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Fachbereichsarbeit
Pädagogik

Universität Leipzig

1, Unbenannt, 2014

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ID# 41672







Universität Leipzig - Philologische Fakultät


Hausarbeit

Die Kontroverse der Geschlechter im 18. Jahrhundert
oder Autorinnen mit starken Ãœberzeugungen

Seminar: Ob die Weiber Menschen sind


Inhaltsverzeichnis

1.      Einleitung

2.      Ob Frauen Menschen sind?

         Die Stellung der Frau im 18. Jahrhundert in Deutschland        

3.      Philosophische Grundlagen zur Stellung der Frau zu dieser Zeit                      

4.      Frauen zwischen Vormundschaft, Anpassung und Selbstverwirklichung

5.      Die Einführung der  Allgemeinen Schulpflicht in Deutschland 1919, für wen?

6.      Die unterschiedlichen Bilder von Frauen des Adelsgeschlechts 

7.      Die gesellschaftliche Norm contra Eigenständigkeit der Frau

8.      Schreibende Frauen als Saloniéren mit neuen literarischen Profilen

9.      Sophie La Roche, eine deutsche Symbolfigur der schreibenden und reisenden

         Frauen in Deutschland ab dem 18. Jahrhundert

10.     Der Blickwinkel der Männerwelt auf reisende Frauen

11.     Reisende Frauen außerhalb Deutschlands

12      Schlussbetrachtung

           Literaturnachweise

         


1.    Einleitung

Schaut man in die Vergangenheit, so erweckt es den Eindruck, als würde die Gesellschaft keine bewanderten, scharfsinnigen, kreativen, lebensklugen, gelehrten und wie all diese positiven Attribute heißen mögen, hervorgebracht haben. Oberflächlich könnte man behaupten, Frauen haben sich nicht veranlasst gesehen, danach zu streben.

War dem denn so? Wo waren die Ansatzpunkte und die gesellschaftliche Hindernisse, dass Frauen überhaupt an die Öffentlichkeit treten konnten? Und, wenn sie die Schwierigkeiten überwunden hatten, womit hätten Frauen die Gesellschaft interessieren können? Diesen Fragen soll in folgenden Abschnitten nachgegangen werden. Ziel der Hausarbeit ist es, eine Perspektive zu schaffen, die nachvollziehen lässt, welchen Bedingungen die Frauen des 18. Jahrhunderts Herr zu werden bemüht waren.


2.     Ob Frauen Menschen sind?

        Die Stellung der Frau im 18. Jahrhundert in Deutschland

Jeder kennt wenigstens einen der großen Philosophen, Thales, Sokrates, Platon. Wer nennt Sappho, Aspasia von Milet, Hypathia, Hildegard von Bingen oder Mechthild von Magdeburg? Jeder weiß den Namen Christopher Columbus, James Cook oder Alexander von Humboldt  etwas zuzuordnen. Wo sortiert man die Namen Gertrude Bell und Mary Kingsley ein? Bei den Welterforschern? Ja, ist die richtige Antwort.

Schon jetzt und ganz sicher durch eine Reihe von Gegenüberstellungen x-beliebiger Bereiche aus Wissenschaft, Technik, Kunst und des sozialen Lebens, kann die Frage aufkommen: Warum wissen wir so wenig über die Errungenschaften durch Frauen? Warum sind es wenige, die bedeutsam hervortreten? Wollten sie nicht, weil sie andere Interessen hatten?

Hält man sich Platons (*428v.Chr., † 3478v.Chr.) Politeia vor Augen, so wird festgehalten, dass Männer und Frauen gleiche Aufgaben zu erfüllen haben. Damit dies gelingen kann, ist es erforderlich, dass sie eine gleiche geistige und körperliche Erziehung durchlaufen müssen. Die Frau müsse also dem Manne gleich, in den Krieg ziehen und ihre Kriegsausbildung dafür erhalten.

Ihr Einsatz im Krieg werde aber so berücksichtigt sein, dass dieser ihrer Schwäche entspräche.1 „(…) Im Staat daheim und im Kriege draußen müssen die Frauen zusammen mit den Männern jagen wie Hunde (…).“ Obgleich Platon keine frauenfeindliche Grundhaltung hatte, gibt er die Aufgaben für Frau und Mann bekannt. Er ordnet sie in einem Harmonie-Prinzip ein, welches Schwäche und Stärke ausbalanciert.

