Installiere die Dokumente-Online App

word image
Hausübung

Wie Kinder schlacht­en miteinan­der gespielt haben

3.149 Wörter / ~7 Seiten sternsternsternsternstern_0.25 Autorin Aylin S. im Jul. 2010
<
>
Upload File
Dokumenttyp

Hausübung
Deutsch

Universität, Schule

Friedrich-Schiller-Universität Jena - FSU

Autor / Copyright
Aylin S. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.10 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.25
ID# 1702







Wie Kinder schlachten miteinander gespielt haben

 

Eine kleine Geschichte, in der es darum geht, wie aus einem Kinderspiel bitterer Ernst wird. Fünf- und sechsjährige Kinder spielen in verteilten Rolle die beobachtete Szene nach, wie ein Schwein geschlachtet wird. Ein Ratsherr sieht dies, nimmt den Jungen, der den Metzger gespielt hat mit und es kommt zu einer schwierigen Gerichtsverhandlung, denn sie sehen wohl, dass das in kindlicher Weise geschehen ist. Um über die Strafmündigkeit zu entscheiden muss das Kind zwischen einem Apfel und einem Gulden wählen. Da es freudig den Apfel nimmt, gilt es als unschuldig.


Diese Geschichte ist nun in ganz verschiedener Richtung äußerst interessant. Markant an ihr ist zunächst vor allem die Grausamkeit des thematisierten Kinderspiels. Aber nicht nur wegen diesem Aspekt  fällt sie in den Kinder- und Hausmärchen auf, wo sie in der 1. Ausgabe stand und dann aber herausgenommen wurde. An ihr lässt sich vieles zum Thema Märchen, Gewalt, der Kindlichkeit und dem Bearbeitungsprozess der Brüder Grimm an ihrer Märchensammlung aufzeigen. Zunächst aber zur

Überlieferung

 

Der Stoff vom Tot im Kinderspiel lässt sich weit zurück immer wieder in verschiedenen Formen entdecken. In anderen Versionen spielen Kinder zum Beispiel nicht Schlachten, sondern Hinrichten oder Hündchen im Sack ertränken. Das Prinzip, das in kindlicher Naivität blutige Geschäfte von Erwachsenen nachgeahmt werden, dies zum Ernst wird und ein Kind dabei stirbt ist aber immer das gleiche. Auch die Verbindung mit dem 2. Motiv des anschließenden weisen Urteils gibt es häufig.
Die Apfelprobe selbst ist schon aus dem römischen Altertum überliefert, wobei es für den test der Unschuld auch andere Varianten gibt. In einer aus dem 2. Jh. n. Chr. von Claudius Aelianus heißt es etwa: „Es wurde ein Kind ergriffen, welches ein goldenes Blatt entwendet hatte, dass der Statue der Artemis entfallen war. Der Richter aber legte Spielzeug und Würfel dem Kind zusammen mit dem Blatt vor. Dieses aber ergriff erneut nach dem Gold. Daher töteten sie es als Tempelräuber ohne seines Alters zu achten, sondern bestraften es für die Tat.“


Apfelprobe

Kindheitsprobe mit Apfel und Geldstück als Test für die Strafmündigkeit ist schon aus dem römischen Altertum überliefert. Als erwachsen hat bei dieser zu gelten, wer zwischen Gebrauchs- und Warenwert unterscheiden kann.

Gibt solche Unschuldsproben in verschiedenen Varianten. In einer aus dem 2. Jarhhundert n.Chr. von Claudius Aelianus aus dessen Varia Historia heißt es etwa:

 

Erwachsen ist, wer gelernt hat auf die Befriedigung seiner unmittelbaren Bedürfnisse zu verzichten und Lust auf später zu verschieben.

 

bei Opitz heißt es 1644 in einem Gedicht etwa: Die Kindheit  der Gedanken, Die Obst für Gold erkiest?

