Installiere die Dokumente-Online App

<
>
Download
Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Universität Osnabrück

Note, Lehrer, Jahr

2016

Autor / Copyright
Ingrid T. ©
Metadaten
Preis 8.50
Format: pdf
Größe: 0.21 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.25
ID# 67397







Institut für Sprach- und Literaturwissenschaften


Seminar: ‚Barocke‘ Bildlichkeit (FNÄDL 4)

Prof. Dr. phil. Wolfgang Adam


Vanitas und Memento Mori in der deutschen Lyrik des Barock

Abgabedatum: 26.04.2016

Vorgelegt von: (962160), [email protected], M.Ed. (Gym)


Inhalt

1 Einleitung 1

2 Grundlagen 2

2.1 Weltbild und Dichtung im deutschen Barock 2

2.2 Das „Vanitas“-Motiv 4

2.3 Das „Memento Mori“ 5

3 Interpretation und Analyse ausgewählter Gedichte 6

3.1 Martin Opitz: „Ach Liebste, laß uns eilen“ 6

3.1.1 Form- und Sprachanalyse 6

3.1.2 Inhaltliche Untersuchung und Deutung 7

3.2 Andreas Gryphius: „Thränen in schwerer Krankheit (Anno1640)“ 10

3.2.1 Form- und Sprachanalyse 10

3.2.2 Inhaltliche Untersuchung und Deutung 12

4 Fazit 16

5 Literaturverzeichnis 18

6 Anhang 20


1 Einleitung

Barock – ein Zeitalter, gekennzeichnet von Spannungen und Gegensätzen, wie es sich kaum in der Kulturgeschichte Europas wiederfinden lässt; jedoch nicht in Malerei, Literatur und Musik: Durch eine immer bestehende Synthese ist der Zusammenhang zwischen diesen drei Elementen enorm und prägt die Epoche des Barock bis heute. Das Barockzeitalter wird von Mitte des 16. Jahrhundert bis Mitte des 18 Jahrhundert eingeordnet.

Neben prachtvollen Schloss- und Sakralbauten voller Prunk spiegelt der um 1618 beginnende Dreißigjährige Krieg die Schattenseite dieser Ära wieder. Seine Grausamkeiten äußerten sich in den kirchlichen und staatlichen Zwangsmaßnahmen der von den Jesuiten getragenen Gegenreformation. Die Fürsten feierten, während Bauern und Bürger bluteten (vgl. Kemper et al. 1980, 75 ff).
Hatten Humanismus und Renaissance den Blick vorher auf das Diesseits gelenkt und ein säkularisiertes Weltbild, geprägt von Lebensfreude entworfen, so verändert sich dieses im Zeitalter des Barock, ganz im Zuge der Gegenreformation: Der Tod ist allgegenwärtig, die durchaus vorhandene „Weltlust“ scheint nicht von langem Bestand, wird von der Bevölkerung jedoch nicht negiert, sondern mit stetigem Interesse angenommen (vgl. Sanjose 2010, 1).

Für den Entstehungsprozess der deutschen Nationalliteratur war das politisch und religiös uneinheitliche Schlesien, der Ort mit einer deutsch-polnisch gemischten Bevölkerung zu der auch die Dichter Martin Opitz und Andreas Gryphius zählten, bahnbrechend. Nachdem insbesondere Opitz‘ Schriften und Dichtungen für Berühmtheit sorgten, wandte sich der Blick aller deutschen Literaturfanatiker nach Schlesien, sodass die hier heimischen Dichter einige Jahrzehnte hindurch eine äußerst führende Rolle in der Literatur einnahmen (vgl. Szyrocki 1974, 11).

Opitz und auch einige Jahre später Gryphius prägten die deutsche Barockliteratur individuell, indem sie ihre Weltsicht „in der großen Antinomie1 von Diesseits und Jenseits, Lebensgier und Lebensangst, Pessimismus und Selbstbehauptung […]“ in ihren Werken Ausdruck finden ließen (Hoffmeister 1987, 173).

