Historismus (1840-1960)
Hauptprotagonisten: Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen, Heinrich von Sybel, Theodor Mommsen
- Wurzeln des Historismus liegen im 18.Jhd, Blütezeit 19. Jhd
- erste Epoche moderner Geschichtswissenschaft
Zwei Bedeutungen des Begriffs Historismus:
1. Epoche der deutschen Geschichtswissenschaft (etwa 1800-1960)
- Geschichte wurde als fortlaufende Entwicklung gesehen, die durch Individuen vorangetrieben wurde
- Historische Erkenntnis wurde durch interpretatorisch-verstehenden Zugang erlangt
2. Historismus = Bezeichnung für generelle Historisierung allen Denkens und
Tuns
Forschungsgebiet: - Der Historismus geht davon aus, dass „große Männer“
Geschichte gemacht haben => er untersucht die Geschichte
der „großen Männer“
- Verhältnis der Staaten untereinander, Staaten werden als Invididuen angesehen
- Erkenntnis der Verg im Untersch zur Gegenwart
3 Aufgabenfelder der Geschichtswissenschaft im Historismus:
- historische Forschungsbereiche
- historische Erkenntnistheorie + deren Umsetzung in GW Methodik
- Präsentation historischer Forschungsergebnisse + Vermittlung
Methodik: Droysensche Methodik:
1. Heuristik (Entwicklung einer Fragestellung/ Überlegung, welche Quellen nötig sind/ suche nach Arbeitsmaterialien)
2. Kritik
3. Interpretation
3.1 pragmatische Interpretation: Kausalzusammenhänge herstellen
(welche hist. Prozesse haben andere hist. Prozesse beeinflusst)
3.2 Interpretation der Bedingungen (des Raumes, der Zeit, der Mittel)
(Kriegsschlacht: welche geografischen Bedingungen, technische Möglichkeiten)
3.3 Psychologische Interpretation
(Deutungsversuche von Verhaltensweisen + Charakterzügen)
3.4 Interpretation der Ideen
(Deutung eines einzelnen Geschehens oder eines einzelnen Aktes)
die 4 Interpretationsschritte sind nicht in zeitlicher Abfolge gedacht
Methodik Rogge Folie
3 Arbeitsschritte:
1. Heuristik
2. Kritik
3. Interpretation
a) hermeneutische Methode
b) analytische Methode
Heuristik = Methode des Findens der Quelle, die Antwort auf die gestellten historischen Fragen geben können
Formulierung von Forschungsfragen:
- erkennen von Defiziten der Forschung
- berücksichtigen der Orientierungsbedürfnisse der Gegenwart
=> Quellen so wählen, dass Fragen beantwortet werden können
Je mehr Quellen zu Rage gezogen werden, desto eindeutiger wird der Blick auf die Vergangenheit
Kritik = das Material (Quelle) so aufbereiten, dass es sichere und
konkrete Interpretationen erlaubt, denn nur so gelangt man zu
historischen Tatsachen
Interpretation = - die quellenkritisch ermittelnden Tatsachen der Vergangenheit werden intersubjektiv überprüfbar zu Zeitverläufen zusammengefügt, die als Geschichte dargestellt werden können => es entsteht eine Abbildung der vergangenen Wirklichkeit
Hermeneutik
+ = Interpretationsverfahren
Analytik:
- Sattelzeit (1750-1850): -legt größtenteils die Begriffe der Moderne fest
- Sattelzeit (1870-1920): -weg von idealistischen hin zu materialistischen Begriffen
Wahrheit im Historismus: historisches Quellenmaterial kritisch sichten, dann eine These entwickeln, wie sich die Geschichte gestaltet habe und diese anhand des Materials als wahr ausweisen.
