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Seminararbeit
Psychologie

Universität Bielefeld

2009

Inga P. ©
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ID# 11956







Inhaltsverzeichnis


  1. Einleitung 2
  2. Definition einer totalen Institution 2
  3. Theoretische Konzepte einer Annäherung an Disziplin, Strafe und

Eskapismus innerhalb einer totalen Institution und ihre literarische

Umsetzung am Beispiel von Behans „Borstal Boy“ 3

3.1.Einführung in den Roman 3

3.2.Foucault: Disziplin und Strafe 4

3.3.Goffman: Diskulturation und Entmenschlichung durch Strafe 6

3.4.De Certau: Fluchtstrategien aus der Gefangenschaft 12

3.4.1. Die Beschreibung des Ortes und die Gestaltung des

Raumes in den verschiedenen Gefängnissen 13

3.4.1.1. Dale Street lock-up – Ort 13

3.4.1.2. Dale Street lock-up – Raum 13

3.4.1.3. Walton Prison – Ort 13

3.4.1.4. Walton Prison – Raum 15

3.4.1.5. Feltham Boys' Prison – Ort 16

3.4.1.6. Feltham Boys' Prison – Raum 17

3.4.1.7. Hollesley Bay – Ort 17

3.4.1.8. Hollesley Bay – Raum 18

  1. Fazit 19
  2. Literaturverzeichnis 20



1. Einleitung

Jeder Mensch durchläuft im Laufe seines Lebens zahlreiche Institutionen, die jeweils ihre eigenen Spuren hinterlassen: sei es der Kindergarten, die Schule oder weiterführende Bildungseinrichtungen. Nicht zu Unrecht sprechen Erziehungswissenschaftler mittlerweile daher von einer Institutionalisierung der Kindheit.

Die Kinder verbringen unterschiedlich lange Zeit in den verschiedenen Institutionen, kehren jedoch immer wieder in eine nichtinstitutionalisierte Umgebung, die Familie[c1] , zurück. Die Konsequenzen, seien sie positiver oder negativer Art, sind daher reversibel[c2] .

Welche Auswirkungen hat es jedoch, wenn Menschen diese Rückzugsmöglichkeit nicht mehr haben, weil sie über einen längeren Zeitraum in einer totalen Institution[c3]  leben müssen?

Der Einfluss dieser ist nicht zu unterschätzen, insbesondere in Bezug auf die Langzeitfolgen. Sind totale Institutionen immer nur schädlich? Und wenn ja, was genau ist das Schädliche an ihnen?

In dieser Hausarbeit soll diesem anhand des autobiographischen Romans „Borstal Boy“ von Brendan Behan nachgegangen werden. In diesem beschreibt der Autor seine Jahre in einer englischen Erziehungsanstalt und zeichnet hierbei einen Großteil der typischen Charakteristika nach, die Personen in totalen Institutionen erleben. Interessant ist hierbei vor allem auch der Vergleich zwischen den verschiedenen Anstalten, die er durchlebt.

Doch zunächst muss die Frage geklärt werden, was eine totale Institution überhaupt ist. [c4] 

2. Definition einer totalen Institution

Goffman beschreibt die totale Institution als den Ort, an dem die sonst übliche Aufteilung des gesellschaftlichen Lebens in schlafen, wohnen und arbeiten durchbrochen wird und alles an einem Ort und unter der gleichen Autorität vollzogen wird. Hierbei finden jegliche Aktivitäten, die zeitlich genau terminiert werden und immer dem Ziel der Institution dienen, in einer großen Gemeinschaft statt, die von einigen Wenigen überwacht und kontrolliert wird.

Die soziale Distanz zwischen Personal und Insasse wird hierbei sehr groß gehalten, sodass die Insassen vom Personal nichts über die Entscheidungen erfahren, dir ihr persönliches Schicksal betreffen.