Die nachfolgende Arbeit befasst sich zunächst mit der barocken Dichtung und dem von Krieg und Tod geprägten Weltbild der Bevölkerung des 17. Jahrhunderts. Im Hinblick darauf werden zwei typische Motive thematisiert, die sich sowohl in zeitgenössischen Gedichten verschiedener Autoren wiederfinden, als auch Einfluss auf die Attitüde der Bevölkerung hinsichtlich ihrer Lebensweise nahmen.

Hierbei handelt es sich um das Vanitas-Motiv und das Memento-Mori-Motiv. Im Anschluss hieran erfolgt zur Veranschaulichung eine Analyse zweier ausgewählter Gedichte, die unter anderem hinsichtlich ihrer Motive betrachtet werden.

Die Kriterien zur Auswahl der zwei Gedichte bestanden in erster Linie darin, dass

  • das Vanitas-Motiv in beiden Werken hervorsticht, jedoch unterschiedlich motiviert ist: Es wird der Verfall durch fortschreitendes Alter einerseits und Krankheit andererseits thematisiert.

  • die Werke das „Memento Mori“ aufgreifen, jedoch mit unterschiedlichen Intensitäten.

  • zwei verschiedene Dichter mit individuellen Lebensgeschichten und historischen Bezug herangezogen werden.

Das Fazit fasst abschließend den expliziten Vergleich der beiden Gedichte bezüglich der Ausführung ihrer Motive innerhalb ihrer Werke auf und soll ein abschließendes Resümee darstellen.

2 Grundlagen

2.1 Weltbild und Dichtung im deutschen Barock

Nur noch ein kleiner Teil ist heute von der deutschen Dichtung des Barock bekannt und aktuell. Insbesondere die Auswahl der weltlichen Lyrik ist eher rar und beschränkt sich hauptsächlich auf eine kleine Auswahl von Beispielen wie Fleming, Dach oder Gryphius. Die geistliche Lyrik hat dahingegen seine feste und unersetzliche Stellung bewahrt. Gerade als kirchliche Dichtung ist sie lebendig geblieben und lässt sich noch heute in Gesangbüchern wiederfinden.

Die Barockdichtung gehört hier zu einer noch fraglos christlichen Welt, die ihre großen Themen zwischen Sündenfall und Jüngstem Gericht sowie Himmel und Hölle festlegt. Diesen Thematiken ist ein fester Wortschatz zugeordnet, der in der Bevölkerung allgemein verständlich war (vgl. Trunz 1992, 7). Für die Gemeinschaft im 17. Jahrhundert wurde das Setzen des Wortes noch gelehrt, „denn zu der Ordnung der Welt gehörte die Ordnung des Wortes“ (Trunz 1992, 7).

Hieraus resultierte die Bedeutung der Dichtungslehre, der Poetik: „Die deutsche Barockpoesie ist […] nicht eine Fortsetzung der deutschen Renaissance-Lyrik, sondern eine ‚Wiedergeburt des deutschen Geistes‘, ein Neubeginn, der sich auch in der zähen Arbeit an der deutschen Sprache, in der Suche nach immer neuen Wendungen und sprachlichen Überraschungen äußert“ (Strich in: Szyrocki 1968, S. 8).

Die deutsche Barockliteratur befindet sich im Spannungsfeld von Lebensfreude und Todesbangen, Weltgenuss und Jenseitssehnsucht. An keinem anderen Ort hatte sich der Tod als so allmächtig, irdisches Glück als so wechselhaft und das Hab und Gut als so unsicher erwiesen wie in den Gebieten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die vom Dreißigjährigen Krieg heimgesucht wurden (vgl. Sanjose 2010).
Bezüglich der Dichtung des Barock scheint kein Wort zu stark und kein Bild zu hoch zu sein, um seinem Ausdruck viel Nachdruck zu verleihen; es wird alles über sich selbst hinaus gesteigert.

