1 Die
Idee der Marktnetze
August Lösch beschäftigte sich in seinem 1940
veröffentlichten Buch „Die räumliche Ordnung der Wirtschaft“ mit der Idee der
räumlichen Verteilung der Produktionsstandorte und die damit verbundene
räumliche Produktspezialisierung. Er bemerkte dabei eine gewisse Vernetzung der
Marktgebiete und erstellte auf der Grundlage dieser Feststellungen eine
Theorie, welche diese Vorgänge beschreiben und erklären soll. Lösch reiht sich
mit dieser Theorie in die zentralörtlichen Raumstrukturen und -systeme ein.
Dabei betrachtet er, anders als Johann Heinrich von Thünen, der den
landwirtschaftlichen Sektor untersuchte, rein die industrielle Produktion. Dabei
nahm er als Grundlage Daten, die er in seinen beiden jeweils 12-monatigen
Aufenthalten in den USA sammelte. Indianapolis und Toledo dienten dabei als die
Musterbeispiele seiner Theorie.
In der wissenschaftlichen Literatur wird oft davon
ausgegangen, dass August Lösch seine Theorie von Christallers Theorie der
zentralen Orte ableitete, oder diese weiterentwickelte, da beide Theorien stark
überschneidende Merkmale aufweisen. Ob dies der Fall ist, kann jedoch nicht
belegt werden. Eine Gemeinsamkeit, die Lösch mit Christaller, aber auch mit
J.H. von Thünen hat ist, dass die Theoretiker als wichtige Grundlagen voraussetzen,
dass Produzenten wie auch Nachfrager streng rational handeln und ihr wirtschaftliches
Verhalten immer im Sinne der Gewinn- und Nutzenmaximierung gesteuert wird. Der
wirtschaftende Mensch handelt somit auch bei Lösch als „homo oeconomicus“.
Diese ökonomische Grundlage ist ein hauptausschlaggebendes Merkmal für ihre
Standortwahl. Lösch geht jedoch noch von weiteren Annahmen aus.
2
Homogenitäts- und Gleichgewichtsbedingungen
2.1
Homogenitätsbedingungen
Wie auch Christaller geht Lösch bei seiner Theorie davon
aus, dass im gesamten Wirtschaftsgebiet an jedem beliebigen Punkt ein
einheitliches Wirtschaften möglich ist, da dieser Raum homogen ist. Somit ist
die Produktion eines beliebigen Gutes überall möglich, wobei auch der Output
dieses Gutes an jedem Punkt identisch sein muss. Dasselbe gilt für die Kosten.
Für jeden beliebigen Produktionsort gilt: Mit einem einheitlichen Einsatz von Material
ergibt sich die identische Menge produzierter Güter. Bei diesen Produktion-und
Nachfragefunktionen gilt zudem, dass die räumliche Verteilung der notwendigen
Produktionsfunktionen, die bei Lösch vor allem mit Rohstoffen und
Arbeitskräften einen hohen Anteil haben, und somit auch die Verteilung der
Bevölkerung beinhaltet, gleichmäßig sind. Zudem nimmt Lösch an, dass es keine
Unterschiede hinsichtlich der Kaufkraft der Konsumenten bzw. deren Bevorzugung
bestimmter Gütern gibt. Bei den Produzenten wird davon ausgegangen, dass von
ihnen immer nur ein Gut oder eine Gütergruppe produziert wird. Diese Güter
können, wie vorher beschrieben, an einem beliebigen Ort Produziert werden.
dabei geht Lösch wiederum davon aus, dass keine Unterscheidungen bei den
Lieferbedingungen gemacht werden müssen (Schätzl 2003, S. 84f).
