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Seminararbeit
Geschichte / Historik

PHZ luzern

2015

Sofie K. ©
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ID# 51444







Von der Helvetik bis zum Bundesstaat: Die Geschichte der Eidgenossenschaft 1798-1848
  1. Eidgenossenschaft

    1. Zustand der Eidgenossenschaft vor 1798

Vor der Helvetik existierte die Eidgenossenschaft. Es handelte sich dabei um ein kompliziertes und einheitliches Geflecht, dass gemeinsam einen Staatenbund bildete. Den Kern bildeten dabei die dreizehn alten Orte (Uri, Schwyz, Unterwalden , Luzern, Glarus, Zürich, Zug, Bern, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen, Appenzell).

Die zugewandten Orte (Neuenburg, Graubünden, St. Gallen, Wallis, Genf) waren über ein lockeres Bündnis mit den Alten verknüpft, wobei nicht alle Orte mit den Dreizehn verbündet waren. Die Gemeinen Herrschaften (Tessin, Aargau, Thurgau, ) schliesslich wurden den Alten gemeinsam verwaltet. Daneben verfügten die einzelnen Orte über eigene Untertanengebiete.

Die einzelnen Staaten lassen sich in städtische Orte und Länder unterteilen. In den städtischen Orten verwaltete ein kleiner Kreis von Bürgern der Stadt den Kanton. Direkte Steuern liessen sich nicht durchsetzen, sodass es über kein stehendes Heer verfügte. Seine Einnahmen speisten sich vornehmlich aus Feudalabgaben und Zöllen. Im Kanton selber herrschten unterschiedliche Rechtsräume, die aus der Tradition entstanden waren.

Einzelne Dörfer hatten sich in der Vergangenheit mit Gewalt oder Geld Freiheiten (Privilegien) erlangt. In den Ländern war zwar das Land mit seinen Landsleuten stärker in den Entscheidungsprozess involviert, aber Kopf der Landsgemeinde war eine Elite, deren Macht sich auf der Wirtschaft stützte. Gewaltenteilung gab es nicht.

Die zusammenhaltende Institution der Eidgenossenschaft war die Tagsatzung, die mehrmals jährlich stattfand, ab 1713 meistens in Frauenfeld. Hier besprachen die Gesandten die Verwaltung der Gemeinen Herrschaften, die Aussenpolitik und die Verteidigung. Vertreter aus den alten Orten schickten zwei, aus den Zugewandten Einen Gesandten. Beschlüsse erforderten Einstimmigkeit.


    1. Auswirkungen der französischen Revolution

Die Ereignisse in Frankreich stiessen in der Eidgenossenschaft auf reges Interesse. Rückkehrende Söldner berichteten begierigen Anwohnern über die Ereignisse. Die Orte erliessen aber bald strenge Zensuren, um kritische Informationen aus Frankreich zu unterbinden. 1790 kam es in Schaffhausen und 1791 im Wallis zu Aufständen gegen die Vögte, die aber militärisch unterdrückt wurden. 1794, inspiriert durch die französische Revolution, formulierten ihn der Lesegesellschaft Stafä Heinrich Nehracher das Stäfner Memorial, indem die Elite eine Gleichstellung des Landes mit der Stadt forderte, um die politische und wirtschaftliche Benachteiligung aufzuheben.

Die Zürcher Regierung bekam von diesem Entwurf allerdings Wind, besetzte das Gebiet militärisch, verbannte unter anderem Nehracher und verhängte Geld und Ehrenstrafen.

Trotz der ablehnenden Haltung blieben die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich relativ gut. Erst 1792, mit dem Sturm auf die Tuilerien, brachen sie den Kontakt zu Frankreich ab. Zudem entbrannte innerhalb der Eidgenossenschaft ein Streit, ob sie sich gegen Frankreich im Koalitionskrieg anschliessen oder neutral bleiben sollte. Besonders Basel war von Grenzverletzungen durch beide Kriegsparteien betroffen, weshalb hier Peter Ochs das Meisterstück gelang, zwischen Preussen und Frankreich 1795 einen Separatfrieden auszuhandeln. 1797 schloss Frankreich mit Österreich Frieden und errichtete die Cisalpinische Republik.