Für den Literaturhistoriker Fritz Strich charakterisieren insbesondere Antithetik, Intensivierung, Häufung, Pointierung, kettenartige Aufzählungen sowie Gleichnisse und Wortspiele und die Suche nach Dissonanzen und Widersprüchen den Sprachstil der Epoche (vgl. Strich in: Szyrocki 1968, S. 8). Meist wird den heutigen Lesern die nach den Regeln der Poetik gebaute Dichtung aufgrund seiner Formstrenge nicht gleich verständlich, da sie nicht geübt sind, diese zu erkennen (vgl. Trunz 1992, 7).

Dies kann insbesondere auf den geistesgeschichtlichen Sinngehalt der Epoche zurückgeführt werden, welcher sich vor allem in einem „antithetischen Lebensgefühl“ wiederspiegelt. Dieses entscheidende barocke Kennzeichen erkannte man durch die Spannung zwischen Weltflucht und Diesseitsbejahung, die sich in der Uneinheitlichkeit und inneren Gegensätzlichkeit der deutschen Dichtung des 17. Jahrhunderts äußerte (vgl. Szyrocki in: Kemper 1980, 83).

Im Zeitalter des Barock widmen sich viele Dichter insbesondere der Liebeslyrik. Im Zuge dieser Thematik wird häufig die Lobpreisung der vollkommen geistigen und körperlichen Schönheit einer Frau lyrisch verarbeitet. Neben vielen positiven Auswirkungen der Liebe auf körperliches Wohlfühlen und Glücklichsein, nehmen diesbezüglich auch negative Themen wie die Unmöglichkeit einer vollkommenen Liebe den Inhalt verschiedener Gedichte ein.

Nicht selten zieren Lyriker ihre Gedichte mit religiösen Themen wie Leid, Schmerz, Sündenlast sowie radikalen Absagen von Sinnesfreuden oder gar die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens. Die intensiven lyrischen Auseinandersetzungen mit Krieg, Tod und Vergänglichkeit können auch mit dem ausdrücklichen Streben nach Lebensgenuss und einer Flucht in die Idylle verbunden werden. – Hier wird ein Gegenentwurf zu den anderen negativ konnotiert.....[Volltext lesen]

Download Verglei­chende Inter­pre­ta­tion von Gryphius und Opitz - Vanitas und Memento Mori in der deutschen Lyrik des Barock
• Download Link zum vollständigen und leserlichen Text
• Dies ist eine Tauschbörse für Dokumente
• Laden sie ein Dokument hinauf, und sie erhalten dieses kostenlos
• Alternativ können Sie das Dokument auch kаufen
Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.

Um die hier genannten Motive noch einmal zu visualisieren, sollen nachfolgend zwei ausgewählte Gedichte zweier verschiedener Leitfiguren der deutschen Literatur des Barock im Fokus meiner Analyse stehen. Beide Lyriker thematisieren die Motive „Memento Mori“ und „Vanitas“ in verschiedenen Ausführungen und nehmen den grundlegenden Teil meiner inhaltlichen Interpretation ein.

Es handelt sich um das Sonett „Thränen in schwerer Krankheit“ (1640) von Andreas Gryphius und „Ach Liebste, laß uns eilen“ (1624) von Martin Opitz. Beide Gedichte sind als Anhang dieser Arbeit beigefügt. Um der Themenstellung der Arbeit gerecht zu werden, liegt unter Einbeziehung der Form- und Sprachanalyse der Schwerpunkt auf der inhaltlichen Deutung und Interpretation der Gedichte.