Er unterteilt die totalen Institutionen dabei in fünf Gruppen[1]:

  1. Institutionen zur Pflege der Insassen, die als hilfsbedürftig gelten, dabei aber keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, z.B. Krankenhäuser, Waisenhäuser, Altenheime, Psychiatrien
  2. Institutionen zur Pflege von hilfsbedürftigen Insassen, die aber eine Gefährdung der Allgemeinheit darstellen, z.B. forensische Kliniken
  3. Institutionen, die zum Schutz der Allgemeinheit vor potentiell oder offensichtlich gefährlichen Individuen, dienen, z.B. Gefängnisse, sog. Bootcamps, Konzentrations-lager
  4. Institutionen, die ein bestimmtes Arbeitsziel verfolgen, z.B. Militärbasen, Internate
  5. religiöse Institutionen, die als Zufluchtsort dienen, z.B. Klöster

Das zuerst genannte Bestimmungsmerkmal ist hierbei eines der wenigen, das für alle totalen Institutionen gleichermaßen gilt. Die Divergenz der verschiedenen Institutionsarten ist immens und insbesondere im Grad der Freiwilligkeit, der ausgeübten Gewalt enorm unterschiedlich, was in den anderen Bestimmungsmerkmalen deutlich wird.

Während sich Nonnen und Mönche in der Regel bewusst und freiwillig für ein Leben in dieser Institution entscheiden und es zwischen Personal und Insasse keine großen Distanzen gibt, werden Gefängnisinsassen gegen ihren Willen dort festgehalten. [c5] 

Totale Institutionen sind daher letztlich auch ein Hybrid: zum Einen sind sie eine Art Wohngemeinschaft, zum Anderen eine formale Organisation[2].


3. Theoretische Konzepte einer Annäherung an Disziplin, Strafe und Eskapismus innerhalb einer totalen Institution und ihre literarische Umsetzung am Beispiel von Behans „Borstal Boy“

Im Folgenden wird ein Abriss über die verschiedenen Theorien, die das Leben in totalen Institutionen zu beleuchten versuchen, erfolgen.

Vorher ist es jedoch notwendig, einen kurzen Überblick über den Roman, auf den diese Theorien gleichzeitig angewendet werden, zu geben.

Hierbei soll gezeigt werden, welchen Problematiken sich Insassen einer totalen Institution ausgesetzt sehen, aber auch, welche Möglichkeiten sie haben, in den totalitären Strukturen der Institution ihre Persönlichkeit zu wahren.

[c6] 3.1. Einleitung in den Roman

Der Roman „Borstal Boy“ aus dem Jahre 1958 ist eine autobiographische Erzählung über Brendan Behans Jahre in einer Erziehungsanstalt.

Mit 14 Jahren tritt der junge Ire in die IRA ein und übernimmt einige Aufträge als Sprengstoffkurier, weswegen er in Liverpool im Alter von 16 Jahren verhaftet und zunächst im Dale Street lock-up, danach dann im Walton Prison in Untersuchungshaft sitzen muss. Der Autor vermag es durch eine poetische Sprache die Brutalität des Ortes lebendig nachzuzeichnen – von der Entmenschlichung durch das Aufnahmeprozedere, über die Auswirkungen der Einzelhaft bis hin zur körperlichen und verbalen Gewalt durch die Bediensteten, als auch unter den Gefangenen[3].

Von hier aus geht es über die Zuweisungsanstalt Feltham Boys' Prison, in der er schon deutlich positivere Erfahrungen sammelt, in die offene Erziehungsanstalt Hollesley Bay, in der Behan drei Jahre verbringen wird. Hollesley Bay wurde 1938 als erste offene Erziehungsanstalt gegründet. Mit der Prämisse, an den Jugendlichen zu arbeiten und ihnen tatsächlich zu helfen, zu einem normalen Leben zurückzufinden.

So gab es von Beginn an ein vertrauens- und respektvolles Verhältnis zwischen Bediensteten und Insassen.[4]

War die Zeit im Walton Prison noch sehr von Gewalt und Angst geprägt, so verlebt er in Hollesley Bay eine recht glückliche Zeit, in der er durch seine offene und sympathische Art und durch seinen irischen Gesang viele gute Beziehungen knüpft. Auch wird er hier immer wieder neu gefordert und gefördert, z.B. durch die Teilnahme an einem Literaturwettbewerb, den er gewinnt.[5]

Deutlich wird in diesem Roman jedoch auch das pubertäre Temperament des jungen Mannes, der keine Gelegenheit auslässt, sich für den irischen Freiheitskampf stark zu machen[6].