Spätestens jetzt hatte Frankreich das Interesse an einer neutralen Schweiz verloren. Ochs konnte es zumindest davon überzeugen, dass die Schweiz als Staat weiterhin nützlich sein könnte. Für Frankreich spielten letzten Endes verschiedene Gründe für den Einmarsch eine Rolle. Als neutrales Land stand sie dem direkten Zugang zu den Satellitenrepubliken im Weg, sie beherbergte Konterrevolutionäre, zeigte keine Bereitschaft für Reformen und schliesslich verfügte sie über volle Staatskassen, mit dem die französische Kriegskasse gefüllt werden sollte.

1798 leitete die französische Regierung den Anfang vom Ende der Eidgenossenschaft ein. Mit der Unterstützung des Waadtländer Aufstandes mit französischen Truppen traf Napoleon das Herz der Konterrevolution, Bern. Zwar ersuchte dieses um Bundeshilfe und die Eidgenossenschaft erneuerte in Aarau ihre Schwüre, aber sie konnte sich auf keine Strategie festlegen. Zudem schickten die Orte kaum Truppen, da die Untertanengebiete nicht gewillt waren, gegen die Revolutionäre zu kämpfen.

Hastig erstellten die Kantone neue Verfassungen, die den Bürgern neue Rechte zugestanden, die Bevölkerung errichtete Freiheitsbäume und verbrannte Symbole der alten Herrschaft. Aber es war zu spät. Die französische Regierung hatte sich entschlossen, die Eidgenossenschaft in eine helvetische Republik umzuwandeln. Dafür hatte sie durchaus gute Gründe. Nur durch äusseren Druck hatten sich die Orte zu Reformen durchgedrungen, die aber immer noch zögerlich und zaghaft ausfielen.

Insofern waren die Zweifel Napoleons an der Ernsthaftigkeit der schweizerischen Reformbemühungen durchaus berechtigt. Bern leistete als einziger Kanton ernsthaften Widerstand, kapitulierte allerdings nach wenigen Scharmützeln und einer Schlacht gegen den übermächtigen Feind. Im April 1798 hatte die Eidgenossenschaft aufgehört zu existieren.


    1. Die Helvetik

Am 12. April 1798 riefen die Delegierten die Helvetische Republik aus, wobei ihr noch nicht alle Orte angeschlossen waren. Teilweise erfolgte dieser mit Waffengewalt. Hauptstadt war Aarau, was ein Novum war, da der Ort bisher lediglich eine protokollarische Funktion einnahm und noch nicht einmal den Sitz der Tagsatzung bildete. Die Helvetik war als zentralistischer Staat aufgebaut nach dem Vorbilde Frankreichs und verfügte eine Gewaltenteilung.

Die Exekutive bildete das Direktorium von fünf Mitgliedern, das Parlament bestand aus dem Grossen Rat, bestehend aus jeweils acht Kantonsvertretern, und dem Senat, vier Kantonsvertretern, die zudem über 30 Jahre alt und verheiratet sein mussten. Letztere Kammer nahm eine konservative Rolle ein und sollte den ungestümen Volkswillen des Grossen Rates zügeln, ähnlich wie in Frankreich oder den USA.

Neu war das System der repräsentativen Demokratie und für die Landsgemeinde besonders ungewohnt, war sie es sich doch gewohnt, ihre Anliegen direkt und nicht über einen Wahlmann vorzutragen.

Die Helvetik setzte sich aus 22 Kantonen zusammen, wobei die rebellischen Innerschweizer Kantone zu Waldstätten zusammengefasst wurden, um ihr Störpotenzial zu reduzieren. Bern verlor grosse Teile seiner ehemaligen Gebiete, Waadt und Aargau und das Tessin hatte die Wahl zwischen der Cisalpinischen Republik und der Helvetik. Da ihr eine ferne Zentralregierung, die ihr wohl kaum dreinreden würde, bevorzugte, wählte sie letzteres.

