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Seminararbeit / Hausarbeit

Urbanitas und Humanitas in der prak­ti­schen Anwendung

5.147 / ~14 sternsternsternsternstern Simon S. . 2018
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Seminararbeit
Latein

Georg-August-Universität Göttingen

2.0, Egelhaaf-Gaiser, 2014

Simon S. ©
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sternsternsternsternstern
ID# 78672







Urbanitas und Humanitas in der praktischen Anwendung

14

Inhaltsverzeichnis



Seite

1 Einleitung

2

2 Kontextualisierung

2

3 Textkritik

3

4 Ãœbersetzung

5

5 Kommentar

6

6 Interpretation

6.1 Theoriekapitel: urbanitas, humanitas und convivium

6.2 Gliederung des Textes

6.3 Charakterisierung Caesars

6

6

7

13

7 Fazit

13

8 Literaturverzeichnis

14

1 Einleitung

In dieser Arbeit möchte ich die Werte humanitas und urbanitas in Bezug auf ihre praktische Umsetzung untersuchen. Dazu dient ein Brief von Cicero an Atticus aus dem Jahr 45 v. Chr., in welchem er ein convivium zwischen ihm und Caesar während der Saturnalien beschreibt.1 Dabei werde ich auch das Verhältnis der beteiligten Personen und insbesondere Ciceros Bild über Caesar analysieren.

Nach dieser Einleitung folgt eine Kontextualisierung des Textabschnittes, wobei besonders das Verhältnis zwischen Caesar und Cicero sowie Cicero und dem Adressaten Atticus beleuchtet werden soll. Es folgt ein Kapitel zur Textkritik sowie die Übersetzung der Passage und eine kurze Kommentierung der wichtigsten Stellen. Anschließend werde ich mit der Interpretation fortfahren.

Dieser Brief wurde bereits von EGELHAAF-GAISER 2005, VÖSSING 2004 und STEIN-HÖLKESKAMP 2005 analysiert. Dabei gehen VÖSSING und STEIN-HÖLKESKAMP im Rahmen ihrer Untersuchungen nur auf den Aspekt der Gesprächsthemen ein,2 EGELHAAF-GAISER betrachtet den Brief als Ganzes unter besonderer Berücksichtigung der Inszenierung des convivium und seiner Teilnehmer. Der textlichen Interpretation ist ein Theoriekapitel über urbanitas, humanitas sowie das convivium vorangestellt und eine Charakterisierung Caesars durch Cicero nachgestellt.

Die Arbeit schließt mit einem Fazit, in welchem ich die Ergebnisse meiner Interpretation zusammenfassen werde.


2 Kontextualisierung

Im Folgenden möchte ich das Verhältnis zwischen Cicero und Caesar sowie Cicero und Atticus unter Bezugnahme des historischen Kontextes beschreiben. Caesar ernannte sich im November des Jahres 49 v. Chr. zum dictator und veränderte damit die politische Landschaft Roms so stark, wie es Cicero während seines Lebens nicht erlebt hat. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges entschied sich Cicero trotz Werben Caesars für die Seite von Pompeius und wurde nach dessen Niederlage von Caesar begnadigt.

Dort zeigt sich, dass Caesar und Cicero politische Gegensätze vertraten: Auf der einen Seite stand Caesar, der gerade die res publica nach Jahrhunderten aufgelöst und sich selbst zum ersten dictator seit Tarquinius Superbus ernannt hatte, auf der anderen Seite Cicero, der als Verfechter der res publica galt und auch unter der Herrschaft Caesars immer noch auf die Wiederherstellung der alten Ordnung hoffte.

Außerdem begegneten sich hier keinesfalls zwei Personen, deren politischer Einfluss in Rom gleich groß war: Wenn der dictator Roms mit einem von ihm begnadigten Politiker zusammentrifft, ist das Machtgefälle zwischen beiden offensichtlich sehr groß.3

Ein völlig anderes Verhältnis zeigt sich zwischen Cicero und Atticus, dem Adressaten dieses Briefes. T. Pomponius Atticus stammte aus einer reichen Familie des Ritterstandes und genoss eine gute Erziehung. Er war seit dieser Zeit einer der engsten Freunde Ciceros und blieb dies bis zu seinem Tod. Anders als Cicero entschied er sich gegen eine politische Karriere und vermehrte sein durch Erbschaften hinterlassenes Vermögen, sodass er zu Lebzeiten als der reichste Mann Roms galt und Cicero auch finanziell unterstützte.4 Die gemeinsamen Interessen beider waren insbesondere die Literatur und Kunst.5 Cicero wusste Atticus Rat bei politischen Fragen wie bei privaten Angelegenheiten immer zu schätzen.

