Wintersporttourismus
in den Alpen
Exkursionsbegleitende
Theoriearbeit:
Fachbereich
14 - Geowissenschaften
Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
Exkursion:
Schweizer Alpen
WS
2005/06
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
2. Von
den geschichtlichen Grundlagen 1
bis
zum Sporttourismus
2.1 Geschichte
des Tourismus1
2.2 Vom
Alpinismus zum Wintersport
2.3 Sport
und Tourismus oder Sporttourismus?
3. Die
Bedeutung des Wintersporttourismus für die Alpen
4. Abschlussbemerkung
5. Quellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung
1: Tourismusarten und ihre Entwicklung 2
Abbildung
2: Beziehungsverhältnisse von Sport und 5
Tourismus in der Literatur
Abbildung 3: Spezifik des Sporttourismus 8
1. Einleitung
Diese
Arbeit befasst sich mit dem Wintersporttourismus in den Alpen. Zum einen steht
dabei die Bedeutung des Wintersports auf den Tourismus und zum anderen stehen
die Gefahren, die der moderne Wintersporttourismus für die Alpen mitbringt. Die
Gefahren für die Natur können im dieser Arbeit leider nicht tiefer thematisiert
werden. Dafür ist der Umfang mit sieben bis zehn Seiten zu kurz.
Ich
selber bin leidenschaftlicher Wintersportler und arbeite in den
Wintersemesterferien als Snowboardlehrer. Dabei habe ich das Snowboard fahren
in einem kleinen Skigebiet in Kärnten gelernt. Ungefähr zehn Jahre bin ich
ausschließlich in dieses Skigebiet gefahren. Der Tourismus dort war durch Pensionen
und kleine Ferienwohnungen der Bauern geprägt. Im Rahmen meiner Tätigkeit als
Snowboardlehrer, bin ich in den letzten Jahren in die großen Skiarenen der
Alpen gefahren. Der Unterschied zwischen diesen touristischen Monokulturen und
dem Idyll des kleinen Skigebiets war enorm. Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte
ich daher genauer auf die monofunktionale Ausrichtung von Wintersportgebieten
auf den Tourismus eingehen.
Zunächst
werde ich noch auf die geschichtliche Entwicklung des Tourismus und des
Wintersports eingehen. Zudem wird eine nähere Betrachtung des Begriffs
Sporttourismus vorgenommen und versucht die Komplexität dieses Themas zu
erfassen.
2.
Von den geschichtlichen Grundlagen bis zum Sporttourismus
Bevor
eine nähere Betrachtung des Wintersporttourismus mit seiner Bedeutung und den Gefahren
für die Alpen vorgenommen werden kann, ist es von Vorteil zunächst einige
theoretische Grundlagen zu klären. So werden in diesem Kapitel erst einmal die
geschichtliche Entwicklung des Tourismus und die Entwicklung vom Alpinismus zum
Wintersport thematisiert. Als weiterer wesentlicher Punkt, wird der Begriff
Sporttourismus genauer unter die Lupe genommen. Was ist darunter zu verstehen
und wie kann er gegenüber den Teilbereichen Sport und Tourismus abgegrenzt
werden?
2.1
Geschichte des Tourismus
Erste
Erscheinungen von Tourismus bzw. Reiseaktivitäten zeigten sich bereits in der
Antike. Dabei sind schon die Ägypter um 1500 v. Chr. aus Gründen der Bildung, des
Vergnügens und zu Pilgerzwecken gereist. Etwa 1000 Jahre später waren es dann vor
allem die Griechen, die auf Reisen gingen. Dabei standen vor allem Besuche von
Heiligtümern und den panhellenischen Agonen im Mittelpunkt. Erste Parallelen
zum modernen Tourismus traten bereits zur Zeit des Römischen Reiches im 1. und
2. Jahrhundert auf. Die Menschen, soweit sie dem Adel oder der bürgerlichen
Mittelschicht angehörten, brachen zu Erholungsreisen mit Kurcharakter,
Bildungsreisen und Vergnügungsreisen auf. Möglich wurde dies durch die
positiven Vorraussetzungen, die das Römische Reich schuf. Die damalige
Friedenssituation, die einheitliche Währung und Sprache sowie die
wirtschaftliche und kulturelle Einheit mit angrenzenden Ländern, ermöglichten
ein sicheres Reisen für alle, die es sich leisten konnten (vgl. ZIMMERS
1995, 9).
Wie
auch in anderen Bereichen, bedeutete das Mittelalter für das Reiseverhalten der
Menschen einen Rückschritt. Die Mobilität war deutlich eingeschränkt und Reisende
nahmen zudem große Gefahren auf sich. So waren es vor allem die Handelsrouten,
die von Kaufleuten und Händlern bereist wurden. Zimmers zu Folge, war Reisen im
Mittelalter in erster Linie zweckgebunden (1995, 17).