3.2. Foucault: Disziplin und Strafe

In seinem Werk Discipline and Punish beschäftigt sich Foucault mit der Frage der Disziplin. Er erörtert, dass Disziplinierung immer schon ein Mittel war, andere dazu zu bringen, nach dem eigenen Willen zu agieren. Seit dem 18. Jahrhundert jedoch geht es bei der Disziplinierung um mehr als nur um Macht über die Körper, sondern vielmehr um Macht über die Effizienz dieser Körper.

Daher hat sich die Disziplinierung seit dieser Zeit auch krebsgeschwürartig ausgeweitet und sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens ergriffen[7]. Doch wie erfolgt diese Disziplinierung? Foucault beschreibt dazu verschiedene Methoden:

·             Verteilung: die nochmals unterteilt wird:

1.    Der erste Schritt zur Disziplinierung von Menschen liegt darin, sie an abgesonderten Orten zu verteilen und sie dort jeweils einzuschließen, d.h. eine Barriere zwischen Innen- und Außenwelt aufzubauen. Dies findet sich auch im Buch in allen Anstalten wieder, die Behan beschreibt.

2.    Diese Verteilung soll jedoch nicht kollektiv erfolgen, sondern individuell. Das bedeutet, das für jedes Individuum ein eigener Ort, eine eigene Parzelle vorgesehen ist. Nur so kann man das Verhalten jedes Einzelnen überwachen und steuern[8]. Auch dieses findet sich in Behans Autobiographie wieder.

Sowohl im Dale Street lock-up, als auch im Walton Prison verbringen die Gefangenen ihre Zeit in Einzelzellen. Abweichend hiervon übernachten die Jugendlichen sowohl in Feltham, als auch in Hollesley Bay in Schlafsälen. [c7] 

3.    Ziel dieser Partitionierung ist es auch, funktionale Räume zu schaffen, in denen jeder Einzelne nicht nur behandelt, sondern vor allem auch erfasst und registriert werden kann. Der Mensch innerhalb des Systems wird zunehmend gläsern. In den verschiedenen Aufnahmeprozedere werden sämtliche Daten der Inhaftierten erfasst und in Akten angelegt.

4.    Innerhalb dieser Verteilung sind die Elemente austauschbar und in einem stetigen Fluss des Ranges innerhalb des Systems eingebunden. Als Beispiel bringt er die Schule. In der Klasse gibt es bis zu 30 Individuen, die unter der Kontrolle des Lehrers stehen.

Durch Bewertungen auf der Basis von Prüfungen wird diesen Individuen jeweils neu ihr Rang innerhalb der Klassengemeinschaft zugewiesen, wodurch der Lehrer die Kontrolle über die Klasse behält. Ähnliches findet sich auch in Gefängnissen, in denen durch operante Konditionierung und die Herstellung von Hierarchien,, Kontrolle über die Individuen gewonnen wird.

·                 Kontrolle der Tätigkeiten durch

1.    Zeitplanung, durch Etablierung von Rhythmen, Auferlegung bestimmter Tätigkeiten und Festlegung der Wiederholungszyklen

2.    Zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit, in der jede Tätigkeit bereits vorher zeitlich genau abgemessen ist, sodass keine außerplanmäßigen Tätigkeiten möglich sind.