Die Absichten der Helvetik waren grundsätzlich positiv, allerdings scheiterten sie aufgrund innenpolitischer und aussenpolitischer Probleme. Innenpolitisch begann es bereits mit ihrer Akzeptanz, die nur teilweise vorhanden war. Gerade an der Religionsfrage entzündete sich der grösste Konfliktstoff. Die katholischen Innerschweizerkantone weigerten sich, den Eid auf die Helvetik zu leisten.

Der Gedanke einer atheistischen Regierung und die strikte Trennung von Kirche und Staat und die Verstaatlichung von Kircheneigentum war ihnen ein Dorn im Auge. Vielmehr fürchteten sie, dass dies nur ein Vorwand war, um ihre Religion zu vernichten. Die Gedanken der Aufklärung liefen ihnen zuwider. Durch die Anstachelung kam es in der Innerschweiz zum Aufstand, woraufhin das Direktorium ihn mit der französischen Armee niederschlagen musste.

Einsätze des französischen Militärs unterminierten aber das Vertrauen in die Helvetik und die Armee, von den positiv gestimmten Orten zuerst als Befreier betrachtet, wurde zunehmend als Unterdrückungsinstrument wahrgenommen.

Das nächste Problem war die Finanzierung des Staates. Das einzige vorhandene zentrale Steuersystem war der Zehnten, denn die Helvetik aber abschaffen wollte. Direkte Steuern kannte die alte Eidgenossenschaft nicht. Mit der Abschaffung des Zehnten ergaben sich mehrere Probleme. Gerade niedere Geistlichen waren darauf angewiesen, da er ihre Lebensgrundlage bildete. Zudem musste die Regierung ein nachhaltiges Steuersystem einführen, dass die Ausfälle kompensieren konnte.

Bloss, erfolgte die Abschaffung schneller als die Einführung und sie fuhr Defizite ein, die sie nur durch den Verkauf von Staatseigentum decken konnte. Das alte Zehntensystem orientierte sich noch an der Ständegesellschaft, wer Macht hatte, musste weniger Steuern zahlen oder sogar keine. Das neue Steuersystem war kapitalistisch, wer über Besitz verfügte, sollte mehr Steuern zahlen.

Es war rationaler. Das Problem war nur, dass es der helvetischen Regierung nicht gelang, ein nachhaltiges System einzuführen und ein Teil der Einnahmen schöpfte die französische Armee ab. Die Helvetik sah sich daher gezwungen, den Zehnten wieder einzuführen und verspielte sich somit die Unterstützung der Bauern.

Erstere traten für die Abschaffung der Feudallasten ein, relativ starker Ausbau der Volksrechte und eine grosse Nähe zu Frankreich. Die Republikaner hingegen waren gemässigt und setzten sich für partielle Reformen ein. Die Umstürze in Frankreich waren ihnen ein Greuel, weshalb die Macht in einer Bildungselite konzentriert sein sollte, welche das Volk unterrichtet.

Die Föderalisten schliesslich waren gegen den Zentralstaat. Ihre Zusammensetzung war fliessend. Sie bestanden aus Anhängern der Helvetik, die den Zentralstaat als ungeeignet für die Schweiz ansahen bis hin zu den Reaktionären, die eine Rückkehr zum Ancien Régmie suchten. Ihre Konflikte lösten die Parteien in Form von Staatsstreichen, insgesamt vier.

Das letzte grosse Problem war schliesslich der aussenpolitische Faktor. Durch die Koalitionskriege war die Schweiz Teil des Schauplatzes und musste dementsprechend Truppenmärsche und Einquartierungen erdulden. Und je nachdem welche Seite gewonnen hatte, befand sich aktuelles Schweizergebiet in reaktionärer oder helvetischer Hand. Gerade die französische Besatzung, die eigentlich als Befreier gekommen war, entwickelte sich zu einer grossen Last.

