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Seminararbeit
Deutsch

Universität, Schule

Universität Siegen

Note, Lehrer, Jahr

2,3; 2017

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Monika M. ©
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Format: pdf
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Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 80313















Vergleich des Wahnsinnsmotivs in den Werken „der Sandmann“ und „der goldne Topf“ von E.T.A Hoffmann

































Inhalt

1. Einleitung 1

2. Wahnsinn 2

3. Analyse ausgewählter Werke 3

3.1 „Der goldne Topf“ 3

3.1.1 Inhalt 3

3.1.2 Figuren 5

3.1.2.1 Anselmus 5

3.1.2.2 Serpentina 6

3.1.2.3 Veronika 6

3.1.2.4 Lindhorst 6

3.1.2.5 Das Apfelweib 7

3.1.3 Anselmus´ Wahnsinn 7

3.2 „Der Sandmann“ 8

3.2.1 Inhalt 8

3.2.2 Figuren 9

3.2.2.1 Nathanael 9

3.2.2.2 Clara 10

3.2.2.3 Olimpia 11

3.2.2.4 Sandmann/ Coppelius / Coppola 11

3.2.3 Nathanaels Wahnsinn 12

4. Vergleich: Wahnsinn in „der goldne Topf“ und in „der Sandmann“ 13

5. Abstract: Zusammenfassung 15

6. Literaturverzeichnis 16

Plagiatserklärung 17



  1. Einleitung

Gegenwärtig ist der Ausdruck „Wahnsinn“ oft mit einer Überraschung, einem Ereignis und vielem mehr verbunden. Dennoch wird „Wahnsinn“ im Duden als eine „psychische Störung, die von Wahn (und Halluzinationen) begleitet wird“ und als ein „großer Unsinn etc.“ definiert. Im Gegensatz zur Gegenwart, wurden vor dem 17. Jahrhundert Geisteskrankheiten nicht der Geisteswissenschaft zugeordnet. Folglich wurde der Wahnsinn ebenfalls nicht der Geisteswissenschaft zugeordnet. Mit der Entdeckung, dass Geisteskranke mithilfe von Anstalten, welche zuvor psychisch Kranke inhaftiert hatten, entwickelte sich die Psychiatrie „[…] zu einer eigenständigen Disziplin“ (Gaal 2014: 49). Folglich bahnte sich mit dem Beginn der Erforschung der Seelenkunde nicht nur eine neue Ebene der Medizin, sondern auch eine neue Richtung in der Literaturwissenschaft an.

Dementsprechend ermöglichte das Wahnsinnsthema eine Basis für kritisch auseinandersetzende literarische Werke. Trotz medizinischer Fortschritte wurden Geisteskranke in der Gesellschaft im 18./19. Jahrhundert weiterhin verurteilt, wobei viele Bürger bereits unter psychischen Krankheiten wie Depressionen litten (vgl. Gaal 2014: 37). Viele Werke von E.T.A Hoffmanns behandeln diverse psychische Krankheiten.

Allerdings werden in der folgenden wissenschaftlichen Arbeit die Werke „der Sandmann“ 1816 erschienen und „der goldene Topf“ 1814 veröffentlicht, untersucht. Das Ziel dieser Arbeit ist es, das Wahnsinnsmotiv in beiden Werken zu vergleichen. Nach einem kurzen Einblick in den Stand der Forschung bezüglich des Wahnsinns zur Hoffmanns Zeit, geht es im Hauptteil der Arbeit darum, die Umstände des Wahnsinns der Protagonisten Anselmus und Nathanael zu untersuchen und inwiefern Figuren, welche mit beiden Protagonisten interagieren, die Wahnvorstellungen bzw. den Wahnsinn beeinflussen. Schließlich wird der Wahnsinn beider Protagonisten hinsichtlich wesentlicher Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Wahnsinnsmotivs verglichen.







  1. Wahnsinn

Für die Interpretationen beider Werke ist ein Rückblick in das Verhältnis zwischen Geisteskrankheiten und der zeitgenössischen Gesellschaft notwendig. Der Wahnsinn galt als unheilbar und wurde nicht der Geisteswissenschaft zugeordnet, da die Ursache nicht bekannt war. Allerdings fanden Behandlungen auf der körperlichen Ebene statt: So wurde beispielsweise ein Aderlass bzw. Blutabnahme angeordnet (vgl. Fix, 2006: 9).



Irrenhäuser dienten dazu Kranke von der Gesellschaft zu isolieren. Allerdings nahm das Interesse an Geisteskrankheiten zu, sodass nach und nach verschiedene Abhandlungen über diese Geisteskrankheiten veröffentlich wurden (vgl. Fix, 2006: 10f). So wurde der Wahnsinn erst im 17. Jahrhundert als Geisteskrankheit gedeutet und erst im 18. Jahrhundert durch Kant analysiert. Dieser identifiziert die Ursache als einen Missbrauch des Erkenntnisvermögens und ein Mangel an Selbstbeherrschung. Letzteres verbindet Kant mit Eigenschuld. Johann Christoph Hoffbauer weist daraufhin, dass Leidenschaften als Auslöser von Störungen des Erkenntnisvermögens gelten (vgl. Schmitz-Emans, 2004: 72). Demnach sind insbesondere Dichter in Gefahr, da durch ihr ausgeprägtes fiktives Denken, die Wahrscheinlichkeit sich in Visionen und Fantasien zu verlieren, höher ist.