Sonstiges:
- Historismus war eng mit dem deutschen Bürgertum verbunden (meisten Historiker entstammten diesen + ihr Zielpublikum war das Bürgertum)
- Im Vordergrund stand im Historismus die deutsche Einheit
- führende Historisten unterstützen Nationalbewegung (Droysen Mitglied im Frankfurter Paulskirchenparlament)
- im Historismus entstand der Gedanke, dass jeder, der die Arbeit liest, diese anhand der Quellen (Fußnoten) nachvollziehen kann und in der Lage ist, durch nachlesen eine Gegenstellung zu beziehen (Diskussionsfähigkeit)
- Durch Intersubjektivität ist Objektivität gewährleistet
- Gesetze sind den Naturwissenschaften vorbehalten, es gibt keine
Gesetze in den Geisteswissenschaften
„Primat der Außenpolitik“ wurde der Historismus genannt, weil er sich vorwiegend mit dem Verhältnis der Staaten beschäftigte + mit den Haupt- und Staatsaktionen (da der Historismus sich besonders mit herausragenden Individuen beschäftigte, wurde der Staat dabei selbst zum Individuum)
Kritik am Historismus:
- Nur Individuum
- keine Werte werden vermittelt
- keine Interdisziplinarität/ keine Internationalität
historischer Materialismus (1945-1989)
- geht davon aus, dass Geschichte durch Klassenkämpfe angetrieben wird, statt durch den Geist
- marxistische Geschichtsphilosophie
- Definiert sich durch Arbeit
- Gebot der Parteilichkeit (entweder aus Sicht des Proletariats oder aus der Sicht der Bourgeoisie
- es geht um objektive Einsichten in historische Gesetzmäßigkeiten
Kritik zwischen HistoMat und Historismus:
- Gegenseitig wissenschaftlichen Anspruch aberkannt:
Für Historisten war HistoMat unwissenschaftlich, weil Historiker im HistoMat parteilich sind, weil sie historische Erkenntnisse allgemein philosophischen Sätzen und Gesetzen unterordneten
Für Marxisten war Historismus unwissenschaftlich, weil sie Existenz der Gesetze leugnete und weil sie Geschichte aus dem Standpunkt der bürgerlichen Klasse betrieben
Schule der Annales (1920er)
Hauptprotagonisten: Marc Bloch, Lucien Febvre
- bezeichnet eine Gruppe französischer Sozial- und Wirtschaftshistoriker
- Namengebend war die 1929 gegründete Zeitschrift „Annales d'histoire économique et sociale“
- forderten die Konzentradition auf gesellschaftliche statt auf politische Belange, eine komparative Methodik und die interdisziplinäre Zusammenarbeit (Soziologie, Ökonomie, Psychologie, Geographie)
3 Zeitebenen:
Histoire quasi immobile: Zeit der Naturerscheinungen, Geschichte der Täler, Gebirge, Küsten, Klima etc.
histoire long durée: Zeit der langsamen Rhythmen, Geschichte
der größeren sozialen, politischen, kulturellen, ökonomischen Strukturen (zwei bis drei Jahrhunderte)
Histoire événementielle: Zeit der schnellen Rhythmen,
Ereignisgeschichte
Volksgeschichte (1920-1945)
Hauptprotagonist: Werner Conze
- geistige Nähe zur völkischen Bewegung und zur NS-Ideologie
- Impulse von Volkskunde und Soziologie (Interdisziplinäre Öffnung)
- öffnete sich Methodenpluralismus
- Volksbegriff statt Nation
- Volk = Blutzugehörigkeit + Abstammung
- von den „großen Männern“ zum Volk
- Vorläufer der Sozialgeschichte
- Problem: wurde von Nazis funktionalisiert
Sozialgeschichte (Strukturgeschichte)
1945 Ende der von Nationalsozialismus genutzten Konzepte von Geschichtswissenschaft
Hauptprotagonisten: Werner Conze, Otto Brunner und Theodor Schieder
- stark beeinflusst durch Annales Schule + Max Weber
- im Gegensatz zur Volksgeschichte wird hier von Gesellschaft statt von Volk gesprochen (genuin historisch-soziologisches Interesse mit einem historisch-politischen Interesse verbinden)
- hat viel von Volksgeschichte übernommen
- zu Beginn mehrheitlich konservativ, später politisch links-liberal
- Zeitmodell Sozialgeschichte: setzt an einem bestimmten Punkt ein und in der Gegenwart auf
Forschungsgebiet:beschäftigt sich mit Strukturen + Prozessen in sozialen Gruppen, Klassen, Schichten, weiterhin beschäftigt sie sich mit der Wechselwirkung dieser Strukturen + Prozesse (im Gegensatz zu Volk + Nation). Forschungszeit vorallem das „lange 19.Jhd“
Strukturen = durch die Geschichte länger durchhaltende Phänomene
Prozess = Verlauf, Entwicklung
wesentliche Merkmale der Strukturgeschichte:
- Ansätze für eine internationale Perspektive (Internationalität)
(Öffnung für internationale Diskurse, internationale Historikertage)
- Methoden wurden ausgeweitet durch quantifizierende, typisierende und vergleichende Verfahren (von den Annales-Historikern schon lange praktiziert)
- anstelle hermeneutischer Methode trat die Forderung nach Methodenpluralismus
- Gesellschaft wurde zum zentralen Erkenntnisgegenstand und wurde Alternative zu „Volk“ und „Nation“.