4.    Bindung des Körpers an das Objekt (insbesondere in militärischen Kontexten)

5.    Erschöpfende Nutzung, die keinen Müßiggang erlaubt. Dies zeigt sich beispielsweise in Hollisley Bay. Behan beschreibt die Insassen bei seiner Ankunft wie folgt: „They all had the appearance of hard work, and walked methodically, saving their energy for the job“[9]

·       Effiziente Zusammensetzung der Kräfte. Dies meint, dass jeder einzelne Körper

innerhalb des Systems beliebig platzierbar ist zur jeweils effizientesten Ausnutzung seiner Kräfte und seiner Zeit. Dafür ist jedoch ein präzises Befehlssystem notwendig, welches kurz und präzise ist und auch nicht hinterfragt wird.[10]

Foucault betont, dass zur Umsetzung dieser Machtverhältnisse und zur totalen Kontrolle auch die Gebäude umgestaltet werden müssen, in der die Überwacher gleichsam als „eyes that must see without beeing seen[11] agieren. [c8] 

Diese Kontrolle gipfelt in der panoptischen Bauweise, die eine größtmögliche Überwachung ermöglicht.

Sämtliche Gefängnisse wurden seit dem 18. Jahrhundert in dieser Bauweise gebaut, in der, vom Zentrum ausgehend, die Flügel sternförmig in die verschiedenen Richtungen ausgingen, mit Netzen zwischen den einzelnen Etagen, sodass von einem zentralen Punkt aus, jede Bewegung innerhalb der Anstalt überwacht werden konnte.

Zudem war jede Tür mit einem Türspion ausgestattet, sodass der Insasse sich permanent überwacht fühlte, wenngleich dies nicht immer der Fall war. Dies beschreibt auch Behan im Rückblick auf seine Zeit im Walton, das ein Paradebeispiel für solch eine funktionale Bauweise war. It's great to be on your own for a bit, in the sun, and in the country.

That's one thing you never were in Walton. Nor in any prison, I suppose. For all their solitary confinement you were watched and your every movement – even at times when you'd give a dog a bit of privacy. What they call in Irish – 'uaigneas gan ciuneas' – loneliness without peace.[12]

Doch wie kommt es dazu, dass totale Institutionen zu solch einer Diskulturation führen können?

Dazu muss zunächst betrachtet werden, was Enkulturation bedeutet.

In den Erziehungswissenschaften findet sich Enkulturation in enger Beziehung zu den Begriffen Bildung und Erziehung - die drei zusammen machen den Menschen denn auch zum Menschen. [c10] 

Die Erziehung ist es letztlich, die den Menschen handlungs- und überlebensfähig in der jeweils geltenden Kultur mit den jeweils spezifischen Bildungsinhalten macht. Die Erziehung bedient sich gleichsam unter anderem der Bildung und der Enkulturation, um ihre Ziele in dem Zögling zu verwirklichen.

Während sich Bildung – verkürzt formuliert – in der Regel hauptsächlich um die Vermittlung von Wissensinhalten kümmert, dient die Enkulturation der Einführung in die Kultur, das Erlernen der jeweils spezifischen kulturellen Eigenheiten – Sprache, kulturelles Gedächtnis, Werte und Normen der jeweiligen Kultur.

Zur Enkulturation bedarf es jedoch eines regen interaktiven Austausches zwischen Zögling und der Kultur.

Erst in der Auseinandersetzung mit und dem Leben in der Kultur kann sich dieser Prozess im Kind entfalten. Wichtige Voraussetzung hierfür ist eine vertrauensvolle Basis, die es dem zu Erziehenden ermöglicht in einem gesicherten Rahmen auch die Grenzen der Kultur auszuloten, eigene Erfahrungen zu machen.

Da Kulturen nicht statisch sind, sondern sich in einem stetigen Fluss befinden, verpasst der Insasse einer totalen Institution den Anschluss an diese Veränderungen und damit auch an die Kultur.

Ein weiterer Motor der Diskulturation ist jedoch auch die Entbindung der Insassen von jeglicher Verantwortung. Dieses Moratorium, das häufig einer therapeutischen Zielsetzung dient, birgt jedoch auch Gefahren.

Goffman schreibt, dass es den Anschein habe „that the disorganizing effect of this moratorium is more significant than its reorganizing effect.“[14]. Der Insasse verlernt nicht nur Stück weit seine Kultur, sondern auch seinen Habitus, sich diese Kultur anzueignen und durch kulturelle Teilhabe und Verantwortungsübernahme zu seiner eigenen zu machen.