 

 

 

 

 

1484 taucht die Thematik in einem lateinischem Epigramm von Aelian auf. Hier spielen 2 Söhne Opfern „Die beiden Söhne des ruchlosen Priesters Makareus in Mytilene spielen Opfern, als der ältere den jüngeren geschlachtet hat, erschlägt ihn die herbeieilende Mutter, darauf tötet Makreus sie, auf der Folter bekennt er sein Verbrechen“

Das Ende unterschiedet sich hier von dem der Version im Script. In den Kinder und Hausmärchen taucht aber gleich nach der Version auch eine mit einem solchen Ende auf. Anstatt einer Apfelprobe kommt es zu einer Kettenreaktion von Todesfällen. Die Mutter bringt den Jungen um, in ihrer Abwesenheit ertrinkt der Säugling, da bringt sie sich selber um und als der Vater heimkommt stirbt auch dieser vor Entsetzen.
Diese Version taucht ebenfalls immer wieder auf, die Brüder Grimm haben sie aus den Miscellen Martin Zeilers von 1661

 

Aus dem Jahr 1540 gibt es eine Version, bei der zwei Brüderchen, die einen dritten Bruder im Spiel umgebracht haben, sich anschließend im Backofen verkriechen und dort verbennen.

 

vom 16. bis 18. Jh. taucht die kleine Geschichte in deutschen, niederländischen und französischen Erzählsammlungen immer wieder auf.

 

Rollwagenbüchlein

 

dabei handelt es sich um eine Sammlung lustiger Schwänke und Historien, die 1555 erschien. Wickram nahm für die Zusammenstellung einen großen Teil mündlich auf, verwendete aber auch bekannte deutsche Schriftquellen. Alle Stoffe seien aber aus den dem Erzähler und seinem bürgerlichen Publikum vertrauten Lebenskreisen entlehnt. Geschildert wird auf meist humorvoller, pointierter Art Geschehnisse aus dem Alltag der Stadtbürger und Bauern. Unter einem Rollwagen verstand man einen Pferdewagen, der gängiges Verkehrsmittel war und zu Reisen benutzt wurde. Um diese zu verkürzen erzählte man sich Geschichten. Und genau dazu diente also das Rollwagenbüchlein: es bietet unterhaltsame Geschichten die die Zeit verkürzen sollen. Tragisch waren nur ein paar wenige. Gleichzeitig betont Wickram aber, dass alles frei von Lehrhaftigkeit und auch von Hohn, Schmach und Spott sei. Die Schwänke enthalten also keine explizite Moral, was hingegen den Märchen oft nachgesagt wird

 

 

Vorlage Zeitungsmeldung

1810 erschien der Stoff anonym im Berliner Abendblatt, das von Heinrich von Kleist herausgegeben wurde. Es steht dabei, dass sie aus altem Buch stamme. In der Forschung fand man später heraus, dass der Einsender Achim von Arnim war (warum anonym).

Bei dem Buch handelt es sich genau um das Rollwagenbüchlein von Jörg Wickrams.

 

Arnim nimmt das Thema später in seinen Roman „die Kronenwächter“ auf

 

In der Zeitung leitet die Geschichte ein in eine Theaterrezenssion zu dem Schicksalsdrama „Der 24. Februar“ von Zächarias Werner. Das Drama ist von 1808 und enthält eine ähnliche Mordgeschichte.

Ein Junge schlachtet hier in kindlicher Naivität die Schwester, nachdem er die Mutter  nicht beim schlachten eines Schweins, sondern diesmal eines Huhnes beobachtet hat.

 

KHM

 

Also immer noch die gleiche Geschichte wie im Rollwagenbüchlein, wo es aber hieße die Geschichten seien frei von Lehrhaftigkeit (-> Gattungsfrage)

 

Gattung

 

kein typisches Märchen:

- Die Grausamkeit und das Ende der Geschichte haben nicht die übliche Funktion eines Märchens. Keine Bestrafung für eine schlechte Tat, am Ende steht das Kind nicht bereichert da ( vom Apfel abgesehen)

 

- Geschichte eher ein Exempel, eine Zeitungsgeschichte oder eine Sage. Für Sage spricht besonders die genaue Lokalisierung und Versicherung von Glaubwürdigkeit.

Es gibt auch Varianten mit Datum

 

- Gattungsbegriff war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch offener, Brüder Grimm gebrauchten selbst daher auch keine strenge Definition

 

- Zum Unterschied von der Sage zum Märchen meinen die Brüder Grimm, das Märchen sei poetischer, die Sage historischer. Bei dieser Definition stellt sich ein Realitäts- und Glaubensunterschied heraus.
Heutige Definitionen sind ähnlich dazu: Wirklichkeitscharakter wird beiden Gattungen abgesprochen, die Sage verlangt im Unterschied zum Märchen aber den subjektiven Glauben an die Wirklichkeit des Erzählten. Wobei geglaubt- nicht geglaubt eben subjektiv ist und so auch der Übergang sicherlich fließend ist.)