3.1 Martin Opitz: „Ach Liebste, laß uns eilen“

Martin Opitz (1597-1639) gilt als theoretischer sowie praktischer Begründer der deutschen Barockdichtung. Er verfasste die Regeln der Poesie in seinem „Buch von der deutschen Poeterey“ (1924), welches ein Jahrhundert lang als Lehrbuch für rechte Dichtweisen fungierte (vgl. Van Rinsum 1987, 65 ff). Seine Gedichte fokussieren, wie auch viele andere in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, das Bewusstsein der Vergänglichkeit des Daseins.

Aus diesem expliziten Wissen heraus präferiert er im Gegensatz zu vielen anderen Dichtern jedoch eine eher optimistische Atmosphäre und intendiert mit seinen Vanitas-Gedichten häufig die Vermittlung zur Bereitschaft des Lebensgenusses. Selbiges findet sich auch im nachfolgenden Stück rhetorischer Dichtkunst wieder. „Ach Liebste, lass uns eilen“ verfasste er im Jahr 1624 vor dem Hintergrund des ersten Drittels des Dreißigjährigen Krieges.

3.1.1 Form- und Sprachanalyse

Das vorliegende Gedicht umfasst insgesamt sechs Strophen, die jeweils vier Verse beinhalten, sodass hier auch von Quartetten gesprochen werden kann. Die Verse finden sich innerhalb eines Kreuzreims wieder (ABAB) und weisen bis zum Ende des Gedichts eine Regelmäßigkeit auf. Ebenso steht es mit dem Metrum, welches sich hauptsächlich durch einen zweihebigen Jambus äußert.

Diese Regelmäßigkeit des Jambus‘ lässt sich auch auf inhaltlicher Basis wiederfinden, da das Gedicht durch den Fortlauf des Alterungsprozesses geprägt wird. Anhand einer Inversion „Der edlen Schönheit Gaben“ (V. 5), stellt Opitz gleich zu Beginn die „Schönheit“ als prioritären Schwerpunkt des Gedichts heraus, welchen er im Anschluss personifiziert: „Fliehen Fuß für Fuß“ (V. 6).

Der Leser soll mit der Thematik absolut empathisieren können; auch wenn er noch nicht davon betroffen ist, so kann jeder Tag sein letzter sein. Mittels vieler verschiedener barocker Bilder weist Opitz auf die verschiedenen Gaben der Schönheit hin, die jedoch anhand der antithetischen Gegenüberstellungen sehr dramatisch erscheinen. Anhand eines erkennbaren anaphorischen sowie parallelistischen Aufbaus, trägt seine Anreihung von Metaphern des barocken Wortschatzes dazu bei, den tatsächlichen Verfall der Schönheit in seiner Länge zu steigern und die hieraus resultierende Tragik zu unterstreichen. Opitz bedient sich innerhalb dieser Verse einem überlieferten, fast schon traditionellen Repertoire an Begriffen und demonstriert, dass er dennoch kunstvoll damit umgehen kann.

Die antithetische Anreihung von Metaphern schließt folglich mit der Erkenntnis „und du wirst alt“ (V. 16), die auch als Höhepunkt einer Klimax fungieren kann. Abschließend versucht das lyrische Ich seine Lösung für das unausweichliche Problem aufzuzeigen, das durch das Genießen der „Jugend Frucht“ (V. 18) geschehen soll. Diese Metapher verbildlicht eine sehr oberflächliche, auf den Eros bezogene Liebe und postuliert somit eine absolute sexuelle Hingabe der „Liebsten“, die sowohl das Gedicht als auch den Akt mit einem Höhepunkt schließt: „Gieb mir das, wann du giebest, Verlier auf ich“ (V. 23-24).

3.1.2 Inhaltliche Deutung und Interpretation

Bereits Herder (1779) beurteilte Opitz‘ Gedicht als „eins der schönsten deutschen Lieder“, fügte es seiner Volksliedersammlung hinzu und gab ihm den Titel „Eile zum Lieben“ (vgl. Segebrecht in: Meid 1982, 137). Opitz‘ Lied wurde im Kontext einer zunehmend intimer werdenden Liebesdichtung verstanden und man assoziiert mit ihm eine Aufforderung an die Geliebte, die Liebe zu genießen.