Deshalb begegneten sich mit Atticus und Cicero zwei Männer auf Augenhöhe, deren geistige, literarische und politische Bildung gleich hoch anzusetzen ist und die gegenseitig kein Blatt vor den Mund nahmen.

Ebenso wichtig für den Kontext des Briefes sind die Saturnalien, über welche Cicero hier berichtet. Die Saturnalien bezeichnen ein römisches Fest für den Gott Saturnus, welches am 17. Dezember stattfindet. Obwohl das Fest zu Zeiten von Cicero als reines Opferfest nur einen Tag lang gefeiert wurde, erstreckten sich die Feierlichkeiten in dem hier vorliegenden Brief über drei Tage.6 Dabei wurde die gesellschaftliche Ordnung für ein paar Tage aufgehoben.

Besonders außergewöhnlich war die Aufhebung des Ständeunterschiedes zwischen Sklaven und deren Herren: So aßen in den Gastmählern die Sklaven gemeinsam mit ihren Herren am Tisch oder gar vor diesen und genossen größere Freizügigkeiten, als sie ihnen in der übrigen Zeit des Jahres gewährt wurden.


3 Textkritik

Ich beziehe mich bei meinen Ausführungen auf die Teubner-Ausgabe von Shackleton-Bailey. Ebenso übernehme ich die Nummerierung der Zeilen und Paragraphen. Der Archetyp Ω besteht aus den Hyparchetypen Δ und Σ . Dabei bezeichnet der Hyparchetyp Σ eine Übereinstimmung zwischen der Handschrift M = Mediceus 49.18 (im Jahr 1393 geschrieben) mit entweder allen oder zumindest drei der Handschriften b = Berolinensis 168 (15. Jahrhundert), welche aus der bibliotheca Hamiltoniana stammt, d = Laurentianus 217 (15. Jahrhundert), welche aus der bibliotheca aedilum stammt, m = Berolinensis 166 (im Jahr 1408 geschrieben), welche ebenfalls aus der bibliotheca Hamiltoniana stammt, und s = Urbinas 322 (15. Jahrhundert).

Bei den Handschriften, die unter dem Hyparchetypen Σ zusammengefasst werden, sind für diesen Textauszug besonders die Handschriften E = Ambrosianus E 14 inf. (15. Jahrhundert), R = Parisinus Lat. 8536 (15. Jh.) sowie O = Taurinensis 495 (15. Jahrhundert) wichtig. Ferner gibt es Handschriften aus Germanien und Gallien, die wahrscheinlich besser als der Hyparchetyp Ω erhalten sind, von denen aber nur ältere Abschriften vorhanden sind.

Davon sind für diesen Textauszug die Handschriften Zl = Tornesianus, mit schriftlichen Anmerkungen von D. Lambinus aus dem Jahr 1565 versehen, sowie Zb = Tornesianus, mit schriftlichen Anmerkungen von S. Bosius aus dem Jahr 1580 versehen.

Ich beschränke mich bei der folgenden Auflösung des textkritischen Apparates auf ausgewählte Stellen. Im ersten Paragraphen des Briefes überliefern die Handschriften E, R sowie Δ und λ = Notizen am Rand einer anderen Ausgabe von Lambinus (1572 oder 1573), die einer alten Ausgabe hinzugefügt wurden, in Zeile 1 die Lesart tam gravem, wohingegen der Altphilologe Boot die Konjektur gravem tamen vorschlägt.

Der Herausgeber entscheidet sich für die Konjektur von Ernesti. Mit Barba Cassius mihi subvenit folgt auf sum commotus ein Satz, den man nicht erwartet hätte. Diese Wirkung erzielt die Konjektur at.8 In Zeile 10 überliefert Ω die Lesart tum, die Handschrift Z1 wiederum die Lesart dum. Der Herausgeber entscheidet sich für die Lesart von Ω. Cicero reiht an dieser Stelle Caesars Handlungen, die er im Laufe der dritten Saturnalien macht, asyndetisch aneinander und deshalb passt mit tum ein weiteres Aufzählen seiner Tätigkeiten besser in den Kontext.

