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Seminararbeit / Hausarbeit

Ursprung der christlichen Heiligenverehrung

3.606 / ~15 sternsternsternsternstern_0.2 Karin S. . 2014
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Seminararbeit
Theologie

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Prof. Karl Josef Lesch, 2014

Karin S. ©
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ID# 39246







I.) Ursprung der Heiligenverehrung

Erstmals taucht der ursprüngliche Begriff des Heiligen oder der Heiligkeit in der christlichen Literatur der Septuaginta (LXX) auf. So wurde die Wortbedeutung in den Anfängen noch anderweitig benannt, so verstand man beispielsweise „das Abgesonderte1“ oder „das Abgegrenzte und dem gewöhnlichen Verkehr Entzogene2“ darunter. In der LXX wurde allerdings mit der griechischen Übersetzung das alttestamentliche Priestertum an sich, das Erlöserwirken Christi oder das Volk der Getauften, welche durch ihre Taufe als Gott zugehörig betrachtet.

Ab Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. wurden auch Bischöfe und Priester auch ohne Bezugnahme auf das Alte Testament mit der griechischen Begriffsbestimmung betitelt. Im Neuen Testament lassen sich zudem Abwandlungen der Ursprungswortgruppe finden, welche zu den heutigen Begriffen wie „heilig“ oder „die Heiligkeit“ führen. Auch die die eigentlichen Übersetzungen für „fromm“ oder „gottesgefällig“ wurden in manchen Bibelübersetzungen des Alten, sowie des Neuen Testaments, mit „heilig“ übersetzt3.

Neben den verschiedenen Heiligkeitsbegriffen der unterschiedlichen Propheten konnte sich auch die Ausprägung des Heiligen auf verschiedene Art und Weise vollziehen. So wurde das Heilige unter gewissen Umständen als ansteckend oder übertragbar angesehen. Durch Berührung von Altar oder heiligen Gegenständen konnte man ebenfalls heilig werden, was durch strikte Verpackungsvorschriften oder Verhaltensregeln für Priester verhindert werden sollte.

Problematisch waren Situationen, in denen Menschen mit Alltagsfragen das Heilige und seinen Wirkungskreis hinterfragten. So kamen beispielsweise Fragen nach der Heiligwerden von Nahrungsmitteln auf, die mit geheiligtem Opferfleisch in Berührung gekommen waren oder Unsicherheiten in Bezug auf das Unreinwerden bei Kontakt zu unreinen Menschen. Im Laufe der Zeit wurde so der Fokus mehr und mehr von sekundar geheiligten Dingen zurück auf die ursprünglichen Quellen der heiligenden Macht (Altar oder Tempel) gelegt4.

Im Unterschied zu der Heiligkeit von Gegenständen oder Tempelanlagen wurden Menschen im Alten Testament sowie im Neuen Testament eher selten als „heilig“ bezeichnet5. Bevor die Verehrung eines Heiligen oder einer Heiligen genauer erläutert werden kann, muss also zunächst dargestellt werden, wer im Altertum als Heiliger galt, wo die Bibel doch eher distanzierter mit der Heiligkeit eines Menschen umging.

Der Religionshistoriker Wolfgang Speyer führt hierbei die Diskrepanz zwischen Wortbedeutung sowie –stamm sowie der Vorstellungskraft eines Menschen an. Seine These stützt sich auf die sog. „Geistnatur6“ des Menschen womit Speyer eine bereits existierende Vorstellung von Dingen im menschlichen Gehirn meint, lange bevor dafür eine entsprechende sprachliche Begriffsbestimmung erfunden wurde.

So gehöre der heilige Mensch mit seiner Erscheinungen in Religionen bereits zu den Anfängen von Kulturen. Zwar ohne die Betitelung „Heiliger“, aber dennoch in Gestalt einer besonderen Person, wie beispielsweise den Helden, Wundertäter, Retter oder Medizinmann. Hierbei wird klar, dass der Religionshistoriker sich nicht nur rein auf das Christentum bezieht. Heilige hat es dementsprechend in allen Kulturen und Religionsformen gegeben.

Ihnen allen gemein ist ihre besondere Stellung innerhalb der Glaubensgemeinschaft, hinfällig, welcher ethnischen Kultur oder Religionsform sie angehörten. Der heilige Mensch ist zu seinen Lebzeiten, aber auch noch nach seinem Tod hinaus für Mitmenschen sowie Nachfolgegenerationen Vorbild und Identifikationsgestalt. Er gilt als ein Repräsentant des Göttlichen und muss deshalb angemessen bewundert werden.