Je länger der Aufenthalt in der Institution dauert, umso schwerwiegender ist der Prozess der Diskulturation.

Ein weiterer Faktor der Diskulturation, der von Goffman zwar nicht direkt angesprochen wird, aber im Labeling approach[15] schön umrissen wird, ist die Veränderung des Selbstkonzeptes.

Dieses Wissen verändert aber auch das Selbstkonzept.

Das Etikett, das vormals nur von außen aufgedrückt wurde, wird Teil des eigenen Selbst. Dies zeigt sich in dem Lied, das die Jugendlichen auf dem Weg nach Hollesley Bay singen:

Oh, they say I ain't no good 'cause I'm a Borstal Boy,

But a Borstal boy is what I'll always be,

I know it is a title, a title I bear with pride,

To Borstal, to Borstal and the beautiful countryside.

I turn my back upon the 'ole society,

And spent me life a-thivien' 'igh and low,

I've got the funniest feelin' for 'alf-inchin' and for stealin',

I should 'ave been in Borstal years ago,

Gor blimey!

I should 'ave been in Borstal years ago.[16]

Der Insasse wird nunmehr nicht mehr nur von Außenstehenden als „Knacki“, als „Wahnsinniger“ etc. bezeichnet, sondern übernimmt dieses Bild in sein Selbstkonzept und verhält sich künftig dementsprechend.

In der totalen Institution wird zudem eine Spannung zwischen Außenwelt und Innenwelt aufgebaut, die auch dazu dienlich ist, die Insassen unter Kontrolle zu halten. Um diese Spannung aufzubauen, berauben totale Institutionen die Insassen um ihre Persönlichkeit.

Diese Akten werden mit einer Nummer versehen, die ihm zugewiesen wird und die seinen Namen und damit auch seine individuelle Identität ersetzt.

Goffman macht diesen Prozess der Entmenschlichung auch in seiner Wortwahl drastisch deutlich: „Admission procedures might better be called „trimming“ or „programming“ because in thus being squared away the new arrival allows himself to be shaped and coded into an object that can be fed into the administrative machinery“[17]

Jegliche Möglichkeiten der Individualität werden so bereits von Anfang an unterbunden, auch mit dem Ziel, den Insassen von Beginn an dazu zu zwingen, sich an die Hausordnung, die Regeln und Gesetze der jeweiligen Institution, zu halten.[18]

Dieses Aufnahmeprozedere wird auch in „Borstal Boy“ ausführlich geschildert, so muss Behan im Walton Prison zunächst mehrere Stunden mit einem Handtuch bekleidet in einer kleinen Kabine verbringen[19], bevor er nach einer Dusche und einer Begutachtung vom Doktor vom Wachpersonal erneut entkleidet, vermessen und selbst im After nach verbotenen Gegenständen durchsucht wird[20].

Dabei muss erörtert werden, wie Strafe in einer totalen Institution aussieht, da sie notwendiger Bestandteil zur Aufrechterhaltung der Kontrolle innerhalb des Systems ist.

Hier findet sich auch die Besonderheit einer totalen Institution – sie bedient sich behavioristischer Methoden, die üblicherweise bei Kindern und Tieren angewandt wird.

Die operante Konditionierung erzielt eine Verhaltensformung durch positive und negative Verstärker. Positive Verstärker umfassen hierbei zum einen die Hinzufügung eines angenehmen Reizes, also eine Belohnung, aber auch das Entziehen eines negativen Reizes. Negative Verstärker sind zum einen die klassische Bestrafung, also das Hinzufügen eines negativen Reizes, aber auch das Entziehen eines positiven Reizes, z.B. der Entzug der Möglichkeit an Gottesdiensten teilzunehmen[21].

Eine effektive Form dieser Gewalt ist hierbei die Einzelhaft.