Johann Christian Reil, Begründer der modernen Psychiatrie in Deutschland und Verfechter der romantischen Medizin, stellt in seiner 1803 erschienen Abhandlung „Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerüttungen“ fest, dass Geisteskrankheiten durch das Ungleichgewicht von seelischen Kräften entstehen. Den Wahnsinn definiert Reil als eine psychische Krankheit, welche nur mithilfe einer psychologischen Behandlung heilbar ist (vgl. Reil, 1803: 62ff). Zudem betonen viele Psychologen und Schriftsteller der Romantik die Korrelation zwischen dem Wahnsinn und dem Künstlerischem (vgl. Schmitz-Emans, 2004: 72). So kann festgestellt werden: Je lebhafter die Einbildungskraft eines Dichters, umso höher die Gefahr zwischen Realität und Wahnvorstellung nicht mehr unterscheiden zu können. Trotz verschiedener wissenschaftlichen Perspektiven, wurden „unheilbare Kranke“ weiterhin eingesperrt. Jedoch nahm weiterhin das Interesse an Geisteskranken zu, sodass 1805 die erste Heilanstalt in Deutschland eröffnet wurde (vgl. Fix, 2006: 12).

  1. Analyse ausgewählter Werke

    1. „Der goldne Topf“

      1. Inhalt

Die erste Vigile beginnt mit der Handlung an einem Himmelfahrtstag. Der Student Anselmus rennt versehentlich in eine alte Marktfrau und verwüstet dabei ihre Waren. Daraufhin verflucht sie ihn: „Ja renne – renne nur zu, Satanskind – ins Kristall dein Fall – ins Kristall!“ (Hoffmann, 2011: 5). Der geschockte Anselmus flieht und begibt sich zum Elbufer, wo er ein ruhiges Plätzchen unter einem Holunderbaum findet. Dort angekommen reflektiert er über sein bisheriges Leben, welches vorwiegend von Missgeschicken und Träumereien geprägt ist. Dies wird unterbrochen als er plötzlich Stimmen hört und drei Schlangen entdeckt. Anselmus fühlt sich von den Wesen vollkommen hingezogen und empfindet dabei eine intensive Sehnsucht und Liebe (vgl. Hoffmann, 2011: 8f).

In der zweiten Vigile beobachten viele das Verhalten von Anselmus, welcher die bereits verschwundenen Schlangen sucht. Viele Bürger nehmen ihn als betrunken wahr. Daraufhin begegnet Anselmus seinem Freund dem Konrektor Paulmann, seinen beiden Töchtern und dem Registrator Heerbrand. Paulmann lädt Anselmus zu sich nach Hause ein, wo er ihm zu einer Anstellung bei dem Archivarius Lindhorst verhilft. Am nächsten Tag steht Anselmus vor der Tür des Archivarius, betritt das Haus allerdings nicht, da der Türklopfer das Gesicht des Apfelweibs bzw. der Marktfrau annimmt. Infolgedessen fällt Anselmus in Ohnmacht und wacht im Hause Paulmann auf (vgl. Hoffmann, 2011: 10-16)

Die dritte Vigile beschreibt, wie Paulmann sich um ein weiteres Treffen zwischen Anselmus und Lindhorst kümmert. Bei dem abendlichen Treffen erzählt Lindhorst von dem Phosporus-Mythos und besteht darauf, dass er der Nachfahre einer königlichen Feuerlilie sei (vgl. Hoffmann, 2011: 16-21).

Statt die Arbeit bei Lindhorst aufzunehmen, begibt sich Anselmus jeden Abend zur Elbufer um die Schlangen wiederzusehen. Eines Abends trifft er auf Lindhorst und schüttet ihm sein Herz aus. Daraufhin verkündet Lindhorst, dass er der Vater der drei Schlangen sei und dass sich seine Tochter Serpentina in ihn verliebt hätte. Zudem gibt er Anselmus eine Flasche mit einer wunderlichen Flüssigkeit, welche Anselmus dem Apfelweib auf die Nase tröpfeln sollte, falls sie sich wieder in einen Türklopfer verwandelt (vgl. Hoffmann, 2011: 21-27)

In der fünften Vigile erfährt Veronika, die Tochter Paulmanns, dass Anselmus fähig ist Hofrat zu werden, weswegen ihr Interesse an Anselmus geweckt wird. Damit ihrer Zukunft als Hofrätin nichts im Wege steht, besucht sie auf Empfehlung ihrer Freundinnen eine Hellseherin, welche sich als das alte Apfelweib, ihre damalige Kinderfrau und Feindin von Lindhorst entpuppt. Das Apfelweib verspricht ihr zu helfen (vgl. Hoffmann, 2011: 27-35).

Währenddessen kann Anselmus in der sechsten Vigile mithilfe der Flüssigkeit das Haus des Archivarius betreten und die Arbeit bei Lindhorst aufnehmen. Jedoch nimmt er verschiedene Handschriften, Räume und Dinge, wie den goldenen Topf wahr (vgl. Hoffmann, 2011: 35-41)

Um ihrem Glück mit Anselmus nachzuhelfen nimmt Veronika in der siebten Vigile mit dem Apfelweib nachts im Wald an einem Hexenritual teil. Nach einem beunruhigenden Akt fällt Veronika in Ohnmacht und kann die Geschehnisse im Wald nicht einordnen (vgl. Hoffmann, 2011: 41-47).