Nach
dem Mittelalter entstanden dann Tourismusarten, die sich von Adels- und
Gelehrtenreisen bis zum Massentourismus, von dem ab 1950 die Rede ist,
entwickelten (siehe dazu Abb. 1).
Tourismusart
|
Zeitraum
|
Hauptmotivation
|
Grand
Tour des europäischen Adels
|
15.
bis 17. Jhdt. bzw. 16. bis Anfang 18. Jhdt.
|
Bildungsreise,
später eher Vergnügungsreise
|
Gelehrtenreise
|
s.
o.
|
Informationsreise
für spätere Publikationen
|
Badereise
in Kurorte
|
Seit
17./18. Jhdt.
|
Erholung
und Vergnügen
|
Bildungsreise
|
Ca.
1770 bis 1830
|
Romantik
und Prestige
|
Alpinismus
|
16.
Jhdt., insbesondere ab Mitte des 18. Jhdt.
|
Erforschung,
dann Natursehnsucht
|
Badereise
ans Meer
|
Ab
17./18. Jhdt.
|
Romantik
und Prestige
|
Sommerfrische
|
Mitte
19. Jhdt.
|
Erholung
und Familienorientierung
|
Wandervogel
und Bündische Jugend
|
Ab
20. Jhdt.
|
Romantisierte
Fluchtbewegung
|
Arbeitertourismus/Die
Naturfreunde
|
Ende
19. Jhdt.
|
Regeneration,
soziales Wandern
|
Kraft
– durch – Freude – Reisen
|
Ab
1934
|
Erholung
zu Kriegszwecken
|
Beginn
des modernen Massentourismus ab 1950, insbesondere seit 1970er Jahren
|
Abb. 1: Tourismusarten und ihre Entwicklung
(Quelle: SCHWARK 2002, 14)
2.1
Vom Alpinismus zum Wintersport
Wie
aus Abbildung 1 hervorgeht, entstanden bereits im 16. Jahrhundert erste Formen
des Alpinismus. Dabei stand zunächst der Gedanke der Alpenerforschung im
Vordergrund. Dieser Erforschungsdrang wandelte sich ab Mitte des 19.
Jahrhunderts zunehmend zu einem Eroberungsdrang, der vor allem durch die
kolonialen Machtbestrebungen einzelner Nationen geprägt war. Vor allem die
Engländer sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Sie schufen im Rahmen ihrer
Eroberungsbemühungen erste Verbindungen zwischen Sport, dem Bergsteigen, und Tourismus,
der Reise zum Berg und das Verweilen vor Ort. Dies verwundert kaum, wenn man
bedenkt, dass der moderne Wettkampfsport im industriell geprägten England des
19. Jahrhunderts entstand. Diese Art des Alpinismus, in der es darum ging,
wettkampforientiert alpine Landschaften zu erobern, gilt als Vorläufer des
Tourismus der Neuzeit (vgl. AMSTÄDTER 1996 und NEUERBURG
2003, 30).
An
dieser Stelle ist der Funktionswandel des Bergsteigens zu nennen, indem die
Alpen nicht mehr als Hindernis, sondern zunehmend als natürliche Landschaft
gesehen wurden. Sind anfänglich die großen Gipfel der Ost- und Westalpen
bestiegen worden, um sie im Dienste der Wissenschaft zu erforschen, änderten
sich die Gründe für die Gipfelbesteigungen im Laufe der Zeit. Wie bereits erwähnt
entwickelte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Art des
Eroberungsbergsteigens. Hauptmotivation war dabei das Wahrnehmen der Natur als
Landschaft. Bergsteigen wurde nun „um seiner selbst willen“ betrieben und die
Aspekte Sport und Vergnügen rückten in den Vordergrund (vgl. AMSTÄDTER
1996,
33f).
Zum
Ende des 19. Jahrhunderts wurde dann, vor allem durch reiche Engländer, eine
neue touristische Entwicklung in den Alpen eingeleitet. Mit der Wahrnehmung der
Alpen als Natur mit reizvollen Landschaften, rückten diese als Kur-, Urlaubs-
und Wintersportorte in den Mittelpunkt des damaligen Tourismus. Zu jener Zeit
entstanden erste Tourismusformen, die dem Massentourismus ab den 50er Jahren
ähnelten. Dazu zählt auch der sog. „Belle-Epoque-Tourismus“, in dessen Phase
großzügige Palasthotels entstanden und in den entsprechenden Orten touristisch
orientierte Angebote geschaffen wurden. Zunächst konzentrierte sich diese Form
des Tourismus vor allem auf die Schweiz, wo bis zum Jahre 1900 bereits 26
Seilbahnen errichtet worden sind und in Davos 1936 der erste Bügelskilift in
Betrieb genommen wurde (vgl. GÜTHLER 2003). Diese
touristische Entwicklung zeigt, dass man zu damaligen Zeiten großen Wert auf
die Faszination der Natur und auf traditionelle Bewegungsarten setzte,
gleichzeitig aber auch neue Bewegungsformen kennen lernte, die aus reinem
Vergnügen betrieben wurden. So wurden beispielsweise die in Norwegen
entwickelten Vorläufer des modernen alpinen Skilaufens in den Alpen etabliert.
