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Ludwig-Maximilians-Universität München - LMU

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Emma R. ©
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Warum verwendet Hoffmann die Liebe als Mittel der Kunst?


Die Dichotomie zwischen liebe und Kunst bei e.t.a. Hoffmann an drei ausgewählten werken.


(der goldene topf- der sandmann- Elixiere des Teufels)


Gliederung:


  • Einleitung
  1. Liebe in der Romantik
  1. Ehe als bürgerliche Institution der Liebe
  1. Die zwei Arten der Liebe

3.1.  Am Beispiel „Der goldene Topf“

3.2.  Am Beispiel „Der Sandmann“

3.3.   Am Beispiel „Elixiere des Teufels“

  1. Die Geliebte (Heilige vs. Hure)
  • Fazit
  • Literatur

Einleitung:

Die Liebe ist seit Beginn der Neuzeit ein immer wichtiger werdender zwischenmenschlicher Aspekt geworden. Vor allem im Zuge der Aufklärung und der Romantik erhält sie aber besonders in der Kunst einen neuen Status und wird in ihrer Vielfältigkeit zum Thema vieler Werke. Nun stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum die Liebe so oft als Mittel der Kunst vorkommt. Was macht die Liebe so interessant und aussagekräftig für die Kunst?

Dieser Frage bin ich an drei ausgewählten Werken von E.T.A. Hoffmann nachgegangen, dem „goldenen Topf“, dem „Sandmann“ und den „Elixieren des Teufels“.

Um das Bild der Liebe in diesen Werken besser verstehen zu können, habe ich mich im ersten Teil der Arbeit mit der Liebe in der Romantik beschäftig und dabei die Auffassungen der Aufklärung ergänzend herangezogen.

Da wir heute die Liebe als den Grund für die Ehe ansehen und dies an die Ansichten und Vorstellungen der Aufklärer und Romantiker anknüpft, erschien es mir als wichtig, den Zusammenhang von Liebe und Ehe, vor allem in der damaligen Zeit, zu analysieren, da auch bei Hoffmann die Ehe oft eine große Rolle spielt.

Im dritten und umfassendsten Teil der Arbeit befasse ich mich konkret mit den drei Werken und versuche, die unterschiedlichen Arten der Liebe bei Hoffmann herauszuanalysieren.

Abschließend gehe ich noch auf das Thema der Geliebten ein, da die Liebe, vor allem die des Künstlers, ohne eine Frau undenkbar wäre.

Die Literatur zum Thema Liebe in der Kunst ist vielschichtig. Besonders hilfreich waren hier die Schriften von Hartmut Steinecke, der sich intensiv mit der Liebe und den dazugehörenden Frauenbildern bei Hoffmann befasste. Susanne Asches Buch hingegen beleuchtete verstärkt den Zusammenhang von der Erkennung des eigenen Ichs des Künstlers durch die Liebe.

1.     Liebe in der Romantik

Die Liebe wechselt im Laufe der Geschichte oft ihre Bedeutungen, besonders verändert sich die Auffassung von Liebe allerdings im 18. Jh. Im Zuge der Aufklärung kommt sie quasi in Mode, wodurch sich auch die Einstellung zu Frauen in der Gesellschaft ändert.

Bis zur Aufklärung war die Liebe eine freudige Erscheinung, die sich zwischen den Ehepartnern entwickeln konnte. Die Aufklärung drehte dies nun langsam um und machte die Zuneigung und Liebe zwischen zwei Partnern zur Voraussetzung für eine Verbindung dieser Art.[1]

So wird die Liebe seit der Aufklärung glorifiziert, die Liebe ist Grund für die Liebe und wird um der Liebe willen geliebt, was bedeutet, nur die Liebenden können die Liebe beurteilen und lieben es, wenn ihre Liebe vom anderen erwidert wird.[2]

Die Liebe gilt nun immer mehr als ein Zustand zwischen zwei Individuen, die aufeinander fixiert sind. Sie wird somit immer mehr zur privaten Angelegenheit. Mit der Frühromantik intensiviert sich diese Auffassung und beginnt die Liebe als etwas anzusehen, was den Menschen erst menschlich macht.

