Analyse der Kurzgeschichte
„Und in Arizona geht die
Sonne auf“ von Sibylle Berg
In der Kurzgeschichte „Und in Arizona
geht die Sonne auf“ von Sibylle Berg aus dem Jahre 2000 geht es um einen Mann
welcher sich von seiner Frau, seiner Tochter und der ganzen Welt missverstanden
fühlt und lediglich in seinem Auto die Illusion eines richtigen Mannes noch
erleben darf.
Die Kurzgeschichte wirkt nach dem erstmaligen Lesen verständlich. Andererseits
sind besonders in diesem Text viele offensichtliche sprachliche Mittel zu
finden und es fällt schwer diese nach Priorität einzuordnen. Nach meinem ersten
Textverständnis verdeutlicht Sybille Berg das Problem mancher Männer, das ein
Mann heutzutage scheinbar kein Mann mehr sein kann und dies dazu führt das jene
sich nach stereotypischen Eigenschaften vergangener Männervorbilder zu
orientieren versuchen. Diese These werde ich nun anhand dieser Interpretation
untersuchen.
Der Mann sitzt im Auto und betrachtet den Sonnenaufgang über Arizona, während seine Frau ihm eine Wasserflasche reicht und ihre Tochter nachdenklich den Himmel beobachtet.
Am Frühstückstisch sitzt ein Mann mit seiner Tochter und seiner Frau und dieser
fühlt sich in Gemeinschaft mit seiner Familie fehl am Platze, da er weder ihren
Interessen folgen noch den weiblichen Manieren gerecht werden kann. Erst im
Auto fühlt sich der Familienvater wie ein richtiger Mann. Er denkt über sein
Leben und seine jetzige Situation nach und wie er Ihr entfliehen könnte.
Die Geschichte ist in einer auktorialen Perspektive verfasst. Der Erzähler ist
dabei wertend in dem der Leser Zugang zu den Gedanken des Mannes erhält. Dabei
verwendet die Autorin häufig die erlebte Rede um die Gedanken des Mannes zu
schildern. Zeile 20 „Er stört. Überall. Wenn er auf dem Sofa lümmelt und Bier
trinken möchte…“ Die Geschichte ist im Präsens geschrieben und es kommt zu
keinen zeitlichen Sprüngen oder Änderungen der Zeitform.
Die Kurzgeschichte beginnt mit dem unvermitteltem Einsetzten der Handlung am
Küchentisch. Gleich zum Beginn der Geschichte wird das Unbehagen des Mannes
deutlich. Es fühlt sich in seiner Kleidung eingeengt und sehnt sich nach dem
Abend (Zeile 4 -10). Auch bei dem Versuch sich möglichst unauffällig zu kratzen,
was eigentlich zu den Grundrechten jedes Mannes gehören sollte, fühlt er sich
von seiner Tochter und seiner Frau ertappt, die ihn scheinbar mit ablehnenden
Blicken belegen (Zeile 10 -13). Zu den Dialogen seiner Gesprächspartnerinnen
scheint er keinem Zugriff zu bekommen, egal ob sie sich nun über Kleidung oder
anderen musisch-künstlerischen Themen unterhalten. Beispielsweise in Zeile 4 –
5: „Er versteht nichts von wichtigen Dingen. Von Musik, Büchern, Blumen und von
Kleidern, gar nichts.“ Berg benutzt dabei die Aufzählung um die Ohnmacht des
Mannes darzustellen und die anschließende Correctio um den ganzen einen
Nachdruck zu verleihen.
Der Mann fühlt sich im gesamten
Haushalt fehl am Platze und unverstanden (Zeile 20). Ihm werden ständig
Vorwürfe gemacht: „ Seine Bierflasche hinterlässt Ringe auf den Kunstbüchern
…“. Dabei ist der direkte Kontrast von der plumpen Bierflasche zum
intellektuell anspruchsvollen Kunstbuch ersichtlich, welche die Kluft beider
Parteien wiederspiegelt. Er scheint sich in seinem Haushalt missverstanden zu
fühlen, insbesondere von seiner Frau welche ihm keinen Glauben schenkt wenn er
von „Sport schauen“, oder „in der Kneipe zu hocken“ und „Glück“ in einem Satz
spricht.