Denn sie nagte am Goodwill der Bevölkerung und belastete die Glaubwürdigkeit und Staatshaushalt der Helvetik. Zudem war die Helvetik lediglich eine Satellitenrepublik, deren Aussenpolitik sich nach den französischen Bedürfnissen zu richten hatte. Ihre Instabilität bewog Napoleon schliesslich dazu, der an Stabilität und einem Truppenreservoir interessiert war, seine Truppen im Sommer 1802 abzuziehen.

Prompt brachen in der ganzen Helvetik Aufstände aus, die im Stecklikrieg (Kämpfen mit Holzknüppel) mündeten. Die Regierung musste nach Lausanne flüchten und Napoleon liess seine Armee wieder einmarschieren und führte die Mediationsakte ein.

Dennoch bildeten die fünf frustrierenden Jahren lehrreiche Erfahrungen für die künftige Bildung eines Staates.


    1. Mediationsakte

Im August 1802 zog Napoleon seine Truppen aus der Helvetik ab. Es war zwar eine Forderung der Regierung gewesen, aber sie war über den Abzug dennoch nicht glücklich, da sie ihre einzige Stütze zum Erhalt der Helvetik war. Der Konflikt zwischen den Unitariern und Föderalisten war noch längst nicht ausgestanden. Die abziehenden französischen Truppen hinterliessen deshalb ein Vakuum in der Helvetik, dass die alten Eliten sogleich begannen zu füllen.

In allen Regionen kam es zu Rebellionen gegen die Helvetik und das Direktorium musste nach Lausanne fliehen. Dieser Aufstand wird gemeinhin als Stecklikrieg bezeichnet, weil die Krieger schlecht bewaffnet waren, zum Teil nur mit Stecken. Die Altgesinnten begannen bereits wieder die Schweiz nach dem alten Vorbild einzurichten. Sie führten die Tagsatzung ein, richteten einen Kriegsrat, arbeiteten eine extrem föderalistische Verfassung aus und suchten Kontakt zu den Gegnern Napoleons.

Diese Unternehmen waren aber nicht von langer Dauer, denn bereits im Herbst griff Napoleon mit seiner Armee ein und beendete die Rebellion.

Bloss Bern verlor Gebiete, welche die Waadt und den Aargau bildeten. Die Grenzverläufe der Kantone entsprach den heutigen, später sollten lediglich noch vier dazu stossen. Die Verfassung der einzelnen Orte orientierte sich an der Regierungsform vor 1798, die Landorte erhielten wieder ihre Landsgemeine und die Städte kehrten zur Ratsherrschaft zurück. Die Orte wurden zudem in Bezirke eingeteilt, eine Form, die es heute noch gibt.

Gemeinsam bildeten die Kantone eine Könföderation, die Eidgenossenschaft, die völkerrechtlich unabhängig war. Mit diesem Schritt wollte Napoleon endlich Ruhe haben in der Helvetik und eine solche Schweiz war aussenpolitisch wenig handlungsfähig und konnte ihm daher nicht in den Rücken fallen. Zudem installierte er einen Landammann der Schweiz, ein Befehlsempfänger Frankreichs der eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hatte, Soldaten für Napoleons Feldzüge einziehen.

Den Landammann war nur ein Jahr im Amt und konnte sich keine Macht aufbauen und wurde von den alten Eliten gestellt, ein Ausdruck der alten Machtverhältnisse aus dem Ancien Régime. Bis 1815 erlebte die Schweiz eine relativ ruhige Zeit. Die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre führte aber zuerst zu einer Krise, da der Güterverkehr unterbrochen war. Die Textilindustrie litt teilweise unter kritischen Engpässen.

Sie füllten nämlich die von Napoleon geforderten Truppenkontingente, sodass es zu keinen Zwangsrekrutierungen kommen musste.


    1. Wiener Kongress

Mit der entscheidenden Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht von Leipzig 1813 machten sich die Grossmächte am Wiener Kongress 1814 daran, das Rad der Zeit wieder zurück zu drehen. In der Schweiz ermunterte dies die Innerschweizer Kantone unter der Führung von Bern die alten Gebiete wieder einzufordern mit den alten Rechtsungleichheiten. Zeitweise standen sich zwei Tagsatzungen gegenüber.