Weiterhin überliefern die Handschriften Z1 und Zb sowie c = Notizen im Text der Ausgabe Cratandrus (1528), die zuerst veröffentlicht wurden, die Lesart vultum, welche der Hyparchetyp Ω ausgelassen hat. Der Herausgeber entscheidet sich für die Lesart vultum. Es stellt sich die Frage, ob es im Lateinischen aus dem Kontext heraus klar war, was er nicht veränderte oder ob dies noch zu ergänzen ist.

Da es Handschriften gibt, welche die Lesart vultum überliefert, spricht nach meiner Meinung nichts dagegen, dies in den Text einzufügen. In den Zeilen 13 und 14 übernimmt Cicero ein Zitat aus dem Werk Saturae des Autoren Lucilius, herausgegeben von dem Gelehrten Marx, und zwar die Verse 1122-1123.

Im zweiten Paragraphen des Briefes überliefern die Handschriften b und s in Zeile 2 die Lesart libertis, der Archetyp Ω die Lesart libertus Da libertus sich nicht grammatikalisch auf das Subjekt des Satzes nihil beziehen kann, hat sich der Herausgeber für die Lesart libertis entschieden. In Zeile 3 überliefert der Archetyp Ω sowie λ die Lesart accepi, die Handschrift b hingegen die Lesart accepti.

Der Herausgeber entscheidet sich für die Lesart accepi. In Zeile 4 überliefert der Archetyp Ω die Lesart qui, der Altphilologe Victorius schlägt dagegen als Konjektur cui vor, die syntaktisch besser passt. Deshalb entscheidet sich der Herausgeber für die Konjektur von Victorius. Ebenso überliefern die Handschriften R und s die Lesart amabo, Δ überliefert dagegen die Lesart ambo. Mit der Lesart ambo fehlt dem Hauptsatz ein Prädikat.


4 Ãœbersetzung

Was für ein mir so lästiger Gast, den ich aber nicht bereut habe. Er war nämlich bei bester Laune. Als er aber am zweiten Tag der Saturnalien abends zu Philippus9 gekommen war, war sein Landhaus so von Soldaten besetzt, dass das Speisezimmer, in dem Caesar selbst essen sollte, kaum noch frei war. Denn dort hielten sich 2000 Menschen auf. Ich war in der Tat beunruhigt, was am nächsten Tag passieren würde; aber Barba Cassius10 kam mir zu Hilfe und stellte mir Schutzwachen.

Das Lager wurde auf einem freien Feld aufgestellt, mein Landhaus wurde abgeriegelt. Jener hielt sich am dritten Tag der Saturnalien bis zur siebten Stunde bei Philippus auf und ließ dabei niemanden zu; ich glaube, er beriet mit Balbus11 geschäftliche Angelegenheiten. Von dort ging er an der Küste spazieren. Nach der achten Stunde ging er in das Bad. Dann hörte er von Mamurra, veränderte seine Miene aber nicht.

Anschließend wurde er gesalbt und legte sich zu Tisch. Er wollte ein Brechmittel einnehmen. Deshalb aß und trank er sorglos und mit großem Appetit, und dieses Gastmahl war nicht nur äußerst reichlich und prächtig zubereitet, sondern auch „gut gekocht und gut gewürzt, mit einem guten Gesprächston und, wenn du schon fragst, lustig.“

Außerdem wurden diejenigen, die ihm nahestanden, auf drei Speisezimmern sehr reichlich aufgenommen. Freigelassenen, die ein geringeres Ansehen hatten, und Sklaven hat es an nichts gefehlt. Denn die Menschen mit höherem Ansehen habe ich anständig bewirtet. Um es kurz zu machen: Wir wurden als ehrenvolle Menschen gesehen. Er war dennoch nicht solch ein Gast, zu dem du hättest sagen müssen: „Ich werde dich gern haben, wenn du ebenso zu mir zurückkehrst.“ Einmal ist genug.