Frauen schreibt er die Fähigkeiten zu, Tätigkeiten im Herrscherstand ausüben zu können. Alle Möglichkeiten wären dafür einzuräumen, da es nach seinem Verständnis kein Vorhandensein männlicher und weiblicher Tugend gibt, sondern für alle Menschen die gleiche sei.Und doch lassen angesehene griechische Philosophen verlauten, die Frauen seien dem Manne untergeordnet, ärmer an Verstand und körperlicher Kraft.

Liest man Platons Werke in den Übersetzungen Ernst Daniel Schleiermachers (*1768, †1834), ist kaum verständlich, welche Sichtweise


1 Platon, Der Staat, Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 2004. [451d-e].

2 Platon, Der Staat, Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 2004. [466c].

3 Platon, Der Staat, Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 2004. [540c].


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Schleiermacher zu Frauen hatte. "Darum bestehe immerhin unverrükkt, und gewiß ungestraft dürfen wir sie auch nicht verrükken, die göttliche Ordnung, daß das Weib dem Manne Unterthan ist,  und der Mann des Weibes Haupt[ .]".4   

Es ist durchaus denkbar, dass die eigene Positionierung bei Übersetzungen ihren Einfluss nahm. Diesem Einfluss auf den Grund zu gehen, ist eine interessante Aufgabe, würde jedoch den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen. Vielmehr soll E.D Schleiermachers Aussage verdeutlichen, von welchem Denken und Handeln die Frauen des 18. Jahrhunderts beeinflusst sind.

Schleiermacher war protestantischer Theologe, Staatstheoretiker, Pädagoge und durch seine Werke für die Gesellschaft meinungsprägend. Er war ein typischer Vertreter der kulturgeschichtlichen Epoche Romantik.


3.    Philosophische Grundlagen zur Stellung der Frau zu dieser Zeit


Vor dem Wirken dieser Epoche standen Immanuel Kant (*1724, †1804), Christian Thomasius (*1655, †1728), Gotthold Ephraim Lessing (*1729, †1781), Johann Gottfried von Herder (*1744, †1803), Johann gang Goethe (*1749, †1832) u.a Sie sind die Vertreter der Aufklärung in Deutschland. Die Elemente des Humanitätsideals der Aufklärung waren, Toleranz gegen Andersdenkende, Barmherzigkeit und Entfaltung der Vernunft.

Die deutsche Aufklärung war besonders durch Schriftstellerei und Dichtkunst geprägt. Wenn die reine Aufklärung mit Eifrigkeit und Munterkeit betrieben wurde, so fehlte ihr jedoch der Begeisterungs- und Sinnestaumel. Dieses Verlangen konnte dann die leidenschaftliche Romantik einbringen. Die Werke Kants haben der Aufklärung eine enorme Kraft gegeben und dieser zum Siegeszug verholfen.

Mit einem großen Schreibeifer haben sich Schiller und Goethe seinen Themen gewidmet. Ihre großen Gedanken liegen geschätzt im Rahmen der Literatur, weniger in der Philosophie.5 

Nimmt man sich Die Metaphysik der Sitten von Kant zur Hand, so folgte er in seiner sogenannten Beweisführung einer natürlichen Unterlegenheit der Frau und war sich dessen

bewusst, welchen meinungsbildenden Einfluss er damit ausübte. Damit glaubte man, dass


4   Schleiermacher, Ernst Daniel Aus: Predigten über den christlichen Hausstand. zitiert nach Stopczyk,

     Annegret: Was Philosophen über Frauen denken. München 1980. S.162.

5   Russel, Bertrand: Denker des Abendlandes. Eine Geschichte der Philosophie. Hamburg

     2012. S. 315.


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es kein Widerspruch im Gleichheitsprinzip ist, welches besagt: "er soll der Herr (er der befehlende, sie der gehorchende Teil) sein.6   Rechtlich wurde dies unterstützt durch das

Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten, welches festhält:" Der Mann ist das Oberhaupt der ehelichen Gesellschaft; und sein Entschluss gibt in gemeinschaftlichen Angelegenheiten den Ausschlag".7


4.    Frauen zwischen Vormundschaft, Anpassung und Selbstverwirklichung


In solch einer Atmosphäre, bezogen auf die Deklassierung der Frau, hatte jene sich ihrem Schicksal zu fügen und sich zu arrangieren.