Durch die englische Kultur geprägt, bedeuteten Tourismus und Sport zunehmend
mehr als nur reine Reproduktion von Arbeitskraft. Vielmehr entstanden neue
sinnstiftende Formen der Weltaneignung und es erschlossen sich in diesem
Zusammenhang neue körperlich-sinnliche Erfahrungen (vgl. NEUERBURG
2003, 30f).
Die
Ausbreitung des entstandenen Skitourismus wurde zunächst durch die beiden
Weltkriege stark verzögert. Ab 1950 entstand dann endgültig der moderne
Massentourismus. Neuerburg spricht in diesem Zusammenhang von einer
eigentlichen Hochphase des organisierten Tourismus, die nach 1945 einsetzt und
bis in die 1970er reinreicht. In dieser Hochphase entwickelten sich zwei große
Tourismusbewegungen (2003, 31):
->
Eroberung der Mittelmeerstrände und -küsten Italiens, Spaniens und Frankreichs.
->
Erschließung der Alpen durch Gondeln, Sessellifte und Schlepper sowie
technische
Entwicklungen im Bereich der Skimaterialien, die auch Neulingen und
untrainierten
Urlaubern ein sportliches Erleben der Berge möglich machten.
Weitere
Gründe für das Entstehen des modernen Massentourismus im Winter, lagen vor
allem auch darin, dass sich immer mehr Menschen, durch die Zeit des
Wirtschaftswunders, Urlaub in den Alpen leisten konnten. Durch die oben bereits
erwähnten leistungsfähigeren Transportmittel am Berg, konnte dieses mehr an
Menschen schneller und bequemer transportiert werden und es entstanden die
nötigen Voraussetzungen, dass Skifahren zum Volkssport wurde.
Das
Wachstum, das die Branche in dieser Zeit erfuhr, wird deutlich, wenn man sich
die Entwicklung der Schweizer Skigebiete einmal genauer anschaut. So entstanden
zwischen 1955 und 1975 zwei Drittel der heute bestehenden Wintersportgebiete
(vgl. GÜTHLER 2003).
Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die Expansion der
skigebietszugehörigen Orte. Zum einen wurde viel Bauland für Ferien- bzw.
Zweitwohnungen, Hotels und andere Formen der Gästeunterbringung bereitgestellt,
und zum anderen entstanden in den französischen Alpen „Retortenskiorte“,
die quasi auf der grünen Wiese geplant und gebaut wurden. Eine genauere
Betrachtung der strukturellen Veränderungen einzelner Alpenregionen, würde den
Rahmen dieser Arbeit sprengen und wird daher nicht näher betrachtet (siehe dazu
BÄTZING
2002).
2.3 Sport und Tourismus oder
Sporttourismus?
Was
ist eigentlich Sporttourismus? Worin grenzt sich Sporttourismus gegenüber einer
Zusammensetzung der Teilbereiche Sport und Tourismus ab? Zur Beantwortung
dieser Frage, möchte ich auf Schwark verweisen, der drei Argumentationslinien
für die Begründung eines Sporttourismus näher betrachtet und kritisch beurteilt
(2002, 41). Demzufolge besagt die erste Argumentationslinie, dass moderner
Sport und Tourismus gemeinsam durch die gesellschaftliche Entwicklung der
Industrialisierung entstanden sind. In Verbindung mit den ähnlichen Motiven,
die zur praktischen Durchführung der beiden gesellschaftlichen Teil-bereiche führen,
begründet sich die Eigenständigkeit des Sporttourismus.
Die
zweite Argumentationslinie bezieht sich ebenfalls auf eine Zusammensetzung der
beiden gesellschaftlichen Teilbereiche Sport und Tourismus zu Sporttourismus.
Hier wird allerdings der Begriff der Freizeit als grundlegendes Kriterium für
eine Zusammenfassung genommen. So finden beide Teilbereiche in der Freizeit
statt, und dies allein liefert die Begründung für die Eigenständigkeit von
Sporttourismus.
