Was ist die Phonologische Bewusstheit?
Testverfahren und Förderprogramme
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort 1
2. Die Phonologische Bewusstheit 2
3. Testverfahren der
phonologischen Bewusstheit 3
3.1. 3.1
Der Rundgang durch Hörhausen. 3
3.2. Erhebungsverfahren
ARS 4
3.3. Bielefelder
Screening. 5
4. Förderprogramme der
phonlogischen Bewusstheit 5
5. Schlussbetrachtung. 6
6. Literaturliste. 7
1.
Vorwort: Was haben die „drei Chinesen mit dem Kontrabass“ mit
der Verhinderung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten zu tun?
Seit ungefähr 100 Jahren beschäftigt sich die
Forschung mit der Entstehung und Verhinderung von
Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Lange Zeit wurden Defekte im visuellen
Bereich als Hauptursache für Lese-Rechtschreibschwäche angesehen. Neuere
Forschungen haben jedoch durchschnittliche visuelle Wahrnehmungsleistungen bei
lese-rechtschreibschwachen Kindern bestätigt und beispielsweise belegt, dass
die bekannte b-d-Verwechslung bei schwachen Lesern nicht häufiger vorkommt, als
bei guten. In der Folgezeit versucht man, den wesentlichen Vorläuferfähigkeiten
auf die Spur zu kommen. Im Rahmen dieser Forschung stieß man auf die phonologische
Bewusstheit. (vgl. Forster 2005, S. 36)
Dies führt zurück auf die eingangs erwähnte
Frage „Was haben die drei Chinesen mit dem Kontrabass mit der
Verhinderung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten zu tun?“
Die Antwort lautet: Es sind genau solche
Lieder, die förderlich für den Aufbau der phonlogischen Bewusstheit sind, da
sie mit der Lautstruktur der Sprache spielen. Es gibt zahlreiche von ihnen.
Beispielweise auch Spielsituation wie „Hoppe, hoppe, Reiter…“ oder Malspiele
wie „Punkt, Punkt, Komma Strich,…“ fallen darunter.
Aus welchem Grund, gerade solche Spiele und
Lieder sinnvoll für eine Förderung der phonlogischen Bewusstheit sind, soll im Folgenden
geklärt werden. Dazu ist es jedoch nötig, genau zu definieren, was man
eigentliche unter dem Begriff der phonlogischen Bewusstheit versteht. Darüber hinaus
soll in dieser Arbeit auch einige bekannte Testverfahren und Fördermaßnahmen
auf diesem Gebiet dargestellt werden.
Zunächst soll jedoch wie bereits erwähnt eine
Begriffsbestimmung Zugang zu der Thematik schaffen.
2.
Die Phonologische Bewusstheit
In „phonologischer Bewusstheit“ ist das Wort
Phon bzw. Phonem versteckt. Deshalb erscheint es sinnvoll einen kleinen Umweg
über diesen Begriff zu machen. Phoneme sind die kleinsten bedeutungsunterscheidenden
Einheiten der Sprache (vgl. Forster 2009, S. 8)
Wechselt man in einem Wort ein Phonem aus,
ändert sich die Bedeutung, z.B. von Lachen zu Rachen. Hier wird
nochmal deutlich, weshalb hier bedeutungsunterscheidend in der
Definition hervorgehoben wurde. Es soll dem Irrtum vorbeugen, Phoneme wären
bedeutungstragend. Dies ist nämlich nicht der Fall, da /l/ und /r/
selbst keine eigene Bedeutung haben sondern nur durch ihre lautliche Umgebung
(in diesem Beispiel /achen/) bedeutungsunterscheidend wirken können. Deshalb
sei an dieser Stelle nochmals mit aller Deutlichkeit gesagt: Phoneme sind
bedeutungsunterscheidend und nicht bedeutungstragend!
