Paul Flemming - Wie er
wolle geküsset seyn
Gedichtinterpretation
Das barocke Liebesgedicht „wie er wolle geküsset seyn“
von Paul Fleming, das um 1640 geschrieben wurde, stellt in den ersten 5
Strophen eine Anleitung dazu dar, wie ein Mann geküsst werden will, nur um in
der letzten Strophe zu dem Schluss zu kommen, dass jedes Paar das selbst
entscheiden sollte.
Das Gedicht ist in sechs Strophen zu je vier Versen
aufgebaut und das Reimschema ist der Paarreim, was verdeutlichen mag, dass nur
das Paar entscheidet, was ihm gefällt und wie man sich richtig küsst. Das
Metrum ist ein 4-hebiger Jambus, die Zäsur in jeder Zeile verstärkt die
Antithesen in dem Gedicht und gibt ihm einen Klang der die gegensätzlichen
Inhalte in den Versen gut widerspiegelt.
Ein Paar küsst sich zärtlich im barocken Garten.
In Vers eins des Gedichtes beschreibt Fleming den Ort
wo man hinküssen soll („Nirgends hin als auff den Mund“), da von dort aus die
Liebe direkt ins Herz geht („da sinkts in deß Hertzens Grund“ Z.2). In Vers drei
wird ausgesagt, dass man einen Mittelweg finden soll, denn man soll nicht „zu
frey“ und nicht „zu gezwungen“ küssen und nicht zu langsam und emotionslos
(„mit gar zu fauler Zungen“ Z.4). Die Anapher „nicht“ kommt in diesen beiden Zeilen
3-mal vor und verdeutlicht wie man es nicht machen soll.
Strophe zwei besagt, dass man es nicht übertreiben
soll, sondern ein Mittelmaß finden muss, also nicht „zu wenig“ und nicht „zu
viel“ (Z.5)und nicht „zu laut“ und nicht „zu leise“ (Z.7), da es sonst keine
ernste Sache ist und zu kindisch wirkt („Beydes wird sonst Kinder-spiel“ Z.6).
Die dritte Strophe sagt aus, dass man „nicht zu nahe“
und „nicht zu weit“(Z.9) voneinander entfernt küssen soll, was eine Anspielung
auf Liebeskummer sein könnte, da beides bekümmert („Diß macht Kummer, jenes
Leid“ Z.10). In Vers drei wird wieder eine Anleitung gegeben, die das Mittelmaß
erwünscht, denn man soll weder „zu trucken“ noch „zu feuchte“ küssen (Z.11),
was er mit der Metapher von Adonis und Venus verdeutlicht.
Wieder folgen antithetisch angeordnete Anleitungen zum
Mittelmaß in der vierten Strophe („nicht zu harte, nicht zu weich“ Z. 13). Durch
die parallele Anordnung der Verse werden die Gegensätze aufgezeigt und immer
wieder auf das Mittelmaß hingewiesen („bald zugleich, bald nicht zugleich“
Z.14). Auch soll man genau wissen, wo man hinküsst („nicht ohn Unterscheid der
Stelle“ Z.16) und das richtige Tempo finden („nicht zu langsam, nicht zu
schnelle“ Z.15).
In Strophe fünf wird genauer darauf eingegangen wie
man küsst und durch die dreimalige Wiederholung von „halb“ wird wieder das
Mittelmaß in den Vordergrund gestellt („halb gebissen, halb gehaucht, halb die
Lippen eingetaucht“ Z.17-18). Auch soll man wissen, wann man küsst („nicht ohn
Unterscheid der Zeiten“ Z.19) und man soll nicht in Gesellschaft küssen,
sondern eher alleine sein („mehr alleine denn bei Leuten“ Z.20).
Durch das Auftreten von unreinen Reimen wird
verdeutlicht, dass niemand genau weiß, wie man sich richtig küsst, wenn man
nicht mal mehr einen guten „Reim auf die Situation findet“ (zum Beispiel „feuchte/reichte“
in Z.11+ 12 und „Zeiten/Leuten“ in Z.19+20).
Die letzte Strophe stellt eine Zusammenfassung und
Schlussfolgerung dar: Jedes Paar soll so küssen, wie es dies für richtig
erachtet und wissen, was der richtige Mittelweg ist („Ich
nur und die Liebste wissen, wie wir uns recht sollen küssen“ Z. 23 und 24).
Die freie Entscheidung wird durch die Hyperbel „will, soll und kann“ in Zeile
22 verdeutlicht.
Insgesamt spiegelt das Gedicht die für die Barockzeit typische
Antithetik wider und steht unter dem Motto des Carpe Diem.
Wie
er wolle geküsset seyn
Nirgends hin, als auff den Mund
da sinckts in deß Hertzens Grund.
Nicht zu frey, nicht zu gezwungen
nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig, nicht zu viel!
Beydes wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut, und nicht zu leise
Beyder Maß' ist rechte Weise.
Nicht zu nahe, nicht zu weit.
Dies macht Kummer, jenes Leid.
Nicht zu trucken, nicht zu feuchte
wie Adonis Venus reichte.
Nicht zu harte, nicht zu weich.
Bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.
Halb gebissen, halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine denn bei Leuten.
Küsse nun ein Jedermann
wie er weiß, will, soll und kan.
Ich nur und die Liebste wissen
wie wir uns recht sollen küssen.