Das Bewusstsein über die Zeitlichkeit des Lebens und der Vergänglichkeit der Schönheit mit zunehmendem Alter eines Menschen weisen auf den Vanitas-Topos des 17. Jahrhunderts hin (vgl. Albrecht et al. 1974, 126). Dieses Gedicht wurde sowie auch das von Gryphius zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges verfasst, der unter anderem durch den Absolutismus der Territorialfürsten, die Unterwerfung des Bürgertums und die Verelendung der unteren Stände (Bauern, Bürger) geprägt war (vgl. Albrecht et al. 1974, 126).

Segebrecht versteht das Gedicht als eine Art Rede, bei der er zwischen drei Gruppen differenziert. Während die ersten zwei Strophen sich als These äußern, dienen die nachfolgenden als belegende Beispiele. Die letzten zwei Strophen bilden eine Konklusion. Sobald man sich dem ersten Drittel widmet, erkennt man hier eine Anrede „Ach Liebste, laß uns eilen“ (V. 1), die Erläuterung des Zwecks seiner Ansprache und die ersten Begründungen zweier typischer Barockmotive: Das Carpe Diem und die Vanitas.

Ein paradoxer Beginn, der den Leser hier zum Nachdenken anregt – Wer Zeit hat, braucht sich nicht zu beeilen, so sollte man meinen: „Ach Liebste, laß uns eilen / Wir haben Zeit“ (V. 1-2). Die Zeilen suggerieren dem Leser jedoch ein Gebot zur höchsten Eile, was das Gedicht im Anschluss nochmal ausdrücklich begründet (vgl. Segebr.....

Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.

In Segebrechts eingeteilten dritten Abschnitt von Opitz‘ Gedicht (V. 17-24) soll die Konsequenz aus der warnenden Unterweisung gezogen werden: Der Redner ist hier wieder aktiv und stellt im Zuge der Schlussfolgerung die Notwendigkeit dar, die Gelegenheit zur Liebe nunmehr wahrzunehmen (vgl. Segebrecht in: Meid 19082, 146 f). Wenn die „Liebste“ demnach der Aufforderung „Drumb laß uns jetzt geniessen / Der Jugend Frucht“ (V. 17 f) nachkäme und sich die aufgeführten lehrhaften Beispiele der jugendlichen Vergänglichkeit zu Herzen nähme, hätte der Redner das Ziel seiner Überredung erreicht.

Denn nur die Zeit, in der sich die Liebenden ihrer vollkommen hingeben, scheint das Vergehen von Schönheit und Zeit, dem alle Menschen unterworfen sind, kurzfristig aufzuheben (vgl. ebd. In: Meid 1982, 145). Metaphorisch stellt Opitz dar, dass die jugendliche Unbeschwertheit und die derzeitig physische Ansehnlichkeit solange genossen werden solle, bevor ihnen die Anzahl der Jahre diese Möglichkeit verwehren (vgl. V. 17-20).

Die „Jugend Frucht“ kann hier zudem mit dem weiblichen sowie männlichen Geschlechtsorgan assoziiert werden, sodass in den nachfolgenden Versen in Anbetracht dieses Kontextes sogar von einem Höhepunkt des Geschlechtsaktes gesprochen werden kann:

Wo du dich selber liebest,
so liebe mich,
Gieb mir das, wann du giebest,
Verlier auch ich.“ (V. 18-24)

Zweifellos handelt es sich bei Opitz Gedicht um ein Liebeslied, welches auf seinem moralisierenden Pfad den richtigen Augenblick zum Genuss der Liebe postuliert und dieser wiederum an die Bereitschaft gebunden ist, der „Schönheit Gaben“ (V. 5) in möglichst langen, intensiven Zügen zu nutzen. Aufgrund seines metaphorischen Charakters suggeriert das Gedicht andererseits auch eine traurige, gar hoffnungslose Atmosphäre.