An diesem Punkt muss genauer zwischen christlichen und antiken Religionen unterschieden werden. Die jeweiligen Gottesvorstellungen machen einen Heiligen und dessen Verehrung erst aus, weshalb sich aus diesem Grund verschiedenen Heiligenvorstellungen kritisierten7.


I.1.) Entwicklung der christlichen Heiligenverehrung

An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Heiligenvorstellungen andere religiösen Vorstellungen eingegangen werden, da dies den Rahmen der Ausarbeitung deutlich überschreiten würde. Vielmehr soll es in diesem Kapitel um die Entwicklung der christlichen Heiligenverehrung bis zum Zeitpunkt der einsetzenden Reformation gehen.

Der Ursprung der Wortbedeutung und deren Vieldeutigkeit ist bereits angesprochen worden. Obwohl wie bereits geschildert gegen Mitte des 4. Jahrhunderts Priester und Bischöfe mit der Bezeichnung „heilig“ in Verbindung gebracht wurden, entstand erst gegen Ende desselben Zeitabschnitts eine einschneidende Erweiterung. Der Begriff der „Heiligen“ wurde für eine bestimmte abgegrenzte Gruppe von Verstorbenen benutzt, welche zu Lebzeiten für die Kirche und die Verbreitung des Christentums von großer Bedeutung gewesen waren.

Eine Übersetzung der griechischen Begriffe wurde nunmehr in dem lateinischen „sanctus“ zusammengefasst. Dieser Fachbegriff diente der Fixierung der Heiligenverehrung und dient nicht als eine Voraussetzung. Vielmehr war durch die sprachliche Abgrenzung für kultisch zu verehrende Personen eine einheitliche Definition geschaffen worden, welche die vorangegangen alltäglichen Fragenkataloge in Bezug auf die Heiligkeit von Gegenständen und deren Aufhebung nicht mehr entstehen ließ8.


II.) Mittelalterliche Heiligenverehrung

Die mittelalterliche Heiligenverehrung bezog sich vor allem auf zwei verschiedene Heiligentypen. Man unterschied zwischen großen Führungsgestalten wie Könige, Bischöfe oder Missionsbischöfe und mittelalterlichen Asketen9. Gerade die Asketen wirkten durch ihre weltentsagende Einstellung oftmals mehr als vermittelnde Instanz zwischen göttlichem und weltlichem, als Beispielsweise eine Herrschaftspersönlichkeit.

Diese Lebensgeschichten haben, je nach erwartetem Publikum, verschiedene Themenbezüge. So geben sie beispielsweise andere Antworten auf soziale Fragestellungen, als die offizielle Stellungnahme der zuständigen Amtskirche ab11. Eine Tatsache, die besonders im Mittelalter für eine gewisse Popularität der Heiligenverehrung bei der Bevölkerung sorgte, zum anderen halfen sie in einem Gewissen Sinne der Kirche dabei, durch ihre Stellungnahmen zu Hunger und Armut im Vergleich zu wohlhabenden Machthabern, die Wut der Bürger auf die soziale Ungleichheit zu mildern.12 Die „christliche Milde13“ wurde hierbei zum Schlüsselbegriff, auf den sich die Bevölkerung stets rückbesinnen sollte.

Heilige galten als Mittler zu Gott, welche als Ikonen das Ideal des christlichen Lebens verkörperten. Es entwickelten sich verschiedene Strömungen, die verschiedene Heilige zu ihrem Schutzpatron auserkoren. So schrieb man ihnen nicht nur ideellen Wert, sondern bat wies ihnen auch irdische Schutzfunktionen für bestimmte Arbeiten oder Bevölkerungsschichten zu. Auch wurden sie im gewaltvollen mittelalterlichen Alltag oft um Schutz vor Verbrechern gebeten oder bei Missernten um Beistand für die drohende Hungersnot.

Durch diese Zuschreibungen, welche zumeist an ein bestimmtes Kloster, eine Kirche oder eine Diözese gebunden war, bildeten sich oftmals eigenständige Bruderschaften oder Gemeinschaften heraus, die sich der speziellen Verehrung „ihres“ Schutzheiligen widmeten14.

Trotz der gestalterischen Umwandlungen durch die Hagiographien blieben die Heiligen jedoch stets mit der konkreten Umwelt verbunden. Jeder/Jede Heilige ist in einem bestimmten Milieu geboren, welches seinen zukünftigen Wirkungskreis bilden wird – so wird sein Handeln bereits vorbestimmt. Anders als beispielweise ein Held in einer Sage kommen die Heiligen nicht zwingend aus einem unteren Stand, sie wirken dennoch stets volksnah15.

