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Welchen Stellenwert hat das Erzählen im Bildungsplan der Schule für Geistigbehinderte Baden-Württemberg?

Auch im Seminar „Erzählen im Unterricht“ stellte sich mir die – in vielen Bereichen des Studiums immer wieder aufkommende – Frage, ob sich, und wenn ja, wie sich denn die Inhalte konkret im Unterricht mit Schülerinnen und Schülern mit Geistiger Behinderung umsetzen lassen.

Das motivierte mich, bezüglich des Themas „Erzählen im Unterricht“ einen Blick in den Bildungsplan der Schule für Geistigbehinderte zu werfen.

Es liegt auf der Hand, dass verglichen mit den Lehrplänen der Grundschule im Bereich Deutsch andere Schwerpunkte gesetzt werden (müssen), zumindest die individuellen Zielsetzungen differenzierter sein sollten, betrachtet man die sicherlich andersartigen und in sich differenzierteren Niveaustufen der Schülerinnen und Schüler.

Der Bildungsplan der Schule für Geistigbehinderte sieht vor, dass die Inhalte jeder Schülerin und jedem Schüler individuell auf ihrem beziehungsweise seinem Niveau entgegen- und nahegebracht und ihnen der „Zugang zu allgemeinen, vielfältigen und grundsätzlich allen Bildungsinhalten ermöglicht“ (Ministerium für Kultus; Jugend und Sport Baden-Württemberg, Bildungsplan 2009, Schule für Geistigbehinderte, 8) werden soll.

Da für jeden Menschen Sprache und Kommunikation mit Mitmenschen von grundlegender Bedeutung ist, ist dieser Themenbereich von elementarer Wichtigkeit, auch – oder gerade – im Bereich der schulischen Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung. Schülerinnen und Schüler sollen „von Anfang an in einer sprachlich und symbolisch geordneten Welt“ (ebd., 85) leben.

Daher ist es Aufgabe der Schule, „einerseits die inhaltliche Seite der Sprache, also die Bedeutungsentwicklung“ zu berücksichtigen, andererseits, „dass die Schülerinnen und Schüler sich vor allem verständigen wollen. Aus diesem Kommunikationsbedürfnis resultiert das Interesse der Schülerinnen und Schüler“ (ebd. 85).

An dieser Stelle wird Erzählen (hauptsächlich „Erzählen1“; beim alltäglichem Erzählen, welches hier auch speziell initiiert wird, ebenfalls „Erzählen2“) nicht nur ermöglicht, sondern ist auch gewollt und soll bewusst gefördert werden. Hier sind Verweise zu erkennen, die darauf hoffen lassen, dass in der Schule für Geistigbehinderte gerade dem „echten Erzählen“ Platz eingeräumt und das Kommunikationsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler beachtet und ihnen entsprechender Freiraum zum Erzählen gegeben wird.

Zu Ehlichs Begriff „Erzählen2“ – zumindest in der Form, dass die Schülerinnen und Schüler selbst verfassen, also selbst erzählen – findet man sonst zwar weniger, jedoch auch (konkrete) Hinweise: „Die Schule schafft so früh wie möglich vielfältige motivierende und interessante Schreibanlässe, sowohl solche, die den Alltag erleichtern, als auch solche, die die Fantasie anregen.

Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass man mit Texten etwas bewirken kann“ (ebd., 104). Hier wird neben dem Anspruch auf Förderung von fiktivem Erzählen auch auf die Funktionen des Erzählens eingegangen. Weitergeführt wird dies im Bereich des literarischen Erzählens, in dem auf den inneren Funktionsbereich des Erzählens hingewiesen wird: „Beim Erzählen [und] Lesen […] machen die Schülerinnen und Schüler ästhetische Erfahrungen und lernen, dass es bei literarischen Werken nicht allein um Informationsentnahme geht […].

Allgemein kann gesagt werden, dass dem Erzählen im Bildungsplan der Schule für Geistigbehinderte durchaus Platz eingeräumt wird, wobei natürlich auch viel im Ermessensspielraum der Lehrerinnen und Lehrer liegt und der Bildungsplan nicht immer konkrete Richtlinien formuliert.

Dennoch lassen die Formulierungen erkennen, dass die Wichtigkeit der Kommunikation und damit verbunden auch des Erzählens erkannt und verankert ist und weiter darauf hoffen, dass das Erzählen tatsächlich auch seinen Weg in die Schulen findet und eben nicht dort aufhört, wo die Schule beginnt.

  • Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hg.) (2009): Bildungsplan 2009. Schule für Geistigbehinderte. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Villingen-Schwenningen: Neckar-Verlag

  • Ehlich, Konrad (2007): Alltägliches Erzählen. In: Ders.: Sprache und sprachliches Handeln. Band 3: Diskurs - Narration - Text - Schrift. Berlin: Gruyter, S. 371-393.



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