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Aufsatz
Politik

Technische Universität Dresden - TUD

1,7, Fritzsche, 2012

Paul K. ©
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ID# 52520







„Welche Faktoren sind ausschlaggebend für das Gelingen oder Scheitern von politischen Transformationsprozessen in Osteuropa nach dem Ost- West Konflikt?

Ein Vergleich zwischen der Tschechischen Republik und der Ukraine.“


Von


Mit dem Fall des inneren und äußeren Imperiums der Sowjetunion zwischen 1989 und 1991 herrscht die Erwartung vor, dass sich ein schneller Übergang zu politisch-ökonomischen Systemen ähnlich denen der westeuropäischen Staaten einstellen würde, also einer marktwirtschaftliche Demokratie mit pluralistischer Gesellschaft.

Durch die machtpolitische Relevanz der Transformation als Siegeszug der marktwirtschaftlichen Demokratie über das sozialistische System erlangt das Thema sowohl politisch, also auch wirtschaftlich an Bedeutung.

Da die Staaten die postkommunistischen Staaten Aufgaben gegenüberstehen, die sie nicht alleine bewältigen können bedarf es Unterstützung und Kooperation der westlichen Regierungen und Gesellschaften(Telschik/ Wiedenfeld 1992: 5). So wird in gerade zu Beginn des Transformationsprozesses dieser mit großem Interesse aber auch großen Erwartungen von Westen verfolgt.

Diese Vorstellung, von einem schnellen und reibungslosen Systemwechsel, entpuppt sich als Fehleinschätzung (Becker/ Gawrich/ Widmaier 1999: 11). Zwar haben viele Staaten, insbesondere Staaten die zu Mitteleuropa zu rechnen sind, große Anstrengungen unternommen, um an den Standard Westeuropas anzuknüpfen und dementsprechend sind mittlerweile zehn postkommunistische Staaten und dies, zumindest in den Augen der Europäischen Union, mit Erfolg und wurden in diese aufgenommen (März/ Rupp 2002: 7).

Jedoch sind die Transformationsprozesse in den meisten Staaten bei weitem noch nicht abgeschlossen und sind in vielen auch ganz zum Erliegen gekommen.

An diesem Punkt soll diese Arbeit ansetzen, denn „ es liegt im Interesse entwickelter Demokratien, Wandlungsprozesse hin zu Demokratie aktiv zu begleiten und zu unterstützen, um einen Beitrag zur internationalen Stabilität zu leisten“ (BTI 2010). Hierzu ist es erforderlich die Faktoren die zu Erfolg oder Scheitern von Transformationsprozessen führen zu erkennen und somit für die Zukunft bessere Strategien zu entwickeln welche Fehler vermeiden, die Demokratieprozesse behindern oder gar verhindern.

Deshalb soll in dem folgenden Beitrag die Frage beantwortet werden: Welche Faktoren sind ausschlaggebend für das Gelingen oder Scheitern von politischen Transformationsprozessen in Osteuropa nach dem Ost- West Konflikt?

Die Arbeit wird sich nicht mit den Folgen von eventuellem Scheitern von Transformation beschäftigen, ebenso wenig werden keine Regeln zum Verhindern von jenem aufgestellt. Zudem wird aufgrund der Komplexität der Thematik kein Anspruch auf die Vollständigkeit der Faktoren erhoben, sondern lediglich der Versuch unternommen die einflussreichsten herauszufiltern.


Die politische Transformation und deren Theoriebildung ist keine Erfindung der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhundert.

Schon in den 50. Jahren legt Talcott Pearsons mit seinen Grudnüberlegungen und dem daraus entstehenden AGIL-Schemas(adaption, goal attainment, intergration und latent pattern maintenance) den Grundstein der Theoriebildung der Transformation gelegt(Parsons 1951; Merkel 2010: 68). Auf diesen Überlegungen aufbauend entwickelte in den 60. Jahren Martin Lipset die sich bis heute als durchaus robust erstweisende „Modernisierungstheorie“.

Diese beschreibt als wichtigste Bedingung für den Erfolg von Demokratisierung vor allem die sozioökonomische Entwicklung. Verkürzt lässt sich der kausale Zusammenhang von ökonomischer und demokratischer Entwicklung wie folgt erklären: Wirtschaftliche Entwicklung hat ein ansteigendes Bildungsniveau zu Folge. Dies führt wiederum zu einem Anstieg der Reflektion von politischem Handeln durch die Bürger, welche zu toleranteren und gemäßigteren Einstellungen führt und damit den Bürger weniger anfällig für Radikalisierungen macht.

