Fassung, am 8. Mai 2017
7A
Textinterpretation
In der Kurzgeschichte
„Mikado“, veröffentlicht 2006 veröffentlicht in der
gleichnamigen Sammlung von Kurzgeschichten, von Botho Strauß geht es
um einen Mann, dessen Frau während eines gemeinsamen Messebesuchs
entführt wird. Nach der Zahlung eines Lösegeldes wird ihm statt der
eigenen eine völlig fremde Frau nach Hause gebracht.
Ein Fabrikant besucht mit
seiner Frau eine Messe, woraufhin diese entführt wird. Nach dem er
sein ganzes Geld für die Lösegeldforderung bezahlt, bringen ihm
Beamte statt seiner Frau eine, die er noch nie zuvor gesehen hat.
Am
nächsten Tag findet er „die Fremde“ in der Garage vor, wie sie
gerade das kaum benutzte Fahrrad seiner Frau repariert. Er fantasiert
für einen kurzen Moment über eine Zukunft mit der für ihn fremden
Frau, wird aber mit dem Gedanken, dass sie möglicherweise mit den
Erpressern unter einem Hut stecke zurück in die Realität
gerissen.
Als die neue Frau dann beginnt, Geschichten aus ihrer
gemeinsamen Vergangenheit zu erzählen, um ihn daran zu erinnern,
dass sie wirklich seine Frau ist, streitet der Mann alles ab und sagt
sie könne das doch nicht wissen.
Am Nachmittag sucht er bei einem
guten Freund Rat, dieser ist aber mit anderen Dingen beschäftigt,
und ihm somit keine Hilfe. Schließlich kommt er zu der Erkenntnis,
dass er es sich ja gar nicht leisten könnte, noch einmal Lösegeld
für seine wirkliche Frau zu zahlen, und spielt abends der Gewohnheit
wegen mit der neuen Frau Mikado. Er fällt noch ein abwertendes
Kommentar gegenüber der Frau, und als diese schließlich gewinnt,
zerbricht sie kurzerhand eines der teuren japanischen Stäbchen,
woraufhin er plötzlich mit dem Gedanken spielt ihr etwas anzutun.
Der Fabrikant wirkt sehr statisch. Er zeigt im Text keine
wirklichen Emotionen, nicht einmal als ihm angeblich eine falsche
Frau gebracht wird. Sogar als er überlegt „der Neuen“ etwas
anzutun, wirkt er nicht sonderlich aufgeregt, sondern eher so, als
wäre das, worüber er nachdenkt, etwas ganz alltägliches.
Im
Text ist deutlich herauszulesen, dass er nicht wirklich eine
emotionale Bindung zu Frauen hat, und man könnte sogar sagen, sie
als Objekte, die man austauschen kann sieht. (Zeile 81 f.) Er nennt
sie im Text nicht beim Namen, sondern verwendet meist „die
Geschickte“ für die neue, und „die Gelehrte“ für die alte
Frau. Ebenfalls macht er sich keine Sorgen um die verschwundene Frau,
sondern trauert dem verlorenen Lösegeld hinterher. (Zeile 83 „Ich
habe weit mehr als mein Vermögen für sie geopfert.“)
Von der
alten Frau erfährt man nur, dass die schlau gewesen war. Die neue
Frau scheint sehr geschickt und selbstbewusst zu sein.
Der
Fabrikant verwendet viele positive Adjektive wie hübsch oder wachsam
wenn er über seine neue Frau spricht, während die vermisste immer
nur mit gelehrt beschrieben wird.
Die Geschichte wird von einer
unbekannten Person erzählt, und es kommen auch bei Gesprächen außer
einmal (Zeile 48 „Sie lächelte…und sagte:…“)weder direkte,
noch indirekte Reden vor. Der Satz wird vom Autor einfach ganz normal
weitergeführt.
Die Handlung spielt grundsätzlich zu Hause bei
dem Fabrikanten, nur einmal, als er eine Verabredung mit einem Freund
hat, ist der Handlungsort unklar.
Das Fahrrad und die Mikado
Stäbchen könnten symbolisch für die Beziehung der beiden stehen.
Erst versucht die Frau die Beziehung zu reparieren (Fahrrad),
scheitert aber daran, und beendet eigenhändig die Beziehung.
(zerbricht die Mikado Stäbchen).
Ebenfalls könnte das Lösegeld
symbolisch für etwas stehen, das der Mann in die Beziehung
investiert hat.
Der Mann verhält sich die
ganze Geschichte über sehr gleichgültig. Er zeigt keinerlei
Wiederstand, obwohl er meint die falsche Frau „gebracht bekommen“
zu haben.
Auf mich wirkt es so, als habe die Entführung der Frau
dem Mann in gewisser Weise die Augen geöffnet. Möglicherweise hat
sie vorher schon gerne an ihrem Fahrrad geschraubt, und war stets
wachsam und geistesgegenwärtig, nur hat er dem keine Aufmerksamkeit
geschenkt, weil er in die Arbeit vertieft war, oder sie nur noch als
Teil seiner täglichen Routine gesehen hat.
Als er mit diesem
guten Freund verabredet ist, merkt er wahrscheinlich zum ersten Mal,
dass dieser sich auch für Sachen wie Politik, Geld oder Familie
interessiert, weil er vorher bei solchen Verabredungen mit dem Kopf
wo anders war und nicht richtig zugehört hat.