Das
Mittelniederdeutsche
Mit dem Themenschwerpunkt:
Veränderungen im
morphologischen System des Mittelniederdeutschen
(Referatsausarbeitung)
Inhaltsverzeichnis:
- Substantive
- Adjektivflexion
- Numeralia
3.1.
Kardinalzahlen
3.2.
Ordinalzahlen
- Pronomina
4.1.
Persönliche
Pronomen
4.2.
Reflexivpronomen
4.3.
Demonstrativpronomen
4.4.
Interrogativpronomen
- Konjugation
5.1.
Plural des
Präsens
5.2.
Präteritalbildung
- Wortbildung
6.1.
Präfixe
6.2.
Suffixe
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Substantive
Die Abschwächung der vollen
Nebensilbenvokale hat eine Vereinfachung der grammatischen Paradigmen zur
Folge. Dies erkennt man sehr deutlich anhand eines Beispiels aus der
Substantivflexion:
|
|
Altsächsisch
|
Mittelnieder-deutsch
|
|
Singular
|
Nominativ
|
herta
|
herte
|
das Herz
|
|
Genitiv
|
herton
|
herten
|
des Herzen
|
|
Dativ
|
herton
|
herten
|
dem Herzen
|
|
Akkusativ
|
herta
|
herte
|
das Herz
|
Plural
|
Nominativ
|
hertun
|
herten
|
die Herzen
|
|
Genitiv
|
hertono
|
herten
|
der Herzen
|
|
Dative
|
herton
|
herten
|
den Herzen
|
|
Akkusativ
|
hertun
|
herten
|
die Herzen
|
Zu erkennen ist, dass es im
Altsächsischen insgesamt vier Ausdrucksformen (-o, -on, -un, -ono)
gibt. Im Vergleich dazu liegen Im Mittelniederdeutschen gerade mal zwei
Ausdrucksformen (-e, -en) vor.
- Adjektivflexion
Die altsächsischen Doppelformen
wurden im Mittelniederdeutschen beseitigt. Die altsächsische maskuline Endung
im Dativ Singular: -emu/ -emo hat sich zu –eme im
Laufe der Zeit entwickelt. Die Endung wurde in der gesprochenen Sprache zu -em,
-en. Von den altsächsischen
Doppelformen –an und (a)na für den Akk. Sg. m.
setzte sich die Endung –an durch und wurde später zu –en.
Die Endungen im Nom. und Akk. Pl. fallen beide zusammen und lauten somit beide –e.
- Numeralia
3.1.
Kardinalzahlen
Die ersten drei (Grund-)zahlen haben
für die drei Geschlechter (mask., neutr. und fem.) besondere Formen:
Mask.: ên (êner), twêne, drê,
dri(e)
Neutr.: ên, twey (twê), drû,
dri(e)
Fem.: êne, ên, twô, twu, drê,
dri(e)
3.2.
Ordinalzahlen
Die Zahlen von Eins bis Neunzehn
werden gebildet, indem man nach stimmhaften Konsonanten an die Kardinalzahl die
Endung –de fügt und an stimmlose Konsonanten die Endung –te.
Die Zahlen ab Zwanzig werden so gebildet, dass man an die Kardinalzahl die
Endung –(e)ste hinzufügt. Besondere Formen haben die Zahlen ên
und twey und zwar êrst und ander.
- Pronomina
4.1.
Persönliche
Pronomen
Die erste Person Singular lautet ik,
im Ostf. auch ek. Die erste und zweite Person Singular
des Akkusativs und Dativs lautet im Mittelniederdeutschen mî und dî. Die
Akkusativform ist im Ostf. mek/mik und die Dativform dek/dik.
Die Dativformen setzen sich auch für den Akkusativ im Mittelniederdeutschen
durch. Der Plural der ersten und zweiten Person im Ostf. sind hauptsächlich
Akkusativformen: ûsik und jûk. Im übrigen
Niederdeutschen setzen sich hier die Dativformen durch: uns/ûs und
jû.
Grundsätzlich ist im gesamten
mittelniederdeutschen Sprachraum bei den Personalpronomen der Synkretismus von
Dativ und Akkusativ festzustellen. Dabei liegt zumeist die Form des Dativs zu
Grunde, doch in Teilen des Sprachraums (v.a. Ostfalen) finden sich auch Belege
für einen Ausgleich auf der Grundlage des Akkusativs. Bei uns und
us scheint klar zu sein, dass sie auf alte Dativformen
zurückgehen, während unsek, usek und osek
eindeutig auf alte Akkusativformen zurückgeführt werden können.
Die Pronomen der dritten Person
unterscheiden im Mittelniederdeutschen noch Dativ und Akkusativ. Der Dat. Sg.
m. und n. lautet hier: eme und der Akkusativ lautet: en.
Der Dativ und Akkusativ fielen schon in mittelniederdeutscher Zeit dadurch
zusammen, dass nach Wegfall des –e em zu en geschwächt
wurde. Im Singular des Fem. lauten Nom. (as.: siu) und der Akk. (as.: sia) se.
Die Form se (as.: sie, siu, sia) herrscht für alle drei
Formen des Nom. Akk. Pl. .
(Lübben 1882, S. 106)
(Lübben 1882, S. 107)
4.2.
Reflexivpronomen
Reflexivpronomen sind in
nordseegermanischen Dialekten nicht vorhanden. Sowohl das Niederländische als
auch das Mittelniederdeutsche haben sich aus dem Hochdeutschen
übernommen. Das nl. zich wird im Niederdeutschen zu sik.
4.3.
