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Mitschrift (Lernskript)

Vorlesun­g: Einführu­ng in die neuere deutsche Literatu­rwissens­chaft

13.142 Wörter / ~17 Seiten sternsternsternsternstern_0.25 Autorin Paula S. im Okt. 2010
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Dokumenttyp

Mitschrift
Deutsch

Universität, Schule

Karl-Franzens-Universität Graz - KFU

Note, Lehrer, Jahr

Prof. Vellusig, SS 2010

Autor / Copyright
Paula S. ©
Metadaten
Preis 5.00
Format: pdf
Größe: 0.36 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.25
ID# 2130







Vorlesung: Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft

Neuere deutsche Literaturwissenschaft


Arbeitsfelder:


Edition und Textkritik: Werke herausgeben und Texte kritisch prüfen – Unterscheidung von „merkwürdig“ und „merkenswert“ Goethe.

Literaturtheorie: „Was ist Literatur?“ kulturelles Phänomen

Textanalyse und Interpretation: Frage des Verstehens

Literaturgeschichtsschreibung: Entwicklung der Literatur, Literaturgeschichte, nicht alle früher bekannten Werke sind heute noch bekannt

Reflexionswissenschaften: über die Literatur nachdenken, es geht nicht nur um den Erwerb von Wissen, sondern das man Praxis im Umgang mit Texten erwirbt


Textkritik: = kritische Beschäftigung mit Texten unter dem Aspekt ihrer Authentizität (Echtheit). Man will einen Text ermitteln, der genau dem Wortlaut und Interpunktion des Verfassers entspricht. Zu dem Zweck analysiert man die übermittelte Fassung (in Handschrift + in Druck) – und entscheidet sich wenn sie voneinander abweichen unter einer bestimmten Begründung für die eine oder andere Fassung. (Abweichung werden in einen Variantenverzeichnis angeführt)


2 Aspekte

- Verstehen und Nicht-Verstehen

- Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit für literarische Texte


„Was ist Literatur?“


- Literaturwissenschaft muss klären was der Gegenstand Literatur ist

- versuchen Begriff zu finden, die Literatur beschreiben – Kennzeichen für Literatur


3 Unterscheidungen

1. Sache/Phänomen Literatur

2. Wort Literatur

3. Begriff Literatur


Rudi Keller Zeichentheorie


Begriffe:


Intension: alle Begriffe die unter eine Defenition fallen Bsp. Begriff Kopf - Nase, Mund Gesicht

Extension: Menge der existierenden Gegenstände, die unter den Begriff fallen, Bsp Begriff: Kopf – viele Köpfe, der Kopf

Komprehension: Menge aller möglichen (vergangenen, zukünftigen, gegenwärtigen) Gegenstände, die unter den Begriff fallen. Intension klassifiziert somit seine Intension.

Wesen / Wesensmerkmale: Merkmale, die alle Gegenstände die unter den Begriff fallen gemeinsam haben


Begriffstypen


Fregesche Begriffe: sind durch die Wesensmerkmale definiert, d.h. von jedem beliebigen Gegenstand kann man entscheiden ob er unter den Begriff fällt oder nicht. Gebrauchsregel über klar erkennbare Objektmerkmale. Bsp. Primzahl


Begriffe mit unscharfen Rändern: es gibt keine scharfe Grenze was noch unter den Begriff fällt und was nicht. Gebrauchsregel über Nutzungsmerkmale. Bsp. Haus


Begriffe mit Familienähnlichkeitsstruktur (Wittgenstein): nicht nur ein Wesensmerkmal bestimmt, sondern durch eine Reihe von überlappenden Merkmalen. Gebrauchsregel haben wir von einer Reihe von Prototypen gelernt, die wir auf Grund von ähnlichen Objekt- und Nutzungsmerkmalen gleich benennen. Bsp. Spiel


Begriffe mit Prototypenstruktur: Gerbrauchsregel haben wir über prototypische Exemplare gelernt. Beruhen auf Standarterwartungen. Bsp. Vogel


Was ist Literatur?