In der achten Vigile arbeitet Anselmus bei Lindhorst, wobei dieser Anselmus ein wertvolles Schriftstück anvertraut. Von Serpentina erfährt Anselmus, dass Lindhorst ursprünglich ein Salamander ist und im Garten des Geisterfürsten in Atlantis lebte, jedoch aufgrund der Verbündung mit einer Schlange verbannt wurde und nun das Leben eines einfachen Menschenerdulden muss. Erlöst werden kann Lindhorst nur durch die Vermählung seiner drei Töchter mit einer Person mit einem „kindlichen und poetischem Gemüt“ (vgl. Hoffmann, 2011: 47-54).

In der neunten Vigile ist Anselmus hin- und hergerissen zwischen Serpentina und Veronika. Bei einem Besuch bei den Paulmanns erkennt Anselmus seine Wahrnehmungen als Fantasien an und bittet Veronika ihn zu heiraten. Durch den Punschanstoß, wird Anselmus betrunken und kann erneut zwischen der Fantasiewelt und der Realität nicht unterscheiden. Verwirrt und wütend zerstört er das wertvolle Schriftstück von Lindhorst und wird bestraft, indem er in eine Kristallflasche eingesperrt wird (vgl. Hoffmann, 2011: 55-61).

Die zehnte Vigile beschreibt, wie Anselmus nun vollkommen verwirrt ist und zwischen der Realität und Illusion nicht unterscheiden kann. Das Apfelweib bietet ihm ihre Hilfe an, allerdings verlangt sie als Gegenleistung seine Heirat mit Veronika. Jedoch willigt er nicht ein. Lindhorst und das Apfelweib geraten in einen Kampf, den Lindhorst für sich entscheiden kann und womit Anselmus befreit wird (vgl. Hoffmann, 2011: 62-67).

In der elften Vigile ist Anselmus nicht auffindbar, weswegen Veronika das Angebot annimmt Heerbrand zur heiraten. Dieser wird zudem auch zum Hofrat ernannt (vgl. Hoffmann, 2011: 67-72).

In der letzten Vigile erscheint Anselmus als Vision und berichtet, dass er sich mit Serpentina in der Zauberwelt Atlantis befände (vgl. Hoffmann, 2011: 72-76).

      1. Figuren

Um die Darstellung des Wahnsinns zwischen den Werken „der goldne Topf“ und „der Sandmann“ zu vergleichen, müssen einzelne Figuren näher betrachtet werden. Jedoch werden im Zuge des Vergleiches diejenigen Figuren behandelt, welche das Motiv des Wahnsinns beeinflussen bzw. die Hauptfiguren beider Werke beeinflussen.

        1. Anselmus

Anselmus ist die Schlüsselfigur des Märchens. Er ist ein Tollpatsch, dessen Leben durch Missgeschicke und Träumereien gekennzeichnet ist. Auch der „der goldne Topf“ beginnt mit einem Missgeschick: Er rennt versehentlich in das Apfelweib und beschädigt dabei ihre Waren, weswegen er von ihr verwünscht wird (vgl. Hoffmann, 2011: 5). Er realisiert jedoch selbst sein Pech und wünscht sich er könnte sich in die Gesellschaft einordnen und auch akzeptiert werden. Dementsprechend ist er immer wieder erfreut von den Paulmanns eingeladen zu werden (vgl. Hoffmann, 2011: 11). Aufgrund des fehlenden Zugangs zu der Gesellschaft, findet Anselmus sich oft im Selbstgespräch wieder (vgl. Hoffmann, 2011: 6). Angesichts der Distanz zur Gesellschaft ist Anselmus viel zugänglicher für das Wunderbare, weswegen ihn andere für krank, träumerisch oder betrunken halten: „Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste“ (Hoffmann, 2011: 10), so eine Bürgersfrau über Anselmus, als er die Schlangen erblickte und fasziniert von ihnen ist. Zunächst gibt sich Anselmus der Zauberwelt bzw. Serpentina vollkommen hin bis er sich von ihr distanziert und bereit ist sich seiner Umgebung in der realen Welt anzunehmen, weswegen er um Veronikas Hand bittet (vgl. Hoffmann, 2011: 56). Allerdings erkennt er seine Gefühle für Serpentina und findet wieder zu ihr.

        1. Serpentina

Der Name Serpentina stammt vom lateinischen Wort „serpens“ und bedeutet übersetzt „Schlange“. Der Name spiegelt sich in ihrer Gestalt wider. So wird Serpentina mit ihren zwei Schwestern als eine Schlange dargestellt. Ihr Vater ist der Archivarius Lindhorst, welcher in Wirklichkeit ein Salamander ist und aus Atlantis stammt. Bei der ersten Begegnung mit Anselmus unter dem Holunderbaum, wird Anselmus von ihrem Erscheinungsbild verführt, sodass er seine Umwelt nicht mehr wahrnimmt. Serpentinas phantastische Welt reizt Anselmus, aufgrund seiner bereits vorhandenen Zuneigung zum Wunderbaren, sehr. So weckt sie sein Interesse durch ihren Gesang oder durch ihre ausdrucksstarken Augen (vgl. Hoffmann 2011: 9).