Die Grossmächte drohten mit der Intervention und die Eidgenossen setzten sich widerwillig an der Tagsatzung zusammen. Am Wiener Kongress bereiteten sie den Grossmächten ebenfalls Kopfschmerzen, da sie sich nicht auf ihre territorialen Grenzen einigen konnten. Schliesslich überliessen sie diese Streitigkeit den Siegermächten. Diese hatten ein Interesse, den Westen der Schweiz zu stärken und fügten daher Genf und Wallis gegen den Widerstand der katholischen Orte der Schweiz hinzu, um Frankreich den Weg nach Italien über die Simplonroute zu versperren.

An der langen Tagsatzung waren sich die Orte uneins über die zukünftige Zusammensetzung der Eidgenossenschaft. Es brauchte abermals Drohungen der Grossmächte, sie einzuverleiben oder eine Monarchie zu installieren, um sie zu einer Lösung zu bewegen. An der langen Tagsatzung vom 6. April 1814-31. August 1815 kamen sie schliesslich endlich zu einem Ergebnis. 22 souveräne Kantone bildeten einen Staatenbund, der abgesehen von der Tagsatzung über keine zentralen Institutionen verfügte.

Diese hatte drei Aufgabenbereiche, Aussenpolitik, Militär und die Regelung von kantonalen Konflikten. Für ersteres benötigten die Beschlüsse eine Dreiviertelmehrheit, für letzteres reichte eine einfache. Zweiteres war die Einrichtung eines Bundesheeres, dem jeder Kanton ein bestimmtes Kontingent und Geldsumme zur Verfügung stellte. Die Armee war hauptsächlich für die Sicherung der Grenzen gedacht sollte sich im weiteren Verlauf als eine für die Gesamtschweiz identitätsstiftende Institution entwickeln.

Der Staatenbund enthielt zudem zwei folgenreiche Artikel, Klöster und Kirchen waren unantastbar und die Kantone durften keine Bündnisse zum Nachteil der anderen Kantone eingehen. Allerdings waren Konkordate erlaubt. Die Verfassung der Kantone war in den alten Orten restaurativ, in den neuen hingegen relativ liberal, sodass die Grossmächte mehrmals zu Änderungen drängten, welche die Aufhebung der Gewaltenteilung vorsahen, Zensus und lange Amtszeiten.

Der Wiener Kongress anerkannte deshalb ihre immerwährende Neutralität und garantierte ihre territoriale Unversehrtheit. Das setzte voraus, dass sie diese auch achteten, was zumindest in den Koalitionskriegen nicht der Fall gewesen war.


    1. Restauration (1815-1830)

Mit der restaurierten Schweiz war die Hoffnung auf einen eidgenössischen Staat vorerst begraben und die Konservativen sassen sicher im Sattel. 15 Jahre später hatten die Vertreter der Aufklärung (Liberale) in vielen Kantonen die Macht erlangt. Dem vorangegangen waren wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, die zum Teil miteinander verwoben waren.

Wirtschaftlich entwickelte sich die Textilindustrie positiv. Nach der Aufhebung der Kontinentalsperre erlitten sie wegen der wieder aufgetauchten englischen Konkurrenz einen Einbruch, aber kurze Zeit später erholten sie sich. Dank den Flüssen verfügten sie über günstige Bedingungen für die Energiegewinnung. Auf dem Land gewann die Bevölkerung wirtschaftlich an Macht, ohne dass sie die gleichen politischen Rechte wie die Stadt verfügt hätte.

Aber auch dem Militär kam eine integrative Bedeutung zu. In der eidgenössischen Armee kamen Truppenteile verschiedenster Kantone zusammen, womit wiederum ein Austausch stattfand, der die Bande festigte.