Rainer Baasner, Maria Zens: Methode und Modelle der Literaturwissenschaften


Literatur ist Gegenstand der Literaturwissenschaften, aber was ist genau Literatur? Barockgedichte, Tote-Hosen-Lieder, Gartenbücher? Wenn jemand einen konkreten Vorschlag macht dann wird sofort ein Gegenbeispiel gebracht. Literatur bezeichnet aber über alle Einzelbeispiele heraus eine zusammengehörende Menge von literarischen Erzeugnissen. => was nun literarische Erzeugnisse?

Die einzelnen Elemente können sehr verschieden aber auch sehr ähnlich sein. Literarische Werke aus der gleichen historischen Zeit sehr ähnlich, mit wachsenden zeitlichen Abstand vergrößert sich der Unterschied. Es bestehen aber trotzdem Konstanten, es kommt aber unterschiedlichen Entstehungsprozessen zu neuartigen Erscheinungsformen. Literarische Freiheit erlaubt die Abweichungen von festgelegten Formen.

Beim Begriff Literatur geht es nicht darum, dass die Definition streng ist sondern klar. Es geht darum Eigenschaften festzulegen, die als Kennzeichen von Literatur dienen. Man sollte dabei nicht durch zu enge Einschränkung vieles von vornehinein aussondern. Nicht an Lieblingsgedicht denken, sondern das was man intuitiv eher nicht für Literatur hält.

Pragmatischer Literaturbegriff: Literatur ist da was eine Gruppe von Leuten zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen dazu zählt. Es werden keine Eigenschaften festgelegt, sondern bezieht sich auf ein einstimmiges Urteil einer kulturellen Gemeinschaft. Ist nicht anwendbar. Man braucht solide Kriterien, die langfristig für eine systematischen Bestimmung. Eines wäre: Literatur hat was mit Sprache zu tun.

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Man könnten nun alle sprachlichen Äußerungen als Literatur bezeichnen, dann würden aber auch beliebige Ausrufe uns sinnlose Sätze als Literatur gelten. => zur Literatur gehören nur abgeschlossene, zusammenhängende, sprachliche Äußerungen, die in Schriftform vorliegen und dadurch reproduzierbar sind. Abgeschlossen lässt auch fragmentarische werke zu, es geht darum, das sie unverändert bestehen bleiben.

Der Einwurf, dass mündliche Überlieferungen (Märchen/Liedern) auch Literatur ist muss man gelten lassen. Seit Einführung der Schrift und des Druckes ist das eher ein Randphänomen. Telefonbuch und Gebrauchsanweisung würden nun auch unter den Begriff fallen, ist jedoch keine Literatur. Trotzdem halten wir die Bestimmung fest
= deskriptiver/erweiterten Literaturbegriff.

Präzise Merkmale werden dann in einen Normenkatalog gefasst, was die Grundlage für den normativen/engeren Literaturbegriff. Zu den Normen gehören Fiktionalität, literarische Freiheit (gegenüber den Sprachkonventionen) und Mehrdeutigkeit. Wodurch ein Kanon von einem Telefonbuch abgegrenzt wird. (Normen können zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich ausfallen)


Literarische= Bezeichnung für eine bestimmte Qualität

Literatur=


Fiktion

Literatur ist nicht unmittelbar auf die Erfahrungswirklichkeit bezogen, hat keine eindeutige Referenz.

Es wird eine Fiktion/Erdichtung erzeugt, die nur den Schein eines Sachverhaltes/Geschehens vortäuscht. Es ist möglich, macht aber keinen Wirklichkeitsanspruch. Gegenstück ist der Sachverhalt, der Tatsachen in der Wirklichkeit bezeichnet (fiction/non-ficiton).