2.2
Gleichgewichtsbedingungen
Zu den Homogenitätsbedingungen entwickelte Lösch weitere
Annahmen, damit das Wirtschaftsgebiet im Gleichgewicht gehalten wird. Die
Gleichgewichtsbedingungen werden in fünf Bedingungen unterteilt. Zunächst geht
Lösch von der Anfangs bereits erwähnten Gewinn- und Nutzenmaximierung der
Anbieter und Nachfrager aus, was zur Auswahl der Standorte ihrer Wohnungen und
Unternehmen beiträgt. Da der Mensch durch die homo oeconomische Annahme den
Überblick über den gesamten Raum des Marktgebietes hat, ist er so in der Lage,
seine persönliche Präferenz des von ihm angestrebten Standortes einfließen zu
lassen. Dazu trägt eine weitere Prämisse, die Lösch vorgibt, bei. Dadurch, dass
der Wirtschaftsraum homogen ist und eine Verteilung der Nachfrager
gewährleistet werden soll, ist es notwendig, den gesamten Raum mit allen Gütern
gleichermaßen zu versorgen. Lösch nennt dabei die Voraussetzung, dass sich die
Standorte der Anbieter in einer Anzahl ansiedeln müssen, um den Wirtschaftsraum
ganz abzudecken. Allerdings gibt er als zusätzliche Bedingung an, dass es
notwendig ist, eine rein kostendeckende Preisgestaltung vorzunehmen und auf
Zusatzgewinne zu verzichten. Dabei vertraut Lösch auf den freiwilligen Verzicht
der Anbieter auf Gewinne. Denn so wäre eine weitere Prämisse für das
Gleichgewicht der Standorte gewährleistet. Lösch nimmt an, dass sich durch den notwendigen
Verzicht eine Minimierung der einzelnen Standorte bewerkstelligen ließe, und es
so weiteren Mitbewerbern ermöglicht werde, sich auf dem Marktgebiet zu
etablieren. Als Letztes setzt Lösch voraus, dass es für die Grenzbereiche
Wirtschaftsgebiete keine Relevanz hat, welcher der Standorte sie angehören, da
die Grenzen als Indifferenzlinien angesehen werden müssen. (Lösch 1944, S. 64f)
3
Standortstrukturtheorie
Aufbauend auf die Homogenitäts- und
Gleichgewichtsbedingungen entwickelte Lösch die Standortstrukturtheorie, die
die Basis der Theorie der Marktnetzstruktur darstellt. Als Grundlage verteilt
er in diesem Modell über das gesamte Wirtschaftsgebiet autarke Bauernhöfe,
welche die Stellung kleiner Siedlungen annehmen. Jedoch legt er weiter fest,
dass das Gebiet, das zwischen den einzelnen Bauernhöfen liegt, unbewohnt sein
muss. (Schätzl 2003, S. 85). Als weitere Grundlage gibt Lösch die diskontinuierliche
Bevölkerungsverteilung im gesamten Marktnetz an. Das ergibt sich aus dem
Hintergrund, dass ein für jedes Gut individuelles Absatzgebiet notwendig ist,
damit es für den Produzenten möglich ist, sein Gut rentabel zu produzieren.
Dies ist zunächst von den Kosten des Gutes abhängig und zudem von der Nachfrage
der Konsumenten. Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, ergibt sich
durch die Lage und Größe der Marktgebiete eine zwingende, gleichmäßige aber
diskontinuierliche Verteilung der Bevölkerung (Lösch 1944, S. 79) Als letztes
Merkmal der Theorie bezog sich Lösch erneut auf die Grundlage, dass die
Siedlungen autarke Bauernhöfe sind. Denn diese Bauernhöfe sind Produzenten von unterschiedlichen
Gütern oder Gütergruppen, die diese über ihren Eigenbedarf hinaus in
unterschiedlicher Reichweite verkaufen. Diese Reichweite wird in diesem Zusammenhang
als die Zentralität eines Gutes bezeichnet. (Gebhardt 2008, S. 472).
4
Zentralität von Güter (-gruppen)
Wie auch bei
Christallers Theorie der zentralen Orte, hat auch Lösch (wie bereits oben
angesprochen) die Güter in unterschiedliche Reichweiten eingestuft. Dabei
ergeben sich zwei unterschiedliche Reichweiten, die untere und die obere Reichweite
eines Gutes. Die untere Reichweite entsteht durch die Kostendeckung der
einzelnen Güter. Nur wenn diese untere Reichweite eingehalten wird, lohnt sich
überhaupt die Produktion des Gutes oder der Gütergruppe. Wird diese Grenze
nicht eingehalten, dann kann der Anbieter die durch die Produktion entstandenen
Kosten nicht decken und würde sich dadurch nicht auf dem Markt halten können.
