Textgebundene Erörterung
„Die Gedanken sind frei“
Der vorliegende für Schüler
bearbeitete Ausdruck des Zeitungskommentars „Die Gedanken sind frei“,
geschrieben von Christoph Drösser und veröffentlicht im Jahre 2006 von der
Zeitung „Die Zeit“ in Hamburg, thematisiert den Einfluss von Medien wie Bücher,
Fernsehen, Film und Computer auf Jugendliche. Der informative, aber auch Appellative
Zeitungskommentar legt dabei den Schwerpunkt auf die Einordnung von fiktiver
und realer Gewalt und richtet sich an die Leser der Zeitung „Die Zeit“. Daraus
geht hervor, dass die Adressaten Erwachsene sind, die eventuell auch Kinder
haben, und die Intention die Aufklärung über Medien und ihre Handhabung ist, da
bereits eine Vielzahl an Menschen durch Amokläufe gestorben sind und die Kritik
speziell gegen Ego-Shooter-Spiele größer wurde.
Angesichts der Medienkritik, dass
Jugendliche wegen bösen Bildern und Worten auf böse Gedanken kämen, sollen
Zensuren und Verbote verschärft werden, was nicht nur Computerspiele, sondern
auch Bücher und Filme betrifft. Spieler wehren sich gegen die Vorurteile und
sehen in ihrem Zeitvertreib keine Verbindung zu Gewalthandlungen, da die Gewalt
in Spielen nur visuell dargestellt ist und zur Unterhaltung dient. Dabei
verlöre das Schießen auf menschliche Figuren ihren Reiz, wenn stattdessen auf
abstrakte Figuren geschossen würde. Das trifft ebenso auf Krimis zu: Ginge es
nur um Urkundenfälschung statt Mord, würde der Film an Spannung verlieren, da
die Gewalt im Fernsehen kaum mit der Verhöhnung von Opfern von Gewaltverbrechen
verbunden wird. Themen wie Tod und Sex waren in der Literatur schon immer
anregend für die Fantasie des Lesers, was ebenso für neuere Medien gilt und
ihnen ihren anfänglichen Schwung gab. Zwischen einer vorgestellten Tat und der
Tat selbst, zwischen einer Gewaltfantasie und Gewalt ist zu unterscheiden. Vor
extremer Gewaltdarstellung sollten Kinder allerdings geschützt werden, wofür
Altersbeschränkungen bei Filmen und Spielen eingeführt wurden. Kinder, die
heutzutage aufwachsen, können mehr sehen und hören als Kinder der sechziger
Jahre. Allein durch das Internet haben Jugendliche Zugang zu Millionen Bilder
und Videos über alle möglichen Details der Anatomie des anderen Geschlechts
sowie Geschlechtsverkehr. Durch Verbote und Zensur lässt sich dies kaum
vermeiden, wodurch Heranwachsenden sowie Eltern lernen müssen, mit diesen
Medien umzugehen. Die größte Gefahr, die von Computermedien ausgeht, ist also
nicht das unklar werden der Grenze zwischen Fiktion und
Gewalt, sondern die Möglichkeit, das soziale Leben ausschließlich im Netz
verbringen zu können. Der Freundeskreis eines Menschen könne also vollständig
aus Freunden im Internet bestehen, wodurch das Leben ihren Sinn verlieren
könne, sobald der Stecker gezogen wird.
Der Zeitungsartikel besteht aus elf
Absätzen, die linksbündig und linear ausgerichtet sind. Die im Text verwendete
Sprache ist einfach und verständlich. Der Autor verwendet Anglizismen, d.h.
englische Wörter, die im Deutschen übernommen wurden, wie „Ego-Shooter“ (S. 2,
Z. 77) und „Cyberspace“ (S. 2, Z. 88), was den erwachsenen Lesern die
‚Jugendsprache‘ näher bringt und den jugendlichen Lesern das Gefühl vermittelt,
mit dem Autor gleichgestellt zu sein. Des Weiteren kommen im Text einige
Fremdwörter vor wie „Konjunktur“ (S. 1, Z.5), was in der Wirtschaft benutzt
wird, und „Anatomie“ (S. 2, Z. 55), was in der Biologie verwendet wird. Dies
zeigt den Lesern, dass der Autor gebildet ist und über Kenntnisse in dieser
Thematik verfügt. Außerdem kommen neben einigen einfachen Hauptsätzen, viele
Nebensätze vor, wie „Die Idee, Jugendliche vor dem schädlichen Einfluss von
Medien zu schützen, muss und darf man deswegen nicht aufgeben.“ (S. 2, Z.