Man erkennt Fiktion an der Erwartung des Wahrnehmenden, nicht an der Sprache. Wenn etwas als Literatur gilt, dann unterstellt man gleich Fiktion. Roman = Fiktion. Nennt man fiktionaler Vertrag / fiktionale Konvention. Bei Bühnenstück ist klar, das der Mord nicht wirklich geschieht. Bei lyrischen Texten, schafft die Form (Verse, Rhythmik) die Distanz. In der Prosa ist es nicht leicht zu entscheiden ob der Text Fiktion ist oder nicht.

In Abenteuerromanen ist die fiktive Welt so wie die wirkliche.
Weitere Normen von Literarizität: Literatur ist autonom (gegenüber anderen Sprachkonventionen), und beziehen sich immer auf sich selbst zurück = Selbstreferenz.


Da Literatur erzeugt fiktive Welten erzeugt, äußert sie sich immer gegenüber der Wirklichkeit. Kritik, das Literatur nur dazu dient Zeit mit unnützen Gedanken zu vertrödeln, ignoriert die Leistung der Literatur. Kann als Kritik, Medium der Flucht und Kompensation für unbefriedigte Erfahrungen gesehen werden. Die Weltdeutung, die aus der Fiktion heraus zu lesen ist, stellt keinen Anspruch auf wahr oder falsch.

Innerhalb der fiktionalen Welt ist das erzählte war, nach dem Prinzip „Gehen wir einmal davon aus, dass . “ – es wird eine ganz andere Art von Wirklichkeit gezeugt.


Was ist Literatur?


Jost Schneider, Literatur und Text (in: Handbuch Literaturwissenschaft)


Literarischer Text besteht aus einer Abfolge von Sprachlauten und/oder Schriftzeichen = Text.

So würden auch SMS dazugehören, deshalb müssen noch weitere Bedingungen erfüllt sein:

Fixierung (Speicherung), Fiktionalität, Poetizität (künstlerische Sprachgestaltung)

Müssen nicht alle 3 glz. erfüllt sein, es gilt:

„Ein literarischer Text ist eine Abfolge von Sprachlauten und/oder Schriftzeichen, die fixiert und/oder sprachkünstlerisch gestaltet und/oder fiktionalen Inhalt hat.“

Begriff „Text“ hat in der Semiotik und Philologie mehrere unterschiedliche Bedeutungen: Definiert eine finite Sequenz von Schriftzeichen, sprachlichen Zeichen (auch gesprochene Laute) oder Zeichen im Allgemeinen (z.B. ikonische/indexikalische Zeichen)

„Finit“ – bedeutet, dass ein Text einen klar zu identifizierenden Anfang und Ende besitzt.


Dreiecksschema: je nach Gebrauch unterschiedliche Teilmengen der 3 Kriterien. Es spielt keine Rolle ob die Begriffe substanzialistisch (Text ist fiktiv, egal ob Leser das erkennt) oder konstruktivistisch (Text wird durch Wahrnehmung von Leser fiktiv) bestimmt werden.

Viele Literaturwissenschaftler neigen dazu, dass der Begriff Literatur zu einen Ehrentitel wird, die Texte mit besonderen Tiefsinn, stilistischer Innovation etc. bekommen. In der Wissenschaft können haben solche wertenden Zusatzkriterien keinen Platz. Sollen aber Gegenstand der ästhetik- und wissenschaftsgeschichtlicher Analysen gemacht werden – Dreiecksschema kann solche Wertungen erfassen.