Zur unteren Reichweite eines Gutes existiert nun auch noch die obere Reichweite
eines Gutes. Diese stellt die Transportkosten, die der Anbieter veranschlagen
muss und die ein Nachfrager bereit ist zu bezahlen, damit er das gewünschte Gut
erwerben kann, dar. Lösch stellt dabei aber fest, dass jedes Gut seine eigene
Reichweite hat. Betrachtet man z. B. ein vom lokal anbietenden Bäcker produziertes
Brot und ein Automobil, so wird das vom Bäcker angebotene Brot einen weit kleineren
Einzugsbereich und damit eine kleinere Reichweite haben, als es das weit
überregional angebotene Automobil hat. Es werden sich wohl nur wenige finden lassen,
die bereit sein würden ein Laib Brot eines lokal Bäckers zu kaufen, das durch
den Transport über eine sehr große Entfernung, z.B. durch Verschiffung auf
einen anderen Kontinent, einen extrem hohen Preis erreicht. Anders stellt sich
dieser Sachverhalt bei einem Automobil dar. Hier muss man höhere
Transportkosten mit einkalkulieren bis es den Endverbraucher erreichen kann.
Betrachtet man jedoch die untere Reichweite dieser beiden Güter, so stellt sich
heraus, dass es beim Laib Brot viel schneller gelingt, den Peis so zu gestalten,
damit die Deckung der Kosten gewährleistet wird, als es bei einem Automobil der
Fall ist. Aus diesen Sachverhalten entwickelte Lösch zwei grundlegende Bedingungen
für die jeweiligen Güter. Zum einen bildet die untere Reichweite eines Gutes
die „notwendige Versendungsweite“ zur Deckung der Kosten, zum anderen ergibt
sich aus der oberen Reichweite ein für jedes Gut individuelles Marktgebiet
(Wagner 1998, S.71ff; Arnold 1992, S.120). Aus der unteren Reichweite wird nun
die Zentralität der Güter abgeleitet. Wie auch bei Christaller gilt bei Lösch:
je höher die Nachfrage nach einem Gut, und damit verbunden, je größer der
Einzugsbereich der unteren Reichweite ist, desto höher ist auch die Zentralität
des Gutes. Bei August Löschs Theorie spielen dabei die Güter eine größere Rolle,
als es bei Christaller der Fall ist. Christaller weist zwar auch jedem Gut eine
gewisse Reichweite bzw. Zentralität zu, allerdings ist dies nur eine notwendige
Voraussetzung um damit den Zentralitätsrang der einzelnen Orte zu erklären.
Lösch hingegen betrachtet nur die Reichweite der Güter, die für die autarken
Bauernhöfen ihre individuellen Marktgebiete darstellen, und setzt so die Zentralität
fest. Lösch unterteilt die Güter, je nach ihrer Reichweite, von G₁ bis Gn. Dabei legt er fest, dass das
Gut G₁ die
niedrigste Reichweite und somit auch die geringste Zentralität besitzt, G₂ die nächst höhere
Reichweite. Lösch geht davon aus, anders als Christaller, dass es endlos viele
Güter gibt, und es somit auch ein Gut Gn geben muss, das somit die höchste Reichweite hat (Barthelt,
Glückler 2003, S.114; Schätzl 2003, S.85).
5
Zuordnungsfaktor K
Quelle:
Lösch 1944, S. 75
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Wie auch bei der Theorie der zentralen Orte von Christaller, hat
Lösch in seiner Theorie erkannt, dass für eine flächendeckente Versorgung des
Wirtschaftsgebiets eine hexagonale Anordnung der Marktgebiete notwendig ist.