Den Menschen ist es ein Bedürfnis, die Welt in ihrer denkbaren Ferne zu erforschen, zu verstehen und zu beherrschen. Dabei ergaben sich Entdeckungen und Neuerungen, welche jenseits aller vormaligen Vorstellungen lagen. Erinnert sei an die einst unbekannten Kontinente und Kulturen. Den Entdeckungen im 17. und 18. Jahrhundert der Bereiche Wissenschaft und Technik und dem zu dieser Zeit aufkommenden Wirtschaftsliberalismus.

Frauen hatten die ihnen zugeteilten Pflichten zu erfüllen. Im Wesentlichen lagen sie darin, der Familientradition einen Fortbestand zu garantieren, sich um die Erziehung des Nachwuchses zu sorgen, die gesellschaftliche Repräsentanz des Hauses zu gewährleisten und ihrem Ehegatten einen Platz zu bieten, welcher ihm Erholung ermöglicht.  

Für heranwachsende Männer war es traditionsgemäß vorgesehen, sofern durch die Häuser


6   Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten. Frankfurt am Main 1993, AB110,

     Rechtslehre, §26.

7   Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Zweiter Teil, Erster Titel Von der

     Ehe, 4.Abschnitt, Von den Rechten und Pflichten der Eheleute, in Beziehung auf ihre

     Personen, §184, 01.06.1794.

8   Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten. Frankfurt am Main 1993, AB110,

     Rechtslehre, §26.


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finanzierbar, dass sie eine allumfassende Schulausbildung erhalten. Das ausgesprochene Ziel war der höchstmögliche Schulabschluss, welcher die bestmögliche Qualifikation für das Berufs- und Gesellschaftsleben erforderte. Frauen hatten sich, wegen ihrer Vorbestimmung als künftige Ehefrau, mit der Hauswirtschaftslehre zu begnügen.

Natürlich ist zu erkennen gewesen, dass sich nicht jede heranwachsende Frau an ihrer Vorbestimmung gebunden fühlte. In den Häusern der Wohlhabenden und Gebildeten gab es Bibliotheken mit wissenschaftlichen Texten und diese waren den Frauen durchaus interessante Fundgruben. So auch für Johanna Schopenhauer (*1766, †1838).

In beeindruckender Weise schreibt sie als gebildete und schreibende Frau nieder, wie sie als Kind ihr Wissen  erlangen konnte und welche Begeisterung Bücher in ihr auslösten. "In einem alten Schranke meines Vaters fand ich eine ziemlich holperige Übersetzung von Rollins römischer Geschichte und unterlag, trotz meiner sehr moralischen Gesinnung, der Versuchung, dem Beispiele des spartanischen Knaben zu folgen und sie mir heimlich zuzueignen.

Sonntags nachmittags und in jeder anderen freien Stunde, . , verbarg ich mich damit in abgelegene Winkel, oft auf dem Boden oben unter dem Dache. . Mit welchem Eifer, mit welchem unbeschreiblichen Interesse habe ich sie gelesen, .".9

Ihre bittere Erfahrung sollte sie machen, als sie ihrem Vater vortrug, eine Malerin werden zu wollen. Ihr Vorbild war die in Italien lebende Malerin Angelika Kaufmann (*1741, †1807). Sie bat daraufhin ihren Vater, er möge sie von Leipzig nach Berlin bringen, damit sie dort eine Lehre an einer Malerschule beginnen kann. "Mein bei aller ihm eigenen Heftigkeit, dennoch gegen Unerfahrenheit und Unverstand seiner Kinder sonst so nachsichtiger Vater, - ich erkannte ihn nicht wieder. .


  9    Schopenhauer, Johanna: Jugendleben und Wanderbild. Danzig 1922, S.73.

10    [ebenda] S. 107.


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5.     Die Einführung der  Allgemeinen Schulpflicht in Deutschland 1919, für wen?


Im deutschen Sprachraum wurde zu unterschiedlichen Zeiten eine Allgemeine Schulpflicht eingeführt. 1592 führte das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1642 Sachsen-Gotha, 1647 Braunschweig-enbüttel, 1649 Württemberg, 1717 Preußen und schließlich 1835 Sachsen, die Allgemeine Schulpflicht ein. Die Weimarer Verfassung hatte 1919 für ganz Deutschland die Allgemeine Schulpflicht festgehalten.