L1: alle 3 Kriterien Bsp. Nibelungenlied, Goethes Faust, Shakespeares Hamlet

L2: fixiert + sprachkünstlerisch gestaltet Bsp. Reisebericht, Tagebuch, Essay,

Glosse, Brief; Reise um die Welt (G. Foster), Ciceros Briefe

Wird oft zur Interpretation von L1 benutzt

L3: fixiert + fiktional Bsp, das was meist unter Trivial- oder Unterhaltungsliteratur

fällt; viel größer als L1 und L2 aber da Künstlerische Sprachverwendung fehlt

wird L1 und L2 viel mehr analysiert

L4: fiktional + sprachkünstlerisch gestaltet, dazu gehören Alltagserzählungen, Bsp. improvisierte

Gute-Nacht-Geschichten, Improtheater, Internet-Literatur, Bei allen nicht fixierten (L4, L5, L6)

Herrscht ein Beobachtungsparadoxon: eine Analyse setzt eine Fixierung voraus, der Text ändert

sich aber ständig

L5: fiktional, tritt auch im Alltagsbereich auf, z.B. Weiterspinnen von einer Filmhandlung,

ausformulierte Rache- oder Glücksfantasien

L6: sprachkünstlerisch gestaltet, improvisierte Festansprachen in Versform, Kinder-Reime

L7: fixiert, Telefonbuch, Kochbuch, Betriebsanleitung. Können sogar in die Werke von L1 integriert

werden obwohl sie völlig unliterarisch wirken.


Wetterbericht

Gibt uns Information über meteorologische Sachverhalte = Wirklichkeitsaussage. Präzisierungsgrad macht einen guten oder schlechten Wetterbericht aus. Nach einmal Lesen ist die Information verbraucht, das Gleiche ist bei Bedienungsanleitungen. Man liest sie nur noch einmal weil man die Information vergessen hat, nicht weil sie so schön ist. Hat eine pragmatische Verbindlichkeit

Text ist – informativ, - präzise, - auf die Wirklichkeit bezogen, sagt z.B. dass es morgen schneit.


September-Morgen von Eduard Mörike

Verbraucht sich nicht, kann man immer wieder lesen, weil es schön ist. Hier ist die Funktion nicht die Information. Gedicht muss man sprechen, wir machen uns somit selbst zum Medium einer Aufführung. Wiederernennung ist wichtig, - man kann nur Gedicht verstehen wenn man die Herbstsonne selbst erlebt hat. Es wird eine erlebte Wirklichkeit und keine informelle wiedergegeben.

Ist ein imaginativer Text – Fiktion.


Telefonbuch ist keine Literatur. Ist nicht abwertend gemeint, funktioniert aber anders wie Literatur.


Ready-mades und wortlose Lyrik


Man nimmt einen herkömmlichen Gegenstand, verändert ihn so dass ein Kunstwerk entsteht. So wird ein Ready made nicht gemacht sondern erfunden von einem Künstler


Die Aufstellung des 1. Fc Nürnberg vom 27.1.1969 - Peter Handke

Der Text enthält nur eine Namensliste und eine Zeitangabe. Handke ist der Autor aber nicht der Verfasser. Dadurch der Inhalt in einen neuen Kontext gezeigt wird, ändert sich der Sinn. Wenn man Auflistung der Namen laut spricht, ergibt sich ein sprachlicher Rhythmus, der sich unbeabsichtigt durch Abfolge ergibt.

Wichtig ist auch die Form, die sich durch Anordnung der Wörter ergibt - Flugzeug


Fisches Nachtgesang – Christian Morgenstern

- lang, kurz, kurz, lang, lang lang . das Bild das sich ergibt sieht aus wie ein Teich. (Taugt nicht als Literatur)


Zusammenfassung

In der Literatur von Schneider/Baasner fehlt die Erlebnisqualität, die Imagination zu der man sich in die Szene hineinfühlt, speziell wenn man sie schon einmal selbst erlebt hat. Auch dass man sich durch das Lesen zum Medium einer Aufführung macht wird nicht beachtet. Weiteres ist die Rolle der Schrift unklar. Fiktion wird als rein negativer Begriff behandelt, d.h. es wird gesagt was alles NICHT Fiktion ist. Wir wollen es aber genauer wissen:


Fiktion


„Ein gleiches“ von Goethe

-- Alexander von Humbold sagt ein Gedicht auf in Vermessung der Welt von Kehlmann


„Ein gleiches“ folgt unmittelbar auf ein Gedicht mit dem Titel „Wandrers Nachtlied“. Er hat das Gedicht mit Bleistift auf eine Holzhütte gekritzelt.