Historisches Erklären (Methode der Gesellschaftsgeschichte)
Prozesse werden nicht als Wirklichkeiten begriffen, sondern als theoretische Kategorien, um eine historische Wirklichkeit, einen historischen Zustand der Gesellschaft zu beschrieben
Sonstiges:
- Sozialgeschichte verstand sich von Beginn an als eigenständige geschichtswissenschaftliche Konzeptionen
- Im Gegensatz zur z.B. Kirchen- oder Universitätsgeschichte können die Fragestellungen und Methoden der Geschichtswissenschaft auf alle historischen Phänomene und Epochen angewandt werden
- Historikergeneration hat Gründe für NS im Historismus gesucht und nicht die Vätergeneration beschuldigt
Historische Sozialwissenschaft (1960er - Ende 80er)
Hauptprotagonist: Hans-Ulrich Wehler
Was ist historische Sozialwissenschaft?
- Reformbewegung in der GW vorallem während der 60er + 70er Jahre
- sozialwissenschaftlich + sozialgeschichtlich
- nachholende Modernisierung, weil in Amerika + Frankreich der Paradigmenwechsel bereits stattfand
Absichten:
1 . Zielt auf Erkenntnis der Kritik der sozialen Wirklichkeit der industriellen Klassengesellschaft (Wie konnte es zum NS kommen?)
2 . Strukturen und Prozesse: interessiert sich für Strukturen als relativ dauerhafte Bedingungsgefüge aus Ökonomie, Politik und Kultur
3 . Theoriebezug – Theorie dient dem Historiker zur sinnvollen Erschließung der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens (bezieht sich auf Max Weber)
4 . Interdisziplinarität: Geschichte öffnet sich Nachbarfächern, also anderen Disziplinen
5 . Kritik und Emanzipation:
6 . Historie soll nicht rein Objektiv sein
7 . soll aber kein Bündnis mit dem deutschen Nationalstaat schließen
8 . Sonderweg (verspätete Nationsbildung/ Überlegenheit des deutschen Geistes)
Urväter der historischen Sozialwissenschaft = Bielefelder Schule
- historische Sozialwissenschaft ist teilweise in GW eingesickert
Zukunft der historischen Sozialwissenschaft:
- weniger Theorie
- weiterhin werden Strukturen + Prozesse wichtige Rolle spielen
- Rekonstruktion der Vergangenheit hat politische Bedeutung => Kontinuität der GW
- Ökonomischer Faktor wird zunehmend behandelt
- Öffnung in zeitlicher Hinsicht (nicht bloß 19. Jhd behandeln)
Kritik an historischer Sozialwissenschaft:
Kritik vom Historismus: Individuum wird außer Acht gelassen (gefangen in Strukturen)
Kritik von Kulturwissenschaft: Subjekt verschwindet
Gesellschaftsgeschichte (seit Beginn der 60er Jahre)
Hauptprotagonisten: Hans-Ulrich Wehler
3+1 Unabhängige Dimensionen (übernommen von Max Weber) vom gesellschaftlichen Gesamtsystem:
- Wirtschaft
- politische Herrschaft
- Kultur
+ soziale Ungerechtigkeit (hinzugefügt von Wehler)
- stehen im Wechselverhältnis zueinander
- können nicht klar getrennt werden
- Anstelle der „großen Männer“ traten hier kollektive Handlungsträger (soziale Klassen, Schichten)
- Gesellschaft wird durch Strukturen und Prozesse bestimmt
- Primat der Innenpolitik
Absicht der Gesellschaftsgeschichte:
Darstellung von Prozessen, Strukturen und Handlungen innerhalb und zwischen diesen Dimensionen so zu synthetisieren, dass das Bild einer Gesamtgesellschaft in einer bestimmten historischen Zeit entsteht.
