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Inhalt: Die Textanalyse ermöglicht ein tiefes Verständnis von Jurek Beckers "Jakob der Lügner". Sie beleuchtet die komplexen Charakterbeziehungen und die Bedeutung von Hoffnung unter extremen Bedingungen. Der Leser erhält Einblick in die narrative Struktur und Erzähltechniken des Autors, sowie in den historischen Kontext des Holocausts. Die Analyse zeigt, wie Humor als Überlebensstrategie dient und reflektiert über die moralischen Dilemmata der Figuren. Dieses Wissen kann das Leseverständnis vertiefen und zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Werk anregen.
Jakob der Lügner von Jurek Becker
Textanalyse
Der Völkermord an den Juden war lange ein Tabuthema der deutschen Literatur. Jurek Becker, selbst Jude, brach 1969 mit einem seiner bekanntesten Werke dieses Tabu. In dem Roman „Jakob der Lügner“ wird von den letzten Wochen in einem polnischen Ghetto vor der Deportation der Insassen erzählt.
Becker selbst verbrachte seine Kindheit in einem solchen Ghetto, jedoch ohne jegliche Erinnerung.
Im Folgenden befasse ich mich mit der vorliegenden Textstelle. Hier erfährt Jakob Heym, der lügt, um Hoffnung in das Ghetto zu bringen, dass er seinen langjährigen Freund Kowalski in den Selbstmord trieb, weil er ihm die Wahrheit über das Radio erzählte.
Das Radio war eine Lüge, genau wie all die erfundenen Neuigkeiten. Jakob nahm Kowalski die Hoffnung und so auch das Leben.
Jakob macht sich auf den Weg zur Arbeit. Aufgrund einer Menschenansammlung vor Kowalskis Haus vermutet er, dass sein Freund wieder einmal geschwätzig ist und die Neuigkeit des Geständnisses Jakobs verbreitet. Dann entdeckt Jakob das offene Fenster und stürmt in das Zimmer Kowalski.
Er sieht, dass Kowalski Selbstmord begangen hat. Zwei Fremde legten ihn ins Bett und Jakob war mit ihm allein. Er macht sich große Vorwürfe und gibt sich die Schuld an Kowalskis Tod, da er sich nur das Leben nahm, weil Jakob ihm durch das Geständnis die Hoffnung stahl.
Doch Jakobs Geständnis allein war nicht der Grund für Kowalskis Selbstmord.
Jakob und Kowalski kannten sich schon vor der Zeit im Ghetto. Ihre Beziehung ist sowohl geschäftlich als auch freundschaftlich. Beide waren Geschäftsleute, Jakob besaß eine Gaststätte und Kowalski war „Friseur“ (S. 261, Z. 18). Die beiden verband ein Abkommen, Jakob bekam gratis die Haare geschnitten und Kowalski konnte dich umsonst den Bauch voll schlagen.
Auf dem Geschäftlichen baute sich eine Freundschaft auf. Jakob und Kowalski wissen eine Menge über den anderen und bedeuten sich viel. Jakob kennt viele negativen Eigenschaften Kowalskis, er nennt ihn „misstrauisch, verschroben, ungeschickt, geschwätzig und ober gescheit“ (S. 261, Z. 21-23), trotzdem „ist Kowalski nicht irgendeiner […] Kowalski ist Kowalski.“ (S. 261 Z. 3-5).
Kowalski war ein Leidensgenosse Jakobs, sein Freund vor und im Ghetto. Sie unterstützen sich gegenseitig und haben sich des Öfteren gegenseitig „Mut zum Weiterleben verschafft [ .]“ indem sie Probleme miteinander besprachen und sich gegenseitig beim beseitigen .....[Volltext lesen]
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Bitte Dokument downloaden. Die Insassen ertragen jeden Tag Grausamkeiten, Zwangsarbeit und Hunger, denn oft „fällt das Mittagessen aus“ (S. 262, Z. 14). Viele verhungern, ihre Leichen liegen auf den Gehwegen. Allen fehlt es an Überlebenswillen und vor allem an Hoffnung, was auch an den zahlreichen Verboten und Regeln, die es im Ghetto gibt, liegt.
Jakob wollte nur Mischas Leben durch das erlogene Radio retten, doch er rettete dadurch tausende vor dem Selbstmord. Er brachte Hoffnung zu beinahe allen Juden im Ghetto. Es wurden wieder Zukunftspläne geschmiedet und viele haben an die Befreiung geglaubt, auch Kowalski.
Als dieser nun erfuhr, dass sein längster und bester Freund ihn angelogen hatte, war er doppelt enttäuscht. Vielleicht ärgerte ihn es auch, dass Jakob so ihn so lange belogen hat. Kowalski ist so enttäuscht, dass er sich das Leben nimmt. Doch vielleicht hätte er sich das Leben ohne die Lüge Jakobs viel eher genommen.
Durch Jakobs Lüge und die dadurch entstandene Hoffnung lebte nicht nur Kowalski länger, die Selbstmordrate im Ghetto sank auf null. Jakob rettete also vielen Menschen das Leben, oder machte die letzten Monate ihres Lebens erträglicher. Denn am Ende wurden sie deportiert und so erfährt auch der Erzähler, ein Überlebender des Holocausts die Geschichte von Jakobs Lüge.
Er war im selben Ghetto wie Jakob und lernt diesen durch Lina erst bei der Deportation im Zug kennen. Jakob vertraute ihm seine Wahrheit über die Lügengeschichte an. Im Nachhinein forscht der jüdische Erzähler selber nach, reist an die Orte des Geschehens, sucht andere Zeitzeugen, erzählt aus Quellen und anderen Erzählungen.
Vieles reimt er sich selbst zusammen um Lücken in der Geschichte zu füllen, wie zum Beispiel das erfundene, erste, schönere Ende. Im Roman wechselt der Erzähler oft die Erdzähltechnik vom auktorialen in den personalen Erzähler, seltener benutzt er auch die Ich-Perspektive.
Die Erzählzeit wechselt ebenfalls, meistens wird das Geschehen im Präsens wiedergegeben doch wech.....
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Bitte Dokument downloaden. Deswegen denke ich, dass Jakob keine Schuld trifft. Sein Geständnis war nur einer von vielen Faktoren der Kowalskis Tat verursachte. In meinen Augen ist Jakob ein Held, der vielen hunderten Juden durch eine grausame Zeit half und kein Mörder. Er hat viel Stress, hohes Risiko und nervende Insassen auf sich genommen, weil er an die Bedeutung der Hoffnung glaubte und auch wusste, dass sie ohne diese sowieso verloren sind.
Kowalskis Selbstmord bewies ihm das und animierte ihm zum Weiterlügen.
Jakob rettete viele Leben und ist nicht an dem Tod seine.....