Wilhelm Tell: Er ist der einzige
Charakter, der sich in diesem Werk aus der gewöhnlichen Gesellschaft
heraushebt. Er verkörpert den fast perfekten Schweizer, denn er hat alle guten
Eigenschaften die das Schweizervolk verkörpert. Sein wichtigstes Bestreben ist
ein Leben in persönlicher Freiheit ohne von irgendeiner Obrigkeit abhängig zu
sein oder einer dienen zu müssen.
Er ist ein sehr robuster, starker Mann, der den Gefahren der
Natur und des Lebens gewachsen ist. Im Umgang mit Menschen ist er sehr
verschlossen, weil er in der langen Zeit, die er in der freien Natur auf der
Lauer liegend zugebracht hat, keinen Menschenkontakt benötigte und sich nun an
die Einsamkeit gewöhnt hat. Aber in seinen Taten ist er sehr entschlossen und
verfolgt energisch seine Ziele.
Als er von Geßlers Söldner festgenommen werden soll, möchte
er auf das tobende Meer hinausfahren, um sich zu retten. Seine Landsleute raten
ihm davon ab, er aber erwidert nur:
Ich helfe mir schon
selbst. Geht, gute Leute!
Meint ihr, wenn ich die
Kraft gebrauchen wollte,
Ich würde mich vor
ihren Spießen fürchten ?
Tell ist das Idealbild
eines Mannes; für manche auch noch in unserer Zeit. Er kümmert sich um die
Bedrängten, ist stolz gegenüber Unwürdigen, treu seinem gegebenen Wort und
fromm. Denn selbst in größter Not ruft er Gott um Hilfe an, auf dessen
Gerechtigkeit und Hilfe er vertraut. Wilhelm Tell ist ein pflichtbewusster
Ehemann und ein guter Vater.
Werner Stauffacher: Er ist das typische
Bild eines reichen Freibauern, der sein Haus vom Reich zu Lehen trägt. Er ist
sehr gastfreundlich und gibt fast allen Unterkunftssuchenden ein Bett und
Verpflegung.
Er selbst ist sehr stolz auf seine ererbte Freiheit, nämlich
die Freiheit, die für viele Schweizer ein ewiger Wunsch bleiben wird. Auf Werner
Stauffacher lastet die große Verantwortung der Weigerung, denn er wollte sich
keinem Fürstenhaus unterwerfen, sondern blieb seinem Reich treu. Er hat Angst
vor einem Kampf, den die schwachen Bauern gegen die starke Heeresmacht der
Habsburger aufnehmen will. Er fürchtet die Verwüstung des Krieges und die
Feinde, die durch einen Sieg die Kontrolle über die Schweiz bekommen.
Er möchte seine Landsleute von dem Entschluss die Waffen zu
erheben abbringen, doch das gelingt ihm nicht. Dennoch kämpft er dann ohne zu
zögern tapfer auf ihrer Seite.
Stauffacher ist zwar stolz auf seinen Besitz, seine Freiheit
und, dass er im Mittelpunkt der Volksbewegung steht, aber dennoch muss er den
Sieg Tell zugestehen.
Arnold von Melchtal: Er vertritt vor den
Führern des Volkes die Jugend. Im Zorn hat er einen Knecht des Landenbergers,
der ihm wegen eines geringen Vergehens das beste Paar Ochsen vom Pflug
abspannte, einen Finger zerschlagen und sich so den Hass des Vogtes zugezogen.
Nun lebt er versteckt und ewig bereit zur Flucht. Außerdem packt ihn die Wut
bei dem Gedanken an die Blendung seines Vaters.
In vielen Gesprächen mit Walter Fürst und Stauffacher drängt
er darauf, dass die Vögte vertrieben werden sollen. Er ist sehr vehement, doch
teilweise droht sein Übereifer in das Negative umzuschlagen.
Freiherr von Attinghausen: Er
ist ein alter Mann, der kurz davor ist zu sterben. Doch nicht sein
bevorstehender Tod bereitet ihm Sorge, sondern dass er der letzte seines
Geschlechtes ist und alles was ihm in seinem Leben groß und ehrwürdig
erschienen war, droht dahinzuschwinden. Er fühlt in sich die Pflicht, dass er
seinem Volk ein Führer und Beschützer sein muss. So hat der Lehnsherr
patriarchalisch unter seinen Leuten gehandelt, als Landsmann das Volk im
Frieden geleitet und als Bannerträger in die Schlacht geführt. Und nun muss er
miterleben, wie der jüngere Adel, vom Glanz der Macht geblendet, den Idealen
seiner Väter untreu wird. Es blutet ihn in seinem Herz, dass sein eigener Neffe
Ulrich von Rudenz hochmütig sein Volk verachtet und sich den Feinden des Landes
anschließt.
Er ist vorurteilsfrei genug, um zu erkennen, dass das
aufsteigende Bürgertum ebenbürtig neben den Adel tritt und, dass dieser Schritt
wichtig ist.
Geßler: Er ist das Urbild eines
Tyrannen. Das Selbstbewusstsein und die Freiheit der Schweizer sind ihm
verhasst. Er geht schonungslos mit unerschütterlicher Ausdauer gegen seine
Feinde vor. Doch eigentlich ist er ein Feigling, denn als er wehrlos auf dem
schmalen Felsgrat mit Tell zusammentrifft, verliert er die Haltung, wird blass
und sinkt auf die Knie. Diese Szene ist für ihn so peinlich - denn er will,
dass alle vor ihm zittern - dass er auf baldige Rache hofft. Er will sich Tell
untertan machen. Aus diesem Grund droht er Tell mit dem Tod und zwingt ihn einen
Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Tell gelingt dieses Kunststück aber
und Geßler ist als Rachesuchender entlarvt. Doch er gibt nicht auf und sperrt
Tell auf einem Schiff ein.
Geßler fühlt sich sicher und hat schon Pläne für die Zukunft
gefasst: „Ich bin des Kaisers Diener und muss darauf denken, wie ich ihm
gefalle.“ Er droht dem ganzen Volk mit der Unterdrückung: „Ich will ....“, doch
da durchbohrt ihn Tells Pfeil.