Diese resultiert hauptsächlich aus der Aufzählung verschiedener optisch erkennbarer Gliedmaßen der „Liebsten“ (vgl. V. 9-16), die im Zuge der Vanitas „[…] als Schnee verfallen“ (V. 15) und kein Eingriff des Menschen hierauf Einfluss nehmen kann. Der Mensch ist der fluchtartigen Vergänglichkeit ausgeliefert; er befindet sich lediglich in der Position sich seinem Schicksal zu beugen, sodass folglich nur die Möglichkeit besteht, der Aufforderung zum Lebensgenuss nachzukommen – Carpe Diem.

Vor dem Hintergrund des Krieges lässt sich in diesem Zusammenhang insbesondere ein moralisierender sowie appellierender Charakterzug feststellen. Zudem erhoffte sich Opitz sowohl durch Liebeslyrik, welche dem Leser in erster Linie ein ästhetisches Vergnügen bereiten soll, als auch durch seine lehrhafte Dichtung, die dem Leser Lebenshilfe bietet, gesellschaftliches Ansehen zu erlangen (vgl. Drux 1976, 168).

3.2 Andreas Gryphius: „Thränen in schwerer Krankheit (Anno 1640)“

Andreas Gryphius (1616-1664) galt als ein überragender Lyriker der Epoche des Barock. Die Nöte des Dreißigjährigen Krieges einerseits und schwere persönliche Schicksalsschläge andererseits beeinflussten den Ton seiner Werke, die bis heute Aktualität vorweisen können (vgl. Szyrocki 1968, 117). Unter dem Eindruck der Vergänglichkeit macht er in meist schwermütigem Ton Bereiche wie Zeitschicksäle, Selbstbildnisse oder Blicke auf die Natur zum Thema seiner Sonette – immer darauf bedacht, die christliche Weltordnung im Hintergrund zu halten (vgl. Trunz 1992, 90 ff).

Auch in seinem nachfolgenden ausgewählten Gedicht „Thränen in schwerer Krankheit“, geschrieben im Jahr 1640, in dem die zerstörerischen Ausmaße des Dreißigjährigen Krieges bereits allgegenwärtig gewesen sein mussten, behandelt Gryphius die Vergänglichkeit des Glücks sowie die Nichtigkeit alles irdischen Daseins. (vgl. .....

Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.

Diese Gegensätzlichkeit des „Steigens“ und „Fallens“ im Alexandriner kommt Gryphius sehr entgegen, da sich diese Thematik auch häufig inhaltlich innerhalb seiner Sonette wiederfinden (vgl. Kemper et al. 1980, 101). In der deutschen Lyrik nutzte kein anderer den Alexandriner so kraftvoll und wechselreich wie Gryphius.

Neben der Reimform und dem Versmaß verwendet er statt eines Binnenreims zudem das von Opitz empfohlene Enjambement, was „das Überspringen der Versgrenze durch einen – syntaktisch durchlaufenden – Satz“ umfasst (Kemper et al. 1980, 101). Dieses Stilmittel lässt sich in den Versen 3, 5 und 13 feststellen, in denen inhaltlich besonders der Verfall des Körpers durch die Krankheit hervorgehoben wird.

Nachdruck verleiht Gryphius der Not des lyrischen Ichs unter anderem mit einer offensichtlichen Hyperbel im zweiten sowie dritten Vers des ersten Quartetts: „Ich sitz in tausend Schmerzen / Und tausend fürcht‘ ich noch“ – die summierten zweitausend Schmerzen sind Ausdruck der Angst und Hoffnungslosigkeit des ‚Erkrankten‘. Durch den Einsatz bildlicher Sprache gelingt es Gryphius mittels verschiedener Metaphern und Vergleiche den Menschen unmittelbar mit dem eigenen Lebensende zu konfrontieren.