Im Zusammenhang mit Phonem soll zusätzlich
noch kurz der Begriff Graphem angeschnitten werden: Grapheme sind Buchstaben
oder Buchstabengruppen, die mit einem Phonem korrespondieren (vgl.
Schründer-Lenzen 2009, S.48). Nun steht schließlich noch die eigentliche
Definition der phonlogischen Bewusstheit aus.
Phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit
die Aufmerksamkeit weg vom inhaltlichen Aspekt der Sprache hin auf den
Lautaspekt der gesprochenen Sprache richten zu können und dabei geeignete
Elemente wie Worte, Silben, Phoneme unterscheiden zu können. (vgl.
Forster 2005, S. 37)
Phonologische Bewusstheit umfasst zwei
Ebenen:
1) im weiteren
Sinne: artikulatorisch-sprechrythmische
Elemente, also vor allem Silben und Reime.
2) 2) im engeren
Sinne: Phoneme synthetisieren (i-n à
in), analysieren (Hut à H-u-t) und
manipulieren zu können (Mund à
Mond).
(vgl. Helbig 2005, 50ff.)
Das Lied drei Chinesen mit dem Kontrabass
würde demnach beispielsweise die Fähigkeit zur Manipulation von Phonemen
trainieren.
3.
Testverfahren der phonologischen Bewusstheit
Da nun der Begriff der phonologischen
Bewusstheit geklärt wurde, kann man sich der Frage widmen „Wie können phonlogische
Fähigkeiten diagnostiziert werden?“
3.1.
3.1 Der Rundgang durch Hörhausen
Am Institut zur Grundschulforschung der
Universität Erlangen-Nürnberg wurde zu diesem Zwecke das Diagnoseverfahren „Der
Rundgang durch Hörhausen“ entwickelt. Schon der Ortsname weist die Kinder
daraufhin, dass es bei allen Aufgaben auf das genaue Hören ankommt. (vgl.
Forster 2005, S. 38)
Das Kind macht mit dem Testleiter einen
Rundgang durch die Stadt Hörhausen und soll dabei verschiedene Aufgaben
erledigen. Es gibt einen Zoo, einen Briefkasten, einen Spielplatz, einen
Bahnhof und Häuser. Im Zoo beispielsweise können die Kinder Silben klatschen
(Kro-ko-dil) oder auch zusammensetzen. Für Letzteres werden den Kindern mit
Bildkärtchen zwei Tiere gezeigt. Jedes Tierbild ist in der Mitte auseinander
geschnitten. Durch Zusammenlegen entstehen neue Fantasietiere: z.B. Ziege und
Kamel wird zu Zie-mel und Ka-ge. Auf dem Spielplatz werden Phoneme analysiert,
am gelben Haus Anlaute erkannt….Es gibt für alle Orte in Hörhausen bestimmte
Aufgaben. Dabei werden je nach Aufgabe Bereiche der phonologischen Bewusstheit
im weiteren bzw. engeren Sinn und auch die Vorkenntnisse bezüglich der Schriftsprache
erfasst. Da keinerlei Buchstaben- oder Lautkenntnis vorausgesetzt wird, ist der
Test bereits im Vorschulalter einsetzbar. (Forster 2009, S. 9f.)
Die Kinder haben insgesamt 48 Einzelaufgaben
in acht Bereichen (zusätzlich noch Aufgaben zu Vorkenntnissen) zu bearbeiten.
Die Testdauer beträgt 30 bis 45 minuten pro kind. Die Testergebnisse sind sehr
aussagekräftig und daher ist es schade, dass der hohe Zeitaufwand einen
breiteren Einsatz oft nicht möglich macht. (vgl. Forster 2005,
S. 39)
3.2.