Als
dritte Argumentationslinie wird die Begründung des Sporttourismus aus
phänomenologischer Sicht genannt. Konkret ausgeübte Sportpraktiken in den
(Urlaubs-) Orten sowie für Touristen konzipierte Sportangebote, stellen im
Rahmen dieser Argumentation die Grundlage für die Begründung eines Sporttourismus.
Bei
näherer Betrachtung vermag allerdings keine der genannten Argumentationslinien,
eine endgültige Begründung für die eigenständige Existenz von Sporttourismus zu
geben. Es bleibt offen, was Sporttourismus vom Alltagssport oder von anderen
Tourismusarten unterscheidet.
Um zunächst
eine erste Annäherung daran zu finden, ob Sporttourismus tatsächlich
eigenständig bestehen kann, oder ob es sich lediglich um verschiedene
Kombinationen der Teilbereiche Sport und Tourismus handelt, werden die Publikationstitel
näher betrachtet, die zu diesem Thema in der Fachliteratur zu finden sind (vgl.
SCHWARK
2002,
43ff und siehe Abb. 2). Dabei ist festzustellen, dass zum einen Sport und
Tourismus gleichberechtigt nebeneinander stehen und zum anderen ein Schwerpunkt
des Teilbereichs Tourismus zu erkennen ist. Genauer bedeutet dies, dass
Tourismus den Bezugsrahmen stellt, indem Sport als kulturelle Praxis betrieben
wird. Gegenteilig fällt auf, dass nur eine Veröffentlichung einen Schwerpunkt
auf Sport als Bezugsrahmen legt. Es scheint also eher ungewöhnlich zu sein, dass
Beziehungen des Tourismus im Bezugsrahmen Sport thematisiert werden. Der
Begriff des Sporttourismus findet sich erst in den jüngeren Publikationen ab
1980 wieder.
Sport
& Tourismus
|
Sport
im Tourismus
|
Tourismus
im Sport
|
Sporttourismus
|
1960er Jahre
|
Sport
and Tourism (International Council of Sport and Physical Education, 1968)
|
|
|
|
1970er Jahre
|
Sport
und Fremdenver-kehr (Stoessel 1973)
|
|
|
|
Sport
und Urlaub (Dieckert 1974)
|
|
|
|
Fremdenverkehr
und Sport (Neumann 1976)
|
Sport
im Urlaub (Roth 1976)
|
|
|
|
Sport
in Freizeit und Urlaub (Hoffmann 1978)
|
|
|
1980er Jahre
|
Sport
und Urlaub (Kirsche 1981)
|
Sport
als Bildungs-urlaub (Duchrow; Lüddecke 1980)
|
|
Sporttourismus,
Sportreisen,
Sport im Urlaub ([Z] Hochschul-sport, 4/88)
|
Tourismus
und (Sport)-Animation (Knorr 1983)
|
|
|
Umweltfreundliches
Wandern. Die sanfte Alternative zum harten Sporttourismus (Neuerburg Wilken
1988)
|
Sport
lernen und Urlaub (Jost 1988)
|
|
|
Bewegungsraum
und Sporttourismus (Bökemann 1989)
|
1990er Jahre
|
Bildungsurlaub
und Sport (Peters 1992)
|
Sport
im Urlaub – leistungsorientiert versus elebnisorientiert (Kaschke 1991)
|
Bildungsurlaub
im Sport
(Schwark
1992)
|
[Z]
Journal of Sporttourism
(seit
1994)
|
Sport
und Bildungs-urlaub – dezentral. (Schwark; Magdziarz 1993)
|
Sport
im Urlaub – das kalkulierte Abenteuer (Neuerburg;
Wilken
1991)
|
|
Sporttourismus
(Dreyer; Krüger 1995)
|
Die
Entdeckung der Langsamkeit – Urlaub und Sport im Jahr 2014 (Wilken 1994)
|
Touristik:
Sport – Lebensweise – Lebenshaltung (Noack; Kirste 1992)
|
|
|
Sport
und Tourismus (Deutsches Seminar für Fremdenverkehr 1996)
|
Funktionen
und Bedeutung von Sport und Sportangeboten im Tourismus (Grobhäuser 1992)
|
|
Sport
und Tourismus, Sporttourismus, Tourismussport (Schoder 1998)
|
Sport
und Tourismus, Sporttourismus, Tourismussport (Schoder 1998)
|
Sport
im Urlaub (Wilken; Neuerburg 1993)
|
|
Sporttourism
(Standeven; de Knop 1999)
|
Abb. 2: Beziehungsverhältnisse von Sport und
Tourismus in der Literatur
(Quelle: SCHWARK 2002, 43)
Nachdem
nun ein erster Eindruck über die Entwicklung dieser Thematik entstanden ist,
betrachtet Schwark die verschiedenen Publikationen genauer. Dabei stehen die
verschiedenen Begriffsdefinitionen im Mittelpunkt und es wird versucht zu
differenzieren, um eine nähere Bestimmung von Sporttourismus möglich zu machen.