Es formte sich daraus ein Bildungssystem, welches grundsätzlich für Knaben vorgesehen war. Für Mädchen war die vorgesehene Ausbildung eine Angelegenheit des privaten Bereiches und wurde organisiert durch die Mütter, nahestehende weibliche Verwandte oder  Pastorenehefrauen. Die zu vermittelnden Fähigkeiten und Fertigkeiten bezogen sich auf Handarbeiten. Dabei wurden in Übungsstunden Mustertücher mit Buchstaben und Zahlen gestickt, welche nicht als bloße Schreibübungen zu deuten waren, sondern der Beweis dafür sein sollte, ob die jungen und heiratsfähigen Frauen eine Würdigkeit inne hatte.

Diese Mustertücher waren einem Zeugnis gleich und vorzulegen, wenn die künftige Schwiegermutter es verlangte. Die geistige Bildung hatte ihre Ansätze in den Gottesdiensten. Das Grundziel der Ausbildung für junge Mädchen war, sie im heiratsfähigen Alter als eine wohlerzogene, d.h. gefällige, geschickte und züchtige Gattin, zu entlassen. Intellektuellen Spielraum, den sich Johanna Schopenhauer als Kind nahm und sogar durch die Familie unterstützt wurde, gab es nicht für jeden.

Die Intellektuelle Ausbildung verblieb bei den Knaben und jungen Männern. Die Mädchen und jungen Frauen konnten die Wissenschaft und Technik bewundern, aber nicht mitentwickeln. Im auslaufenden 18. Jahrhundert lebten ca. 23 Millionen Menschen im Heilig Römischen Reich Deutscher Nationen und davon waren etwa 5 Millionen des Lesens und Schreibens mächtig. Es darf vermutet werden, dass von diesen fünf,


11  Neumann, Helga: Zwischen Emanzipation und Anpassung: Protagonistinnen des deutschen

      Zeitschriftenwesens im ausgehenden 18. Jahrhundert (1779-1795). Würzburg 1999. S.27.


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potentiellen Gattinnen so auserwählten, dass ihr Scharfsinn und Intellekt als ein Mindestmaß ihnen selber zugeschrieben wurde und sie sich somit selbst aufgewertet haben. Wenngleich Frauen dazu befähigt waren Schreiben und Lesen zu können, fehlte ihnen dennoch die wissenschaftliche und technische Ausbildung.

Das Briefeschreiben offenbarte eine geeignete Möglichkeit sich zu äußern. Frauen schrieben ihre Gedanken zu Begebenheiten des Alltags in literarischer, philosophischer und moralischer Weise und über praktische Details des Lebens. Das war eine neue Art des Schreibens. Wenngleich Gelehrte billigten, dass Frauen Briefe schreiben, kann aber von jenen nicht unbedacht gewesen sein, dass ambitionierte und fähige weibliche Konkurrenz im Bücherschreiben, nicht akzeptiert wurde.

Briefeschreiben hatte den Nutzen, einen Kontakt zu Familienmitgliedern, Freunden und Vertretern der Gesellschaft, aufrecht zu halten. So waren die Briefe jene Möglichkeit, in welcher Ansichten, Befindlichkeiten und Denkweisen übertragen werden konnten. Somit war es den Gattinnen durch das Medium Brief möglich, beispielsweise ihrem Gatten ihre innige Zuneigung zu bestätigen, ihn herbeizusehnen, ihn gegenwärtig zu machen, ihn gesund zu wähnen, gerade dann, wenn Territorien vom Krieg heimgesucht waren.12




Vorab war erwähnt worden, dass sich Gruppierungen von Adeligen und Frauen des gehobenen Bürgertums ergeben haben. Adlige Frauen umfassten Landadlige und die Frau am Hof. Nicht unerwähnt soll jene Gruppe von Frauen sein, die der sozialen Unterschicht angehörten. Wenn für Frauen des gehobenen Bürgerstandes im 18. Jahrhundert das Lesen und Schreiben ohnehin auf Monogrammstickereien beschränkt gewesen war, darf die Vorstellung, dass Frauen der sozialen Unter- und Mittelschicht das Lesen und Schreiben ausübten, als beinahe absurd bezeichnet werden.

Erst mit dem Aufstieg des Bildungsbürgertums, einer verbesserten Mädchenbildung, den allgemeinen ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen bezüglich der Produktions- und Publikationsbedingungen, konnten Autorinnen aus der Mittelschicht zum Ende des 19.