Modernisierung + Evolutionsziele lt Weber.
Wirtschaft - Durchsetzung des Kapitalismus (vorher Feudalismus)
soziale Ungleichheit - Reduzierung
Herrschaft - Durchsetzung bürokratischen Anstaltstaats
Kultur - Aufstieg der Wissenschaft, Rationalisierung auf allen
Ebenen
Historisches Erklären (Methode der Gesellschaftsgeschichte)
Prozesse werden nicht als Wirklichkeiten begriffen, sondern als theoretische Kategorien, um eine historische Wirklichkeit, einen historischen Zustand der Gesellschaft zu beschreiben
- Gibt Historismus Teilschuld an der Entstehung des NS
- baut auf einer materialistischen Weltansicht auf: nicht das Denken der Menschen bestimmt ihre Lebenswelt, sondern die soziale Realität bestimmt das Denken
Begriffsgeschichte
Hauptprotagonist: Reinhart Kosseleck
Aufgabe Begriffsgeschichte:
Inhalt + Gebrauch vergangener Begriffe schildern und für den heutigen Leser definieren, ohne selbst eine systematischen Anspruch ableiten zu wollen
3 Arten von Begriffen:
1. Traditionsbegriff
2. Begriffe, deren Bedeutung sich entschieden gewandelt hat
Unterschied Wort – Begriff
Wort : kann im Gebrauch eindeutig werden
Begriff : muss vieldeutig bleiben + Konzentrate vieler Bedeutungsgehalte/ Begriff wandelt z.B. Volk
- Begriffsgeschichte ist ein methodisch eigenständiger Teil sozialhistorischer Forschung
Methode der Begriffsgeschichte:
synchronische Analyse: Bedeutung des Begriffs X um 18. Jhd
diachronische Analyse: Bedeutung des Begriffs in den letzten X Jahren
Kritik an der Begriffsgeschichte:
- die Untersuchung an einzelnen Texten reiche nicht aus, um Begriffe tatsächlich zu erfassen
- fehlender diskursiver Kontext
- Begriffe werden in semantische Felder eingeteilt, es ist also notwendig, dass diese Felder vorab festgelegt werden
Wirtschaftsgeschichte (19.Jhd – Boom in den 1950ern)
- Geschichte reicht bis in die 1. Hälfte des 19. Jhd zurück
- Impuse kamen zunächst aus der Nationalökonomie (vorläufer „Wirtschaftswissenschaften) + aus Sozialphilosophie
- Wirtschaftsgeschichte = Form von Sozialgeschichte
- war in den 1970er Jahre eng mit der historischen Sozialwissenschaft
- Boom in den 1950er Jahre: es wurde die Epoche (19.Jhd) der Industrialisierung, Technisierung, Urbanisierung und der Entstehung einer geschichteten Gesellschaftsform untersucht, weil sie diese als Ausgangspunkt für das Wirtschaftswunder sahen
Inhaltlicher Schwerpunkt: 1. Industrie, Handel, Nahrungsmittelproduktion, Bergbau und die Formierung von Finanzmärkten
(Makrozusammenhang des Wirtschaftssystems)
2. Erfindungen, technischen Entwicklungen,
Herausbildung von Infrastruktur
3. Verhältnis Mensch ↔ Wirtschaft, Untersuchung
der Zusammenhänge zwischen Arbeits- und
Lebenswelt + Wirtschafts- und Sozialordnung
Forschungsfelder und Epochen, die besonders betrachtet wurden:
- 1770- 1830/50 Protoindustrielle Phase vor der eigentlichen Industrialisierung (Massenproduktion von Gütern verteilt auf Manufakturen, Vertrieb durch Verlagssystem)
- 1815- 1850 Frühindustrialisierung (Einsatz von Spinnmaschinen, mechanische Webstühle, wichtig 1834 Gründung des Zollvereins)
- 1850-1873 „Take off“ (Einsatz von Kohle, Stahlherstellung, Maschinenbau, Eisenbahn)