Es zeigt sich jedoch recht schnell, dass die verschiedenen Definitionen in den
Büchern kaum tiefer in die Materie eindringen und einer spezifischen Begründung
für Sporttourismus schuldig bleiben. Sporttourismus scheint in diesem
Zusammenhang keiner speziellen Definition zu benötigen und erklärt sich somit
durch sich selbst. „Demgegenüber besteht eher der Anschein, als ob Sporttreiben
innerhalb eines touristischen Zusammenhangs keiner näheren Begründung bedarf“
(SCHWARK 2002, 44). Dies
mag so lange zutreffen, bis durch die beliebige Nutzung des Begriffs, die
„selbsterklärende“ Bedeutung von Sporttourismus verloren geht. Spätestens dann
wird es nötig festzulegen, was Sporttourismus eigentlich darstellt und wie er von
den Teilbereichen Sport und Tourismus abgegrenzt werden kann.
Die
Definitionen aus den o. g. Publikationen sind zu oberflächlich, um eine klare
Bedeutung des Sporttourismus auszumachen. Das Hauptproblem in derzeitigen
Argumentationen zum Thema Sporttourismus, besteht darin, dass gesellschaftliche
Bedingungen, in Form von legitimen und illegitimen Funktionalisierungen, Überformungen
und Deformierungen als charakteristisch für Sporttourismus erachtet werden (vgl.
SCHWARK
2003, 17). Der Einbezug von Kriterien der Zeit, des Raums und des Umfangs sowie
der Intensität zur Bestimmung von Sporttourismus ist mit Vorsicht zu genießen. Versuche
der verschiedenen Autoren über die Entfernung zum Wohnort, oder die an
quantitativen Maßstäben festgemachten Verweildauer, Qualitätsmerkmale für die
Bestimmung von Sporttourismus zu entwickeln, helfen nicht wirklich weiter. Ein
Beispiel dafür ist die Reisegeschwindigkeit der heutigen Gesellschaft. An- und
Abreise werden zunehmend aus dem Kontext des Urlaubs gelöst. So ist man mehr
physisch als psychisch im Urlaubsort angekommen. Die Fähigkeit der
Raumaneignung ist dadurch stark beeinträchtigt (vgl. SCHWARK
2003, 18). Es stellt sich die Frage, in wie weit dann noch von Sporttourismus
gesprochen werden kann?
Die
bisherigen Ausführungen verdeutlichen die Komplexität dieses Themas und zeigen
auf, dass nicht die eine feste Definition von Sporttourismus existiert. Eine
andere Art der Bedeutungsfindung von Sporttourismus kann in Form von
mathematischen Sätzen geschehen. So versucht Schwark eine formale Bestimmung
von Sporttourismus (c) als eigenständiger Bereich, unter Berücksichtigung der
Teilbereiche Sport (a) und Tourismus (b) zu bilden:
„ 1.
c muss Teile von a beinhalten, die für a konstitutiver Bestandteil sind.
2. c
muss Teile von b beinhalten, die für b konstitutiver Bestandteil sind.
3.
Beide Sätze sind notwendige Bedingung für c, aber noch keine hinreichende
Bedingung.
4.
Die Teile von a und b, die für c gelten, dürfen sich nicht gegenseitig
ausschließen bzw. eliminieren.
5.
Durch die Verbindung von Teilen aus a und b sollen Teile entstehen, die diese
Teile von a und b zur Grundlage haben, aber auch als neue/andere Form/Qualität
durch die Verbindung entstehen.
6.
Dieser Satz, gilt in Verbindung mit den anderen Sätzen als hinreichende
Besingung für c.
7.
Über die Teile von a und b hinaus, die für c gelten, soll c grundlegend neue
Teile beinhalten, die in dieser Form weder in a noch in b vorfindbar sind und
auch nicht Teile von a oder b zur Voraussetzung haben.
8.
Dieser Satz soll für c über die hinreichende Bedingung hinaus zusätzlich
möglich sein“ (2002, 50).