Du hast dort eine für mich, wie ich gesagt habe, widrige Bewirtung oder eher Einquartierung, aber keine unangenehme. Ich bleibe ein Weilchen hier, dann gehe ich nach Tusculanum. Als Caesar das Landgut von Dolabella12 überschritt, ließ er seine gesamte militärische Streitmacht rechts und links seines Pferdes aufmarschieren, was er sonst niemals getan hatte.13 Dies habe ich von Nicias14 erfahren.

5 Kommentar

§ 1:

Z.2 sed: Hier kann sed als Einleitung der Erzählung verstanden werden.

Z.2 secundis Saturnalibus: Damit ist der zweite Tag der Saturnalien, also der 18. Dezember, gemeint. Demensprechend bezeichnen die tertiis Saturnalibus (Z.7) den 19. Dezmber.15

Z.8 H. VII: Gegen 12:45 Uhr.

Z.9 H. VIII: Gegen 13:30 Uhr.

Z.10 audivit de Mamurra: Es ist nicht bekannt, was Caesar gehört hat. Aufgrund des Folgenden16 liegt es nahe, dass er über seinen Tod informiert wurde.

Z.12 opipare sane et apparate: Für Shackleton-Bailey scheint es leichter, diesen Ausdruck zu et edit et bibit zu ziehen als eine neue Sentenz wie erat zu ergänzen. Dies passt aber inhaltlich nicht, da es meiner Meinung nach nicht möglich ist, „reichich und prächtig“ zu essen bzw. zu trinken. Dagegen ist es sehr gut möglich, ein Gastmahl reichlich und prächtig anzurichten und würde aus diesem Grund opipare sane et apparate auch mit id zusammenziehen.

Z. 5 σπουδαϊον: Gemeint sind politische Inhalte.

Z. 6/7 Puteolis, Baiae: Berühmte antike Badeorte am Golf von Neapel.


6 Interpretation

6.1 Theoriekapitel: urbanitas, humanitas und convivium

In diesem Kapitel sollen die Werte urbanitas und humanitas sowie deren praktische Umsetzung erläutert werden. Der Begriff urbanitas lässt sich im Umfeld von Cicero laut Ramage am besten mit „Kultur“ oder „Kultiviertheit“ beschreiben. Dieser Ausdruck beinhaltet zwar auch das Wissen über Kunst und Kultur, der eigentliche Charakter der urbanitas besteht aber in dem Sinn für Höflichkeit, Geschicklichkeit, das angemessene Auftreten sowie charmanten Witz.

Ein eleganter Humor sowie eine sorgfältig gewählte Aussprache, mit der er sich von einem nicht in Rom lebenden Menschen unterscheidet, kennzeichnen den Witz eines urbanus homo. Cicero hält die urbanitas für das Leben in Rom und unter gebildeten Römern für einen der wichtigsten Faktoren.17

Eine ähnliche Definition wie Ramage über die urbanitas gibt Haffter über die ciceronische humanitas18: Cicero nimmt beim Betrachten des humanitas-Begriffes besonders die Vorzüge des mitfühlenden und klugen Menschen in den Blick. Dabei zeigt sich die humanitas in der „Feinheit in jeder Äußerung, geistvolle[r] Plauderei, Entspannnung zu Scherz und Humor, Geschmack in künstlerischen Belangen, Umgang mit geistigen Dingen, Beschäftigung mit Literatur und Wissenschaft.“ 19 Diese Umschreibungen charakterisieren genau das, was Ramage mit urbanitas definiert hat.

Nun bleibt noch die Frage zu klären, woraus der für einen urbanus homo typische Humor besteht. Dazu haben wir von Cicero und seinen Zeitgenossen wenig überliefert. Dies legt die Auffassung nahe, dass gar nicht der eigentliche Inhalt, sondern vielmehr der Eindruck während eines Gesprächs für urbanitas entscheidend ist.20 Also geht es darum, Witz und Humor zu geeignetem Anlass zu zeigen.

Im Folgenden werde ich ausführen, dass das convivium ein geeigneter Ort für die urbanitas ist. Das römische convivium bezeichnet im Allgemeinen eine Gesellschaft geladener Gäste und findet – entgegen der griechischen Tradition des συμπόςιον – im privatem Raum statt. Der Ort des Gastmahles war das triclinium21. Dabei wurden drei lecti, auf denen jeweils drei Personen Platz finden konnten, um einen rechteckigen Tisch gestellt.