Die zwei Personen, die diese Liebe betrifft, bauen sich nun eine eigene Zauberwelt auf. Diese Intimität wird jetzt als ein Privileg gesehen, was auch klassenüberschreitend sein kann. So befreit sie sich langsam aus den Fesseln der Gesellschaft.

Die vor allem bei Hofe übliche Galanterie als äußerliche Form der Liebe wird stark abgewertet. Die neue Auffassung der Liebe richtet sich auch insoweit gegen die Adelswelt, indem die dort herrschenden „losen Sitten“ durch die eigenen puritanischen Moralvorstellungen des Bürgertums ersetzt werden.[3] Dies führte allerdings zur Ausgrenzung der Sexualität, denn Leidenschaft beruhe auf einem Wahn, in dem gewissermaßen die List der Natur dem Individuum etwas als wertvoll „vorspiegelt“.

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Sollte noch in der Aufklärung das Verhältnis von sexueller und geistiger Liebe in der Ehe versöhnt werden, so wird die Sexualität zum Ende des 18. Jh. immer mehr ausgegrenzt oder spiritualisiert. Die leidenschaftliche Liebe sollte laut „Morgenblatt für gebildete Stände“[4] nie Grund einer Ehe sein, da es ein Rausch oder Wahnsinn sei.

Die Liebe sollte so Sinn gebend sein, dass Sexualität ausgegrenzt wird. Ideellerweise sollte die zarte Liebe in einer Betrachtung gipfeln und auf tugendhaften Gefühlen beruhen.

Die Liebe ist in der Romantik allerdings nur dann unschuldig, wenn sie heilig oder einer der beiden Partner tot ist.

E.T.A. Hoffmann löst das Problem, indem er die Frau in eine „höhere“ Welt verrückt, so wird der realen Liebe der Boden entzogen. Bei den Elixieren wird Aurelie ermordet und somit heilig, beim goldenen Topf ist Serpentina kein wirkliches menschliches Wesen, sondern vielmehr eine Verkörperung der Poesie.[5]

Für den Künstler sieht die Situation in der Liebe anders aus, denn hier ist die Liebe nur als Nichtliebe möglich[6]. Für sie gilt Liebesleid und freiwillige Entsagung an die praktische Liebe als Bedingung für die große Kunst. Die Liebe des Künstlers ist der Verzicht. Der wahre Künstler hat, um produktiv, zu sein sich von seiner Geliebten zu trennen und die aus der Erinnerung gewonnenen Impulse und Emotionen in Kunst umzuwandeln.[7]

Wie anfangs schon erwähnt verändert sich die Stellung der Frau in der Gesellschaft durch die Liebe. Sie wird in dem Sinne aufgewertet, da sie als „die Eine“ gilt, die dem Leben des Mannes Sinn und Inhalt gibt. Für den Mann bekommt die Frau eine wichtigere Bedeutung, da sie nun nicht einfach nur Gefährtin ist, sondern auch Hilfe zur Selbstverwirklichung.

Vor allem in der Kunst kommt sie nun zur Geltung. Doch trotz ihrer „Wertsteigerung“ erhält die Frau meist keine aktive Rolle in der Poesie. Friedrich Schlegel formulierte dies wie folgt, „Die Poesie der Dichter bedürfen die Frauen weniger, als ihr eigenstes Wesen Poesie ist.“ Die Frau ist somit durch ihre Liebe Mittel und Inspiration für die Poesie.

Da die Liebe aber stumm ist und nur die Poesie für sie sprechen kann, wird das Weibliche sprachlos gemacht.[8]

Die Frau gilt zur Zeit der Romantik als Naturwesen und der Mann als beherrschender Gott über sie. Doch soll die Frau nicht unterdrückt werden, sondern man sollte sie ehren, da es nichts Schrecklicheres gäbe als ihre brutale Unterwerfung, denn sie gilt als der Schlüssel aller Rätsel.

