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Seminararbeit
Pädagogik

PHZH Zürich

6, Weilenmann/Pappa, 2013

Karen W. ©
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ID# 66966







, Modul “Lernen und Entwicklung 1”; Weilenmann, Pappa

Fallgeschichte


Bei der Ankündigung des Besuchs des Samichlaus zeigen einige von Herrn DenzlersZweitklässlern Angst. Ein Kind meldet sogar an, dass es am Samichlaustag nicht in die Schule kommen wird. Dem Lehrer gelingt es nicht, den Kindern die Angst zu nehmen.


Lernfrage


Welche Ängste gibt es bei Kinder im Kindesalter (Schwerpunkt Unterstufenalter)?

Wie entwickelt es die Fähigkeit, beängstigende Situationen zu bewältigen?


Normale Ängste in der Kindheit


Ängste werden als Teil der normalen Entwicklung eines Kindes betrachtet. Die kognitive Unfähigkeit eines Kindes zwischen echter und vermeintlicher Gefährdung zu unterscheiden ist ein bestimmender Faktor in der Entwicklung von Ängsten. Dieses Unvermögen führt dazu, dass Kinder Gegenstände und Situationen, die für Erwachsene offensichtlich harmlos sind, als bedrohend empfinden (Ausubel & Sullivan, 1970; Robinson et. al, 1986, zit. nach Nicastro & Whetsell, 1999, S. 393).

Ein wachsendes Bewusstsein des erweiterten Umfelds und eine zunehmende Wahrnehmung von Risiken und Gefahren zusammen mit unzureichenden kognitiven Fähigkeiten, um diese vollständig zu verstehen, führt dazu, dass daraus normale Ängste entstehen (Jones, 1928, zit. nach Ollendick et al., 2001, S.1029).


Gullone (2000, S. 429) beschreibt normale Angst folgendermassen:


Normal fear, defined as a normal reaction to a real or imagined threat, is considered to be an integral part and adaptive aspect of development.”


Normale Angst kann als eine natürliche, gesunde Reaktion verstanden werden, die es den Kindern ermöglicht Gefahren zu erkennen und ihnen mit der gebotenen Vorsicht gegenüberzutreten. Normale Angst unterscheidet sich von klinischer Angst oder Phobien dadurch, dass normale Angst auf eine bestimmte Entwicklungsphase begrenzt ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Dauer von normaler Angst allgemein kurz ist.

Forscher haben jedoch unterschiedliche Ergebnisse erhalten, welche zum Teil eine langandauernde Stabilität dieser Ängste aufzeigten (Gullone, 2000).


Die evolutionäre Basis normaler Ängste wird weithin als Überlebensmechanismus verstanden (Silverman et. al, 1995, zit. nach Nicastro & Whetsell, 1999, S. 392). Nach der Theorie der Angstentstehung von Rachman bahnt sich normale Angst aus einer Kombination von drei Fährten an: durch Konditionierung (eigene Erfahrung mit angstauslösenden Reizen), durch Modellieren (Übernahme der Angsthaltung anderer) und durch negative Informationen (andere berichten über angstauslösende Reize) (1970, zit. nach Muris, 1999, S. 929-30). Ängste, die durch nur eine oder einer Kombinationen dieser drei Fährten entstehen, werden assoziativ genannt.

Spontan entstehende Ängste hingegen sind nicht-assoziativ. Nach Menzies und Clarke deuten nicht-assoziative Ängste vor Tod und Gefahr auf die Hypothese einer evolutionären Basis hin (1994, zit. nach Ollendick et al., 2001; Muris, 1997). Zusätzliche Untermauerung dieser Hypothese ist in wiederholt durchgeführten Untersuchungen zu finden, die belegen, dass Ängste vor Tod und Gefahr über Jahrzehnte anhalten (Gullone, 2000, S. 437-8).


Entwicklung von normaler Angst


Da nicht alle Kinder die gleichen Ängste erleben, kann Angst als individuelle Reaktion auf einen bestimmten Reiz verstanden werden. Es gibt jedoch erkennbare Muster in der Entwicklung von Ängsten (Robinson, 1988, S. 29). Im Säuglingsalter sind Ängste in der Regel auf die unmittelbare Umgebung begrenzt und umfassen Angst vor lauten Geräuschen oder Verlust der Unterstützung.