Er spricht von den unterschiedlichen Bereichen der Natur, es ist wie ein Blick der von Berg, zu dem Wald, zu der belebten Natur den Vögeln bis hin zum Menschen schweift. Mensch ist der unruhigste Teil der Natur. Erst wenn er stirbt findet er Ruhe. Wanderer wird sich durch die Gegenwart der ruhigen Natur seiner eigenen Unruhe bewusst – ist ein Selbstgespräch.

Das Leben wird wie eine große Wanderschaft gesehen, das irgendwo beginnt und zu ende geht. Das Gesamte ist rhythmisch verfasst.


Die Szene wird dadurch lustig indem man sie sich vorstellt, vergegenwärtigt. Auch hier gilt es das Geschriebene Aufzuführen, zum Leben erwecken. Wir werden nicht informirt, dass Humboldt das gesagt hat sondern wir sind dabei wie es passiert. = Fiktion


Baasner spricht von keiner eindeutigen Referenz zur Wirklichkeit, ja diese Geschichte ist wahrscheinlich erfunden obwohl Humboldt wirklich in Amerika war. Das er das Gedicht aufgesagt hast ist Fiktion, auch wenn der ganze Roman vielleicht nicht fiktiv ist. Denn Alexander Humboldt ist eine reale Figur, der Reiz ist das wir dabei sind wie er das Gedicht aufsagt


Begriffe Fiktion kommt von dem lat. Begriff fingere (bilden, gestalten, dichten)


fingiert vs. echt

- vortäuschen, man tut nur so als ob, es ist eine Absicht dahinter


fiktiv (Fiktion, Fiktivität) vs. real, faktisch, empirisch

– erfunden, nur ausgedacht, bezieht sich auf den Seinstatus von Personen. Bezogen auf literarische Texte spricht man von der fiktiven Welt, die nur erfunden ist. Bezieht sich auf den „Seinstatus“ von Personen. Bsp. Humboldt ist eine reale Person aber der Affe, Mario sind wahrscheinlich nur erfunden. Es stellt ein Urteil des Wissens dar, d.h. wenn wir uns über Alexander Humbold informiert haben dann weiß ich, dass das nur fiktiv ist.

Bsp. Gedankenexperimente in der Philosophie: Eine Blinde Frau weiß alles über Farben. Wenn sie nun geheilt wird und zum ersten Mal die Farbe rot sieht, erfährt sie dann was neues?


- ohne Anspruch auf Referenzierbarkeit, d.h. der Text behauptet nicht das er war ist (im Gegensatz zum Wetterbericht). Man liest den Text weil es Spaß macht und nicht weil man über die Biografie von Humboldt informiert werden will. Bezieht sich auf den „Redestatus“ und „Aussageweise“ des Textes, dh. wie der Text funktioniert. Selbst wenn es war ist das er das Gedicht aufgesagt hat (kann man durch Tagebucheintrag wissen), erhebt Kehlmann nicht den Anspruch wahr zu sein sondern will uns vorstellen wie das ist wenn Humboldt Gedicht im Urwald aufsagt.