2.    Ehe als bürgerliche Institution der Liebe


Vor allem im Mittelalter bis zur frühen Aufklärung galt die Ehe als eine Zweckbeziehung zweier Menschen zur Zeugung von Kindern, als eine Art Rentenversicherung. Für Wohlhabende, sprich den Adel, war sie die naturrechtlich sanktionierte Verbindung beider Geschlechter zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Doch für über 90 Prozent war die Ehe eine Form der Partnerschaft, die das Überleben sicherte.

Im Zuge der Aufklärung veränderte sich dies immer mehr. Durch die sich verbreitenden Schulen lag die Erziehung der jüngeren Kinder nun in der Hand des Staates und die Aufgaben verschoben sich und wurden eindeutiger. Während der Mann einem festen Beruf nachging, widmete sich die Frau den „drei großen Ks“, Kinder Küche Kirche. Dieses Familienmodell gilt allerdings nur für das Bürgertum[9].

Die wichtigste Neuerung in der Auffassung von Ehe ist allerdings, dass Liebe nun als Voraussetzung für die Ehe gilt und erst, wenn diese Ehe geschlossen ist, zum legalisierten Ort für Sexualität wird. Die Ehe aus Liebe wird vor allem in der Aufklärung zum Ideal der Bürgerlichkeit, vor allem um die lose Moral des Adels zu kritisieren und sich von dieser zu distanzieren.[10]

In der Romantik ändert sich vor allem die Sichtweise auf die Sexualität in der Ehe, für die nun auch hier kein Platz mehr ist, da sie die Ehe versündigt, aber besonders Sexualität und Leidenschaft durften nie der Grund für eine Ehe sein. Dies ist ein verstärkter Protest gegen das unsittliche Verhalten des Adels.

Doch besonders für den Künstler wandelt sich die Bedeutung der Ehe. Fand der Künstler in der Aufklärung durch die „Eine“, die er zum Schluss heiratete, den Schlüssel zu allen Rätseln, so distanziert sich der Künstler in der Romantik stark von der Ehe. Die Ehe gilt für ihn als „zu bürgerlich“ und ist so ein Sinnbild für den Standard, von dem er sich abzuheben versucht.

Laut den Romantikern droht der zarten Liebe in einem Verhältnis wie der Ehe die Erstarrung durch die Alltäglichkeit.

Diese Auffassung kann man auch sehr gut bei E.T.A. Hoffmann beobachten. Er hat eine starke Abneigung gegen die Ehe, denn in seinen Werken kommen die Ehen entweder nicht zustande, sind von der realen Welt entrückt oder werden als gescheitert beschrieben.

Im „goldenen Topf“ heiraten Anselmus und Serpentina in Atlantis und bleiben auch nach ihrer Hochzeit dort, was sie der realen Welt entrückt, so dass sie keine bürgerliche Ehe im klassischen Sinne führen. Diese steht ganz im Kontrast zur Veronika und ihrer Beziehung zur Ehe. Sie träumte lange von einer Ehe mit Anselmus, der wahrscheinlich Hofrat werden sollte, und sieht sich schon in der Position einer Hofrätin.

Diese wird auch in folgendem Zitat deutlich, als Veronika auf den Heiratsantrag des neunen Hofrates Heerbrand antwortet: „Ich will sie, geliebter Hofrat, als eine rechtschaffene Frau lieben und verehren!“[11]. Auffällig ist, dass Veronika hier keinen Namen nennt, sondern ihn nur den Hofrat nennt, woraus man schließen kann, dass sie mehr das Amt des Hofrates als die hinter dem Titel stehende Person liebt.

Doch auch bei „den Elixieren des Teufels“ hat die Ehe in dieser Welt keine Chance, denn Aurelie wird als Braut kurz vor der Hochzeit erdolcht. Ähnlich, doch etwas anders, ergeht es dem zukünftigen Brautpaar im „Sandmann“. Ein paar Tage vor der Hochzeit verfällt Nathanael dem Wahnsinn und springt von einem Turm. Clara heiratet später einen anderen, doch beleuchtet Hoffmann diese bürgerliche Ehe allerdings sehr ironisch, denn für ihn ist die Ehe vor allem eines nicht, eine Garant für die Liebe.