Die Angst vor fremden Menschen oder Objekten sowie Höhenangst tritt meist innerhalb des ersten Jahres auf. Diese weist zusammen mit Trennungsangst auf eine deutliche, kognitive Entwicklung hin, da sie derhigkeit zwischen Bekanntem und Unbekanntemzu unterscheiden können bedarf. Bei Kindern im Vorschulalter lösen Dunkelheit, Alleinsein und Tiere häufig Angstreaktionen aus (Gullone, 2000, S. 439).


Der Beginn der Schulzeittrifft mit der Entwicklung neuer Ängste wie Angst vor übernatürlichen Phänomenen, Versagen, Kritik und Körperverletzung zusammen. Diese Ängste zeigen eine wichtige Entwicklungsstufe bei Kindern, denn sie verlangen die kognitiven Anforderungen von Vorstellung und Antizipation. Im Alter von sechs bis zwölf Jahren prägen sichsoziale Ängste sowie Ängste in der Schule zunehmend aus.

Bei älteren Jugendlichen beginnen politische und wirtschaftliche Ängste zu entstehen. Eine Reihe von Studien belegen, dass Ängste im Zusammenhang mit Tod und Gefahrauch in späteren Lebensabschnitten auftreten (Gullone, 2000, S. 439-40).



Ein bewährtes Erhebungsinstrument zur Erforschung von Angst von Kindern im Schulalter ist die Revised Fear Schedule Survey for Children (FSSC-R). Die Robustheit der FSSC-R ist mit über Alter, Geschlecht und Nationalität konsistenten Ergebnissen nachgewiesen worden. Sie besteht aus einem Fragebogen mit 80 angstauslösenden Reizen, die die Kinder nach einer abgestuften Skala einordnen.


Mit der FSSC-R werden Ängste in die folgenden fünf Kategorieneingeteilt (Ollendick, 1983; Muris et al., 1997, Gullone, 2000):


  1. Misserfolg und Kritik

  2. das Unbekanntes,

  3. leichte Verletzungen und Tiere,

  4. Gefahren und Tod,

  5. medizinische Ängste


E


Tabelle 1: Ängste mit den grössten Abweichungen zwischen den Geschlechtern

Mädchen

Jungen

Dunkelheit

fremde Orte, Leute, Geräusche & Objekte

Entführung, Raub & Mord

Schlangen

Dreck

Tiere

Verletzungen

schulischer Misserfolg

Alpträume

Fantansiegestalten


Quelle: Gullone, 2000, S. 440

influssgrössen auf die Ausprägung von Angst


Geschlecht


Viele Studien haben geschlechtsspezifische Unterschiede in der berichteten Angst bei Kindern aufgezeigt. Sie Tabelle 1 zeigt jene Ängste, bei welchen die grössten Abweichungen zwischen Mädchen und Jungen festgestellt wurde (Gullone, 2000, S. 440). Eine Reihe von

berichten. Es gibt aber auch Hinweise, dass die Angaben der Jungen über ihre Ängste von bekannten Stereotypen der Geschlechter beeinflusst sein können (Gullone, 2000, S. 440-1).


Sozio-ökonomischer Status


Tabelle 2: Ängste mit den grössten Abweichungen zwischen Kindern nach sozio-ökonomischem Hintergrund

Mitteler bis hoher SoS

Niedriger SoS

Höhen

Krankheiten

Züge

Achterbahnen

Sichtheit von Haustieren

Fremde Leute

Verstossung von den Eltern

Gewalt

Tod

Springmesser

Polizei

Prügelstrafe

Tiere

Quelle: Gullone, 2000, S. 441

Ein weiterer entscheidender Faktor bei Angaben über Ängste ist der

sozio-ökonomische Status (SoS) eines Kindes. Kinder eines niedrigen SoS berichten häufiger von bestimmten Ängsten als jene eines mittleren bis hohen (siehe Tabelle 2). Die Ängste von Kindern eines niedrigen SoS sind zahlreicher und treten häufiger sowie intensiver auf. Granziano et al. (1979, zitiert Gullone, 2000, S. 441) vermuteten, dass diese Ängste die realen und drohenden Gefahren widerspiegeln, mit denen Kinder mit niedrigem SoS in ihrer unmittelbaren Umgebung konfrontiert sind.

nötigen Skepsis betrachtet werden. Mehr Forschung ist zu diesem

Thema nötigum überzeugendere Schlussfolgerungen davon ableiten zu können (Gullone, 2000, S. 441).