So stellt er das Vergehen der „Augen Zier“ mit dem Schein verbrennender Kerzen sowie das Bestürmen der Seele mit der See im März gleich (vgl. V. 6-7). Hier wird deutlich, was eigentlich interessiert: Die Affekte, welche die Seele bedrohen; die Verfallserscheinungen scheinen eher sekundär (vgl. Mauser in: Meid 1987, 226). Durch die direkte Ansprache der Leserschaft, die er mit Hilfe von rhetorischen Fragen (vgl. V. 8, 9, 11) einleitet, lenkt Gryphius das Augenmerk des Lesers noch einmal eindringlich auf die Kürze des menschlichen Lebens und seine Hinfälligkeit.

Neben diesen weiß er sich zudem verschiedener, der Barocklyrik äußerst typischer, naturnaher Bilder zu bedienen, die von Grund auf gleichwertig sind und dasselbe aussagen. Ferner kann man hier von einer Akkumulation sprechen, welche asyndetisch aufgereiht ist, um dem Leser insbesondere das Vergängliche alles Irdischen vor Augen zu führen, denn der Mensch ist mit dem Vorübergehenden der Naturerscheinungen vergleichbar (vgl. Van Rinsum 1987, 64).

Abschließend vergleicht Gryphius die „Thaten“ (V. 13), die im Rahmen einer Metapher für das Wirken der Menschen innerhalb ihres Zeitalters steht, mit einem „aus herber Angst durchaus vermischter Traum“ (V. 14), einem Angsttraum und den Vorspiegelungen innere Fantasie und Qual innerer Beklemmunge.....

Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.

Zunächst äußert sich die Erkrankung in dem Verlust innerer Sicherheit, der Zuversicht und der Orientierungsfähigkeit als ein Versagen aller seelischen Kräfte: „Mir ist, ich weiß nicht wie, ich seufze für und für“ (V. 1). Der Mensch ist nicht mehr in der Lage, seinem eigenen Willen zu folgen. Nicht die physiologischen Veränderungen können hier als Verursacher für die ‚Krankheit‘ gedeutet werden, sondern das Ausmaß an ‚bedrohlichen‘ Affekten.

Das Weinen, das Seufzen, die tausend Schmerzen, auf die noch weitere tausend folgen könnten (vgl. V. 1-4), sind Ausdruck von Kleinmütigkeit (vgl. Mauser in: Meid 1982, 226). Hieraus resultieren offenkundige Folgen, bei denen Symptome wie die schwindende Kraft des Herzens, das Händesinken, das Bleichwerden der Wangen, der verschmachtete Geist sowie das dämmernde Licht der Augen erwähnt wird (vgl. V. 3-6).

All diese Anzeichen der Krankheit fungieren als Mahnung des nahenden Todes und entsprechen dem Motiv des Memento Mori. Der Verfall der Seele durch Krieg und Krankheit verweist den Menschen auf das kurze vergängliche Leben und die Todverfallenheit, welches eines der Aufbauelemente einer Memento-Mori-Dichtung darstellt (siehe 2.3).

Im zweiten Quartett werden in wenigen Zügen die Spuren der Angst ausgeführt, die sich in bleichen Wangen und fahlen Augen äußern (vgl. V. 5). Da die Augen jedoch bekanntlich das Fenster zur Seele sind, wird der Gedankenbogen über die beiden Quartette zurück zur Mitte des Menschen geführt. Somit dient die Schilderung des Zustands der Gliedmaßen lediglich als Vorwand einer Aussage, die sich jedoch auf das Innere des Menschen bezieht (vgl. Weber 1955, 63).

Zwei Bilder zieht Gryphius zum Vergleich heran, die mit ausgebrannten Kerzen (vgl. V. 6) das innere verloschene Licht intendieren und die Sturmflut (vgl. V. 7) als Zeichen einer aufs äußerste bedrohten Seele dienen (vgl. Weber 1955, 64). Anhand des Vergleichs erweckt er jedoch den Eindruck als denke er über sich nach und hegt trotz des Leidens einen gewissen Abstand zu sich selber: „Das Wesen des Symbols, der Verschmelzung von Bild und Sinn zum Sinnbild, ist bei aller stürmischen Erregbarkeit noch nicht geleistet“ (Weber 1955, 64).