Es geht darum, dass wir freiwillig die Frage „Ist das wahr, kann er das beweisen“ aufgeben, wir wissen wie ein Roman funktioniert. (In der Englischen Literatur unterscheidet man zwischen fiktion – non fiktion) = „Willing suspense of disbelief“ (Samuel Taylor Coleridge) – man gibt freiwillig die Frage auf ob das stimmt


fiktive Welt (nur ausgedachte Welt) / fiktionale Rede (erhebt keinen Anspruch etwas wahres über die Welt auszusagen)


Gottfried Gabriel – Semantische Fiktionstheorie (in „Wie funktioniert Sprache?“)


nicht behauptend – Gültigkeit der Aussage kann nicht überprüft werden, sie erheben nicht den Anspruch wahr zu sein, deshalb lügen Dichter nicht (Antike Dichter Lügen).

kein Anspruch auf Referenzialisierbarkeit – man verweißt auf die außersprachliche Wirklichkeit. Durch „Über allen Gipfeln ist Ruh“, referenziert sich nicht auf Wirklichkeit sondern baut eine Wirklichkeit auf.

kein Anspruch auf Erfülltheit – es kommen Dinge vor die in der wirklichen Welt nicht exisiteren wie Auenland, Hobbit etc. (Prädikatoren sind Eigenschaften die man einen Gegenstand zu weißt. Diesem Ding weise ich die Eigenschaft zu ein Overheadprojektor zu sein. Prädikator ist erfüllt wenn es mind. ein Objekt gibt auf das die Eigenschaft zuweist (z.B. Pferd). Nihct erfüllt wenn es keines gibt (z.B. Hobbit))


In unserem Beispiel maschieren jetzt reale Personen wie Humboldt durch eine fiktive Geschichte. Oder wenn man an die Sherlock Holmes Geschichten denkt, wird dann das wirkliche London des 19. Jh gezeigt oder ein fiktives?



immiral objects: Objekte die es in der realen Welt gibt und in der fiktiven Welt auftauchen. Der Witz ist, dass die Geschichte lustiger wird wenn wir etwas über den realen Humboldt wissen.

Bsp. Napoleon hat über Werther gesagt, dass es Ungereimtheiten gibt, hat Goethe in Tagebuch vermerkt. Das ist die große Frage in der Literaturgeschichte was Napoleon gemeint haben könnte. Es gibt nun einen Roman, in dem ein Dialog vorkommt wo Napoleon Goehte sagt, was im Werther unstimmig ist – bekommt durch Hintergrundwissen erst den Witz.


surrogate obejcts: Person gibt es in echt, wurde aber auf signifikante Weise verändert. (=pseudo-reale Element)


(Roman von Chile Kleist: beschreibt eine Situation zu Fronleichnam (Mai) wo es warm ist. Dort ist aber in Mai Winter. Bei einer Interpretation ist es wichtig, dass ich mit einberechne ob er sich da einfach geirrt hat, und es somit ohne Bedeutung ist. Oder ob der Autor einem damit etwas Bestimmtes mitteilen will. Wichtig ist, dass er nicht lügt, da er nicht den Wahrheitsanspruch annimmt.)




Unterschied von Wirklichkeitsaussagen zu fiktionalen Sätzen ist, dass Wirklichkeitsaussagen sagen „Aussage ist wirklich, wirklich so“ im Gegensatz zu fiktionalen Sätzen „Die Aussage ist. Mehr nicht.“ Es spielt keine Rolle ob es sich um Fakten, Erfundenes etc. handelt, es lässt sich nicht überprüfen und braucht auch nicht überprüft werden = Einstellungswechsel. A. Assmann spricht auch von einen fiktionalen Vertrag.


Geschichtsschreibung / Geschichtsdichtung

Wenn man einen Text liest kann man dann sagen ob es sich um einen fiktionalen Text handelt oder ob es sich nur einen Einstellungswechsel handelt? Es gibt Signale die zeigen, dass es sich um einen fiktionalen Text handelt.


Bsp

- In den Oktobertagen des Jahres 1813 begann Napoleon stets zeitig mit der Schlachtplanung.

- Am 15. Oktober 1813 stand Napoleon früh auf und begann sofort mit der Schlachtplanung.