Heilige Könige oder Ritter blieben dabei Randerscheinungen der mittelalterlichen Hagiographien16.


III.) Die Heiligenverehrung am Beispiel

Im Folgenden sollen die Biographien zweier heilig gesprochenen Frauen beschrieben werden, um exemplarisch das Leben und Sterben von Heiligen aufzuzeigen. Bei den beiden Heiligen handelt sich um Elisabeth von Thüringen und Hildegard von Bingen

III.1.) Elisabeth von Thüringen

Elisabeth von Thüringen wurde 1207 als Tochter des Königs von Ungarn in Ungarn geboren und verstarb 1231 in Hessen. Bereits als Kind wurde sie mit dem damaligen ältesten Sohn des Landgrafen von Thüringen verheiratet und kam im Alter von vier Jahren nach Thüringen, wo sie einen Großteil ihres Lebens verbrachte. Mit 15 Jahren heiratete sie Ludwig IV. der zu diesem Zeitpunkt bereits Landgraf von Thüringen war.

Die Hauptquellen zu Elisabeth sind aus dem Mittelalter und haben ihren ihr Ursprungsdatum kurz nach dem Tod Thüringens. Verifiziert sind nur die wenigstens Quellen, allerdings sind unter anderem Urkunden, Briefe, Bücher, Siegel sowie einige Kleidungsstücke erhalten geblieben. Die offiziellen Dokumente sind nicht an Elisabeth ausgestellt worden, enthalten aber teilweise ihren Namen in Bezug auf Zustimmung zu beabsichtigten Schenkungen Ludwigs IV. an das Kloster Ichtershausen, in dem sich seine Frau als Hospitalschwester um Arme und Waisenkinder kümmerte.

Ein Verhalten, welches von der gehobenen Gesellschaft als zu bürgerlich wahrgenommen, jedoch von ihrem Mann unterstützt wurde17.

Elisabeth und Ludwig hatten einen Sohn, der 1222 zu Welt kam. Dieser wuchs allerdings nach dem Tod es Vaters als Mündel bei seinem Onkel Heinrich Raspe auf18.


III.1.1.) Tod Elisabeths

Elisabeth selbst lebte in Marburg ebenfalls in ärmlichen Verhältnissen. Ihr Witwengeld hatte sie komplett in den Aufbau und Erhalt des Hospitals gesteckt; Rücklagen hatte sie keine. Im Alter von 24 Jahren verstarb Elisabeth von Thüringen am 17. November 1231 vermutlich an einer anhaltenden Grippe. Da ihre Ersparnisse komplett im Hospital aufgegangen waren, gab es keine vererbbaren Gegenstände oder Geldsummen.

Allein ihre graue Kutte – ein Markenzeichen Elisabeths – wollte sie mit ins Grab nehmen, im Falle ihres Ablebens. Quellen über ihren Tod in Marburg oder einer anderen hessischen Stadt sind nicht mehr erhalten. Wahrscheinlich ist allerdings, dass sie in ihrem eigenen Hospital verstarb19.

Ihr Leben lang hatte sich Elisabeth um Bedürftige gekümmert. Als Frau eines reichen Landgrafen hätte sie nicht einmal in den Kontakt mit ärmlichen Menschen kommen müssen. Im Gegenteil wurde ihr soziales Engagement als nicht standesgemäß betrachtet und sie deswegen gemieden und geächtet. Mit Hilfe des erstrittenen Witwengeldes wäre die junge Frau in der Lage gewesen in Marburg zwar nicht mehr übermäßig komfortabel, jedoch solide bescheiden zu leben.

III.1.2.) Die Heiligsprechung

Nach Bekanntwerden des Todes Elisabeths kamen viele Menschen in das von ihr errichtete Hospital, um sie ein letztes Mal zu sehen. Manche sollen sogar versucht haben sich Andenken von ihr mit nach Hause zu nehmen, wie beispielweise Stücke ihrer grauen Kutte, Haare oder Fingernägel20. Begraben wurde Elisabeth von Thüringen in ihrem Hospital vor dem Altar der dazugehörigen Kapelle.

Das Grab wurde mit einer verzierten Steinplatte verschlossen. Mit Beerdigung Elisabeths sollen dort wundersame Heilungen Kranker stattgefunden haben, sodass Wallfahrten zum Grabe der Ungarin begannen21.