Erhebungsverfahren ARS
Lehrkräfte und Erzieher wünschten sich ein
Verwahren, das geeignet war, eine größere Anzahl von Kindern mit einem
angemessenen Aufwand zu prüfen. So wurde das Erhebungsverfahren ARS (Anlaute
hören, Reime finden, Silben klatschen) entwickelt. (vgl. Forster 2005, S. 39)
Es kann gewissermaßen als Kurzform des „Rundgang
durch Hörhausen“ stehen. Die Autoren empfehlen das von ihnen entwickelte
Verfahren ausdrücklich für das Erfassen des erreichten Grades der
phonologischen Bewusstheit im letzen Jahr vor dem Schuleintritt (sogar im Alter
von 4 ½ Jahren). Ein Vorzug des Verfahrens liegt wie bereits angesprochen im
vergleichsweisen geringen Aufwand (von 10 bis 15 Minuten pro Kind). Erfasst
werden dabei die phonlogische Bewusstheit im weiteren Sinn durch Klatschen,
Wörter in Silben zerlegen und durch Heraussuchen von drei aus vier Wörtern, die
sich am Wortende reimen sowie phonologische Bewusstheit im engeren Sinn durch
heraussuchen von Wörtern, die den gleichen Anlaut besitzen. (Hacker 2008, S. 224)
Kurz vor Schuleintritt sollen die Erzieher
noch einmal die Kinder mit ARS überprüfen, um festzustellen welche
lernfortschritte sie gemacht haben. Die Werte der Kinder, die immer noch
Defizite aufweisen können mit Einverständnis der Eltern an die Schule
weitergeleitet werde, um so eine frühzeitige zusätzliche Förderung im
Schriftspracherwerb zu gewährleisten. (vgl. Forster 2005, S. 40)
3.3.
Bielefelder Screening
Auch das Bielefelder Screening ist ein
Diagnoseverfahren, das vor der Einschulung angewandt wird. Es enthält ebenfalls
Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit im engeren und weiteren Sinn. Daneben
enthält es zusätzlich Aufgaben, die den schnellen Abruf aus dem
Langzeitgedächtnis und seine Störanfälligkeit überprüfen. Ein Beispiel wäre
hier das schnelle Benennen von Farben schwarz-weiß dargestellter sowie
farb-inkongruenter Objekte. Die Zuordnung von Farben und Objekten soll dem
Zuordnungsprozess von Graphemen und Phonemen ähneln. Eine
Pseudowort-Nachsprechaufgaben prüft das phonetische Rekodieren im
Kurzzeitgedächtnis, eine Wort-Vergleich-Suchaufgabe untersucht die visuelle
Aufmerksamkeit an Schriftmaterial. Überschreitet die Fehlerzahl in einer
Aufgabe einen kritischen Wert, wird ein Risikopunkt vergeben. Ab vier
Risikopunkten wird das Auftreten späterer Lese-Rechtschreibschwierigkeiten als
wahrscheinlich angenommen. (Bredel 2006, S. 875)
4.
Förderprogramme der phonlogischen Bewusstheit
Da nun einige Testverfahren zur
phonologischen Bewusstheit aufgezeigt wurde, soll in diesem Punkt die
Förderprogramme zu diesem Bereich vorgestellt werden.
Trainingsstudien belegen, dass die
phonologischen Fähigkeiten bereits im Vorschulalter unabhängig von einem
Leselehrgang trainiert werden können und die Gruppe der trainierten Kinder in
späteren Lese- und Rechtschreibtests signifikant besser abschnitten, als die
Kinder, die nicht trainiert wurden. (vgl. Forster 2005, S. 41)
Deshalb sollen nun zwei Trainingsprogramme aufgeführt
werden. Eines für die Vorschulzeit das andere für die Grundschule. Das
Würzburger Trainingsprogramm „Hören, lauschen, lernen“ ist zum Einsatz im
Kindergarten gedacht und umfasst Lauschspiele, Reime, Sätze und Wörter, Silben,
Anlaute und Phoneme.
Ein Beispiel zu dem Bereich Lauschspiel wäre
„den Wecker verstecken“.