Dadurch wird ein rationaler und zurückhaltender Politikstil der Regierenden gegenüber der Opposition erreicht. (vgl. Merkel 2010: 70-72).

In Zusammenhang mit der der Modernisierungstheorie ist Adam Przeworski zu nennen, der seit 1997 die Theorie differenziert auf eine exogene und eine endogene Variante. Dabei wird die endogene Variante für falsifiziert gehalten und nur die exogene für verifiziert, diese Variante besagt, dass die sozioökonomische Entwicklung nur die Demokratie festigt diese aber nicht herbeiführt(Merkel 2010: 73).

Dies sieht Samuel Huntington anders und setzt Ökonomie und Politik in eine Kausalbeziehung, die gesellschaftlichen Wohlstand oder gesellschaftliche Armut als wichtige Ursache für Demokratieprozesse oder deren scheitern ist (Huntington 1991: 311). Diese These wird 2005 von der Bertelsmann Stiftung bekräftigt.

So ist man Anfang der 90er Jahre an einem recht guten Forschungsstand. Jedoch sind die Bedingungen des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion grundverschieden zu dem aktuellen Forschungsstand(Merkel 2010: 324).

So gibt es keine historischen Vorbilder für diesen Transformationsprozess, der durch den Begriff „Dilemma der Gleichzeitigkeit“ geprägt wird (Offe 1991: 279-292).

Diese Formulierung bezeichnet die Schwierigkeit zwei beziehungsweise drei Transformationsprozesse in den jungen Demokratien zeitgleich ablaufen zu lassen. Dabei handelt es sich um die Problematik der Demokratiesierung, des Wirtschaftsumbaus und gegebenenfalls der Nationalstaatsbildung(Merkel 2010: 325). Für diese mehrdimensionale Umgestaltung gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Strukturen bedarf es institutionelle Grundlagen, welche aber nur durch Konsensbildung geschaffen werden kann(vgl. Vodicka 2005: 257).

Denn nach David Easton muss ein Minimum gemeinsamer politischer Identität und ein Land dessen Integrität unbestritten ist vorhanden sein, um eine allgemeingültige Verfassung des Staates ausarbeiten zu können. (vgl. Merkel 2000: 328). Die größte Reformlast trägt jedoch das Problem des Wirtschaftsumbaus bei dem in kürzester Zeit das geleistet werden soll, was sich in westlichen Staaten im evolutionären Prozess langsam zu einer funktionierenden Marktwirtschaft sich entwickeln konnte.

Anhand der Literatur lässt sich der sehr gute Forschungsstand von Transformationsprozessen im Allgemeinen ablesen. Aber auch oder gerade die Transformation der postkommunistischen befindet sich auf einem sehr guten Forschungsstand. Dies ist wohl auch durch die sehr guten Bedingungen für empirische sozialwissenschaftliche Forschung bedingt. Nie zuvor hatte man die Möglichkeit eine solch große Zahl an Simulationen von Wandlungsprozessen zu untersuchen.

Für die Transfomationsanylse werden die Vegleichsfälle Techische Republik und die Ukraine herangezogen.

Die Ukraine war in der Sowjetunion aufgrund der Bevölkerungszahl und ihrer wirtschaftlichen Stärke eines der wichtigsten Mitglieder in der Union. So wichtig sie für die Sowjetunion war so wichtig wurde sie auch für den Zusammenbruch dieser. Als die Ukraine um 1991 durch Parlament und Bevölkerung ihre Unabhängigkeit proklamierte war dies das Ende der Sowjetunion (Bos 2002: 527, Kappeler 1994: 7).

Obwohl schon 1990 begonnen worden war eine Verfassungsgrundlage auszuarbeiten wurde die Verfassung erst sechs Jahre später am 28.6.1996 verabschiedet. Obwohl die Verfassung auf demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipen aufgebaut ist entwickelte sich, unter dem Präsidenten Kutschma ein Regime das zwischen Demokratie und Autokratie anzusiedeln ist. Erst mit der „orangenen Revolution“ 2004 trat der Prozess der Transformation wieder ein.