Zunächst stellt er fest, dass ein konzentrisches Marktnetz die ideale Form
eines Marktgebietes darstellen würde. Aber wie auch Christaller erkannte er,
dass dadurch Lücken zwischen den einzelnen Marktgebieten entstehen würden, die
nur schlecht gefüllt werden könnten. Lösch nahm dabei als Beispiel das
Ansiedeln von Brauereien. Er folgert aus der Annahme, dass, selbst wenn sich
Brauereien mit konzentrischem Marktgebiet noch so nah nebeneinander ansiedeln
würden, es trotzdem nicht möglich wäre, das gesamte Gebiet flächendeckend zu
versorgen. Diese Lücken (vgl. Abb.1) lassen sich nach Lösch nur schließen,
indem die kreisförmigen Märkte aneinander gepresst werden, bis daraus eine
birnenwabenförmige Struktur entsteht. Als Alternativen überlegte sich Lösch
noch zwei weitere geometrische Formen, um den Markt lückenlos abdecken zu
können. Die dreieckige oder die quadratische Form. Doch nur in der hexagonalen
Struktur sieht er den Vorteil, von der idealen Kreisform am geringsten
abweichen zu müssen (Lösch 1944, S. 74f). Als nächsten Schritt überlegte Lösch,
wie die einzelnen Siedlungen über ihren Eigenbedarf hinaus ihre umliegenden
Siedlungen versorgen müssten, um wieder das gesamte Wirtschaftsgebiet mit allen
Waren zu versorgen. Dabei erarbeitete er eine Versorgungsstruktur, wie sie mit
der nachfolgenden Abbildung 2 erläutert werden soll.
Quelle:
Schätzl 2003, S. 86
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Den Mittelpunkt
des Marktgebiets bildet grundsätzlich der Anbieter als Selbstversorger. Um ihn
herum verteilen sich die Nachfrager die es nun zu versorgen gilt. Lösch suchte
nun beim Gut G₁, mit der geringsten Reichweite die kleinstmögliche zu
versorgende Fläche, und gleichzeitig größtmögliche Anzahl an Siedlungen, die
dabei versorgt werden können. Durch die zuvor entstandenen Sechseckformen ist
es nun möglich, einzelne Siedlungen miteinander zu verbinden. Bei der geringen
Reichweite des Gutes war es am sinnvollsten, die Ecken des Marktgebietes zu
nutzen, um dabei als Anbieter weiter rentabel produzieren und als Nachfrager günstig
versorgt werden zu können. Dabei ergibt sich aber der Umstand, dass diese
Siedlungen nicht nur von einem Anbieter mit dem Gut G₁ versorgt werden, sondern von drei. Auf dieser
Erkenntnis entwickelte Lösch den Zuordnungsfaktor K, um eine einheitliche Versorgung
gewährleisten zu können. Dabei wird für jede versorgte Siedlung ein K- Wert K=1
festgelegt, wie es beim Anbieter selbst der Fall ist. Nun versorgt der Anbieter
des Gutes G₁ aber auch noch sechs weitere Siedlungen, diese
allerdings nur jeweils zu einem Drittel, da die weiteren Zweidrittel von den
mit angrenzenden Anbietern abgedeckt werden. Durch die Drittelung der sechs
Siedlungen ergibt sich daher ein K-Wert K=2. Zusammen ergibt sich nun für das
Gut G₁ ein Zuordnungsfaktor K=3. Betrachten wir denselben
Sachverhalt bei Gut G₂. Wieder versorgt sich der Produzent des Gutes selbst
und versorg wiederum umliegende Siedlungen. Nun ist es jedoch so, dass sich
diese Siedlungen nicht in den Ecken der Marktgebiete, sondern auf der Grenze
zwischen zwei Anbietern liegen. Daher ergibt sich ein anderes Verteilungsmuster
und folglich auch ein anderer K-Wert. Zu jedem Anbieter werden nun die
Siedlungen mit je der Hälfte angerechnet, was einen K- Wert von K=3 ergibt. Mit
dem K-Wert K=1 des Anbieters ergibt sich nun für das Gut G₂ ein K-Faktor K=4. Ein erneuter Unterschied besteht
zum Gut G₃. Hier umfasst das Marktgebiet des Anbieters alle Siedlungen
die versorgt werden müssen. Folglich werden diese nicht von weitern Anbietern
mitversorgt. Daher wird jeder Siedlung ein K-Wert 1 zugeschrieben, was in der
Summe einen K-Faktor K= 7 für das Gut G₃ ergibt. Vergleicht man hier Christallers Theorie, so lassen sich Parallelen
zwischen den Gütern mit den K-Werten K=3, K=4 und K=7 erkennen. Christaller
sieht seine Zuordnungsfaktoren als fixe Werte und rechnet zudem nur mit diesen
drei Werten. Dabei teilt er dem K-Wert 3 die Marktversorgung, dem Wert 4 die
Verwaltung und dem K-Wert 7 den Verkehr zu. Der Aufbau seiner
Verteilungsstruktur stützt sich alleine auf diese drei Werte. Lösch hingegen
weißt jedem Gut seinen eigenen K-Wert zu, der sich aus dem jeweiligen
hexagonalen Marktgitter erschließen lässt. Dadurch erreichen bestimmte Güter,
die ein relativ großes Marktgebiet haben, einen größeren K-Wert als K=7. Nimmt
man als Beispiel das Gut G₅ (vgl.