Geschichte ist noch in 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhundert. als glaubwürdiges Geschehnis aus mündlicher Überlieferung aufgezeichnet worden.

 

Zaubermärchen ist es auf keinen Fall, der Tod ist irreversibel

Erziehungsmärchen oder

Warnerzählung“:  Warnmärchen gilt nur eingegrenzt. nicht wie etwa bei rotkäppchen, dass das Kind im Wald aufpassen muss und nicht vom Weg abgehen soll. Es ist hier keine eindeutige Warnung an das Kind. Dieses könnte die Geschichte höchstens so auffassen, dass es beim Spielen Acht geben soll, so wie es Wilhelm Grimm etwa angeblich als Kind verstanden hat. Aber das Ende bleibt für ein Kind schwer verständlich. Die Warnung richtet sich deswegen vielmehr vor allem an die Eltern

 

-derartiges ist beliebtes Thema von Trivial-Literatur, als eine Sensationsmeldung, als Bericht von etwas seltenem und extremen. Typischer Klatsch, indem die Grausamkeit eine Art Grusel auslöst, der gerne empfunden wird.
(Distanzierung Arnims aus diesem Grund ?)

 

Auseinandersetzung KHM

 

gab daneben Vorwurf, es kämen anstößige Ausdrücke vor

 

Briefwechsel Arnim-Grimm:

- Arnim ließ gegenüber den Brüdern unerwähnt, dass er den Stoff bereits selbst herangezogen hatte, bzw. dass die Vorlage durch ihn in der Zeitung landete (Allerdings vielleicht nur nicht überliefert)

 

- Wilhelm schreibt am 28.1.1813 an Arnim zur Verteidigung außerdem, dass selbst so vortreffliche Bücher wie die Bibel Stoffe enthielten, an denen man Anstoß nehmen könne

 

- Arnim klagt, dass einige Erzählungen nicht kindgemäß seien:

„Was ich über den „Fischer“ sagte, dass es eigentlich kein Kindermärchen sei, das möchte ich auch überhaupt über Eure Zusammenstellung von Kinder- und Hausmärchen erinnern; wenigstens hätte so ein Zusatz auf den Titel wie etwa: für Aeltern zum Wiedererzählen nach eigner Auswahl auf den Titel gepasst. Schon habe ich eine Mutter darüber klagen hören, daß das Stück, wo ein Kind das andere schlachtet, darin sei, sie könnt es ihren Kindern nicht in die Hand geben."

 

Dazu ist anzumerken, dass Märchen bisher durchaus nicht in erster Linie Geschichten für Kinder waren und von den Brüdern Grimm auch nicht so verstanden wurden. Aber sie werden jetzt in Deutschland mehr und mehr daran gemessen, ob sie für diese Zielgruppe taugen. Das Bild der Gesellschaft vom Kind und vom kindlichen Wesen befindet sich im Wandel. Kinder sollen unschuldig und rein sein und so auch ihre Märchen.

 

- Wilhelm Grimm verteidigt sich darauf mittels eigener Kindheitserinnerungen:
»Das Märchen von dem Schlachten habe ich in der Jugend von der Mutter erzählen hören, es hat mich gerade vorsichtig und ängstlich bei Spielen gemacht.«

 