In einigen seiner Werke lässt er die Liebe durch die Ehe und den sich einschleichenden Alltagstrott erstarren. So zweifelt er den Sinn der Ehe als feste Institution an.[12]

Der Künstler in der Romantik kann streng genommen auch nicht heiraten, da er durch den Blick auf die Geliebte sein Ich erkennt, das sich bis jetzt als Geheimnis vor ihm verbarg. Sie ist sozusagen das Spiegelbild des Künstlers, der sich an sie nicht verlieren darf, da er sonst den Spiegel zerschlagen würde. Also muss er sie aus seinem Leben ausschließen, damit er sie als „Idealbild“ in sich einschließen kann.[13]

Die Unfähigkeit der Künstler der Romantik zu Ehe soll bedeuten, dass man sich in kein geregeltes Leben einordnen kann, denn die romantische Liebe sollte jenseits der bürgerlichen Welt stattfinden.


3.1.         Am Beispiel „Der goldene Topf“


Im „goldenen Topf“, eines der berühmtesten Werke Hoffmanns, steht der Protagonist, Anselmus, zwischen zwei verschiedenen Stereotypen von Frauen und zwei Formen der Liebe, auf der einen Seite die bürgerliche Veronika und auf der anderen Seite Serpentina. Der dadurch entstehende Dualismus von bürgerlicher und Fantasiewelt lässt sich schon aus dem Untertitel erahnen, „Ein Märchen aus der neuen Zeit“.

Bei Hoffmann siegt in der Realität die Fantasie über die Liebe, denn der Held, Anselmus, erkennt schnell, dass die „geliebte“ Veronika nicht mit seinem Idealbild der Liebe übereinstimmt, so, wie es Serpentina tut.

Veronika ist eine Verkörperung des Bürgerlichen und Serpentina ihr poetisches Pendant. Veronika stellt all die bürgerlichen Ideale dar, sie ist bodenständig und die typische brave Bürgertochter. Sie liebt Anselmus, doch scheint sie mehr seine zukünftige Stellung als Hofrat zu lieben als die Person die, dahinter steht. So treibt sie zielstrebig ihr Ziel voran, Hofrätin zu werden.

Nach der ersten Begegnung Anselmus mit Serpentina entgleitet er immer mehr Veronikas Einfluss, die versucht, ihm mit ihrer Bürgerlichkeit die poetischen Flausen aus dem Kopf zu treiben und ihn zu einem braven Bürger oder besser Hofrat und Ehemann zu machen. So gibt sie nicht einfach auf, sondern versucht, ihn mit allen Mitteln fester an sich zu binden und beansprucht auch schließlich die Hilfe des Apfelweibs, um ihn aus Serpentinas Einfluss zurück in den bürgerlichen Alltag zu ziehen.

Serpentina hingegen tritt als eine schlangengleiche Schönheit auf, die stets von wundersamen Naturbildern begleitet wird„[…] und wie sie sich so schnell rührten, da was es, als streue der Holunderbusch tausend funkelnde Smaragde durch seine dunklen Blätter.“[15]. Sie verführt Anselmus mit den Attributen der Poesie, ihren sehnsüchtigen tiefblauen Augen, sie verkörpert Schönheit und Harmonie[16] und anstatt seine poetischen Flausen zu bremsen, wie Veronika es versuchte, eröffnet sie ihm sein inneres Ich als Ort der Poesie.

Indem sie sich mit ihren blauen Augen in sein Herz gebrannt hat[17], ist sie selbst die Poesie und der Ort. So weckt sie seine kreativen Kräfte und beflügelt seine Fantasie durch ihre Liebe, denn erst durch sie versteht er die Zeichen auf den zu kopierenden Pergamenten des Archivars Lindenhorst.[18]

Erst durch Serpentina wird Anselmus also schöpferisch tätig.