Abb. 2), so erkennt man einen größeren Versorgungbereich als bei den Gütern zuvor.
Zum notwendigen Eigenverbrauch hinzu, versorgt dieser Anbieter weitere sechs
Siedlungen vollständig, dazu sechs Siedlungen zu einem Drittel und zudem sechs
Siedlungen zur Hälfte. Daraus ergibt sich ein Zuordnungsfaktor K=12. Mit jedem
Gut, das einen höheren Einzugsbereich hat, vergrößert sich auch der Faktor des
Gutes. Es lässt sich aber kein Muster oder stetige Reihenfolge bei diesen Werten
erkennen (Ritter 1998, S. 200ff; Schätzl 2003, S.85ff)
5.1
Sonderfall: Extra-Gewinne
Obwohl Lösch als Prämisse des Gleichgewichtes Extra-Gewinne
untersagt, ist dies jedoch jederzeit möglich. Wird das Gut G₃ als Beispiel
betrachtet, so erkennt man, dass die eigentlich notwendige Versendungsweite
eines Gutes über die zu versorgenden Siedlungen hinausgeht. Ist also der
Anbieter dieses Gutes in der Lage seine Kosten bereits nach der Versorgung von
sechs Siedlungen zu decken, er aber im Stande sein muss die siebte Siedlung
noch zu versorgen, so macht er damit Extra- Gewinne. (Schätzl 2003, S. 87)
5.2 Vorteil einheitlicher Lieferzentren
In seiner Theorie wägt Lösch die Vorteile der einzelnen
Verteilungsmuster und damit ihre Lagermöglichkeiten voneinander ab. Er kommt
dabei zu dem Schluss, dass eine einheitliche Lagerung vorzuziehen ist. Diese
Position bekräftigt er mit mehreren Argumenten. Lösch hat erkannt, dass
Aufteilungen der Lieferzentren in der Verwaltungseinteilung kaum noch vorkommen
und weiter sich der Handel an politischen Zentren als lohnenswerte Handelsorte,
ausrichtet. Dies würde wirtschaftlich einen labilen Zustand hervorrufen, da
zwei bzw. drei Händler um einen Ort konkurrieren würden. Als letztes Argument
bezeichnet Lösch die Aufteilung der Lieferzentren als unwahrscheinlich, da er
einzelne Bauernhöfe als Siedlungen annimmt. Lösch befürchtet, dass wenn es doch
zu einer Teilung der Lieferzentren kommt, so würde in den angrenzenden
Absatzgebieten ein „Niemandsland“ entstehen, bei dem eine angebotsreiche
Marktwirtschaft verstärkt erschwert wird. (Lösch 1944, S.83f).
6
Anordnung der Zentren
Quelle:
Reichart 1999, S.87
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Mit der von Lösch als ideal erachteten, hexagonalen
Struktur der Marktgebiete, lässt sich, wie im Fall der Brauereien bereits
erwähnt, ein für jedes Gut individuelles, flächendeckendes, wabenförmiges
Marktnetz erreichen. Dies ist zunächst wieder ähnlich zu Christallers Theorie. Jedoch
sind die einzelnen Anordnungen der Marktnetze vollkommen verschieden.