        1. Veronika

Im Gegensatz zu Serpentina, gehört Veronika der realen Welt an. So ist sie den bürgerlichen Idealen entsprechend erzogen, weswegen sie sich nach einer Eheschließung sehnt, um ihren gesellschaftlichen Status zu erhöhen. Folglich erwartet sie von Anselmus noch vor der Hochzeit Hofrat zu werden. Um ihrer Träumerei zu verhelfen, versucht Veronika die schwarze Magie mithilfe der Rauerin zu nutzen um Anselmus an sie zu binden (vgl. Hoffmann, 2011: 32ff). Zunächst scheint der Liebeszauber zu wirken, da Anselmus ihr einen Heiratsantrag macht. Jedoch misslingt ihr letztlich der Zauber, da Anselmus mit Serpentina nach Atlantis zurückkehrt. Aufgrund dessen verfällt Veronika kurzzeitig in einen Liebeswahn, welcher durch die Heirat mit dem neuen Hofrat Heerbrand aufgehoben wird (vgl. Hoffmann, 2011: 71f).

        1. Lindhorst

Im Gegensatz zu der Mehrheit der Figuren im „goldnen Topf“ gehört Lindhorst sowohl der Märchenwelt als auch der realen Welt an. Lindhorst ist durch seine Doppelexistenz gekennzeichnet. Dementsprechend führt er das bürgerliche Leben des Beamten Archivarius und verbirgt seine zweite Identität als Salamander. Durch Serpentina erfahren der Leser und Anselmus, dass Lindhorst, einst nur ein Salamander, aufgrund einer Verbündung mit einer Schlange aus Atlantis verbannt wurde (vgl. Hoffmann 2011: 51). Nur die Vermählung seiner drei Töchter mit drei Jünglingen mit poetischem Gemüt können Lindhorst von seinem Fluch erlösen (vgl. Hoffmann 2011: 53). Sein größter Wunsch ist es nach Atlantis zurückzukehren, weswegen er Anselmus sehr unterstütz, da dieser über besagtes poetisches Gemüt verfügt. Bei Lindhorst zu Hause ist Anselmus magischen Einflüssen ausgesetzt (vgl. Hoffmann 2011: 39ff).

        1. Das Apfelweib

Das Apfelweib gehört wie Lindhorst beiden Welten an. Dementsprechend gehört sie als Markthändlerin der realen Welt an, während sie durch den Fluch und als Hexenweib der Märchenwelt angehört. Ebenso wie Lindhorst verfügt das Apfelweib über Zauberkräfte. So tritt sie in mehreren Textpassagen als eine unterschiedliche Person oder sogar als Gegenstand auf. Sie erscheint zum einen als Apfelweib, welche Anselmus verflucht und zum anderen als Türklopfer. Ihr Ziel ist es die Auflösung des Fluchs der auf Lindhorst liegt zu verhindern.

      1. Anselmus´ Wahnsinn

Anselmus ist durch seinen stetigen Entwicklungsprozess gekennzeichnet, sowie seinen Wahnsinn. So begibt sich Anselmus nach der ersten Begegnung mit dem Apfelweib unter einen Holunderbaum, wo er aufgrund seines fehlenden Zugang zu der Gesellschaft sich in Wahnvorstellungen verliert (vgl. Gaal 2014: 397). Jedoch beginnt Anselmus´ Realitätsverlust mit der Begegnung Serpentinas. Anselmus schafft sich eine Alternativwelt, sodass er nicht mehr zwischen der Realität und der Fantasiewelt unterscheiden kann (vgl. Gaal 2014: 396).

Sowohl die Melancholie als auch seine Tollpatschigkeit begünstigen den Zugang des Wahnsinns. Zudem korreliert das Motiv der Liebe mit dem Wahnsinn. So wird Anselmus von zwei Frauen umworben. Gaal weist darauf hin, dass es sich hierbei nicht ausschließlich um einen klassischen Zwiespalt eines Protagonisten handelt, sondern auch um die „[…] Wahl zwischen poetischer Inspiration (Serpentina) und bürgerlichem, philisterhaftem Alltag (Veronika) […]“. Sowohl Serpentina, welche als Idealfrau dient, als auch die zu kopierenden Schriftstücke dienen als Inspiration Anselmus´.

Er erleidet fortlaufend Rückschläge, wie unter anderem die Einsperrung in der Flasche. Dementsprechend ermöglichen die Bedrohung durch die magische Welt und durch die daraus entstandene Aufregung den Wahnsinn bzw. die Wahnvorstellungen Anselmus´. Der Wahnsinn äußert sich in der verzerrten Weltwahrnehmung Anselmus´ und in der Wahrnehmung des Anselmus´ durch die Gesellschaft (vgl. Kremer 2012: 119).

    1. „Der Sandmann“

      1. Inhalt

Im ersten Brief schreibt Nathanael an Lothar, den Bruder seiner Verlobten Clara. Hierbei berichtet er ihm von seinem Kindheitstrauma, welches ihn immer noch prägt: Als Kind wurde er an Abenden eines Besuches früher als gewöhnlich ins Bett geschickt. Begründet wurde dies mit dem Besuch eines Sandmanns. Auf Nachfragen hin erklärte ihm seine Kinderfrau, dass der Sandmann denjenigen Kindern, welche sich weigerten zu schlafen, Sand in die Augen streute (Hoffmann, 2004: 7). Allerdings erfuhr Nathanael, dass sein Vater mit dem Advokaten Coppolas alchemistische Experimente abends durchführte. Aufgrund des ungewöhnlichen Verhaltens seiner Eltern, welches mit dem Besuch des Advokaten verbunden war, assoziierte Nathanael den bösen Sandmann mit Coppelius. Im weiteren Verlaufs des Briefes erklärt Nathanael Lothar, dass er aus Neugier sich versteckte, um die Experimente seines Vaters und des Advokaten zu beobachten. Allerdings wurde er hierbei von Coppelius entdeckt, woraufhin ihn dieser gewaltsam packte und ihm drohte die Augen zu entfernen (vgl. Hoffmann, 2004: 12). Daraufhin fiel Nathanael in Ohnmacht und musste aufgrund der traumatischen Erlebnisse mit starkem Fieber kämpfen. Weiterhin berichtet Nathanael Lothar, dass ein Jahr nach diesem Vorfall Coppelius wieder alchemistische Versuche mit dem Vater durchführt, wobei der Vater an einer Explosion stirbt. Coppelius konnte jedoch entkommen (vgl. Hoffmann, 2004: 14). Letztlich erklärt Nathanael den eigentlichen Anlass seines Schreibens: Ein Wetterglashändler, namens Guiseppe Coppola erschien, um Nathanael seine Waren zu verkaufen. In ihm erkannte Nathanael den Advokaten Coppelius, weswegen er Lothar versichert den Tod seines Vaters rächen zu wollen.