Dies zeigt sich auch in Behans „Borstal Boy“, in dem Behan die erste Nacht in Einzelhaft verbringt - „I hoped they would open my door. Even if they were distributing nothing better than kicks or thumps, I'd prefer not to be left out, in my cold shroud of solitude. Fighting is better than loneliness.[22]

So wird auch Behan vom Bediensteten schnell zur Raison gebracht, nachdem er es wagt, sein Frühstück einzuklagen. You'll order sweet fanny adams from outside, and never you mind the regulations, I'll regulate you, and give you a thick ear for your breakfast, if I get any more of your lip.“[24]

Behan ist sich in dieser Situation auch sehr deutlich der Übermacht der Bediensteten bewusst - „They could easily kill you. Say you cut up rough. It had happened before. Who would give a fish's tit about you over here?[25]

Diese Erfahrung spiegelt auch Goffman, dass vielen Insassen sehr wohl bewusst ist, dass sie sich in einer Umgebung befinden, die keine Garantie für ihr körperliches Wohlbefinden gibt.[26]

Aber auch[c11]  körperliche Gewalt ist keine Seltenheit. So beschreibt es auch Behan: „Mr Holmes looked gravely at Mr Whitbread, drew back his open hand, and struck me on the face, held me with his other hand and struck me again.“[27]

An anderer Stelle schreibt Behan: „They took me to the cell, and beat me in the face, slaps but not punches. The punches they gave me in the ribs, in the kidneys, ans once or twice they hit me across the face with a bunch of keys, bunt concentrated mostly on the guts and a few kicks in my arse, when they sent me sprawling across the room and shouted all the time about killing me [ .][28], nachdem er vom katholischen Priester enttäuscht, erneut zum irischen Freiheitskampf aufgerufen hat.

Mit den Gewaltanwendungen einher gehen auch Demütigungen, wie sie unter anderem in Abu-Ghraib deutlich wurden, wo Soldaten Gefangene auszogen und in eindeutigen und erniedrigenden Posen fotografierten.

Aber auch wenn diese Art des Missbrauchs nicht stattfindet, so ist der Insasse doch auch bei kleinen Angelegenheiten, die er draußen eigenständig regeln könnte, auf die Hilfe der Bediensteten angewiesen. Selbst um telefonieren zu können, oder etwas zu trinken zu bekommen, ist er von dem Gutdünken des Bediensteten abhängig, der ihm sein Begehren auch jederzeit ablehnen kann, wie es auch in der eben genannten Passage aus 'Borstal Boy' sichtbar wurde.

Losgelöst von den Möglichkeiten der Eigenbestimmung empfinden insbesondere Männer diesen Zustand als ungemein demütigend[c13] .

Interessanterweise lässt sich jedoch auch[c14]  bei Behan ein Prozess der Gewöhnung entdecken.

Zu Beginn der Haftzeit ist er aufgrund des Unbekannten noch sehr ängstlich. Die Strafmaßnahmen der Institution wirken daher auch noch stärker.

Aufgrund dieses Regelverstoßes wird ihm eine Strafe von einem Tag Isolationshaft, einem Tag Matratzenentzug und einem Tag Diät auferlegt, die er relativ gelassen aufnimmt: „Well, good old Rudyard, what an escape, I'd be out and about in three days' time[31].

Dies lässt sich zum Einen dadurch erklären, dass er für sich wirksame Mechanismen gefunden hat, dem Einfluss der totalen Institution zu entkommen, indem er sich z.B. durch das Singen irischer Lieder zurück nach Hause träumt. Zum anderen aber auch, dass er sich mehr und mehr die Anpassungsmechanismen angeeignet hat, die Goffman beschreibt.

Zum einen ist dies die Verbrüderung unter den Gefangenen, die mit einer Etablierung eines gemeinsamen Feindbildes einhergeht.

Durch die Ablehnung der Bediensteten entwickeln die Gefangenen ein relativ starkes „Wir-Gefühl“, ähnlich der Ergebnisse, die M.Sherif in seiner Ferienlagerstudie[32] herausgefunden hat. Hier haben die beiden Gruppen von Teenagern durch die Ablehnung der jeweils anderen Gruppe ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt.


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