Hierbei wird ein Wecker im Zimmer versteckt,
den das Kind durch genaues Hören wiederfinden muss. „Den Namen raten“ ist dem
Bereich Anlaute zugehörig. Bei dieser Aufgabe spricht die Erzieherin nur den
ersten Laut eines Namens und die Kinder, die im Kreis sitzen, sollen erraten,
wessen Name das sein soll. (ebd., S. 41f.)
Nun soll noch ein Trainingsprogramm
vorgestellt werden, dass in der Schule eingesetzt wird. Im Rahmen des
Forschungsprojekts zur phonologischen Bewusstheit wurde an den Lehrstühlen für
Grundschulpädagogik und –didaktik der Universität Nürnberg-Erlangen ein
Training zu phonologischen Bewusstheit in der Schule entwickelt (Forster und
Matschinke 2001). Dieses Training setzt bereits in der ersten Jahrgangsstufe
ein. Die Hexe Susi ist die Identifikationsfigur für die Kinder. Susi ist ein
Hexenmädchen, das genauso wie die Kinder unbedingt lesen lernen will. Sie kann
sonst nämlich sie Zaubersprüche im Hexenbuch nicht lesen, also nicht hexen. (Helbig
2005, S.192f)
Bereiche dieses Trainings sind Lausch- und
Reimaufgaben, Aufgaben zur Silbe, Aufgaben zu Phonemen und Aufgaben zum
schnellen lesen im Hexenbuch. Dabei werden die Kinder nicht nur von der Hexe
Susi sondern auch von ihren Freunden dem Raben Kunibert und dem Kater Niko
begleitet.
5.
Schlussbetrachtung
Mit dem letzen Trainingsprogramm wurde sehr
gut deutlich, wie es gelingen kann Aufgaben in eine motivierende Geschichte einzubetten.
Dies macht meiner Meinung sehr viel Sinn, da es solche Identifikationsfiguren
wie die Hexe Susi sind, die sehr motivierend auf die Kinder wirken und an die
man sich auch später gerne zurückerinnert. Wer erinnert sich beispielsweise
nicht an die Maus Mimi, die beim Erlernen der Schriftsprache geholfen hat. Solche
Figuren helfen auch über manch schwere Aufgaben hinweg. Deswegen sollte auch bei
den Förderprogrammen zur phonlogischen Bewusstheit viel Wert auf solch motivationale
Komponenten gelegt werden.
Die Diagnoseverfahren, um die Fähigkeiten im
Bereich der phonlogischen Bewusstheit zu testen, mögen sehr zeitaufwendig für
Erzieher beziehungsweise für Lehrer sein, sind aber sicherlich sinnvoll, um
mögliche Problemfelder zu erkennen, damit man mit geeigneten Förderprogrammen
entgegensteuern kann.
6.
Literaturliste
Bredel, U. u.a. (2006): Didaktik der deutschen Sprache. Bd 2. 2. Aufl. Paderborn
Forster, M. (2005): Phonologische
Bewusstheit als zentrale Voraussetzung für das Lesen: Möglichkeiten der
Diagnose und Förderung. In: Gläser, E. & Franke-Zöllmer, G. (Hrsg.):
Lesekompetenz fördern von Anfang an. Didaktische und methodische Anregungen zur
Leseförderung. Baltmannsweiler. S. 36-49.
Schründer-Lenzen, A. (2009):
Schriftspracherwerb und Unterricht. Bausteine professionellen Handlungswissen.
3. Aufl. Wiesbaden.
Forster, M. & Martschinke, S. (2009):
Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi. Übungen und Spiele zur
Förderung der phonologischen Bewusstheit. 7. Aufl. Donauwörth
Helbig, P.; Kirschhock, E.-M.; Martschinke,
S. & Kummer, U. (Hrsg.) (2005): Schriftspracherwerb im
entwicklungsorientierten Unterricht. Bad Heilbrunn.
Hacker, H. (2008): Bildungswege vom
Kindergarten zur Grundschule. 3. Aufl. Bad Heilbrunn.