Im zweiten Brief schreibt Clara an Nathanael und erklärt ihm hierbei, dass sie versehentlich den an Lothar gerichteten Brief gelesen habe. Clara versucht Nathanaels Ängste zu nehmen, indem sie ihm versichert, dass seine Erinnerungen nur eine Illusion seien, welche lediglich in seinem Inneren stattgefunden haben (vgl. Hoffmann, 2004: 16). So führt sie weitere Wahrnehmungen auf reale Zustände zurück., indem sie den Tod des Vaters als einen Unglücksfall sieht (vgl. Hoffmann, 2004: 16). Zudem zeigt sie auf, dass Nathanaels Ängste durch einen klaren Verstand bekämpft werden können.

Im dritten Brief an Lothar zeigt sich Nathanael über die Verständnislosigkeit Claras verärgert. Dennoch ist er angetan von ihren Worten, sodass er an der doppelten Identität des Wetterglashändlers zweifelt (vgl. Hoffmann, 2004: 19). Weiterhin berichtet er von seinem Professor Spalanzani und dessen Tochter Olimpia, welche er von seinem Zimmer aus beobachten kann. Nathanael offenbart seine Faszination für sie. Dennoch sei ihm beim Anblick ihrer starren Augen etwas Unwohl zu mute. Letztlich kündigt er seinen Besuch bei Lothar an (vgl. Hoffmann, 2004: 20).

Nach den Briefen wendet sich ein fiktiver Erzähler an den Leser und rekapituliert die Vorgeschichte der Protagonisten (vgl. Hoffmann, 2004: 22). Es wird berichtet, dass Nathanael wie bereits im Brief an Lothar angekündigt, in seine Heimatstadt zurückkehrt. Allerdings ist seine Ankunft geprägt von Konflikten mit Clara, da er die Erinnerungen an Coppelius nicht loslassen kann (vgl. Hoffmann, 2004: 25f). Clara versucht ihm zu verdeutlichen, dass seine Erinnerungen lediglich Einbildungen seien. Stattdessen befürchtet Nathanael, Coppelius könne sein Liebesglück zerstören (vgl. Hoffmann, 2004: 26). Zurück im Studienort angekommen kauft er dem Wetterglashändler Coppola ein Perspektiv ab, um Olimpia zu beobachten (vgl. Hoffmann, 2004: 30ff). Kurze Zeit später ist Nathanael auf einem Fest seines Professors Spalanzani eingeladen, wo er mit Olimpia tanzt. Hierbei verliebt er sich in Olimpia (vgl. Hoffmann, 2004: 35ff). Obwohl Olimpia mechanisch reagiert, merkt Nathanael nicht, dass sie ein Automat ist. Zufällig schnappt Nathanael eine Auseinandersetzung zwischen Coppola und Spalanzani auf und erkennt dabei, dass Olimpia eine leblose Puppe ist (vgl. Hoffmann, 2004: 40f). So kehrt er niedergeschlagen und krank zu Clara zurück, welche ihn versucht zu pflegen (vgl. Hoffmann, 2004: 43). Bei einem Besuch in der Stadt steigen Clara und Nathanael auf den Ratsturm auf, wobei Clara ihn auf einen Busch aufmerksam macht. Nathanael greift zum Perspektiv und entdeckt dabei in Clara die leblose Puppe. Überwältigt von seinen Fantasien versucht er sie von dem Turm zu stoßen, jedoch kann Lothar sie noch retten. In der nun versammelten Menschenmenge erkennt Nathanael den Advokaten Coppelius wieder, woraufhin Nathanael Suizid begeht (vgl. Hoffmann, 2004: 44f). Trotz der Katastrophe wird berichtet, Clara habe Jahre später ihr Glück in ihrer eigenen Familie gefunden (vgl. Hoffmann, 2004: 46).

      1. Figuren

        1. Nathanael

Nathanael ist die Hauptfigur der Geschichte. Verschiedene Stadien seiner Biografie werden erzählt. Jedoch beschränkt man sich hierbei auf seinen psychischen Verfall. Bereits als hochsensibler Junge fasst Nathanael die Spannungen innerhalb der Familie auf. Aufgrund der inneren Anspannung wird die Flucht in die Fantasien und Träumereien ermöglicht. So ist Nathanael zugänglicher für das Mystische und Wunderbare, weswegen er dem Ammenmärchen des grausamen Sandmanns geneigt ist. Die Begegnung mit dem Advokaten Coppelius prägt ihn aufgrund Coppelius´ Drohung Nathanaels Augen zu rauben so sehr, dass dies ihn traumatisiert und eine psychische Wunde hinterlässt, welche nicht mehr ausheilt. Als Nathanael überzeugt von der Doppelidentität des Wetterglashändlers Coppola ist, wiederholt sich das bereits erlebte Trauma und vergrößert die bereits vorhandene seelische Wunde. Seine Wahnvorstellungen verzerren die Wirklichkeit erheblich, so dass die Realität vielmehr ein Abbild seiner Wünsche ist. So wird durch seine verzerrte Wahrnehmung die leblose Puppe Olimpia zum Leben erweckt, indem er durch das von Coppola gekaufte Perspektiv durchschaut. Auf Olimpia projiziert er seine Fantasien, Gefühle und Gedanken, weswegen die Zerstörung Olimpias einer Zerstörung Nathanaels gleicht.