Diese
Sätze zeigen, dass Sporttourismus kein wahlloses zusammengesetztes Produkt aus
den Teilbereichen Sport und Tourismus ist. Er beinhaltet Teile der beiden
Bereiche, die sich nebeneinander und in Verbindung mit dem Eigenständigen des
Sporttourismus, zu eben diesem zusammenschließen. Durch diesen Zusammenschluss
sind klare Grenzziehungen zwischen Sporttourismus und den anderen Disziplinen
gar nicht zu 100% möglich. Unter Berücksichtigung von hartem und sanftem
Tourismus, von denen seit Anfang der 1980er Jahre gesprochen wird und die
ökologisch und sozial-ethische Werte und Normen thematisieren, wird die
Diskussion um Sporttourismus um weitere qualitative Kriterien erweitert. Nun eröffnet
sich endgültig die Spannweite des Feldes Sporttourismus. Schwark unterscheidet dabei
zwischen „Sporttourismus im engeren Sinn“ und „Sporttourismus im weiteren Sinn“
(siehe dazu Abb. 3). Daneben führt er auch einen Bereich auf, der außerhalb der
Definition von Sporttourismus liegt.
Abb. 3: Spezifik des Sporttourismus
(Quelle: SCHWARK 2003, 24)
3. Bedeutung und Gefahren des Wintertourismus
für die Alpen
Sporttourismus
hat sich mittlerweile als Standortproduktion entwickelt (vgl. SCHWARK 2002,
62). Dabei dienen die Ausführungen von Bökemann, der diese Entwicklung am
Beispiel des Skisports aufzeigt, als Grundlage. Gebirgsregionen werden demnach
in sportliche Bewegungsräume und Sportmilieus umgewandelt. Diese Umwandlung
wird als Produktion verstanden und die Produkte werden auf internationalen
Märkten angeboten, bewertet und genutzt (vgl. BÖKEMANN 1989).
Des Weiteren wird auf den Warencharakter der Bergregionen eingegangen, welcher durch
das Eigentum an Grund und Boden entsteht. Als Folge entsteht daraus ein Verfügbarkeitsanspruch
über die Bergregion. Die Ware kann gekauft werden, und der Käufer erwirbt gleichzeitig
auch einen Nutzungsanspruch auf die entsprechende Ware. Sport wird zur
Dienstleistung und die jeweilige Sportart zur Konsumtechnologie. Damit formt
der Sporttourismus Landschaftsstrukturen nach eigenen ökonomischen Kriterien.
Sportliche
Aktivitäten erzeugen, vor allem im Kontext Urlaub, Umsatz und Wertschöpfung. Sporttouristen
möchten sportlichen Aktivitäten nachgehen und im Winter bedeutet dies in der
Regel, dass das Programm des Wintersportgebiets voll ausgenutzt wird. Auf diese
Weise werden in den Wintersportgebieten Arbeitsplätze geschaffen, die vor allem
im Dienst-leistungssektor liegen. So sind etwa 70 – 85% der Erwerbstätigen in
den Touristenorten im Dienstleistungssektor beschäftigt (vgl. BÄTZING
2002). Arbeitsplätze aus anderen Bereichen sind eher selten und meist in der
Landwirtschaft oder der Baubranche zu finden. Diese Branchen stehen in diesen Regionen
zudem in enger Verbindung zum Tourismus. Auf diese Weise richtet sich der
Wintersportort immer weiter monofunktional auf den Tourismus aus und macht sich
zunehmend davon abhängig, da neben dem Tourismus kaum noch andere
Wirtschaftsbranchen bestehen bleiben. Zum einen fließt in diese Orte eine Menge
Kapital von außen und es findet meist eine Entwicklung statt, die Wachstum und
Wirtschaftskraft bedeutet. Zum anderen besteht aber auch die Gefahr, dass solche
Orte unter einer Krise der Branche stark leiden würden. Dies zeigt sich, wenn
man sich die Entwicklung des Skitourismus in den letzten 20 Jahren genauer
anschaut. Der Boom des Skitourismus in den 70er Jahren führte dazu, dass sich
in den Alpen immer mehr Wintersportorte zu touristischen Monokulturen
entwickelten. Ein besonders deutliches Beispiel dafür, stellen die bereits
erwähnten Retortenskiorte der französischen Alpen dar (siehe 3.1). Diese mit
öffentlichen Geldern geförderten Tourismusorte sind in der Wintersaison voll
auf den Wintersporttouristen ausgerichtet. Hier findet man fast ausschließlich
Arbeitsplätze in der Tourismusbranche. Ein Ausbleiben von Gästen hat folglich
direkte Auswirkungen auf nahezu alle Beschäftigungs-bereiche in den solchen
Wintersportorten.
Erstaunlicher
Weise hat, trotz einer Stagnation im Tourismusbereich von Mitte der 80er bis Mitte/Ende
der 90er Jahre, die monofunktionale Ausrichtung der Wintersportregionen auf den
Tourismus weiter stattgefunden (vgl. BÄTZING 2002).