Da die convivia in den meisten Fällen aus Menschen unterschiedlichen Standes bestanden, wurden sie dementsprechend auf die lecti verteilt.22 Das eigentliche „Kernstück“ des Gastmahles liegt aber in dem nun stattfindenden Gespräch: Abhängig davon, wer an dem convivium teilgenommen hat, sprach man über einfache (wie Gladiatorenkämpfe, Essen und Trinken, Beuteilung von Zeitgenossen) oder „popularphilosophische“ Themen.23 Gerade während dieser Unterhaltungen konnte man sich mit Witz und Charme auszeichnen und somit urbanitas zeigen.24


6.2 Gliederung des Textes

Im Folgenden werde ich den Text gliedern und dabei inhaltliche sowie sprachliche Merkmale herausarbeiten.

Zu Beginn des Textes fasst Cicero den Aufenthalt der Saturnalien zusammen, wobei er dabei nur einen Gast nennt: Dieses war einerseits lästig, andererseits bereute Cicero dennoch nicht, mit ihm ein convivium verbracht zu haben (§1,1-2)25. Er fasst den Brief nicht nur zusammen, sondern beginnt diesen auch noch mit einem Ausruf (O hospitem). Dabei setzt er die beiden entgegengesetzten Begriffe gravem und αμεταμέλητον asyndetisch nebeneinander.

Dies verdeutlicht dem Leser zugleich, dass das convivium zwar nicht perfekt verlaufen ist, Cicero es aber nicht als vollkommen misslungen betrachtet. Dass Cicero einen Gast einerseits als lästig beschreibt, andererseits seine Anwesenheit genossen hat, scheint für seinen Freund Atticus so außergewöhnlich zu sein, dass er dies, wenn auch kurz, begründen muss (fuit enim periucunde).

Nun beginnt Ciceros Darstellung über den Aufenthalt während der Saturnalien: An den 2. Saturnalien kam Caesar mit seinem gesamten Gefolge (2000 Mann) zu Philippus, aufgrund dieser Anzahl an Personen war es nicht einmal für den Feldherren Caesar möglich, ein triclinium zum Speisen zu finden. Dies beunruhigte Cicero sehr, aber Barba Cassius sorgte dafür, dass sein Landhaus abgeriegelt und das Lager auf einem freien Feld aufgeschlagen wurde (§1,2-7).

Das zweite Hyperbaton (cenaturus ipse Caesar esset) zeigt noch einmal ganz klar die Machtposition Caesars: Obwohl er mit 2000 Soldaten anreist, ist sein selbstverständlicher Anspruch, ein gesamtes triclinium für sich zu verlangen. Er steht - wie in dem Hyperbaton – im Mittelpunkt.

Des Weiteren ist dies die einzige Stelle in dem Brief, wo ausdrücklich der Name Caesar (§1,4) fällt, und dies im einzigen Nebensatz 2. Ordnung. Er lässt dadurch die Anspannung, mit wem er die Saturnalien verbracht hat, förmlich ins Unermessliche ansteigen: Zuerst beschreibt er einen Gast, der lästig und gleichzeitig nicht unangenehm war, dann besetzt dieser mit seinen Soldaten die gesamte Villa von Philippus inklusive aller triclinia, und verrät erst jetzt den Namen seines Gastes. Es ist weiterhin auffällig, dass Cicero die Anzahl der Personen als Bemerkung elliptisch an den Satz anfügt, als ob dies nichts Außergewöhnliches wäre: Genau dadurch, dass wir wissen, wie sehr Cicero diese große Anzahl an Teilnehmern förmlich geschockt hat, und durch die Tatsache, dass die Bemerkung an der letzten Stelle des Satzes steht, bekommt sie eine besondere Brisanz. Dagegen entscheidet sich Caesar bei der Wahl des Termins für die Ausrichtung eines convivium geschickt für die Saturnalien, die in diesem Fall nicht nur Rang-, sondern auch Machtunterschiede der beteiligten Personen aufheben.