        1. Clara

Auf den ersten Blick scheint Clara die Gegenfigur zum Nathanael zu sein. Sie denkt und handelt klar. Auch ihr Name stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort „clarus“, welches übersetzt „die Klare“ oder „die Helle“ heißt (vgl. Schmitz-Emans, 2004: 120). Clara versucht Nathanaels Irrationalität und verzerrte Wahrnehmung durch aufklärendes klares Denken zu reduzieren. Da ihre Innen-und Außenwelt stark voneinander abgegrenzt sind, ist alles Irrationale für sie erklärbar (vgl. Schmitz-Emans, 2004: 120). So versucht sie in ihrem Brief an Nathanael seine Wahnvorstellungen rational zu erklären, indem sie seine Konflikte als ein Phänomen kindlichen Gemüts bezeichnet. Damit setzt sie einen psychologischen Ansatz an, um seine Konflikte zu deuten. Ihrer Argumentation folgt zwar ein roter Faden, welcher der Logik entspringt, allerdings kann sie sich keinen Zugang zu Nathanaels Gemüt verschaffen. Ihre Worte begünstigen eine Charakterveränderung Nathanaels, da dieser sich das fehlende Verständnis bei Olimpia ersehnt. Der Leser erfährt nie direkt wie Claras Charakter ist, stattdessen erfährt der Leser wie sie von anderen gesehen bzw. wahrgenommen wird. Folglich verehrt der Erzähler sie, während Nathanael ihre Verständnislosigkeit stark kritisiert und sich von ihr entfremdet (vgl. Schmitz-Emans, 2004: 120). Diese Ambivalenz zeichnet die Figur Clara aus.

        1. Olimpia

Aufgrund von Nathanaels Kindheitserlebnissen und seiner Entfremdung von Clara, ist er äußerst zugänglich für das Mystische und Magische. Dementsprechend zeigt er ein großes Interesse an Olimpia, da sie die Lücken füllt, die Clara hinterlässt. Folglich erweckt Nathanael die leblose Puppe Olimpia mit seinen Gefühlen und Leidenschaften zum Leben. Zwar merkt er bis zuletzt nicht, dass es sich hierbei um eine Puppe bzw. Automaten handelt, trotzdem nimmt er von Anfang an die physische Kälte ihrer starren Augen wahr: „Eiskalt war Olimpias Hand, er fühlte sich durchbebt von grausigem Todesfrost“ (Hoffmann, 2004: 35). Dementsprechend ist Olimpia ihm zunächst gleichgültig, bis er das Perspektiv Coppolas benutzt, welches die Realität verzerrt. Mithilfe dieses Perspektivs bahnt sich das Begehren Nathanaels gegenüber Olimpia an.

Ein relativ wichtiger Aspekt hierbei ist, dass beide Frauenfiguren lediglich passiv sind: Olimpia und Clara besitzen keinen mehrdimensionalen Charakter. Beide Frauenfiguren „sind in der Gesellschaft zu Spiegeln der Männer herabgesetzt, deren Liebe zu ihnen Selbstliebe ist“, erklärt Bönnighausen (Bönnighausen 1999: 43). So erweckt Nathanael nicht nur Olimpia zum Leben, sondern auch sein Spiegelbild (vgl. Bönnighausen 1999: 42).