Kultur


Forscher interessieren sich auch dafür, ob kindliche Ängste kulturbasiert sind oder universell zum Entwicklungsprozess gehören. Wichtig ist es zwischen landes- und kulturübergreifenden Studien zu unterscheiden, da landesübergreifende Studien nicht unbedingt auch kulturübergreifend sind. Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Durchführung interkultureller Vergleiche ist die grundlegende Frage, wie die Kulturen eingestuft werden.

In einer landes- und kulturübergreifende Studie von Ollendick et al. (1996, zitiert Gullone, 2000, S. 445-6) berichteten 1’200 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren über ihre Ängste. Die Studie wurde in den USA, Australien, China und Nigeria durchgeführt. In den drei erstgenannten Ländern stimmten die Ergebnisse mit der Erkenntnis aus früheren Studien aus westlichen Kulturen überein, nämlich dass Mädchen über höhere Angst berichten als Jungen.

In Nigeria gab es keine Assoziation zwischen Alter und Anzahl der berichteten Ängste. Die häufigsten Ängste, wie vor Tod und Gefahr, scheinen unter den Kulturen konsistent zu sein. Das deutet darauf hin, dass, obwohl die Entwicklung eines Kindes in unterschiedlichen Kulturen auch unterschiedlich verläuft, die kindlichen Ängste eine bestimmte Universalität besitzen (Gullone, 2000, S. 445-6).


Angstreaktionen von Kindern


Die Reaktionen eines Kindes auf Angst sind von der Wahrnehmung der angstauslösenden Reizen und des Bildsder eigenen Person bestimmt (Nicastro & Whetsell , 1999, p . 398 ). Somit können Reaktionen auf Angst physiologisch oder emotional sein. Physiologische Reaktionen können reale oder eingebildete Krankheiten wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Müdigkeit und Gewichtsverlust umfassen.


Die Fähigkeit eines Kindes Situationen von Angst erfolgreich zu bewältigen,ngt weitgehend mit dessen eigenen Gefühlen von Selbstwert, Sicherheit und Kontrolle zusammen. Geringes Selbstwertgefühl erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zum Vermeidungsverhalten greift (Robinson, 1988, S. 27-8 ). Vermeidung wird verwendet, um der Angstreaktion eines bestimmten Reizes zu entkommen.

Im Laufe der Zeit verstärkt sich das Vermeidungsverhalten und wird nicht darauf eingegangen, können sich die Ängste zu Phobien entwickeln, die sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen können (Ollendick, 1983, S. 1030).


Angstbewältigungsstrategien für Kinder


Die Entwicklung von angemessenen Bewältigungsstrategien zur Überwindung von Angst ist wichtig. Erfolgreiche Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Angst kann zu erhöhtem Selbstvertrauen und adaptivem Verhalten führen. Die Eröffnung eines Dialogs über Angst ist der erste Schritt, um einem Kind zu helfen, seine Angst zu verstehen und dadurch zu bewältigen. Die richtige Literatur kann als Einstieg in einen solchen Dialog dienen.


Robinson (1988) empfiehlt Eltern und Erziehern folgende Schritte um Kindern mit Ängsten zu helfen:


  1. Beziehung etablieren, Angst bestimmen: Hier geht es um eine positive Beziehung mit dem Kind aufzubauen und die Angst des Kindes durch Selbsterforschung seitens des Kindes zu bestimmen.

  2. Angst feststellen und verstehen: In diesem Schritt soll die Angst genauer definiert und ihre Ursache bestimmt werden.ngt sie mit einem Trauma oder einer erlebten Katastrophe zusammen? Man erzielt durch diesen Schritt Selbstverständnis.

