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Was ist eine Kurz­ge­schichte? Merkmale von Kurz­ge­schichten

695 Wörter / ~2½ Seiten sternsternsternsternstern Autor Michel B. im Mai. 2013
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Dokumenttyp

Handout
Deutsch

Universität, Schule

Freie Universität Berlin - FU

Note, Lehrer, Jahr

1, Schiewer, 2000

Autor / Copyright
Michel B. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.09 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 30981







Was ist eine Kurzgeschichte?

 

Eine kurze! Zusammenfassung der Ansichten verschiedener Autoren und literatur-wissenschaftlicher Werke[1]  über das Wesen und die Merkmale der Kurzgeschichten.

 

Die Kurzgeschichte ist „das Chamäleon der literarischen Gattung“(Hans Bender). Deshalb ist eine normative Formbestimmung nicht möglich. Vielmehr muss man die Summe aller Kurzgeschichten betrachten und deskriptiv ihre Merkmale zusammentragen, die die Kurzgeschichte, bzw. die Kurzgeschichten von anderen literarischen Gattungen abheben (vor allem gegenüber ÞNovellen, ÞNovelletten, ÞParabeln, ÞGleichnissen, ÞKalendergeschichten).

 

Die Entstehungsgeschichte der Kurzgeschichte ist umstritten.
Ganz sicher sind die Kalendergeschichten Johann Peter Hebels (*1760  +1826) und die teils älteren
ÞSchwänke, ÞFazetien und ÞAnekdoten zahlreicher Autoren eine Vorform der Kurzgeschichte. Ansätze zeigen auch die Werke Kleists, Hoffmanns und Hebbels.
Die Kurzgeschichte im engeren Sinne entstand im kleinen Rahmen um 1920, wegen des Bedürfnisses des Lesers nach kurzer Literatur, und wegen des Bedarfs der Zeitschriften an kurzen Texten (Wilpert).

 

Ohne Zweifel beginnt die große Zeit der Kurzgeschichte nach dem zweiten Weltkrieg unter dem starken Einfluss der amerikanischen short stories.

Die Þshort story -in Deutschland bis dahin weitgehend unbekannt- begegnete deutschen Autoren in der Emigration oder in der Kriegsgefangenschaft.

Nach etwa zwölf Jahren Diktatur, die nur bestimmte Texte und Autoren zuließ (ÞBücherverbrennung), gab es einen großen kulturellen Nachholbedarf, sowohl bei Lesern, als auch bei Autoren. Die Anregungen durch die short story wurden begeistert verarbeitet.

Nichtsdestoweniger muss beachtet werden, dass die amerikanische short story nicht deckungsgleich mit der Kurzgeschichte ist. Erstgenannte ist in ihrer Form viel offener, ist mal näher an der Novelle, mal einer Erzählung ähnlicher.

Die Kurzgeschichten eigneten sich wegen ihrer Einfachheit und Kürze hervorragend für Experimente und zum Aufarbeiten der schrecklichen Vergangenheit.

 

Häufige Themen sind:
                 -Kriegs- und Nachkriegserlebnisse (u.a. Borchert, Böll)
                 -Trümmerliteratur
                 -kritische Auseinandersetzung mit der Wohlstandsgesellschaft
                 -Dokumentation menschlicher Wirklichkeitserfahrung
                  (psychologisch-existentielle Handlungselemente)

Wichtige Merkmale der Kurzgeschichten:

1.) Kürze

Die Kurzgeschichte zeichnet sich durch ihre Kürze aus. Sie ist nicht so breit angelegt und so locker aufgebaut wie eine ÞErzählung. (auch Kurzepik oder kurze epische Prosa genannt)

 

2.) Punktualisierung

Wichtiger als 1.) sind die inhaltliche Komprimierung, die straffe Komposition und der lineare Handlungsverlauf der Kurzgeschichte, der auf eine unausweichliche Lösung hin strebt und deshalb vom Schluss her geschrieben scheint.  ÞHaupt- Neben- und Gegenhandlungen fehlen ganz.

Der in der Kurzgeschichte betrachtete Zeitraum wird auf einen kleinen Ausschnitt zusammengedrängt, auf einen Augenblick hin reduziert und verdichtet, bis hin zu einer Momentaufnahme, einem ÞBild oder einer exemplarischen Situation.
Die Summe eines Menschenlebens wird aus dem Augenblick belebt (Wilpert)

 

3.) Simultaneität
Die Simultaneität wirkt der in 2.) beschriebenen Komprimierung des Geschehens entgegen, und verhindert gewissermaßen, dass die Komprimierung dem Erzählen ein Ende setzt. Durch
ÞMontage, Erzählperspektivenwechsel und Monologe z.B. werden mehrere Ereignisse, die räumlich und zeitlich voneinander getrennt sind, gleichzeitig dargestellt. so dass der Augenblick vielschichtig wird.

 

4.) Offenheit

Kurzgeschichten weisen sehr oft keinen abgerundeten Schluss auf; sie sind nach vorne und nach hinten unabgeschlossen im Gegensatz zum Roman z.B., bei dem meist eine breit angelegte Einleitung die wichtigsten Personen und deren Beziehungen zueinander einführt, die Zeit in der die Handlung spielt ausführlich beschreibt oder zumindest deutlich macht (siehe Theodor Fontanes „Effi Briest“). Der Erzähleinstieg bei der Kurzgeschichte ist hingegen eher abrupt, besonders bei Günter Kunerts „Zentralbahnhof“. „Der verblüffende Schluss hinterlässt eine schwebende, nachklingende Dissonanz“ (Hans Bender), der Unruhe stiftet, dem Leser Fragen stellt, ihn zum Mitdenken und Mitwirken auffordert. Nach den Lösungen muss der (geneigte) Leser freilich selbst suchen.

Der offene Schluss ist oft der Schlüssel zum Verständnis.

 

5.) Alltäglichkeit

Der Stoff rekrutiert sich häufig aus dem modernen Alltagsleben. Die Personen der Geschichte sind keine Helden, sondern mittelmäßige Menschen, manchmal auch Außenseiter, die mit dem Alltag, mit erschütternden Grenzsituationen oder mit anderen entscheidenden Momenten im Leben konfrontiert werden. Die verwendete Sprache ist oft kühl, unkompliziert, oder sogar Dialekt bzw. Jargon (Siehe Rainer Brambachs „Justus oder im Sommer sind die Mansarden heiß“). Dies ist ein deutliches Indiz für den Willen des Autors zur Wahrhaftigkeit (Winfried Ulrich). Die realistische Tatsachenwiedergabe führt gerade zu provozierenden Erkenntnissen, allerdings ist auch ein Umschlagen ins impressionistische oder ins surreale möglich. (Wilpert)

 

6.) Mehrdeutigkeit

Gerade bei so kurzen Texten kommt es besonders auf das an, was zwischen den Zeilen steht, was nicht deutlich gesagt, sondern nur angedeutet wird. Scheinbar Belangloses wird bedeutungsvoll und erhält Hinweischarakter auf Hintergründiges, d.h. es wird mehrdeutig.



[1] Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur; Schülerduden-Literatur; Winfried Ulrich, Deutsche Kurzgeschichten 11.-13. Schuljahr, Phillip Reclam Junior Stuttgart; Hermann Pongs,                Kleines Lexikon der Weltliteratur


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