        1. Sandmann/ Coppelius / Coppola

Eine weitere relevante Figur, welche zum Wahnsinn Nathanaels beiträgt, ist der Sandmann bzw. Coppelius bzw. Coppola. Ausgegangen von Nathanaels Geschichte sind alle diese drei Figuren die ein und dieselbe Person. Die Erzählung des „grausamen Sandmanns“ basiert auf dem Volksaberglauben, demnach eine fiktive Person namens „der Sandmann“, nicht schlafen gehend wollenden Kindern Sand in die Augen streut, um sie zum Schlafen zu bringen. Die ursprünglich positiv angesehene Figur „der Sandmann“ wird in Hoffmanns Werk negativ beleuchtet (vgl. Gaal, 2014: 414). Folglich wird „der Sandmann“ durch das Ammenmärchen und die abendliche Spannung zwischen den Eltern von Nathanael als eine negative und zugleich böse Figur erachtet. Dementsprechend scheint es Nathanael logisch den Sandmann mit dem Advokaten Coppelius gleichzusetzten, da beide Parallelen aufweisen. Denn das Erscheinungsbild beider Figuren ist laut Nathanael teuflisch und dämonisch, da zum einen der Sandmann mit der Anspannung und dem Augenraub der Kinder assoziiert wird und zum anderen Coppelius in Nathanaels Sicht, seinen Vater in Gefahr bringt, diesen zu alchemistischen Experimenten und letztlich zum Tod führt und an Nathanael selbst gewalttätig wird. (vgl. Gaal, 2014: 414). Auch Jahre später erkennt er in dem Wetterglashändler Coppola das abscheuliche und teuflische Erscheinungsbild wieder. Die Kampfszene Coppolas mit dem Professor Spalanzani entlarvt Coppola als Coppelius (vgl. Hoffmann, 2004: 41). Demnach kann die Annahme, dass Coppelius Nathanael wiedererkannt und ihn absichtlich als Proband für den Automaten Olimpia auserwählt hat, durchaus stimmen. Demzufolge stellt sich die Frage ob Nathanaels Hausbrand und der damit verbundene Umzug in Olimpias Nähe von Coppelius veranlasst wurde oder nur ein unglücklicher Zufall war. Hierbei betont Gaal die Parallelität zweier Ereignisse in Nathanaels Leben: Die Explosion, bei welcher der Vater Nathanaels umkam und der Hausbrand, der Nathanaels Umzug in Olimpias Nähe und somit sein Zuwachs seines Wahnsinns ermöglichte (vgl. Gaal, 2014: 415). Ein weiterer Aspekt ist die Zerstörung der Liebe durch Coppelius bzw. Coppola: Zunächst verursacht das Erscheinen Coppolas die Entfremdung Nathanaels von Clara. Daraufhin verursacht Olimpias Zerstörung einen weiteren und tieferen Fall Nathanaels in den Wahnsinn. Schließlich wird die Annäherung an Clara durch den Mordversuch an Clara und letztlich durch den Suizid Nathanaels gehindert.

      1. Nathanaels Wahnsinn

Nathanaels Wahnsinn wird stufenweise im Text aufgebaut: Es beginnt mit Nathanaels Erinnerungen aus der Kindheit und endet mit seinem Suizid. Bereits der erste Brief Nathanaels an Lothar erweckt den Anschein eine Krankheitsgeschichte Nathanaels zu sein. Hierbei rekonstruiert Nathanael die Erinnerungen aus seiner Kindheit, um Gründe für seine seelischen Störungen zu finden. Bönnighausen stellt fest, dass sein Brief aufgrund dessen einer autobiografischen Psychopathogenese ähnelt (vgl. Bönnighausen, 1999: 25). Folglich werden die Ereignisse aus der Kindheit in einer Schreibtherapie behandelt. Nathanael leidet unter dem partiellen Wahnsinn verbunden mit einer fixen Idee (vgl. Auhuber, 1986: 55). Nach Reil bezieht sich der fixe Wahnsinn auf identische Gegenstände und besteht in einer partiellen Verkehrtheit des Vorstellungsvermögens. Der fixe Wahn ist auch bekannt als Melancholie oder Verrücktheit. Folglich ist ein partieller Wahnsinn verbunden mit einer fixen Idee gekennzeichnet durch einen Realitätsverlust (vgl. Reil, 1803: 306ff; 506). Dieser äußert sich in dem Werk anhand von Nathanaels Glauben an die Doppelidentität Coppelius´/Coppolas und in der Liebe zu der Puppe bzw. zum Automaten Olimpia. Der Text zeigt die Entwicklung des Realitätsverlustes Nathanaels auf. Der Ursprung findet sich in Nathanaels Kindheit wider: Durch die Zuordnung des Advokaten als den Sandmann, ist das Fundament des Realitätsverlustes gelegt. Auch als Erwachsener verliert sich Nathanael in seine Wahnvorstellung, als er überzeugt davon ist, Coppelius gedenke seine Beziehung zu seiner Verlobten Clara zu zerstören. Der Kauf des Perspektivs vervollständigt Nathanaels Realitätsverlust nahezu (vgl. Auhuber, 1986: 56f). Während der Ballszene wird Nathanaels Wirklichkeitsverlust deutlich: „Dem Nathanael schien es, unerachtet er sich in einer ganz andern Welt befand […] (Hoffmann, 2004: 35). Beim Anblick von Olimpia verstärkt sich sein Wirklichkeitsverlust. Allerdings findet der vollstände Realitätsverlust, während der Besichtigung des Ratsturms mit Clara, statt. Denn die Wahnvorstellungen haben komplett überhandgenommen, sodass Nathanaels Wahnsinn zunächst in einem versuchten Mord an Clara und schließlich in seinem Suizid endet.

  1. Vergleich: Wahnsinn in „der goldne Topf“ und in „der Sandmann“

Während „der Sandmann“ ein Schauerroman ist und „der goldne Topf“ ein Kunstmärchen, weisen beide Werke trotz unterschiedlicher Literaturgattungen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, insbesondere hinsichtlich des Wahnsinnsmotiv auf.

Auffällig an beiden Werken ist, dass beide Hauptfiguren nicht ausschließlich aus unerfüllter Liebe dem Wahnsinn verfallen. Zwar begünstigt die Liebe in beiden Fällen einen Ausbruch des Wahnsinns, allerdings führt sie nicht den Wahnsinn herbei (vgl. Gaal, 2014: 221). Beide Protagonisten besitzen eine zwiespältige Wahrnehmung. Dementsprechend sind Anselmus und Nathanael durch eine verzerrte Wahrnehmung der Realität gekennzeichnet (vgl. Gaal 2014: 395ff).