- Am 15. Oktober 1813 schlug Napoleon schon kurz nach fünf Uhr seine Bettdecke zurück und trat an den Kartentisch, um die Schlachtplanung zu kontrollieren.


Schneider: je mehr Details sowie Innenweltdarstellungen vorliegen, desto eher handelt es sich um eine fiktionalen Text. Schneider versteht das nicht ganz, den es geht nicht darum das man die Details nicht wissen kann, sie also nicht wahr sein können, denn man könnte sie ja aus einem Tagebucheintrag wissen. Es geht um die Art und Weise wie es formuliert wird.

Bei Dichtung möchte man nicht informieren sondern, dass sich der Leser die Szene vorstellen kann, sie vergegenwärtigen – Aufführung. Dem Historiker ist es völlig egal, dass Napoleon seine Bettdecke zurück schlug. Man könnte aber z.B. in einem Geschichtsbuch finden: Aus Tagebucheintragung weiß man, dass Napoleon durch eine wenig wattierte Bettdecke fror etc.“, es geht um die Formulierung.

Z.B. Napoleon stand im Morgengrauen auf, würde man in keinem Geschichtsbuch finden, da es dazu dient, dass sich der Leser die Szene vorstellen kann. Verbalisierung hat eine andere Funktion!!

Logik der Dichtung – Käte Hamburger – epische Fiktion


Was unterscheidet literarische Fiktion und Wirklichkeitsaussagen?

Wieso ist das so? Wir interessieren uns für die Person, wir wollen wissen wie es für Herr V ist auf Reisen zu sein. Deshalb verbraucht es sich auch nicht wie der Wetterbericht, kann man immer lesen. Wir erleben das nicht als Vergangenheit sondern, dass die Geschichte jetzt anfängt. Das Gleiche ist bei Märchen „Es war einmal“ ist der Start der Geschichte.

- „Verben innerer Vorgänge“ nur in fiktionalen Texten können wir über dritte Personen fix wissen was sie fühlen, wie es ihnen geht. Das funktioniert nur in Romanen.


Literatur immer neg. beschrieben – es fehlt das Erleben


Literatur ist in diesen Ansätzen immer negativ bestimmt. Es geht immer darum was Literatur alles nicht ist Bsp. keine Referenzierbarkeit, keine Prädikatoren etc. . Die einzige Ausnahme war bis jetzt „Aussagen sind“.

Das entscheidende was fehlt ist das Erleben. Die Beschreibung, dass N die Decke weg schlägt, bringt uns näher wie das N erlebt hat. Beim Leser spielt sich dann diese Szene vor seinen Augen ab.


Hamburger:


Ich-Origo, Präteritum verliert Vergangenheitsfunktion

Bsp. „Am Vormittag hatte sie den Baum geputzt, denn morgen war Weihnachten“

- in der Wirklichkeit kann ich nie sagen „Morgen war Weihnachten“ = grammatikalisch falsch. Das morgen bezieht sich auf das Ich-Origo dieser Frau. Man kann das Ich-Origo der fiktiven Person, nicht mit dem Präteritum verknüpfen. In dem Moment wo wir die Erlebnisperspektive einer fiktiven Person konzentrieren, verliert das Präteritum seine Vergangenheitsfunktion.

Bsp. Bei N ist interessant, dass wir nicht über ihn informiert werden, sondern wir sind dabei wir er das erlebt. (Kammersänger, der im letzen Akt stirbt, aber das ja am Anfang noch nicht weiß)


Verben Innerer Erzählungen

In einer Geschichte sind Verben Innerer Erzählung unverzichtbar. Man kann nur mit der Person mitleben, wenn ich weiß wie es ihr geht, was sie fühlt etc. Und das kann ich über eine 3. Person nur in der Fiktion wissen. Es macht uns Spaß uns vorzustellen, wie es denn damals für N an diesem entscheidenden Tag war in der Früh aufzustehen. Es entsteht dadurch automatisch Fiktion.


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