Jahrhunderts heraustreten. Kurz genannt werden: Marie Nathusius, Isolde Kurz,


12   J. C. Gottsched: Briefwechsel unter Einschluss des Briefwechsels von L. A. V. Gottsched. Band 3: 1734--

       1735. Hrsg. und bearb. von D. Döring, R. Otto und M. Schlott unter Mitarbeit von F. Menzel. Berlin,


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Wilhelmine Heimburg, Ilse Frapan.

Die Aufgaben der Landadligen und der Frau am Hof waren unterschiedlich. Der Landadligen wurden Tugenden zugesprochen, wie gottesfürchtig, fleißig und häuslich zu sein. Ihr war die Hauswirtschaft, das Gesinde anzuweisen und Kinder zu erziehen, eigen.


Johann Michael von Leon (*1694, †1776) beschreibt in seinem Werk „Der Adel die Tätigkeiten und Eigenschaften einer Landadligen. "Ich sehe im Gegentheil, wenn ich auf dem Land bey rechtschaffenen Edelleuten bin, die nicht wild und dumm, wie das liebe Vieh in den Tag hinein leben; sondern sich weislich und vernünftig aufführen, mithin sich der Hauswirthschaft unterzeiehen: Ich sehe, . , daß die gnädige Frau öfters selbst in den Stall gehet, und siehet, wie das Vieh gemolken wird.

Ich sehe, daß sie den zarten Fuß nicht schonet, solchen, auf schmuzige Gründe zu setzen; noch die weiche Hand, damit zuweilen kleine Käse und Buttermilchschnitten zu machen. Ich sehe, daß sie sich in sauberes Leinen

kleidet, und damit in den Vorraths-Kammern, bald in Küche und Keller herumstreichet, und darinnen alle ihre Verrichtungen mit einem edlen Muth und anständigen Wesen verrichentet".13  

Es standen sich die praktischen Fähigkeiten der Landadligen und die psychisch-geistigen Fähigkeiten der Frau am Hof gegenüber. Von Frauen des Hofes war erwartet worden, dass sie über Geist und Bildung verfügten. Je besser sie ihr Handwerk beherrschten, desto höher war ihr Prestige am Hof. Solch eine Lebensform strebte das wohlhabende Bürgertum an, denn es stellte das Einflussvermögen und die finanzielle Situation zur Schau.

Insofern liegt auch begründet, warum junge Mädchen des niederen Adels (Landadel) und der wohlhabenden Familien des Bürgertums durch die Elternhäuser gezielt geschult wurden. Natürlich war die Beschulung der jungen Mädchen daran geknüpft, dass sie künftig eine geistreiche Konversation führen können. Damit sollten sie auch der geistreiche Gegenpol

der Gatten werden. Aber in keinem Fall war die Absicht einer Beschulung, dass sie


13  Leon, Johann Michael von: Der Adel. Ulm 1752. S.135-136.


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zukünftig vor die Gesellschaft treten und ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Gedanken nach


7.    Die gesellschaftliche Norm contra Eigenständigkeit der Frau


Als vollkommen unmöglich zu denken galt, dass Frauen mit Ihren Fähigkeiten eine beruflich eigenständige Karriere haben sollten und könnten. Dagegen sprach das Allgemeine Landrecht Preußischer Staaten in einem §195. "Wider den Willen des Mannes darf sie für sich selbst kein besonderes Gewerbe treiben".14

Zwar wird via Gesetz den Frauen das Betreiben eines Gewerbes zugesprochen, aber mit einer schwerwiegenden Klausel. Und diese Klausel betrifft durchaus die Befindlichkeit des  Gatten selber. Nun gibt es zur einen Seite das Gesetz und zur anderen Seite die Tradition. Bekanntlich hält sich die menschliche Gesellschaft lange an Traditionen fest, trotz Gesetz und Gesetzesänderungen, wenn sie persönliche Sicherheit und Prestige garantierten.

Und wenn das Gesetz den Frauen eine berufliche Tätigkeit zuspricht, bedeutet dies nicht, dass dies auch von Gatten gewollt und unterstützt wird. Das Gesetz widerspricht eben den bisherigen Traditionen. Insofern ist der §195 vollkommen gattenfreundlich. Andererseits ist zu fragen: a) wenn es etablierte Traditionen gab und diese häufig ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten aufwiesen, inwieweit eine Aufweichung der bisherigen Traditionen möglich war und b) wenn eine Gattin nicht beruflich wirksam zu sein hat und sie würde dennoch erfolgreicher sein als ihr Gatte, ob eine sogenannte Entmannung statt findet?