Jedoch wird Anselmus´ Wahnsinn durch seine Melancholie begünstigt, während Nathanaels Wahnvorstellungen einer Geisteskrankheit zuzurechnen sind, welche ursprünglich mit einem Kindheitstrauma beginnt (vgl. Auhuber 1986: 55). Dieses Phänomen kann auf das von Reil beschriebene Krankheitsmuster des „fixen Wahnsinns“ bzw. „partiellen Wahnsinns mit einer fixen Idee“ zurückgeführt werden. Reil erklärt hierbei, dass fixe Ideen das Wünschen nach bestimmten Dingen beschreiben, welche fernab von der Realität sind. Demnach beschließt ein Betroffener oder eine Betroffene eine bestimme Idee zu realisieren, sodass diese Realisierung in einem Wahn ausbricht (vgl. Reil 1803: 320ff). Folglich verursacht Nathanaels Kindheitstrauma einen Realitätsverlust, welcher zu einer zwiespältigen Persönlichkeit Nathanaels und zugleich zu einem Wahnsinn mit der fixen Idee, Coppelius sei der Mördern seines Vaters und gleichzeitig auch der Zerstörer seines Lebens, führt. So verfällt Nathanael seinen Wahnvorstellungen und begeht Suizid, während Anselmus mit Serpentina sich in eine Welt der Poesie begibt (vgl. Auhuber 1986: 55).

Anselmus´ Zuneigung zum Wunderbaren wird von verschiedenen Figuren bestätigt. So beweisen die Existenz Lindhorsts, des Apfelweibs und Serpentinas die Welt des Wunderbaren, während Nathanaels Neigung zur zweiseitigen Welt nicht bejaht wird.

Ein weiterer Aspekt indem sich der Wahnsinn von beiden Protagonisten unterscheidet, ist der Umstand der Wahnvorstellungen. Nathanaels Wahnsinn basiert auf einem Kindheitstrauma, während Anselmus´ Wahnvorstellungen durch sein Umfeld hervorgerufen wird. Fix bemerkt, dass Hoffmann das Motiv des Wahnsinns nicht nutzt, um die Protagonisten als geistesschwache Personen darzustellen, sondern eine Selbstidentifikation für den Leser zu entwickeln (vgl. Fix 2006: 132). Ebenso verdeutlicht Fix inwiefern das Wahnsinnsmotiv genutzt wird um Kritik an der damaligen Gesellschaft auszuüben. In beiden Werken verdeutlich Hoffmann, dass bestimmte Wahrnehmungen nicht rationalisiert werden können. Dementsprechend versuchen in beiden Werken Figuren den Wahn von Anselmus und Nathanael mit Vernunft zu erklären, weswegen Clara über Nathanaels Kindheitstrauma distanziert reagiert und die Gesellschaft Anselmus als Verrückten bezeichnet (vgl. Fix 2006: 131f.)

















  1. Abstract: Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit veranschaulicht die unterschiedliche Darstellung des Wahnsinnsmotivs von zwei Protagonisten in Hoffmanns Werken „der Sandmann“ und „der goldne Topf“. Bei beiden Protagonisten handelt es sich hierbei um Künstler, welche durch labile Persönlichkeiten gekennzeichnet sind. Mit diesen Identitätsspaltungen kritisiert Hoffmann sowohl die hohen Ansprüche in der Gesellschaft, als auch die in der Gesellschaft vorhandenen Philister.

Der Wahnsinn von beiden Protagonisten unterscheidet sich in den folgenden Aspekten: Während Anselmus´ Wahnsinn auf eine Melancholie seinerseits zurückzuführen ist, leidet Nathanael an einem Wahnsinn mit einer fixen Idee. Dementsprechend endet Nathanaels Schicksal in seinem Suizid, während Anselmus geheilt wird. Zudem entspringt Nathanaels Wahnsinn seinem Kindheitstraume, während Anselmus durch seine Umwelt zum Wahnsinn bzw. zur Melancholie veranlasst wird.

Hoffmanns Neigung des poetischen Wahnsinns ist jedoch in beiden Werken und darüber hinaus in weiteren Werken wie „Elixiere des Teufels“ erkennbar. Es ist bemerkenswert, wie Hoffmann die psychischen Störungen noch in der vorwissenschaftlichen Zeit beschrieben hat und das Krankheitsbild auch literarisch erfassen konnte.





















  1. Literaturverzeichnis

Primärliteratur:

E.T.A Hoffmann (2004): Der Sandmann. Johannes Diekhans (Hg.). Paderborn.

E.T.A Hoffmann (2011): Der goldne Topf. Husum/Nordsee.



Sekundärliteratur:

Auhuber, Friedhelm (1986): In einem fernen dunklen Spiegel. E.T.A Hoffmanns Poetisierung der Medizin. Opladen.

Bönnighausen, Marion (1999): Der Sandmann/ Das Fräulein von Scuderi. München.

Dudenredaktion (o.J.): „Wahnsinn“ auf Duden online, URL: (Abgerufen am 26.08.2017).

Fix, Florian (2006): Wahnsinn als Thema in der Erzählprosa Ludwig Tiecks und E.T.A. Hoffmanns. Noderstedt.

Gaal, Hannelore (2014): Kaleidoskop des Wahnsinns. E.T.A Hoffmanns Werdegang als Dichter psychopathologischer Phänomene. Berlin.

Kremer, Detlef (2012): E.T.A Hoffmann. Leben – Werk –Wirkung. Berlin/Boston.

Reil, Johann Christian (1803): Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle. In: (Abgerufen am: 22.07.2017).

Schmitz-Emans, Monika (2004): Einführung in die Literatur der Romantik. Darmstadt.

Wittkop-Menardeau, Gabriele (2004): E.T.A Hoffmann. Reinbek bei Hamburg.











Quellen & Links

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