Christaller schachtelt die einzelnen Waben ineinander, wobei sich die unterschiedlichen
Marktnetze aneinander orientieren und gleich ausrichten (vgl. Abb. 3). Lösch
hingegen bestimmt zuerst eine große zentrale Stadt und legt die einzelnen Marktgebiete
übereinander. Die so entstandene zentrale Stadt bildet gleichzeitig auch noch
ein Zentrum mit höchstem Rang, in welchen alle Güter verfügbar sind. Betrachtet
man die zehn kleinsten Marktgebiet um einer Metropole und rotiert diese, so
würde folgende Anordnung entstehen (vgl. Abb. 4). Die einzelnen Waben
orientieren sich nicht aneinander sondern erwecken zunächst den Anschein, dass
sie vollkommen wirr angeordnet wurden.
Quelle:
Dicken, Lloyd, S.35
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Quelle:
Dicken, Lloyd, S.34
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Abbildung 4: Rotierende Anordnung
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Abbildung 5: Sektorenbildung
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Quelle:
Lösch 1944, S. 28
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Wird jedoch hier das Wabennetz berücksichtigt, das Lösch über die
gesamter Erde zieht, dann bilden die Netze strahlenförmige Achsen, die vom Zentrum
ausgehen. Die Netze werden, vom kleinsten zum größten Marktnetz, nacheinander
um den zentralen Punkt rotiert, bis sie abwechselnd 30° Sektoren bilden (vgl.
Abb. 5).Dabei entstehen zwölf Sektoren, welche abwechselnd höhere bzw.
niedrigere Aktivitäten in der Produktion aufweisen. Lösch bezeichnet diese als
„städtereiche“ Sektoren mit höherer Aktivität bzw. „städtearme“ Sektoren mit
niedriger ökonomischer Aktivität. Diese Ausdrücke können allerdings zu Verwirrungen
führen. Lösch möchte damit nicht herausstellen, dass es weniger oder mehr zentrale
Orte in den einzelnen Sektoren gibt, sondern jeder Sektor besitzt die gleiche
Anzahl. Der Unterschied liegt darin, dass in städtereicheren Sektoren die ökonomische
Aktivität höher ist. Anders ausgedrückt, es gibt mehr höherrangige Zentren (Dicken,
Lloyd 1999, S. 34f). Durch diese Anordnung verringern sich die Abstände
zwischen den Produzenten untereinander, woraus verschiedene Vorteile für die
Versorgung des Marktgebietes gezogen werden können. Zum einen führt diese
wabenförmige Anordnung zu einer örtlichen Nachfragemaximierung, da hier die
meisten Standorte zusammenfallenund somit
ein Einkauf am entsprechenden Ort direkt erledigt werden können. Zum anderen
wird eine Minimierung der Transportkosten erreicht, da überflüssige Transporte
wegfallen und die noch benötigten auf einer stark verringerten Anzahl an
Verkehrslinien stattfinden kann. Bei diesem Aufbau erkannte Lösch, dass es eine
weitere Entwicklung bei der Ansiedlung der Siedlungen um die zentrale Großstadt
gibt. Ausgehend von der städtearmen Annahme bemerkte er, dass es notwendig ist,
dass inder unmittelbaren
Umgebung des Zentrums
Quelle:
Lösch 1944, S. 28
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ein städtearmer Bereich entstehen muss, da sich, so nah an der Großstadt,
nur wenige lokale Güter Kostendeckend produzieren lassen (vgl. Abb.6). Durch
diese Tatsache lässt sich ein weiteres Verteilungsmuster innerhalb der
einzelnen Sektoren erkennen. Es entstehen Ortschaften, bei denen keine
gewerblichen Eigenerzeugungen stattfinden. Andere Orte hingegen Weisen eine
sehr hohe Dichte an unterschiedlichen Produzenten auf. Lösch erkennt dabei aber
wieder eine Regelhaftigkeit an diesen Anordnungen. In der näheren Umgebung der
zentralen Großstadt lassen sich nur wenige dieser Häufungen erkennen. Entfernt
man sich jedoch weiter vom Zentrum, so entstehen zunächst vermehrt kleinere,
danach mittlere und schließlich größere Ansiedlungen von Marktgebieten. Dabei
lässt sich erkennen, dass diese gleich großen Gebiete keinesfalls dieselbe
Funktion aufweisen müssen. Vielmehr können gleichgroße Siedlungen unterschiedliche
Gewerbe hervorbringen. Eine weitere gewisse Regelmäßigkeit kann man auch
zwischen diesen Gebieten erkennen, denn meist liegen zwischen zwei größeren
Gebieten ein kleines. Dazu kommt, dass mit zunehmender Entfernung von der zentralen
Großstadt die Größe der Häufungen mit zunimmt (Lösch 1944, S.86ff).