- Verteidigung der Brüder grimm in der Vorrede zum 2. Band:
Dabei haben wir jeden für das Kinderalter nicht passenden Ausdruck in dieser neuen Auflage sorgfältig gelöscht. Sollte man dennoch einzuwenden haben, daß Eltern eins und das andere in Verlegenheit setzte und ihnen anstößig vorkomme, so daß sie das Buch Kindern nicht geradezu in die Hände geben wollten, so mag für einzelne Fälle die Sorge begründet sein, und sie können dann leicht eine Auswahl treffen — im ganzen, das heißt für einen gesunden Zustand, ist sie gewiß unnötig. Nichts besser kann uns verteidigen als die Natur selber, welche diese Blumen und Blätter in solcher Farbe und Gestalt hat wachsen lassen; wem sie nicht zuträglich sind nach besonderen Bedürfnissen, der kann nicht fordern, daß sie deshalb anders gefärbt und geschnitten werden sollen. Oder auch, Regen und Tau fällt als eine Wohltat für alles herab, was auf der Erde steht; wer seine Pflanzen nicht hineinzustellen getraut, weil sie zu empfindlich sind und Schaden nehmen könnten, sondern sie lieber in der Stube mit abgeschrecktem Wasser begießt, wird doch nicht verlangen, daß Regen und Tau darum ausbleiben sollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natürlich ist, und danach sollen wir trachten. Übrigens wissen wir kein gesundes und kräftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenanstellen, wo solche Bedenklichkeiten nicht in ungleich größerem Maß einträten; der rechte Gebrauch aber findet nichts Böses heraus, sondern, wie ein schönes Wort sagt, ein Zeugnis unseres Herzens. Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.“
-
Brüder Grimm stellen Vergleich mit Bildern der Natur an und stellen sich damit gegen alle Anschuldigungen, indem sie sich auf diese berufen. Denn die Märchen kommen für sie aus dem Volk und damit aus der Natur selbst. Sie sagen, dass alles, was natürlich ist geeihen kann, also auch Grausamkeiten.
Außerdem bringen sie zum Ausdruck, dass die Eltern auswählen können und sollen, wenn sie etwas als unpassend empfinden, indem sie darauf hinweisen, dass man die Pflanzen nicht in den Regen zu stellen braucht, wenn man diesen fürchtet.

 

- Verteidigen sich gegen Arnim auch, indem sie sich auf die Überlieferungstreue berufen und sagen, dass auch die grausamen Züge eine wichtige Seite der Volksüberlieferung darstellen.

 

- Jacob Grimm ist in der Art wie er sich wehrt noch radikaler als sein Bruder, indem er Literatur für Kinder grundsätzlich in Frage stellt:

 

„Der Unterschied zwischen Kinder- und Hausmärchen und der Tadel dieser Zusammenstellung auf unseren Titel, ist mehr spitzfindig als wahr, sonst müssten streng genommen die Kinder aus dem Haus gebracht, wohin sie von jeher gehört haben und in einer Cammer gehalten werden. Sind denn diese Kindermärchen für Kinder erdacht und erfunden? Ich glaube dies so wenig, als ich die allgemeine Frage nicht bejahen werde: ob man überhaupt für Kinder etwas eigenes einrichten müsse? Was wir an offenbarten und traditionellen Lehren und Vorschriften besitzen, das ertragen Alte wie Junge.“

 

Indem sie keine Literatur wie die Kinderschriftsteller der Zeit produzieren findet Jacob Grimm also, dass er die Kinder nicht in einen Schonraum, eine Kinderkammer verbanne. Jacob ist also für eine ungereinigte Kinderlektüre, zu der auch das Falsche und die dunkle Seite der Wirklichkeit gehört.

 

„[…] fürchtest du dich vor Missverständnissen, Missbräuchen, so binde dem Kind die Augen zu und hüte seiner den ganzen Tag, dass es seine unschuldigen Blicke nicht auf alles werfe, was es ebenso verkehrt oder schädlich nachahmen würde, da doch im Gegenteil sein menschlicher Sinn es schon bewahre und keine Aefferei geschehen lassen wird. Sei sicher, dass anders viel mehr Unglück passiert, da die meisten Eltern in diesem, ich glaube rechten Sinn, nicht genug vorsichtig sind. Jene Geschichten vom Schlachten und Erschießen sind tragische Fälle, die wie Tragödien insgemein keine Vorsicht und keine Berechnung verhüten kann, denn das Böse sucht und findet sich Wege, an die nimmermehr keine Seele gedacht hätte […]“

 

Gründe für Ausscheiden/Aufnahme

 

nicht märchengerecht

 

- viele negative Rezensionen.

 

In der zweiten Ausgabe wurde dann alles gründlich Überarbeitet. Entgegen Aussprachen im 1. Vorwort wurde die Sprache oft verfeinert und inhaltlich vieles gesäubert.
Und entgegen der vehementen Verteidigung der Brüder Grimm, v.a. gegen Arnim, verschwinden dann Texte, wie etwa das Schlachtenspiel

 

Ausscheiden interessant für die Entwicklung der Grimmschen Gattung „Märchen“ – also das was für die Brüder die Gattung definiert, nicht unbedingt die heutige übliche Definition
Warum Schlachtenspiel erst noch märchenwürdig und dann nicht mehr ?