Ungeachtet dessen, dass es nicht dem Stand entsprach, ist der Aspekt zu sehen, inwieweit eine unverheiratete junge Frau mit eigener beruflicher Basis, geheiratet wurde.


14  Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, Zweiter Teil, Erster Titel Von der Ehe, 4. Abschnitt,                                         

      Von den Rechten und Pflichten der Eheleute, in Bezug auf ihre Personen, §195, 01.06.1794.


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8.     Schreibende Frauen als Saloniéren mit neuen literarischen Profilen


Im Zuge der Aufklärung wurden durch Theoretiker und Mediziner Attribute von Frauen und Männer festgelegt. Dabei erhält die Frau die Wesenseigenschaften passiv, emotional und duldend zu sein. Ihr Aufgabenbereich wäre daraus schlussfolgernd, den Haushalt zu bewirtschaften, sich der Kindererziehung zu widmen und ihre Fürsorge dem Gatten bereitzustellen.

Der Mann sei aktiv, rational und mit Durchsetzungsvermögen. Daraus resultieren seine Aufgabengebiete in Politik, Wissenschaft und allgemeinem Erwerbsleben. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war das bürgerliche Frauenbild von Moralischen Wochenschriften beeinflusst und zielte auf die Umsetzung eines Ideals, der "vernünftigen Frau", ab. Zur Jahrhundertmitte wechselte das Frauenbild.

Frauen waren lange Zeit davon betroffen, nicht schreiben zu können. Mit dem einsetzenden Trend, sich  eine gebildete Frau (sich) zu formen, wurde schreiben für sie möglich. Der  Briefwechsel wurde ihr Spezialgebiet. Denn in welcher weiteren Form hätten sie ihre Schriftstücke zum Lesen besser anbieten können, als über die familiären Korrespondenzen. Der Briefwechsel wurde ihr Einstieg in die Schriftstellerei. Ihr Schreibstil unterschied sich  vollkommen vom Stil  der Männer.

Männer sagten sich selber nach, sie würden stets in logischer Sachlichkeit und Korrektheit denken und schreiben. Der Schreibstil der Frauen war geprägt durch ihr großes Einfühlungsvermögen. Die Romantik in ihrer Aufgeschlossenheit zum Gefühl, bot hier eine ideale Grundlage für ihre Ideen. Briefe und

Blicke in die Vergangenheit konnten in Schriftform festhalten werden. "Und so war ich denn von allen Seiten auf immer und ewig abgewiesen und musste in mein Schicksal mich ergeben. Doch der tief in meinem Wesen eingewurzelte Trieb, . , ließ sich nicht ausrotten; dreißig Jahre später führte er mich an den Schreibtisch, um mit der Feder auszuführen, was der Geist der Zeit, in der ich geboren ward, mit dem Griffel und dem Pinsel zu können mir verweigert hatte."15


15    Schopenhauer, Johanna: Jugendleben und Wanderbild. Danzig 1922, S.73.


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dennoch der Spielball der Männer, aber sie rückten dadurch in das gesellige und geistige  Zentrum. Auch wenn es männliche Verfechter der Gleichberechtigung gab, so hatten Frauen nach wie vor mit dem Unverständnis zu ringen, dass sie nicht aus eigenem Vermögen an die Öffentlichkeit treten konnten. Die öffentliche Ächtung durch Männer und Frauen der Gesellschaft wäre ihnen gewiss gewesen.

Viele Frauen der gehobenen Gesellschaft richteten private literarische Zirkel ein und etablierten sich als Salonièren. Sie fanden häufig dann statt, wenn die Gatten ihrerseits ihre Herrenabende organisierten. Damit war das Herrenprestige abgesichert, nämlich eine gebildete Frau zur Seite zu haben.  Gleichzeitig waren die Frauen beschäftigt und beeinflussten nicht die Herrengespräche.

Später wurden solche Abende zum gesellschaftlichen Ereignis und gleichermaßen durch Herren und Damen besucht.

 Mit einem großen Namen verbunden gab es Salons in Weimar von Johanna Schopenhauer und Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (*1739, †1807), in Berlin seien genannt, von Marie von Kleist (*1761, †1831), Caroline von Humboldt (*1766, †1829),  in Leipzig von Christiana Mariana von Ziegler (*1695, †1760), Henriette Voigt (*1808, †1839), Lidy Steche (*1805, †1878), Henriette von Crayen (*1755, †1832) und in Ehrenbreitstein von Sophie von La Roche (*1730, †1807).



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