Ihre Liebe ist es auch, die ihn aus dem Gefängnis der Bürgerlichkeit befreit. Als Anselmus durch den Zauberspiegel des Apfelweibs von Serpentina weggelockt wird, erlischt durch die Ferne zu der Liebe Serpentinas sein künstlerisches Verständnis. So passiert es, dass er auf die zu kopierenden Skripte einen Tintenfleck fallen lässt.

Anselmus kann das Kristall sprengen, wird zum Dichter und kann im Land der Poesie, Atlantis, Serpentina heiraten, ist also dank ihrer Liebe zu einer höheren Erkenntnis gelangt.

Serpentina kann man allerdings nicht als ein reales Mädchen sehen, sie ist vielmehr ein Prinzip als ein Mensch, da ihr jegliche Ecken und Kanten fehlen, die sie menschlich machen würden[20]. Sie verkörpert das Prinzip der idealen Geliebten, sie ist vollkommen was Schönheit und Reinheit anbelangt, und sie personifiziert die Kunst.

Der Dichter steht bei ihr nicht vor dem Problem, sich zwischen Kunst und Liebe entscheiden zu müssen, da sie beides in sich vereint. Serpentina ist die Verkörperung der „Figura Serpentinata“, die seit der Renaissance bekannte hochgeschätzte schlangengleiche, den Kosmos durchwaltende Schönheitslinie. In ihrer Welt ist alles bunt und exotisch, in Veronikas Welt hingegen wirkt alles trist und gewöhnlich.

Nachdem Anselmus das erste Mal mit Serpentina und ihrer Welt in Berührung kommt, betrachtet er Veronika und ihre Welt aus einem völlig neuen Blickwinkel.

3.2.            Am Beispiel „Der Sandmann“


Auch bei diesem Werk, dem wohl schauerlichsten von Hoffmanns Werken, siegt die Fantasie wieder über die Liebe in der Realität, denn der Student Nathanael verliebt sich in den Automaten Olimpia und verfällt schließlich dem Wahnsinn, da er die vom Teufel geschickte Verführerin, in Form von Olimpia, nicht erkennt.

Olimpia ist ein hölzerner Automat, der eine täuschend echte Imitation eines Mädchens ist.

Durch das gekaufte Perspektiv Nathanaels vom Wetterglashändler Coppola wird die Perspektive Nathanaels umgekehrt und er sieht die hölzerne Olimpia als lebendige Schönheit.[22] Sie ist ein hohes, sehr schlankes im reinsten Ebenmaß gewachsenes, herrlich gekleidetes Frauenzimmer mit engelsschönem Gesicht[23]

Clara, seine zukünftige Braut, hingegen bezeichnet er als leblosen, verdammten Automaten[24].

Olimpia und Clara fordern durch ihre innere Leere Nathanaels Phantasieproduktion heraus. Durch die Liebe zu Clara konnte Nathanael sich in der Wissenschaft und in der Kunst kräftig und heiter bewegen. Olimpia hingegen fördert zwar auch seine künstlerische Produktivität, doch schafft er so Werke, zu denen nur er allein Zugang hat, und die andere, zum Beispiel Clara, abstoßen und verängstigen.

„Clara drückte ihn sanft an ihren Busen und sagte leise, aber sehr langsam und ernst: >Nathanael- mein herzlieber Nathanael! – wirf das tolle – unsinnige – wahnsinnige Märchen ins Feuer.<“[26].

Wie immer spielen hier auch die Leidenschaft und die Begierde eine elementare Rolle. Zwar liebt Nathanael Clara, begehrt sie aber nicht auf die Weise, wie er Olimpia begehrt.

Hier wird wieder deutlich, dass die Leidenschaft auf einem Wahn beruht, indem gewissermaßen die List der Natur dem Individuum etwas als wertvoll „vorspiegelt“. So erscheint schließlich Olimpia Nathanael als stille Schönheit aus Fleisch und Blut, die er gern heiraten möchte. Durch seine Leidenschaft verschwimmen für ihn Trugbild und Realität, so dass er zum Schluss dem Wahnsinn verfällt.