Einer der Hauptgründe dafür liegt darin, dass der Tourismusmarkt in den Alpen
stark umkämpft ist. Die meisten Urlaubsreisen der Europäer werden in der
Sommerzeit gemacht. Dazu kommt, dass preiswerte Pauschalangebote und Flugpreise
auch im Winter einen Urlaub im Süden ermöglichen. In der heutigen
Globalisierung müssen sich Wintersportregionen daher auf dem internationalen
Markt beweisen. Das bedeutet für die Wintersportregionen, sich für die
Kundschaft interessant zu präsentieren. Dazu gehören zunächst einmal ein
zeitgemäßes Marketing und Maßnahmen, die die Wintersportregion von anderen
abgrenzt. Wenn hier die Rede von Wintersportregion ist, so soll dies einen der
wichtigsten Trends im Wintertourismus aufzeigen. Dabei schließen sich mehrer Orte
zusammen und bilden eine „starke“ Dachmarke, die sich über einen
professionellen Markenauftritt von Mitbewerbern versucht abzuheben. Dazu
gehören verschiedene Maßnahmen, die im Folgendem kurz angeschnitten werden
sollen (vgl. dazu auch SAUSGRUBER und REIN
2003):
§ Ein entsprechender
Auftritt im Internet und die Möglichkeit, Urlaubsangebote spontan und einfach
über Internet zu buchen.
§ Schaffung
von Kundenzufriedenheit über Erlebnisse und Emotionen. Dies bedeutet, dass die
Wintersportorte ein vielfältiges Angebot an sportlichen Tätigkeiten und anderen
Freizeitangeboten schaffen. Dazu gehören organisierte Hüttenabende,
Nachtskifahren oder Schneeschuhwandern sowie andere Angebote, die
beispielsweise unter den neuen Trend von Wellness und Gesundheit fallen. Mit
solchen Angeboten wird versucht das Potential von Nicht-Skifahrern zu nutzen.
§ Polarisierung
im Angebot. Auf Grundlage einer sicheren emotionalen Gesamtsituation, sollte
den verschiedenen Nachfrageverhalten unterschiedlicher Gästegruppen entsprochen
werden. Dabei steht die Zielgruppenorientierung im Vordergrund. Spezialisiere
ich mich auf Familienurlaube oder aber auf günstige Pauschalangebote für
Gruppenreisen? Will ich, dass viele junge Leute auf meinen Pisten unterwegs
sind, muss zum Beispiel für ein entsprechendes Après-Ski
Angebot gesorgt sein und auf der Piste müssen Möglichkeiten zum Austoben
geschaffen werden. Da wären beispielsweise Fun-Parks und Halfpipes ein
entsprechendes Mittel. Mit solchen Maßnahmen ködert man zusätzlich die Anhänger
des Fun-Urlaubs, die zum Beispiel mit dem Snowboard oder Freeskiern das
Skigebiet erleben wollen.
§ Garantierung
von Schneesicherheit durch künstliche Beschneiung mit Schneekanonen.
§ Die
Möglichkeit an Ort und Stelle ohne großen Aufwand Equipment für die
entsprechenden sportlichen Tätigkeiten zu leihen.
§ Eine
destinationsweite Zusammenarbeit.
Der
letzte Punkt ist im Rahmen touristischer Entwicklungen in den Alpen besonders
hervorzuheben. Hier arbeiten Einzelinstitutionen, wie Gemeinden, Bergbahnen und
Tourismusverbände sowie andere Leistungsträger zusammen, um ein breites
Winterangebot anbieten zu können. Im Rahmen solcher Zusammenarbeit entstehen
die sog. Skiarenen, in denen Seilbahnbetreiber durch Fusionen und
Zusammenschlüsse zu einem Großkonzern vereint werden, der weit mehr als nur
Transportaufgaben übernimmt (vgl. SAUSGRUBER und
REIN
2003). So übernehmen solche Großkonzerne beispielsweise die Bereitstellung von
ausreichend großen Parkflächen, die Organisation eines Linienverkehrs per Bus,
der mit dem Skipass genutzt werden kann und sie ermöglichen das Ausleihen von
Ausrüstungsmaterialien. Diese Seilbahnkonzerne betreiben in den Skiarenen oft
mehrere 100 Kilometer an Pisten und sorgen für den entsprechenden Transport auf
den Berg. Dabei steht Fortschritt an erster Stelle. Immer schnellere und
größere Aufstiegsanlagen, mit höheren Transportkapazitäten werden dabei in den
Skigebieten eingesetzt. Unterstützt wird diese Entwicklung durch den erneuten
Aufwärtstrend im Skitourismus, der seit der Jahrtausendwende zu vermerken ist.