 

Von den 156 Stücken der Erstausgabe scheiden 34, also über 20% aus. Bei den späteren Bänden gibt es keine so krassen Umstellungen und Veränderungen mehr -> Also erst mit dem 2. Band die Sicherheit, was Kinder und Hausmärchen ist und was nicht.

 

„Darum geht innerlich durch diese Dichtungen jene Reinheit, um derentwillen uns Kinder so wunderbar und selig erscheinen: sie haben gleichsam dieselben bläulichweißen, makellosen, glänzenden Augen *, die nicht mehr wachsen können, während die ändern Glieder noch zart, schwach und zum Dienste der Erde ungeschickt sind.“
so schreibt Wilhelm Grimm im Vorwort zum 2. Band. Kann vielleicht tatsächlich mehr als verbindendes Merkmal aller Märchen gelten, als manche, die in Definitionen genannt werden. Es ist auf jeden Fall ein auszeichnendes Element, selbst in den grausamen Märchen
Und es rechtfertigt und erklärt damit auch warum das Schlachtenspiel enthalten war. Denn genau diese Reinheit und die Naivität des Kindes, seine Kindlichkeit, wird mit dem Ende demonstriert. Sie wird hier zum Thema überhaupt.
Es gibt in den Märchen eine hohe Anzahl sehr grausamer Strafen, aber hier bleibt sie mit der Apfelprobe auf grund der Unmündigkeit aus. Denn das Kind konnte unmoralisches handeln nicht erkennen, wodurch sein Handeln in seiner Welt auch nicht unmoralisch war. Vergeltung wäre also falsch.

 

In der 2. version ist die Rechtfertigung wesentlich schwieriger. Rückt hier die Mutter mehr in den Mittelpunkt, als Person, deren Handeln wiederum unmoralisch ist, indem sie das kind mit dem Tode straft und wofür ihrer Vergeltung wiederum der Tod ist ?

 

Grausamkeit

Umgang mit Grausamkeit bei den Brüdern Grimm sehr verschieden. Hängt vom inhaltlichen Hintergrund ab. Im Rotkäppchen haben wir gesehen, dass die Grimms das schlechte Ende mit der Rettung Rotkäppchens und der Großmutter durch den Jäger zu einem guten gedreht haben.

Bei der Grausamkeit kommt es darauf an, sie nicht als isoliertes Element zu bewerten, sondern sie ist immer mit dem Gesamtzusammenhang zu betrachten. In welchen Handlungsmustern werden sie dem Kind angeboten, welche Strategien erfährt es daraus, wie können sie evtl sein Verhalten prägen ? Grausamkeit wurde daher bei manchen Märchen durch die Brüder bewusst verstärkt, meist dann wenn es um Strafe für falsches, unmoralisches Handeln geht (z.B. Aschenputtel)

 

- Viele Züge von Grausamkeit konnten, obwohl mit dem 2. Band vieles geglättet wurde, gar nicht entfernt werden, sind sie doch ein wesentlicher Bestandteil vieler Märchen, ohne den es nicht mehr funktionieren würde.

 

- geschichtlich betrachtet war Volk an Grausamkeiten gewöhnt. Hinrichtungen waren Volksfeste.

 

- Auf die Wahrnehmungen von Grausamkeiten wird oft nicht näher eingegangen. Beim Kinderschlachtenspiel findet zwar eine relativ genaue Beschreibung statt, aber zum Beispiel das Gefühl von Schmerz wird nicht beschrieben. Das ist bei all den Grausamkeiten in den KHM der Fall. Wenn etwa Augen ausgestochen werden, dann wird dargestellt, dass die Person nun blind ist, nicht aber ihr Leiden.
So lässt sich sagen, dass das Märchen sich seiner Grausamkeiten gar nicht bewusst ist. Sie werden erst so schlimm, wenn wir das Märchen bewusst und nicht mehr naiv betrachten. Aus diesem grund sind sie für Kinder oft nicht schlimm, denn sie betrachten sie ja gerade naiv.
Genau dies thematisiert wiederum das Schlachtenspiel, indem es die Frage nach dem Bewusstsein des Kindes stellt.