Die Krankheit erscheint hier somit als eine Art Prüfung, welche die Seele angreift und der dieser hilflos ausgeliefert ist. Mit den rhetorischen Worten „Was ist diß Leben doch / was sind wir / ich und ihr?“ formuliert Gryphius die Kernfrage der Vanitas-Dichtung. Dieser Satz umfasst eine rhetorische Frage, bei der die Antwort bereits feststeht. Das Gedicht thematisiert somit nicht die Antwort auf diese Frage, sondern vielmehr die Bekräftigung ihrer Gültigkeit (vgl. Mauser in: Meid 1982, 223).

Zudem rundet die Frage den Gedankenbogen zu den ersten beiden Quartetten ab und stellt anhand der ersten Frage des ersten Terzetts eine Verbindung zwischen Quar.....

Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.

Somit zeigen die Quartette den Bestand im Einzelfall auf, während die Terzette die allverbindliche Summe ziehen. Auf die unausgesprochene Frage „Was ist der Mensch?“ folgt eine bildreiche Antwort:

Itzt sind wir hoch und groß / und morgen schon vergraben:
Itzt Blumen / morgen Koth / wir sind ein Wind / ein Schaum /
Ein Nebel / ein Bach / ein Reiff / ein Thau‘ ein Schatten.“ (V. 10-12)

Hier findet eine Häufung antithetischer Metaphern statt, die grundlegend ein und dasselbe intendieren: „Das Vergängliche, Unwiederbringliche der Menschenexistenz ist dem Vorübergehenden der Naturerscheinungen vergleichbar, dem Verwehen, Fließen, Schmelzen“ (Van Rinsum 1987, 64). Anhand der Metaphern wird dem Menschen die Hinfälligkeit alles Irdischen mit Hilfe von vertrauten Bildern der Natur verbildlicht.

Die Abfolge der asyndetischen Reihe, die sich in gleichwertigen und gleichgerichteten Aussage-Elementen äußert, gilt als eines der eindringlichsten Stilmittel zur Bekräftigung in der Barocklyrik des 17. Jahrhunderts (vgl. Mauser in: Meid 1982, 223). Mittels einer Identifikation mit den Naturelementen – „wir sind ein Wind“ (V. 11) – und seiner scharfen Antithetik bringt Gryphius dem Leser das Vanitas-Motiv am nächsten: „Itzt Blumen / morgen Koth“ (V. 11) – an diesem krassen Beispiel verdeutlicht er unter anderem die Unbeständigkeit der Dinge, vor allem der Menschen selbst.

Der Mensch steht unter dem Gesetz des Wandels, kaum ein Bild reicht aus, um seine dahinjagende Lebenszeit auszudrücken, die bspw. mit einer jähen tödlichen Krankheit beendet sein kann. Den Menschen hier anhand von Naturmetaphern hinsichtlich ihrer Hinfälligkeit zu definieren, bedeutet, ihn am Unvergänglichen zu messen. Hier ist der Leidenstod Christi gemeint, der aus der Vermittlung zwischen dem Ewigen und Irdischen resultiert.

Aus ihm heraus entspringt die Annahme, dass Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit des Irdischen die Voraussetzung für das Heil der Seele dient. Denn Leid, Tod oder Schmerz stellen die Erfahrungsbereiche dar, die den Menschen deutlich Begrenztheit und Vergänglichkeit der Dinge auf der Welt vor Augen führen (vgl. Ma.....

Dieser Textabschnitt ist in der Vorschau nicht sichtbar.
Bitte Dokument downloaden.
Quellen & Links

Swop your Documents