Die Puppe ist somit ein reflektierender Körper, in dem Nathanael ein tiefes Gemüt sieht, in dem sich sein ganzes Sein spiegelt. So lässt sie ihre Leblosigkeit zum Strahl aus dem verheißenden Jenseits der Liebe werden. Nathanael allein lässt die Puppe lebendig werden, indem er sie bedichtet.

Nach ihrer Zerstörung müssen die Damen stets ihre Lebendigkeit und Echtheit demonstrieren, um nicht als Automat zu gelten.[28]

3.3.            Am Beispiel „Die Elixiere des Teufels“


In diesem Werk von Hoffmann wird besonders deutlich, dass die Liebe als Weg zur Erkenntnis genutzt wird.

Der Mönch Medardus betet das Bild der heiligen Rosalie an. Nach dem Genuss der Elixiere begegnet er im Beichtstuhl einer Frau, die der heiligen Rosalie zum Verwechseln ähnelt und ihm „wolllüstige“ Qualen der Liebe bereitet. Als sein Verlangen nach ihr immer stärker wird, macht er sich auf die Suche nach ihr und verlässt das Kloster.

Auf dem Weg nimmt er die Maske seines Doppelgängers Viktorin an, die ihn in die Arme der Mätresse Euphemie führt, die er später tötet. Sein Idealbild einer Frau findet er allerdings in Aurelie und umwirbt sie vergebens, gewinnt aber trotz Mord an ihrem Bruder Hegemon ihr Vertrauen.

Medardus steht nun zwischen den Fronten. Auf der einen Seite die lockenden sexuellen Abenteuer mit Euphemie, die ihn aber auch zum Mörder, macht und auf der anderen Seite die engelsgleiche Aurelie, die er anbetet und die später heil gesprochen wird.

Euphemies sexuelles Begehren ist als Zeichen der Herrschsucht zu verstehen. So sagt sie zu Madardus, den sie für Viktorin hält:

„ Nun weißt du alles, Viktorin, handle und bleib mein. Herrsche mit mir über die läppische Puppenwelt, wie sie sich um uns dreht. Das Leben muss uns seine herrlichsten Genüsse spenden, ohne uns in seine Beengtheit zu zwängen.“ Die Verbindung von Euphemie und Medardus als Viktorin kann nicht glücklich werden, da ein narzisstischer Mann wie Medardus sich durch weibliche Sexualität in seiner Männlichkeit bedroht fühlt.

Aurelie hingegen wird von Medardus angebetet, da sie von ihm nicht als ein autonomes Wesen angesehen wird. Vielmehr projiziert er seine eigene Sehnsucht in sie hinein. Seine Liebe zu ihr ist somit eher das Produkt patriarchalisch- männlicher Imagination von Weiblichkeit. Medardus ist besonders von Aurelies Zartheit und Ahnungslosigkeit fasziniert.

Aurelie ist somit keine normale Frau mehr, sondern mehr eine fleischgewordene Madonna und enthebt sich so der Philisterwelt.[29]

Medardus erkennt in ihr die heilige Rosalie, „ Es war meine Geliebte, ich erkannte sie, ja sogar ihre Kleidung war dem seltsamen Anzug der Unbekannten völlig gleich“.

Da Merdardus ursprünglich das Bild der Rosalie begehrt, hat wird Aurelie schließlich zum Bild seines Inneren, das nun in das äußere Leben getreten ist. In ihr erkennt er sein inneres Ich. Sie wird so Bild und Abgebildete, hat die Sphäre der Kunst verlassen und ist unumgänglich dem Tode geweiht, da sie zurück ins Bild bzw. in die Kunst muss.

Der Liebe zwischen Aurelie und Medardus wird außerdem dadurch der bürgerliche Boden entzogen, dass Aurelie eigentlich Nonne werden und den Namen Rosalie annehmen wollte. So wäre sie in eine geistige Sphäre entrückt. Des Weiteren wird sie immer wie das Bild des Malers Francesko beschrieben.

Aurelies Zurücküberführung in die Kunst erfolgt durch ihren Tod, sie kehrt in die Kunst zurück, indem sie Ausdruck Medardus´ Schreibens wird, was er als Bußschrift bei seiner Wiederankunft im Kloster verfasst.


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