 

Gegen das Argument, dass Kinder zum Nachahmen bewegt werden könnten spricht das Märchen selbst: es ist die Wirklichkeit selbst, die die Kinder zur Nachahmung des Grausamen veranlasst

 

Das Visuelle spielt große Rolle bei der Wahrnehmung von Grausamkeit. Auf Illustrationen wirken die Situationen schnell wesentlich schlimmer, als sie beim lesen oder hören wahrgenommen werden. Zum einen geschieht das, weil das was nur ein kurzer Augenblick war, in seiner Grausamkeit erstarrt und zum anderen, weil unbewusstes ins bewusstsein erhoben wird, weil es sichtbar gemacht wird, das, was nicht weiter beschrieben wurde.

 

Gewalt

 

Kinder hier nicht Opfer von Gewalt, wie sonst üblich in den Märchen, sondern selbst Täter

 

 

wahre Geschichten“ wie diese tauchen bis in neuere Zeit immer wieder in Zeitungen auf. Oft liegt das Geschehnis nicht im Verbreitungsraum der Zeitung, was für sich sprciht, schließlich ist die Überprüfung so schwieriger.

 

 

Strafmündigkeit

Geht um Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern, um die Frage, wann die Kindheit endet. Welches ist das Alter der Strafmündigkeit bzw welche Reife bedarf diese ?

Märchen beantwortet dies nicht mit bestimmtem Alter

 

Die Frage nach der Strafmündigkeit ist schließlich auch zu jeder Zeit aktuell, heute stellen sich solche Fragen beim Jugendstrafrecht genauso. Wie ist zu handeln, wenn Kinder klauen, bzw etw. für sie schönes einfach mitnehmen, oder wenn ein elfjähriger die kleine Schwester vergewaltigt.

 

In der Unschuld ist Kind von keinem Gesetz oder Paragraphen zu erreichen.

 

Wenn man aber einmal den Wert des Geldes kennt ist die Unschuld für immer verloren, man kommt nie wieder zurück zum Apfel.

 

Kind konnte Tragweite seines Tuns noch nicht ermessen, zeigt mit Wahl, dass es nicht weiß, dass es mit einem Gulden mehr kaufen könnte wie einen Apfel, dafür müsste Kind bereits über Geschäftssinn verfügen, aber so weit ist die geistige Reife noch nicht.

 

Der Stoff vielleicht gar nicht aufgrund der Grausamkeit für Kinder wenig geeignet, sondern weil es, wenn es denn selbst auch noch den Apfel wählen würde, der Zusammenhang am Ende ihm wahrscheinlich nicht aufgehen würde und das für das Geschehen ein unversöhnliches Ende wäre.

Das Märchen richtet sich eher an die Eltern, die darauf achten sollen, wie weit ein Kind ein Märchen verstandesmäßig begreifen kann. Schließlich ist auch nicht jedes Kind gleich weit.

 

Apfelprobe

Kindheitsprobe mit Apfel und Geldstück als Test für die Strafmündigkeit ist schon aus dem römischen Altertum überliefert. Als erwachsen hat bei dieser zu gelten, wer zwischen Gebrauchs- und Warenwert unterscheiden kann.

Gibt solche Unschuldsproben in verschiedenen Varianten. In einer aus dem 2. Jarhhundert n.Chr. von Claudius Aelianus aus dessen Varia Historia heißt es etwa: „Es wurde ein Kind ergriffen, welches ein goldenes Blatt entwendet hatte, dass der Statue der Artemis entfallen war. Der Richter aber legte Spielzeug und Würfel dem Kind zusammen mit dem Blatt vor. Dieses aber ergriff erneut nach dem Gold. Daher töteten sie es als Tempelräuber ohne seines Alters zu achten, sondern bestraften es für die Tat.

 

Erwachsen ist, wer gelernt hat auf die Befriedigung seiner unmittelbaren Bedürfnisse zu verzichten und Lust auf später zu verschieben.

 

bei Opitz heißt es 1644 in einem Gedicht etwa: Die Kindheit  der Gedanken, Die Obst für Gold erkiest?

 

 

 

 

 


Swop your Documents

G 2 - Cached Page: Tuesday 16th of April 2024 08:34:45 AM