- Galt als Aufklärung über ungleiche Besitzverhältnisse und diente der Identitätsfindung für nicht-bürgerliche Bevölkerungsteile
- Half in Deutschland die erfolgreiche Industrialisierung aufzuzeigen
Quellen: Statistiken, Tabellen und Grafiken als Veranschaulichung einer quantitativen erhobenen Datenbasis
Gendergeschichte (1960er Emanzipatorische Bewegung)
Aufgabe: Mechanismen aufdecken, mit denen Frauen in der Geschichte unterdrückt worden waren und Gründe finden, warum sie zu den „Vergessenen“ zählen
- Frauengeschichte war Gesellschaftskritik + Kritik am männerdominierten System
- Durch die Marginalisierung von Frauen=> beschränkte Quellenlage
=> Man versuchte über Haushalts- und Kochbücher den Alltag
von Frauen zu erschließen, auch über autobiografische Schriften, da Quellen rar waren
- Hexenforschung hat große Bedeutung in der Frauengeschichte
(Quellen: Verhörprotokolle, Prozessakten)
- Zunächst versuchte man das Fehlen der „großen Frauen“ zu kompensieren
Transformation zur Geschlechter- und Körpergeschichte
Geschlechtergeschichte trennt zwei Aspekte von „Fraulichkeit“:
sex: als biologisch geformte Kategorie
gender: als kulturell geformte Kategorie
Doing gender= kulturelle Praxis
Zeitgeschichte (von den ältesten Menschen – heute)
etwa seit 1950
Definition (lt. Hans Rothfels):
Zeitgeschichte ist die Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung
Beginn der Zeitgeschichte: Mit der Geburt der ältesten Mitlebenden
- Zeitgeschichte ist die letzte „Epoche“ der Geschichte
- lt. Günter Hockerts gibt es 3 Zeitgeschichten:
- 1918-1933 Weimarer Republik
- 1933-1945 Drittes Reich
- 1945-1990 Geschichte des geteilten Deutschlands
- Sobald alle Überlebenden der Weimarer Republik verstorben sind, wird diese wahrscheinlich aus der Zeitgeschichte verschwinden => Zeitgeschichte schrumpft an ihrem Anfang und wächst an ihrem Ende
- Zeitgeschichte beschäftigt sich hauptsächlich mit politischen System
3 Gründe für politische Nähe:
1. Aktualistätsbezug
2. Themen wurden häufig emotionaler und politisch aufgeladener
3. Debatten über Schuld und Verantwortung bei Mitlebenden
Grund für großes Interesse an Zeitgeschichte = enge Verflechtung persönlicher Erfahrungen der Mitlebenden
Historische Anthropologie, Alltagsgeschichte, Mikrohistorie
- Individuum kehrt Ende der 1970er Jahre zurück, dank Kritikern aus dem Kreise der Sozialhistoriker
Vordenker:
historische Antrophologie : Jochen Martin, Hans Medick
Alltagsgeschichte : Alf Lüdtke
Oral History : Alexander von Plato
Lutz Niederhammer
Grund für die Reformbewegung 1979/80: Ölkrise 1973 + 79/80, weil mit ihnen das Wirtschaftswunder endete und „die Grenzen des Wachstums“ erreicht wurden => die Modernisierungstheorien wurden in Frage gestellt
Definition Modernisierungstheorien:
1 bezeichnet historische Verlaufsmodelle, mit denen eine sich steigernde Entwicklung der „Moderne“ beschrieben wird
2 Theorien sind davon abhängig, als was „Moderne“ definiert wird
z.B. historische Sozialwissenschaften hatten viel mit modernisierungs-theoretischen Ansätzen gearbeitet
Ursprünge
Definition historische Anthropologie (ab 1960er Jahre):