Dieser Aufwärtstrend ist vor allem auch durch die Erfindung neuer Sportgeräte
und den anhaltenden Aufwind der Snowboardindustrie begründet. Seit Carver und
Freeskier auf dem Markt sind, ist das Skifahren wieder in und ermöglicht neue
Erlebnisdimensionen auf den zwei Brettern, die die Skiwelt bedeuten.
Dass
mit der beschriebenen Entwicklung ein hohes Maß an Wirtschaftlichkeit
geschaffen wird, ist bereits angedeutet worden. Um die Abhängigkeit von
Wintersportorten zum Tourismus noch einmal zu verdeutlichen, möchte ich aber
noch eine Aussage aus der Einleitung der Bregenzerwald Studie wiedergeben. „Alle
Projekte bewirken Eingriffe in die Natur und die Landschaft und sind mit der
Ausweitung des Schiraumes in bisher noch nicht erschlossene Gebiete verbunden. Die
Realisierung erfordert daher ein sorgsames Vorgehen und allenfalls auch
angemessene ökologische Ausgleichsmaßnahmen. Den zu erwartenden Eingriffen in
die Natur stehen jedoch positive Effekte für den Tourismus und damit für einen
großen Teil der Wirtschaft im Bregenzerwald gegenüber. Zahlreiche Betriebe in
Handwerk, Gewerbe und Handel sind als Zulieferer eng mit dem Tourismus
verbunden. Dazu kommt, dass die Existenz mehrerer Gemeinden im Hinterwald vom
Tourismus bestimmt wird und insbesondere in den höher gelegenen Orten keine
wirtschaftlichen Alternativen zum Tourismus in Sicht sind“ (SAUSGRUBER
und
REIN
2003).
Dies
zeigt neben der Aussage der wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Tourismus, dass
Eingriffe in die Natur in Kauf genommen werden. Es ist zwar erkennbar, dass
durch ein Naturbewusstsein in unserer Gesellschaft, Maßnahmen zur Erhaltung
getroffen werden, aber die Wirtschaftlichkeit immer noch vor dem Naturaspekt
steht. Bestes Beispiel dafür sind wieder einmal die Retortenskiorte in
Frankreich.
Als
letzten Punkt in Sachen Bedeutung und Gefahren des Wintersporttourismus für die
Alpen, möchte ich den strukturellen Wandel im Tourismus anführen. Durch die
Schaffung von Skiarenen mit Seilbahnen als Großkonzernen, besteht die Gefahr,
dass sich in den Alpen eine Entwicklung einstellt, die der in Nordamerika ähnelt
(vgl. BÄTZING
2002). Demnach ist in Europa Platz für 80 große Skiarenen. Das würde für etwa
230 kleinere Skigebiete, in denen der Tourismus zum Teil nur ein Zweitverdienst
zur Landwirtschaft oder anderen Bereichen darstellt, bedeuten, dass sie
entweder auf eine rein regionale Bedeutung beschränkt werden, oder ganz von der
Bildfläche verschwinden. Eine solche Entwicklung würde das touristische Bild
der Alpen deutlich verändern und eine verstärkende Wirkung auf die Entwicklung
von Wintersportregionen zu touristischen Monokulturen haben.
4. Abschließende Bemerkung
Die
Entwicklung des Wintersporttourismus in den Alpen ist aus zweierlei Blickwinkeln
zu betrachten. So stehen zum einen das große Wirtschaftspotential, das sich vor
allem auf die großen Skiarenen der Alpen bezieht und zum anderen die
Abhängigkeit dieser Wintersport-regionen vom Tourismus. Dabei zeigt die
Entwicklung solcher touristischen Monokulturen, welchen Weg der
Wintersporttourismus eingeschlagen hat. Sporttourismus findet dabei im weiteren
Sinne statt (siehe Abb. 3).
Die
Problematik dieser Entwicklung besteht darin, dass sich das Alpenbild in den
Touristenregionen entsprechend verändert. Die ursprüngliche Alpenkultur mit
landwirtschaftlichem Schwerpunkt wird vom Tourismus verdrängt. Neben den sehr
kritisch zu betrachtenden Eingriffen in die Natur, bedeutet die monofunktionale
Ausrichtung ganzer Regionen auf den Tourismus, dass eine Krise der
Tourismusbranche schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für die abhängigen Orte,
Gemeinden und Regionen hätte.
So
bleibt festzuhalten, dass der Wintersporttourismus für die Alpen eine große
Chance bedeutet. Gleichzeitig aber durch die Abhängigkeit der
Tourismusregionen, auch eine beträchtliche Gefahr von ihm ausgeht, sobald er
kränkelt.
5. Quellen
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