Seine Frau versucht in Ihm scheinbar
eine einfühlsamere Seite herauslocken zu wollen. Nachdem das Frühstück zu Ende
ist folgt ein „flüchtiger Kuss“ ehe er aus dem Haus geht. Er spielt mit dem
Gedanken nicht wieder nach Hause zurück zu kehren. Nun steigt der Mann in sein
Auto und zum ersten Mal fühlt er sich wieder wie ein ganzer Mann. Dabei bedient
er sich in seiner Phantasie mit dem Bild des Cowboys welcher eine „speckige
Jeans, Stiefel, Lederweste, und einen Cowboyhut trägt“. Er fühlt sich als habe
er das Auto erst gezähmt und dass dieses nur Ihm gehorche: „ Die Maschine
arbeitet, sie gehorcht ihm, sie bettelt um Beherrschung, will sich
unterwerfen“. Sibylle Berg benutzt dabei die Metapher des Pferdes um den Bezug
zum Cowboy herzustellen. Nachdem er so viele Erniedrigungen erleben musste hört
endlich wieder etwas auf seine Kommandos und er beschreibt sein Auto als sei es
ein besonders überlegenes. : „ Er steuert, er lenkt. Die Starke Maschine, so
viele Pferde, sie tragen ihn über die Prärie, den Ozean, ist doch egal.“ Er
fühlt sich dabei immer wie ein einsamer Cowboy welcher mit „muskulösen Armen
die Zügel in die Hand nimmt“. Es wird klar, dass er das Bild des Cowboys in der
Prärie als ein Männerbild idealisiert. Er möchte sein wie diese vor knapp 130
Jahren gelebt haben.
Zeile 51, „Hier ist seine wahre
Heimat“. Sein Auto sind seine eigentlichen vier Wände, denn dort darf er anstellen
was immer er mag ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen (Zeile 55). Der Mann
fühlt sich auch anderen Männern überlegen welche „schwächere Pferde“ besitzen.
Das ganze steigert sich sogar zu einer gewissen Überheblichkeit dem Rest der
Welt gegenüber, indem er die restliche Männerwelt als „Schwuchteln“ bezeichnet.
Er und sein Auto können es zusammen mit der Welt aufnehmen indem er alle
anderen „abhängt“ und diese „besiegt“. Er bezichtigt die Welt, dass sie falsch
geworden sei (Zeile 68-70), weil sein geliebtes Männerbild von dem Cowboy oder
generell der „machende“ Mann nicht mehr zu bestehen scheint. Der Mann wünscht
sich aber am liebsten ein noch größeres Auto mit dem er seine Situation
entfliehen kann, obwohl es ihm ja eigentlich auch mit seinem jetzigen Auto
möglich sein sollte.
Doch hier zeigt sich die Misere in der
er sich befindet. Er ist selber nicht der entscheidungsstarke Charakter den er
in seinem Auto zu spielen versucht. In Zeile 78 erkenne ich einen Einschnitt im
Erzählstil wie die Person beschrieben wird. „Manchmal, wenn er sich selbst
nicht sieht, möchte er weinen, so kotze es ihn an…“. Gerade in dieser Zeile
offenbart er das es selber versucht in die Rolle eines Cowboys zu schlüpfen und
wenn er gerade er selbst ist spricht er vom „weinen“. Wobei meines Erachtens
nach „heulen“ ein eindeutig passenderer Begriff gewesen wäre. Er wird selber
weich wenn er aus seiner Rolle fällt und sobald er es merkt „kotzt“ ihn das
ganze wieder nur an. Er fühlt sich betrogen von seiner Frau und selbst Betrogen
von ihrer Haarfarbe die nun gefärbt ist. Seine Träume von Früher scheinen sich
nicht erfüllt zu haben und sein Körper ist vom Rauchen und der Traurigkeit
gekennzeichnet. Er scheint wirklich depressive Züge entwickelt zu haben und
lediglich sein Auto gibt ihm in dieser „gottverdammten Welt“ noch halt (Zeile
90). Zum Schluss der Kurzgeschichte wird beschrieben wie er an seinem Haus
vorbei fährt und sich von ihnen Entfernt. Dabei wird, typisch für eine
Kurzgeschichte, offen gehalten ob dies nun ein endgültiger Schritt oder eine
spontane Reaktion seine Ängste ist. Jedenfalls scheint durch diese Handlung das
erste Mal für den Mann die Sonne und er beginnt zu lächeln.
Mir persönlich gefällt die Geschichte, da sie meines Erachtens nach aktueller denn
je ist. Das Männerbild, welches wir noch von unseren Eltern und aus den Helden
der Kindheit kennen wird momentan abgelöst von einem neuem, noch nicht ganz
klar definiertem Bild. Auf jeden Fall ist das Bild eines Mannes, welcher im
Alleingang alle Probleme löst, Vergangenheit. Dafür rücken Bilder in den Vordergrund,
welche in der Vergangenheit eher für die Frau standen. Ich kann mir Vorstellen,
dass dieser Umbruch bei Männern ein Gefühl der Unsicherheit auslöst und dass
Männer heut die geträumten Charaktereigenschaften des Cowboys in der Geschichte
gerne aneignen, da sie diese für besonders männlich halten. Die am Anfang
geäußerte These sehe ich damit als bestätigt an.