  3. Intervention realisieren: Hier werden kreative Strategien für die Bewältigung der Angst eingesetzt.Das Kind wird mit der Angst konfrontiert und erhöht dadurch seine eigene Gefühle von Selbstwert, Sicherheit und Kontrolle.


Zusammenhang mit der Angst vor dem Samichlaus


Die Kinder in Herr Denzlers Klasse zeigten auffällige Reaktionen auf den angekündigten Besuch des Samichlaus. Während Fremdenangst bei Säuglingen und Vorschulkinder noch häufig auftreten kann, ist diese bei Kindern im Schulalter seltener. Wichtig wäre hier, die Gründe der Angstreaktionen in den Kindern genauer herauszuarbeiten. Vor was genau haben die Kinder Angst (Schritt: Angst bestimmen)? Ist diese Angst vor dem Samichlaus durch Konditionierung, Modellierung oder negative Information entstand (Schritt: Angst feststellen und verstehen)? Nachdem die Angst genau festgestellt wird, könnte Herr Denzler auf die Angst eingehen.


Da Angst in Kindern von vielen Faktoren abhängt, gibt es viele mögliche Einflüsse, die auf die Angstreaktion einwirken. Das Geschlecht sowie der sozio-ökonomische Hintergrund können eine Rolle in der Angstreaktionen spielen. Um die Normalität der Angstreaktion der Kinder zu bestimmen, wäre es nötig, mehr über die Hintergründe der einzelnen Kinder zu wissen, da diese auch von Bedeutung sein könnten.

Da Kinder in diesem Alter solche Ängste typischerweise nicht aufzeigen, müsste man eventuell auch abklären, ob es bei den starken Angstreaktionen noch um normale Angst und nicht bereits schon um klinische Angst oder sogar einem Anfang einer Phobie handelt.



Als angehende Lehrperson finde ich es besonders wichtig, die Entwicklung der normalen Ängste und die Reaktion auf diese sowie die Progression von der normalen Angst zu Phobien zu verstehen. Ich halte es für wichtig, zwischen normaler Angst und Ängste, die sich möglicherweise zu Phobien entwickeln könnten, zu unterscheiden. Während angstauslösende Reize nicht immer in der Schule auftreten, können sich die Auswirkungen von Angst im Verhalten eines Kindes im Klassenzimmer manifestieren.

Es kann sein, dass ein Kind, das auffällige Verhaltensweisen aufweist, auf seine Ängste reagiert. Als Lehrperson ist es wichtig zu prüfen, wie Kinder Angsterfahrungen wahrnehmen und wie man ihnen helfen kann, Ängste angemessen zu bewältigen.


In der englischsprachigen Literatur gibt es einen Überfluss von Forschung zum Thema Angst in der Kindheit. Mich durch die zeitliche Einschränkung auf einen winzigen Ausschnitt dieses Forschungsgebiet begrenzen zu müssen fand ich bedauernswert.

Literaturverzeichnis


Gullone, E. (2000). The development of normal fear: A century of research. Clinical Psychology Review, 20(4), 429–451. doi: 10.1016/0160-9327(89)90009-4

Muris, P., Merckelbach, H., & Collaris, R. (1997). Common childhood fears and their origins. Behaviour Research and Therapy, 35(10), 929–937. doi: 10.1016/S0005-7967(97)00050-8

Muris, P., Merckelbach, H., Meesters, C., & Van Lier, P. (1997). What do children fear most often? Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 28(4), 263–267. doi: 10.1016/S0005-7916(97)00024-4

Ollendick, T. H. (1983). Reliability and validity of the revised fear survey schedule for children (FSSC-R). Behaviour Research and Therapy, 21, 685-692. doi: 10.1016/0005-7967(83)90087-6

Ollendick, T. H., Langley, A. K., Jones, R. T., & Kephart, C. (2001). Fears in Children and Adolescents: Relations with Negative Life Events, Attributional Style, and Avoidant Coping. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 42(8), 1029-1034. doi: 10.1111/1469-7610.00801

Robinson, E. H., Rotter, J., Vogel, K., & Fey, M. A. (1988). Helping children cope with fear and stress: An activity guide. Nairobi, Kenya: Association of International Schools in Africa. Verfügbar unter [Abrufdatum 26.10.2013]


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