- disziplinübergreifende Forschungsrichtung
- untersucht mit kulturübergreifenden historischen Interesse den Menschen und seine Vorstellungswelt
wiki: Grundphänomene des menschlichen Daseins in ihrer historischen Veränderlichkeit werden untersucht
- Anfänge lassen sich auf Annales-Schule zurückführen
Impulsgeber: Claude Lévi-Strauss
Marshall D. Sahlins
Clifford Geertz
Definition Mikrogeschichte / Mikrohistorie:
- Konzeption von Geschichtswissenschaft, die ihr Interesse auf besonders kleine Forschungsgegenstände richtet (Geschichte eines einzigen alltäglichen Gerichtsprozesses)
- konzentriert sich auf begrenztes Forschungsfeld
- versucht über die Betrachtung des Kleinen Aufschlüsse über die Gestalt des Großen zu gewinnen
- Anfänge lassen sich auf Annales-Schule zurückführen
Hauptprotagonisten:
Carlo Ginzburg, Giovanni Levi
Definition Alltagsgeschichte
- Konzeption von Geschichtswissenschaft, in deren Interesse die konkrete historische Lebenssituation der Menschen stehen
- die Alltagsgeschichte zielt auf die Rekonstruktion der Wahrnehmungsweisen dieser Menschen
- Entstand Anfang der 1980er Jahre als eine Art „Laienbewegung“ - mit dem Gedanken, dass Geschichte machen nicht das Werk von Professionellen allein ist, sondern von allen betrieben werden kann
- Forum = Zeitschrift „Werkstatt Geschichte“
Hauptprotagonist: Alf Lüdtke
Forschungsinteresse
· bei allen drei Richtungen rückte das Individuum stärker in den Blick + hermeneutische Methoden wurden stärker verwendet
· alle drei versuchen mit dem erforschen kleinerer Einheit Rückschlüsse über größere Einheiten zu gewinnen, heißt nicht kleine Dineg anzuschauen (wie z.B. Päts Penis), sondern im kleinen zu schauen
· Individuum steht exemplarisch für soziale Verbände
· alle 3 Formen sind Formen von Sozialgeschichte
- allerdings anderer Gesellschaftsbegriff als Struktur- + Gesellschaftsgeschichte
· kollektive Erfahrungswerte wird Interesse zugesprochen
Grundfragen aller 3 lt. Jakob Tanner:
· jene nach dem Wandel von Menschenbildern und den sich verändernden diskursiven und medialen Bedingungen anthropozentrischer Selbstbeschreibung
· jene nach der Geschichtlichkeit der menschlichen Natur
· das historische Individuum ist nicht interessant, weil es geschichtswirksame Veränderungen leistet, sondern weil es exemplarisch für soziale Verbände steht
Mentalitätsgeschichte
Definition Mentalitätsgeschichte:
- bezeichnet eine Form der GW, bei der es in erster Linie um eine Untersuchung kollektiver Geisteshaltungen und Verhaltensweisen geht
- ist nur langsam wandelbar und wird vom jeweiligen Träger nicht reflektiert
- wesentliche Anstöße aus der Theorie der Annales-Schule
- Enge Bindung mit Soizalgeschichte, weil auch hier soziale Strukturen erforscht werden
- Mentalität ist eng verwandt mit dem Verhalten, das Bourdieu als „Habitus“ beschrieben hat
- Individuum spielt kaum eine Rolle
- Mentalität kann nicht formuliert, nur getestet werden
- In Deutschland hat sich Mentalitätsgeschichte nie richtig etabliert, sie wurde mit der Ideen- und Geistesgeschichte zusammen geworfen und mit hermeneutischen Methoden betrieben
Ideologie ↔ Mentalität (weitestgehend Alternativbegriffe