61-62). Einfache Sätze, wie z.B. „Das darf er.“ (S. 1, Z. 31), wirken auf den
Leser eindringlich, ebenso wie die Parataxe wie „Es besteht ein Unterschied
zwischen einer Gewaltfantasie und Gewalt, zwischen einer vorgestellten, medial
ausgeschmückten Tat und der Tat selbst.“ (S. 1, Z. 39-41). Die Hypotaxe wie
„Studien mit Jugendlichen, die ausgiebig Ego-Shooter spielen, haben ergeben,
dass das Ballern auf Zombies und menschliche Figuren emotional eine viel
geringere Wirkung hat als ein traditioneller Spielfilm mit einer komplexen,
‚lebensnahen‘ Handlung.“ (S. 2, Z. 76-79) wirken dabei viel anschaulicher auf
den Leser. Der Autor beschreibt die Thematik sehr bildlich, wie im letzten
Absatz deutlich wird: „Viele finden dadurch überhaupt erst Anschluss. Aber es
ist oft ein Anschluss im Wortsinn: ein Leben, das seinen Sinn verliert wenn man
den Stecker zieht.“ (S. 2, Z. 89-91). Diese Metapher verbildlicht das Problem
und wirkt sehr anschaulich und eindringlich auf den Leser.
Der
Autor stellt nachvollziehbare Bezüge her und belegt seine Argumente durch
verschiedene Fakten. Filme, Fernsehen und Bücher sind fiktiv und haben sehr
viele Möglichkeiten, ob mit guter oder schlechter Wirkung, Geschichten zu
erzählen. Diese können ausgedacht sein oder auf realen Geschehnissen beruhen,
doch bleiben diese Medien in jeder Hinsicht eins: unreal. Daher ist es
verständlich, dass Filme, in denen durch Computermanipulation Kindermissbräuche
dargestellt werden, anders zu betrachten sind als Filme, in denen Kinder real
missbraucht wurden. Wie der Autor sagt, solle man zwischen vorgestellter Gewalt
und realer Gewalt unterscheiden, da jeder Bürger auf böse Gedanken kommen darf.
Das Gesetz bestraft nur diejenigen, die solche in die Tat umsetzen. Denn die
„Gedanken sind frei“, genauso wie die Meinungsäußerung frei sein kann. Ich
stimme daher dem Autor zu. Das Verschwimmen der Grenze zwischen Fiktion und
Realität ist also nicht das Hauptproblem, wie der Autor sagt, sondern das
Flüchten in die virtuelle Welt. Auch hier stimme ich dem Autor zu, da durch
lange Beschäftigung am Computer das reale Leben vernachlässigt wird. Die
Menschen, die ihre Zeit in der ‚virtuellen Welt‘ verbringen, sehen dort die
Möglichkeit, aus ihrem Alltag zu fliehen und in einer ‚anderen Welt‘ ihre
Persönlichkeit neu zu gestalten, also hinter einem Bildschirm versteckt, hat
man keinen direkten Kontakt zu anderen Menschen. Man wird nicht als Mensch
gesehen, sondern als eine Spielfigur. Das finden einige reizvoll, und hier
liegt die Gefahr. Man wird abhängig, denn ohne den Anschluss des Computers gibt
es für die Betroffenen keinen Anschluss zu ihren sozialen Kontakten.
Das
sprachliche Niveau des Textes ist ein Gleichgewicht zwischen umgangssprachlich
und gehoben. Während der Autor sich hauptsächlich leicht verständlich ausdrückt
und Anglizismen einbaut, verwendet er an einigen Stellen Fremdwörter und
Begriffe wie „Marquis de Sade“ (S. 1, Z. 33), „Mutzenbacher-Urteil“ (S. 1, Z.
37) und „Nabokov“ (S. 2, Z. 49), die man als durchschnittlicher Bürger nicht
kennt, sondern erst mit einem gewissen Bildungsstand. Die Autorenintention
wurde verwirklicht, das heißt man hat als Leser einen Einblick in die
Komplexität der Problemstellung durch Medien bekommen und erfahren, worin das
eigentliche Problem liegt. Die Adressatenpassung ist stimmig, denn durch das
Gleichgewicht von gehobener Sprache und Umgangssprache ermöglicht es sowohl
gebildeten, erwachsenen und auch jugendlichen Lesern angesprochen zu werden. Die
sprachlichen Mittel haben eine positive Wirkung auf die Intention des Autors.
Einfache Sätze wirkten eindringlich und komplexere Sätze anschaulich, wodurch
der Leser die Thematik nicht nur versteht, sondern auch nachvollziehen kann.
Das
Thema ist heutzutage relevant, da bereits mehrere Male Amokläufer in die
Nachrichten kamen und für Unruhe in der Gesellschaft sorgten. Die darauf
folgende Kritik gegen Computermedien, besonders den Ego-Shooter-Spielen, nahm
stark zu und der Autor versucht, den Lesern die Thematik aus einer anderen
Perspektive näher zu bringen. Der Autor stellt dabei Bezüge aus anderen Medien
her, die den rechtschaffenden Bürger betreffen, um ein anderes Verständnis
hervorzurufen, und verdeutlicht die Freiheit der Gedanken und Meinungen im
Gegensatz zu tatsächlichen Gewalttaten.
Zu
der Zielgruppe gehöre ich ebenso, daher fühle ich mich angesprochen, und der
Text bestätigt meine Meinung, denn ich spiele auch Ego-Shooter und sehe Filme
mit Gewaltdarstellung, jedoch verführen sie mich nicht zu Gewaltverbrecher.
Durch den Autor konnte ich allerdings neue Inhalte zu dieser Thematik erfahren,
wie z.B. der Bezug zur Literatur.