7
Kritik an der Theorie der Marktnetze
In der Literatur wird die Kritik geäußert, dass das Modell
von August Lösch nur restriktiven Annahmen folgt. Lösch versuchte jedoch in
seinem Werk „Die räumliche Ordnung der Wirtschaft“ nicht die Wirklichkeit zu
erklären, sondern die gesamtwirtschaftliche Situation zu verbessern. Allerdings
vernachlässigt er wichtige wirtschaftliche Bestandteile, die gerade für die
industrielle Produktion zum Teil notwendig wären. Er vernachlässigt zum Beispiel
Faktorbewegungen. Somit rechnet er nicht damit, dass sich Arbeitskraft verlagern
könnte. Auch vernachlässigt er notwendige Güterbewegungen, die zwischen den
Systemen stattfinden. Und die Versorgung der Produzenten über Bezugsmärkte
lässt er auch außen vor (Schätzl 2003, S. 90). Als weiteren Kritikpunkt wird
die Annahme des „homo oeconomicus“ genannt. Anders als in der Theorie handeln
Menschen nicht immer eigeninteressiert und streng rational, sondern eher
subjektiv rational und darüber hinaus verfügen sie nur über begrenzte Informationen
(Knox, Marston, S. 472).
8
Fazit
Löschs Theorie kann durchaus als Weiterentwicklung zur
Theorie der zentralen Orte von Christaller gesehen werden. Durch die
Entwicklung der weiter fortlaufenden K-Werte, lässt sich der Aufbau der
Wirtschaft besser wiederspiegeln, da die fixe Hierarchie von Christaller in der
Realität eher nicht existieren kann. Eine weitere Verbesserung stellt zudem die
rotierende Anordnung der Netze, mit der sektoralen Aufteilung, und der dadurch wiederum
entstandenen Größenentwicklung der Siedlungen bei zunehmender Entfernung von
der Großstadt, dar. Diese lässt sich im wirklichen Wirtschaftsgebiet wiedererkennen.
Dennoch bleibt es eine Theorie, die nicht vollständig auf die Praxis übertragen
werden kann. Schon allein die genannten Kritikpunkte lassen dies nicht zu.
Literaturverzeichnis
Arnold K. (1992): Wirtschaftsgeographie
in Stichworten, Berlin.
Barthelt H., Glückler J. (2003): Wirtschaftsgeographie.
Ökonomische Beziehungen in
räumlicher
Perspektive. 2., korr. Aufl., Stuttgart.
Dicken P., Lloyd P. (1999): Standort und Raum. Theoretische
Perspektiven in der
Wirtschaftsgeographie,
Stuttgart.
Knox P., Marston S. (2008): Humangeographie. Gebhardt H.,
Meusburger P.,
Wastl-Walter
D. [Hrsg]. 4. Aufl., Heidelberg.
Lösch A. (1944): Die
räumliche Ordnung der Wirtschaft. 2. neu durchgearb. Aufl., Jena.
Reichart T. (1999):
Bausteine der Wirtschaftsgeographie. Eine Einführung, Bern.
Ritter W. (1998): Allgemeine Wirtschaftsgeographie. Eine
systentheoretisch orientierte
Einführung.
3., überarb. und erw. Aufl., München.
Schätzl L. (2003): Wirschaftsgeographie
1. Theorie. 9. Aufl., Paderborn.
Wagner H-G. (1998): Wirtschaftsgeographie. In: Glawion R., Leser
H., Popp H., Rother K.
[Hrsg.]:
Das Geographische Seminar. Braunschweig.