Die Menschen in und um Marburg waren überzeugt von dem Tod einer Heiligen. Nach mehreren Bittstellungen an Papst Gregor IX. wurde Elisabeth von Thüringen 1235 heilig gesprochen. Durch eine großangelegte Translationsfeier in Marburg 1236 wurde Elisabeth auch außerhalb der Region bekannt. Die Gebeine der Heiligen bekamen 1280 ihren endgültigen Platz in der Sakristei der Elisabethkirche in Marburg.


Kurz vor ihrem Tod hatte Elisabeth versucht, den Fortbestand ihres Hospitals auf lange Sicht zu sichern. Da ihre eigenen finanziellen Mittel diesen nicht mehr hätten gewährleisten können, hatte sie sich an die Johanniter gewandt. Nach dem Tod Thüringens kam es allerdings zu Streitigkeiten zwischen den Ludwingern, welche die ursprünglichen Besitzer des Gebietes waren auf dem das Hospital errichten worden war und den Johannitern, die das Hospital als eine Schenkung Elisabeths an ihren Orden betrachteten.

Zusätzlich kam es durch die vielen Pilger zu Elisabeths ursprünglichem Grab in der Hospitalanlage zu einem immer stärker werdenden Besucherstrom, welcher nicht mehr bewältigt werden konnte. Man lies daher 1232 eine zusätzliche Wallfahrtskirche gleich neben dem Hospital errichten22.

Träger dieser baulichen Maßnahmen war der damalige Landgraf, welcher nach Baubeendigung mit Papst, Kaiser und dem deutlich erstarkten Deutschen Orden über die Zukunft des Hospitals verhandelte. Im Ergebnis schenkte der Papst dem Deutschen Orden das Hospital, was bedeutete, dass dieses seinen rechtlichen Status verlor und die dort tätigen Brüder und Schwestern nun dem Deutschen Orden unterstellt wurden.

III.1.4.) Die Verehrung Elisabeths

Der Deutsche Orden hatte mit der Übernahme des Hospitals die Aufgabe vom Papst bekommen das Andenken Elisabeths zu pflegen und ihre Verehrung zu verbreiten. Weitere Spitale und Hospize, deren Träger der Deutsche Orden war, wurden im Laufe der Jahre in Elisabeth-Stift oder Elisabeth-Spital umbenannt. Auch wuchs die Anzahl der Elisabeth-Figuren in Kapellen und Klöstern. Besonders im Süddeutschen Raum ist das heute noch zu erkennen.

Mit der Ausbreitung des Deutschen Ordens ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Richtung Norden und Nordosten schwächte die Elisabeth-Verehrung merklich ab. Dort stellte man wieder die Marienverehrung in den Vordergrund. Dennoch gilt die Verehrung Elisabeth von Thüringen heute als eine der lebendigsten Heiligenkulte des Mittelalters24.


III.2.) Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen wurde 1098 in Alzey in der Pfalz als Tochter eines bürgerlichen Ehepaars geboren. Sie hatte noch neun weitere Geschwister, deren Alter die Quellen nur unzuverlässig wiedergeben. Als Kind wird Hildegard als klein und bisweilen eher schwächlich beschrieben. Ihre Mutter unterrichtete sie vermutlich zu Hause zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern25.

Im Alter von 14 Jahren verließ Hildegard 1112 aus ungeklärten Gründen ihre Familie und zog ins Benediktinerkloster auf dem Disibodenberg westlich von Sobernheim. Denkbar ist jedoch, dass es durch die politischen Umbrüche innerhalb dieser Epoche zu Konflikten innerhalb der Bevölkerung kam und sich die heranwachsenden Generationen neu positionierten. Dies ist sowohl religiös wie auch politisch zu verstehen.

Hildegard beispielweise erschien nicht allein im Kloster nahe Sobernheim, sondern in Begleitung der 20 jährigen Jutta von Sponheim. Jutta war eine gebildete Magistra, welche in der Region nicht unbekannt war. Die Menschen hielten viel von der jungen Frau und erhofften sich durch persönliche Gespräche Rat in vielerlei Lebenslagen. Hildegard hatte Jutta vermutlich bei einem Besuch in Mainz kennengelernt und war beeindruckt von dem Wissen und der Willensstärke der Magistra26.

Da es jedoch üblich war bei Eintritt in ein Kloster eine nicht geringe Mitgift an die Einrichtung zu übermitteln, wird Hildegards Entscheidung weitreichender gewesen sein, als um Jutta zu folgen27.