In der Tschechoslowakei herrscht bis zu dessen Ende 1989 durch die „Samtene Revolution“ ein kommunistisches Regime. Wegen unterschiedlicher politischer Polarisierungen von Tschechen und Slowaken gelingt es im Zeitraum von 1990 bis 1992 nicht eine Verfassung zu Verabschieden. Am 1. Januar 1993 wird die Tschechische Republik ein unabhängiger Staat(Vodicka 2010: 275).

Nach großen Schwierigkeiten am Anfang der Transformation, die durch Korruption und Instabilitäten des politischen Systems geprägt waren, ist in der Tschechischen Republik ein „strukturiertes intermediäres System zu erkennen“ (Becker/Gawrich/Widmaier 1999: 71;Vodicka 2010: 310).

In der Geschichte des 20. Jahrhunderts hat es verschiedene Transformationswellen gegeben, die durch unterschiedliche zeithistorische Geschehnisse eingebettet waren. In dieser Untersuchung soll auf die 3. Demokratiesierungswelle Bezug genommen werden. Im speziellen die Transformation in Osteuropa zum Ende des 20. Jahrhunderts. Dabei sollen die Faktoren, die diese beeinflussen herausgestellt werden.

Die Auswahl von der Tschechischen Republik und der Ukraine vor allem durch die annähernd gleiche Ausgangssituation und die grundverschiedene Stand der Transformation der Momentansituation begründet.

Die zu erklärende anhängige Variable stellt in dieser Untersuchung das Gelingen oder Scheitern von politischer Transformation in Osteuropa dar.

Zur Beantwortung der Fragestellung werden zwei Beispiele miteinander verglichen. Der Vergleich bezieht sich aber nicht nur auf einen Faktor sondern soll das Zusammenspiel mehrerer Faktoren wiedergeben.

Im ersten Kapitel dieses Beitrages werden die Grundlegenden Begriffe des Transformationsprozesses operationalisiert.


Im zweiten Kapitel soll die Stärke des Zuspruchs zum alten, in diesem Fall dem sozialistischen, System verglichen(UV 1) werden. Denn es erscheint naheliegend, dass es ungemein schwierig, wenn nicht unmöglich ist einen erfolgreichen Transformationsprozess zu durchlaufen, wenn in der Gesellschaft ein großen Zuspruch zum vorherigen System vorherrscht. Daraus ergibt sich der für einen Demokratisierungsprozess unabdingbare Demokratiewille in der Bevölkerung.


Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Struktur der Zivilgesellschaft(UV 2). Also inwieweit diese homogen oder heterogen ist. Dieser Aspekt wird dann interessant, wenn ethnische oder religiöse Konflikte weder sozial noch politisch befriedet werden können. Denn ein Staat, in seiner Staatlichkeit, Souveränität und Autonomie nach innen dauerhaft herausgefordert wird kann nur schwierig demokratisiert werden (vgl. Dahl 1971: 111; Merkel 2010: 326).



Daraus ergibt sich eine weitere Variable, die in Kapitel 5 thematisiert wird, die des sozialen Kapitals(UV 4). Diese Überlegung beinhaltet, dass politische Institutionen allein nicht ausreichend stabil sind, wenn diese durch eine demokratische Gesellschaft nicht gefestigt sind. Hier besteht die Problematik der sich junge Demokratien ausgesetzt sehen. Denn im Gegensatz zu Verfassungen und politischen Institutionen lassen sich gesellschaftliche Werte und Verhaltensweisen nicht kurzfristig ändern, sondern müssen sich in langwierigen Verfahren akkumuliert werden(Merkel 2010: 83).


Hieran schließt auch das nächste, 6. Kapitel an. Hier wird der Faktor der „Demokratischen Vorerfahrung“(UV 5) auf beide empirischen Fälle angewandt. Der Aspekt der demokratischen Vorerfahrung kann durchaus zu einem schnelleren Ablauf von Trasformationsprozessen führen. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob diese Erfahrung negativ belastet ist. So wird davon ausgegangen, dass trotz der negativen Erinnerung an die Weimarer Republik, diese Erfahrung in Deutschland nach 1945 den Transformationsprozess beschleunigt hat.


Die unabhängigen Variablen 1, 2 und 7 erscheinen von besonderer Bedeutung für den unterschiedlichen Erfolg der Transformationsprozesse in den verschiedenen postkommunistischen Staaten, wie der Tschechischen Republik und der Ukraine.


Bibliografie

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