aufgabenbereiche und Organisation von
Quartiermanagement
Quelle: Franke/Grimm, Quartiermanagement, S. 5