Schliesslich befeuerten aussenpolitische Faktoren ebenso den Wunsch nach einem Nationalstaat. Die Schweiz war wiederholt Zufluchtsort für politische Flüchtlinge. Die Heilige Allianz, insbesondere Metternich, sahen darin aber einen politischen Akt. Die liberale Presse stärkte den Kantonen in der Asylgewährung den Rücken. Dem aussenpolitischen Druck war aber die Tagsatzung nicht gewachsen, sodass sie einerseits die Kantone zu einer zurückhaltenden Asylpolitik aufforderte, andererseits 1825 das Press- und Fremdenkonklusum erliess, welches der Presse einen Maulkorb bezüglich befreundeter Mächte verpasste und die Polizeianwies, keine Personen zu dulden, welche die öffentliche Ordnung eines Staates gestört hätten.

Das Konklusum erodierte aber bereits nach vier Jahren und verstärkte die Empörung über die externe Einmischung. Zudem war die Aussenpolitik der Tagsatzung schwerfällig, da sie aus den Vertretern der Kantone bestand. Die Liberalen wünschten sich einen Staat, der gegen aussen geschlossen auftrat und die Schweiz politisch würdig vertrat, der aber auch in der Lage war, wirtschaftliche Verträge abzuschliessen, die am Kantönligeist scheiterten.


Die Liberalen in ganz Europa nahmen dies zum Anlass, den Aufstand zu erproben. Freilich war Paris nicht das Startsignal, denn bereits im Juni 1830 gaben sich im Tessin und Grosser Rat und Volk eine neue Verfassung. Das war revolutionär, denn die alte kannte keine Revisionsklausel. Paris 1830 war schliesslich ein symbolträchtiges Fanal, dass Resteuropa zum Aufstand ermunterte.

In der Schweiz kam es in zehn Kantonen 1831 zu neuen Verfassungen. Bauern und Landbürger, die benachteiligte gesellschaftlichen Gruppen, waren teilweise als bewaffnete Volksgruppen in die Hauptstädte gezogen, aber die Umstürze vollzogen sich gewaltfrei. Religion spielte hier noch keine Rolle. Die Patrizier gaben ihre Herrschaft meist freiwillig ab, da sich ihre wirtschaftliche Interessen überschnitten.

Die Konservativen setzten sie ab, weil sie sich von den Liberalen die Durchsetzung ihrer Ziele erhofften, was zum Teil auch geschah. Einführung von Eigentumsrechte, repräsentative Demokratien waren die Voraussetzungen für politische Partizipation und wirtschaftliche Prosperität. Allerdings entsprach Gewaltenteilung und Wahlrecht nicht in allen Kantonen den modernen Anforderungen.

Nicht überall verliefen die Umstürze reibungslos. In Basel verliefen klare Bruchlinien, da hier keine Gesellschaftsgruppe wirtschaftlich aufgestiegen war, die ein Bindeglied zwischen Stadt und Land darstellte. Die Landbevölkerung störte sich daran, dass 60 Prozent der Sitze der Stadt angehörten. Die Stadt zeigte aber wenig Bereitschaft, die Verfassung zu reformieren.

Da eine Vertrauensabstimmung seitens der Stadt mangels Stimmenbeteiligung scheiterte, versuchte sie das Land erfolglos zweimal militärisch mundtot zu machen. Die Tagsatzung musste schlichtend eingreifen und anerkannte das abgespaltene Baselland, liess aber die Möglichkeit einer freiwilligen Wiedervereinigung offen. In Schwyz kam es ebenfalls zu einer Trennung zwischen dem konservativen Innerschwyz und dem liberalen Schwyz.

Mit militärischen Interventionen gelang es aber der Tagsatzung, den Kanton zu einen und gestand den äusseren Bezirken die Rechtsgleichheit für Person und Ort.

Was den Liberalen auf Kantonsebene gelungen war, wollten sie nun ebenso auf Bundesebene durchführen, eine Revision der Bundesverfassung, um gegen aussen einen handlungsfähigen Staat zu etablieren. Die Konservativen wünschten zwar ebenfalls eine Verbesserung der institutionellen Ausstattung, aber ihre Änderungswünsche waren minimal. Die Liberalen hingegen strebten einen Systemwechsel an, die Errichtung eines Nationalstaates.


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