Dennoch arbeitete Hildegard hart an sich, mit dem Ziel ebenfalls Magistra zu werden. 1136 wurden ihre Bemühungen belohnt, indem sie ihre Studien abschließen konnte28. Zu dieser Zeit soll sie erste Visionen gehabt haben, die sie in ihrer Abschlussarbeit mit dem Titel „Scivias“ verarbeitete. Später sollte daraus ein ganzes Buch entstehen. Sie entschied sich 1150 dazu ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg oberhalb Bingens zu beziehen und sich dort eigenen religiösen Studien zu widmen.

Denkbar ist, dass Hildegard die überaus strengen und teilweise für Frauen nicht durchzusetzende Regeln der Benediktiner nicht mehr länger hinnehmen wollte oder konnte29. Denkbar ist, dass der Tod Juttas 1136 einen Bruch im Klosterleben Hildegards bewirkt hatte und sie daher auf der Suche nach einem anderen Zufluchtsort war30. Dies geschah nicht ohne Protest, dennoch setzte sich Hildegard gegenüber den Widerständlern durch.

Sie begann ihr erstes Buch anhand ihrer Abschlussarbeit zu schreiben indem sie über erlebte Gottesvisionen berichtete, welches sie 1151 beendete. Sie beharrte darauf eine von Gott auserwählte Prophetin zu ein, die ihre Visionen nicht in Trancezuständen erhielt, sondern bei völliger geistiger Klarheit.

So veröffentlichte sie erste Auseinandersetzungen mit dem Alten und Neuen Testament ohne Scheu vor Kritik.

Hildegard von Bingen wollte ihren Studien mehr Gehör verschaffen, indem sie sich zu Predigtreisen aufmachte. Bis ins hohe Alter hinein besuchte sie Klöster innerhalb des Deutschen Reichs, sowie im Ausland um dort Zuhörern von ihren Sichtweisen zu berichten. Ihre Übereinstimmung mit Vertretern der neueren Theologie werden besonders in ihrem Werk „Scivias“ deutlich.

Dennoch bestand die Magistra besonders im Hinblick auf die Themen Ehe und Sexualität auf die sehr konservative Lehre der römisch-katholischen Kirche32. Bei anderen Verboten jedoch, wie beispielsweise dem Verbot des Betretens einer Kirche während der Menstruationsphase, rebellierte von Bingen. Dahinter könnte eventuell eigene schmerzliche Erfahrung der Demütigung stecken.

Neben den religiösen Forschungen interessierte sich ebenfalls für Tiere und Pflanzen. So soll sie auf ihrem Kloster einen Kräutergarten angelegt haben und Beobachtungen zu Krankheitsverläufen bei Menschen und Tieren verschriftlicht haben. Naturheilkundliche Ratschläge gab sie auf Nachfrage weiter.

Nach Jahren der Predigtreisen Forschungen und Verschriftlichung ihrer Visionen, verstarb Hildegard von Bingen 1179 als Äbtissin in ihrem Kloster auf dem Rupertsberg oberhalb Bingens. Unklar bleibt, ob Hildegard nach ihrem Tod erst im Klostergarten beigesetzt wurde, oder – wie bei Klostergründern üblich – in der Rupertsberger Kirche. Der nach ihrem Tod einsetzende Besucherstrom soll die im Kloster lebenden Nonnen allerdings so gestört haben, dass der Mainzer Erzbischof am Grab Hildegards der Toten gebot ihre Wundertaten zu unterlassen.

Den Quellen nach ist ab diesem Zeitpunkt keine Wunderheilung von Pilgern mehr verzeichnet und Hildegard von Bingen geriet in Vergessenheit. Die Heiligsprechung Hildegard von Bingens fand vergleichsweise spät statt. So ließ der Mainzer Erzbischof Berthold das Grab der Toten erst 1489 im Zuge der Heiligsprechung öffnen. Bis 1631 blieben die Gebeine von Bingens in der Klosterkirche.

Sie wurden erst nach der Zerstörung der Rupertsberger Anlage durch die Schweden zuerst nach Köln überführt und ruhen seit 1636 in Eichbingen33. Zu ihrem 800. Todestag richtete Papst Johannes Paul II. 1979 eine Grußbotschaft an den damaligen Mainzer Bischof Hermann Volk, indem er den Gläubigen, die zur Verehrung der Heiligen Hildegard erschienen waren den Apostolischen Segen spendete34.


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