Demonstrativpronomen
Aufzufinden sind Formen mit einfachem
und doppeltem s. Das westf. dese ist aus dem as. these
entstanden. In den anderen Gebieten sind desse, diese ist
als schrift-sprachliche Form anzusehen, disse, düsse und selten dösse
aufzufinden. Das –ss ist aus dem flektierten Kasus abgeleitet,
genauer gesagt aus dem Dat. Sg. m./n. deseme entstand durch
Synkopierung der Mittelsilbe desme und aus dieser Form der Nom.
Sg. desse.
(Lübben
1882, S. 109)
4.4.
Interrogativpronomen
Substantivisch
galt wê (wer) und adjektivisch galt welk. Welk
konnte auch substantivisch gebraucht werden und ersetzte das subst. wê
(welkêr und welkên). Durch den Schwund des k (welk)
bzw. durch falsche Silbentrennung bei welkêr und welkên entstanden
die Formen wel (Westmnd.) und wol (Nordnd.).
(Lübben 1882, S. 111)
- Konjugation
5.1.
Plural des
Präsens
Die Personalendungen lauten im Plural
des Präsens Indikativ –et (as.: ad, iad, od), im Opt.
Präsens und der Präterito-Präsentien –en. Dieser Unterschied
wurde dahin gehend beseitigt, dass sich schon seit dem 14. Jh. die
Präterito-Präsentien den übrigen Verben anschlossen und den Plural auf –et
bildeten.
5.2.
Präteritalbildung
In de frühen mnd. Texten (bis zum Ende
des 13.Jh.) erkennt man noch die Formen: nam nâmen, gaf gâven. In
der ersten Hälfte des 14. Jh. wird das ind. â durch das ê des
Opt. ersetzt: nam nêmen, gaf gêven.
Das Prät. der starken Verben lautet:
Sg.
|
1.
|
gaf
|
|
2.
|
gêvest
|
|
3.
|
gaf
|
Pl.
|
|
gêven
|
Im Mittelniederdeutschen gibt es nur
eine schwache Konjugationsklasse und zwar zu dem Verb sein. Der Infintiv
sîn wurde aus dem Mittelniederdeutschen übernommen. Die erste
Person Sg. Präs.: bin stammt aus dem Hochdeutschen und ersetzt
das as. bium. Das Part. Prät. lautet (ge) wêsen oder
(ge)wêset, (ge)wêst. Die Formen (ge)wêset und
(ge)wêst sind aus dem Md., im Münsterland und Ostfriesland aus dem Nl.
eingedrungen.
- Wortbildung
6.1.
Präfixe
Das as. Präfix â- (er-) und at-
(zu-) werden durch die mnd. Entsprechungen der as. Vorsilben
durch far- und tô-, vör- und tô ersetzt.
Beispiele:
as. Wörter
|
mnd. Wörter
|
âlôsian
|
vörlösen
|
âkaldon
|
vörkolden
|
âslahan
|
vörslân
|
atsamne
|
tôsamene
|
6.2.
Suffixe
Die as. Adjektivabstrakta auf –î
erscheinen im Mnd. mit der geschwächten Form –e, z.B. düpe,
höge, brêde, enge, lenge, sterke, lêve.
Das as. Suffix –ida erscheint
als –ede, z.B. düpede, högede, lengede, sterkede und als –te
nach tonlosem Konsonant, z.B. lêfte.
Neben die as. denominativen Konkreta
auf –dôm, die einen Stand bezeichnen, wie z.B. bischopdôm,
keiserdôm, prêsterdôm, treten im Mnd. von Adjektiven abgeleitete Abstrakta
wie z.B. eddeldôm, êgendôm, olderdôm, diese bezeichnen einen Zustand.
Denominativa sind auch die Bildungen mit den Suffixen –öde, -ôde, die
sowohl mit als auch ohne Umlaut erscheinen, z.B. armôde (Armut), sîröde
(Zierat).
Westmnd. und westf. Ist das Suffix –nisse.
Beispiele sind entfarmenisse (Erbarmung), vorgifnisse
(Vergebung), vorrîsenisse (Auferstehung). Die Suffixform
–nüsse begegnet vor
allem im Südwestf. . Das produktivste Suffix im Mittelniederdeutschen ist –inge,
dies stammte von dem Suffix – unge aus dem Nord., Engl., Nl. und
Nd. ab und verdrängte somit das Suffix –unge. Im Hd. setzte sich
jedoch das Suffix –unge durch. Das Suffix –inge
diente zur Bildung von Verbalabstrakten wie z.B. bekêren: bekêringe, lêren:
lêringe. Hat das Verb die Ableitungssilbe –ig- , kann diese
weggelassen werden, wie z.B. bei begnâdigen: begnâdinge.
Weitere mnd. Suffixe sind: –els/-sel,
z.B. brûwelse, dechelse, râdelse, decksel (Decke), doipsel
(Taufe), -heit, z.B. vrîheit, barmherticheit, êrlicheit, -schap/-schop,
dieses Suffix dient zur Bildung von Kollektiven, z.B. junkvrouschop,
(ge)selschop, (ge)mênschop und das Kollektivsuffix –(e)te,
z.B. (ge)bênte, (ge)stênte sowie das aus dem frz. Stammenden Suffix –îe,
z.B. bedrêgerie, ketterîe, vischerîe.
- Quellen- und Literaturverzeichnis
Peters, Robert:
Mittelniederdeutsche Sprache. In: Goossens, Jan (Hrsg.): Niederdeutsch. Sprache
und Literatur. Bd. 1: Sprache. 2., verb. u. um einen bibliograph. Nachtrag erw.
Aufl. Neumünster 1983. S. 66-116.
Lübben, August /
Walther, Christoph: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch. Norden/Leipzig 1888.
Nachdruck Darmstadt 1995.