Im Folgenden war Cicero dennoch so beunruhigt, dass er die gleiche Situation, für sein am nächsten Tag stattfindendes convivium befürchtete, nämlich dass seine Villa von 2000 Personen buchstäblich überrannt wird. Diese Beunruhigung unterstreicht Cicero stilistisch, indem er an das Ende des indirekten Fragesatzes nicht das finite Verb, wie es im Lateinischen üblich ist, sondern das Adverb postridie (§1,6) stellt und somit bereits die Aufmerksamkeit auf den nächsten Tag richtet.

Mit Barba Cassius hilft Cicero in dieser Notsituation ein Villennachbar. Dieser Umstand zeigt die hervorragende Vernetzung der urbani homines auch auf dem Land. Als weiteres Beispiel für eine solche Verknüpfung dient das Ende des Briefes: Wenn Cicero von seinem Freund Nicias brandaktuell erfährt, wie Caesar das Landgut von Dolabella überschreitet, und dies in dem vorliegendem Brief weiter an Atticus übermittelt, ist auch ein schneller Fluss von Informationen erkennbar.27 Die nachfolgenden Hilfeleistungen sind asyndetisch verbunden (custodes dedit. castra in agro, villa defensa est, §1,6-7).

Am nächsten Tag hatte Caesar eine geschäftliche Besprechung mit Balbus, zu der niemand zugelassen wurde, er ging spazieren, nahm ein Bad und hörte von Mamurra (§1,7-10). Im ersten Teil des Abschnittes beschreibt Cicero, dass Caesar trotz der Saturnalien seiner täglichen Arbeit nachging: Er beriet sich im Geheimen mit Balbus, so wie es für ihn üblich war. Auch seine nächste Handlung betont dies: Obwohl er von dem Tod Mamurras hörte, verzog er keine Miene, als ob es ihn nicht stört, wenn einer seiner Leute wahrscheinlich gestorben ist.

Stilistisch unterstreicht er die inhaltliche Beschreibung dadurch, dass er die Teilhandlungen Caesars asyndetisch und elliptisch miteinander verbindet: Es entsteht der Eindruck, als ob Caesar seinen Tag so wie jeden anderen gestaltet.

Als nächstes legte sich Caesar zu Tisch und aß unbekümmert. Es folgt eine Beschreibung des Gastmahles (§1,11-14). Dass sich Teilnehmer eines Gastmahles salben ließen, ist nichts Außergewöhnliches und muss an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Dagegen ist die Verbindung εμετικήν agebat schon auffälliger: Caesar hatte wohl vor, sich zu erbrechen. Die durchaus negative Eigenschaft des Erbrechens mildert Cicero an dieser Stelle aber ab, indem er statt eines lateinischen einen griechischen Ausdruck verwendet.28 Er legt ihm das Verhalten also nicht negativ aus.

Besonders auffällig ist an dieser Stelle der häufige Gebrauch von Adverbien: Einerseits beschreibt Cicero Caesar als αδεως et iucunde, andererseits wird auch das Mahl selbst mit den Adverbien bene cocto et condito, libenter beschrieben. Durch die genannten Adverbien kennzeichnet Cicero das Gastmahl als ein „ideales convivium“29. In diesem convivium zeigen die teilnehmenden Personen, insbesondere Caesar, mit feinem Geschmack sowie mit einem prachtvollem Mahl (opipare sane et apparate), dass sie Witz, Eleganz sowie einen guten Gesprächston besitzen und sich damit in der urbanitas bewährt haben.30

Allein mit der Tatsache, dass Cicero an dieser Stelle ein Zitat aus den Satiren des Lucilius verwendet, zeigt er dem Leser und vor allem dem Adressaten Atticus, wie lustig (libenter, §1,14) das Mahl gewesen ist. Das Trikolon sowie die gleichzeitige Steigerung bene cocto et condito, bono sermone, libenter (§1,13-14) zeigt hier noch einmal sehr gut die drei Ebenen des convivium: Das Essen selbst ist bereits optimal, dazu schlagen alle Teilnehmenden den richtigen Gesprächston an und zuletzt ist das convivium für alle auch noch lustig und zufrieden.31 Aber wir erfahren hier auch, dass Atticus ohne Weiteres die Würde hätte, an diesem Mahl teilzunehmen: Erstens durch die Tatsache, dass Lucilius aus dem Blickwinkel von Cicero das convivium geschildert bekommt und somit fast neben ihm am Tisch Platz nimmt.


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