Die von Theodor
Storm (1817-1888) verfasste Novelle „Pole Poppenspäler“,
erschienen 1874 in der Zeitschrift „Deutsche Jugend“ in Leipzig,
thematisiert eine Liebesgeschichte und ihre anfänglich fehlende
Anerkennung in der Gesellschaft.
Der Lehrling des
Drechslermeisters Paul Paulsen erzählt in dieser Novelle wie ein
Bürger seiner Stadt seinen Meister „Pole Poppenspäler“ nennt.
Da dieser Name für ihn, in Bezug auf Herrn Paulsen, unbekannt ist,
fragt er ihn selber. Dieser reagiert eher aufgebracht und erzählt
seinem Lehrling eine Kindheitsgeschichte von ihm. Er berichtet von
seinem Leben in dem Dorf, in dem er noch heute lebt. Als eines Tages
die Puppenspielerfamilie Tendler die Stadt besucht um Aufführungen
ihres Marionettentheaters zu geben, lernt er die Tochter des
Puppenspielers kennen. Lisei zieht mit ihrem Vater und ihrer Mutter
durch Deutschland und ist nicht sesshaft. Die beiden Kinder verstehen
sich sehr gut und auch die Eltern der beiden bauen in den wenigen
Wochen eine freundschaftliche Beziehung zueinander auf. Nur ist diese
Beziehung zeitlich begrenzt und so müssen die beiden Freunde sich
trennen, da die Tendlers weiterziehen. Zwölf Jahre später ist Paul
Paulsen nach seiner Lehre bei einer verwitweten Meistersfrau in
Mitteldeutschland tätig. Eines Tages beobachtet er aus dem Fenster,
wie einem jungen Fräulein der Zutritt zu einem Gefängnis verwehrt
wird. Hilflos und orientierungslos steht die Frau nun auf der Straße.
Paul Paulsen bietet ihr seine Hilfe an und nun erkennt die junge Frau
ihren Paul aus Kindheitstagen. Lisei erzählt, dass ihr Vater wegen
angeblichen Diebstahls inhaftiert wurde. Die Meistersfrau gewährt
Lisei Aufenthalt in ihrem Haus und Paul bemüht sich um die
Freilassung des Vaters, der somit am darauffolgenden Tag das
Gefängnis verlassen darf. Aufgrund der Altersschwäche des Vaters,
seiner gesundheitlichen Probleme und den Tod der Mutter, beschließen
die Tendlers auf Wunsch von Paulsen das Puppenspielen aufzugeben und
ziehen mit ihm in Richtung Paulsens Heimat, wo Lisei und er sich
trauen lassen. Dabei kommt es anfangs zu wenig Akzeptanz innerhalb
der Stadt und eskaliert als der Vater Tendler nochmals eine
Aufführung mit seinen Puppen auf dem Rathausplatz gibt. Paul und
Lisei sind auch jetzt noch verheiratet.
Theodor Storm stellt
den Inhalt dieser Geschichte in einer Rahmen- und einer, bzw.
mehrerer Binnenhandlungen dar. In der eher überschaubaren
Rahmenhandlung erzählt hauptsächlich der Lehrling des Paul Paulsen
als Ich-Erzähler (S.240 – 242).
In dem ersten
Abschnitt der Binnenhandlung kommt Paul Paulsen selbst zu Wort und
erzählt seine Kindheitsgeschichte und die Begegnung mit Lisei
(S.242-272). Im zweiten Abschnitt der Binnenhandlung wird das
Wiedersehen nach zwölf Jahren mit Lisei und ihrem Vater in
Mitteldeutschland geschildert (S. 272-283) und im dritten Abschnitt
wird von dem gemeinsamen Leben in Paulsens Heimatstadt berichtet (S.
284-294). Also gibt es jeweils zwei Ich-Erzähler. In der äußeren
Erzählung, die zwischen den Binnenhandlungen immer wieder einsetzt,
den Lehrling und in der inneren Erzählung den Meister Paulsen.
Es treten immer
wieder Parallelen zwischen den Personen innerhalb der Erzählung auf.
Sei es der junge
Geselle Paulsen, der bei der verwitweten Meistersfrau in
Mitteldeutschland weit weg von der Heimat arbeitet. Deren Sohn
arbeitet ebenfalls in der Ferne um Erfahrung zu sammeln. Dies ist
wohl auf die Ordnung innerhalb des Zunftswesens (Zusammenschluss von
Handwerksmeistern) zurückzuführen. Die Witwe nimmt, aufgrund der
Tatsache, dass ihr Sohn weit weg von zu Hause ist, Paulsen sehr
herzlich bei sich auf (Binnenhandlung, Vgl. S.273). So auch Paulsen
und seine Ehefrau, bei denen ihr Lehrling auch immer herzlich
willkommen ist (Außenhandlung, Vgl. S.241).
Ein wichtiges Thema
dieser Novelle ist zudem auch die Gesellschaft während dieser Zeit.
Es war unüblich,
dass ein Mann aus der bürgerlichen Welt wie Paul Paulsen, der eine
solide Handwerkerausbildung vorzuweisen hatte, eine Frau des
„fahrenden Volkes“ geheiratet hatte.
Weil diese Künstler
arm und ehrlich seien und keine anerkannte Ausbildung haben, musste
die junge Familie einigen Spott über sich ergehen lassen (Vgl.
S.277f. und S.289f.), obwohl sie anderseits dem Bürgertum mit ihren
Aufführungen Abwechslung und Freude in den Alltag bringen. Daher
auch der Spitzname von Paul Paulsen und gleichzeitig Titel der
Novelle „Pole Poppenspäler“ (Paul, der Puppenspieler).
Theodor Storm
benutzt in diesem Werk besonders viele künstlichere Stilmittel, z.B.
Naturmetaphoriken , sowie ständige religiöse Bilder oder auch die
Marionetten, die als Symbol immer wieder auftreten. Diese Stilmittel
sind ein wichtiges Kennzeichen der Literatur des Realismus. Beim
„poetischen und bürgerlichen Realismus“ kommt es nicht nur
darauf an die Wirklichkeit/Realität (sprich hier die
gesellschaftlichen Zustände) zu erzählen, sondern auch dies
poetisch, bzw. künstlerisch mit sprachlichen Bildern zu unterlegen.
Primärliteratur:
Theodor Storm: „Pole
Poppenspäler“ in Die schönsten
Novellen. Von Boccaccio bis Storm.
Fischer Klassik, 1.
Auflage, 2008 daraus die Seiten 240 – 294
Sekundärliteratur:
Fritz Martini:
Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus. 1848-1898. Stuttgart:
Metzler 1981, S.752f.Franz Stuckert: „Theodor Storm Der Dichter in
seinem Werk“, Max Niemeyer Verlag Tübingen, 1966“
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