Installiere die Dokumente-Online App

<
>
Upload File
Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

MCG Hohen Neuendorf

Note, Lehrer, Jahr

1+

Autor / Copyright
Maximilian F. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.04 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern
ID# 80644







Interpretation einer Dramenszene aus Gerhart Hauptmanns “Vor Sonnenaufgang”


In der Szene aus dem 1889 geschriebenen Drama “Vor Sonnenaufgang” thematisiert Gerhart Hauptmann die unterschiedlichen politischen Ansichten und Wertvorstellungen der beiden Protagonisten Loth und Hoffmann.


Hauptmann stellt in dieser Szene zwei Figuren vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Das Gespräch gehört zur Exposition des Dramas, da in ihm zwei Hauptfiguren und der zwischen ihnen bestehende grundlegende Konflikt vorgestellt werden.

Die Szene spielt im Haus der Familie Krause und besteht aus dem Dialog zwischen Hoffmann und Loth. Beide sind ehemalige Schulfreunde, welche sich an ihre gemeinsame Vergangenheit und Jugendideale erinnern, diese aber aufgrund ihrer jetzt unterschiedlichen Lebensumstände anders bewerten. Während Loth weiterhin von seinen aus Jugendzeiten stammenden sozialistischen Zielen überzeugt ist, sind diese für Hoffmann nur noch “Kindereien“ (Z. 2).

Die Szene lässt sich zeitlich nach dem ersten Aufeinandertreffen der Schulfreunde einordnen, bei dem sich bereits bei Gesprächsthemen wie dem Alkoholkonsum gezeigt hat, dass sich beide auseinander gelebt haben. Der Dialog ist von besonderer Bedeutung für die weitere Handlung des Dramas. Zum einem werden Loth und Hoffmann als Protagonisten vorgestellt und der Leser erhält einen genaueren Eindruck von ihren Charakteren und ihren Lebensumständen, zum anderen werden zum ersten mal Konflikte deutlich, wie zum Beispiel die sozialen Unterschiede in der Gesellschaft. Mit Loth und Hoffmann treffen Menschen aus zwei unterschiedlichen Welten aufeinander. Loth sieht in Hoffmann einen ehemaligen Freund der seit langem seine Jugendideale verraten hat.


Der Dialog beginnt mit einem Ausruf Hoffmanns, der sich entsetzt und verwundert an seine und Loths Jugendzeit zurückerinnert. Die damals von beiden angestrebten hohen politischen Ziele, wie zum Beispiel die gerechte Verteilung der Güter, bezeichnet er nun abschätzig als “Kindereien” (Z.2) und sich selbst und Loth als “Gelbschnäbel”. Durch die Hervorhebung des Wortes “wir” in der darauffolgenden Ellipse “-wir und Musterstaat gründen! Köstliche Vorstellung!” (Z.3) unterstreicht er auf ironische und sich distanzierende Weise den Wahnsinn ihres damaligen Vorhabens, nach Amerika zu fahren und dort einen “Musterstaat” (Z.7) zu errichten. Loth reagiert hierauf nachdenklich und teilt zunächst Hoffmans Meinung, dass es sich damals um zu hoch gesetzte Ziele handelte. Die erlittenen Rückschläge hindern ihn aber nicht daran an seiner Überzeugung fest zu halten.

Trotz Loths Eingeständnis eines teilweisen Scheiterns, lässt Hoffmann nicht von dem Thema ab, sondern redet sich in Rage, indem er die Details ihres Planes und dessen unmögliche Umsetzung schildert. Der unvollständige Satz “Das ist ja beinah ver…” (Z.8) , welcher wahrscheinlich auf “verrückt” enden sollte, lässt erkennen, mit welcher Herablassung er Lot sieht und wie distanziert ihre Beziehung geworden ist. Er versucht nicht nur, seine Meinung zu vertreten, sondern kritisiert die Ansichten seines alten Studienfreundes und appelliert erstmals an Loth, diese zu überdenken (“Denk doch mal an..” Z. 6).

Immer wieder amüsiert er sich über die damaligen Pläne, indem er sie mit einer “Kaltwasserkur” vergleicht und deren Ergebnisse ironisch “vorzüglich” nennt (Z.10). Durch seine Lästereien, auf die Loth versucht, sachlich zu antworten, stellt er sich selbst über ihn.

Die unterschiedlichen Argumentationsweisen der Studienfreunde werden darin deutlich, dass Loth den Begriff der zuvor genannten “Kaltwasserkur” aufnimmt, indem er zustimmt, “abgekühlt” worden zu sein. Er räumt sogar ein, dass das Vorhaben in Amerika gescheitert ist (Z.11). Allerdings sieht er dies nicht als Niederlage, sondern als natürlichen Prozess eines jeden an, der für seine Ideale kämpft. Durch seine ständigen Relativierungen und Rechtfertigungsversuche nimmt er aber auch eine untergeordnete Rolle ein, die ihm Hoffmann zuschreibt. Weiter appelliert er an Gemeinsamkeiten während des Studiums, indem er von der damaligen Zeit erzählt und den positiven Auswirkungen, die sie auf beide hatte. Zum einen gab das gemeinsame Streben nach einer besseren Welt dem faden Universitätsleben einen Sinn (Z.15ff.) und zum anderen machte es nach Loths Auffassung aus beiden aufgeklärte Menschen (Z.18f.). Anders als Hoffmann kritisiert er dessen Ansichten nicht direkt, sondern versucht, ihn durch beschwichtigende Argumente zu überzeugen.

Dies scheint bei Hoffmann zunächst auf Zustimmung zu stoßen, da er zugibt, vieles aus dieser Zeit gelernt zu haben (Z.20ff.). Dabei bleibt er aber dennoch herablassend und distanziert. Den damaligen Grundgedanken unterstützte er immer noch, auch wenn er ihn nicht so radikal wie Loth umsetze, was er durch die Metapher “mit dem Kopfe durch die Wand rennen” (Z.23) verdeutlicht. Seine oft euphemistische Ausdrucksweise wie “alles seinen natürlichen Gang gehen lassen” (Z. 24f.), lässt darauf schließen, dass sich Hoffmann in seinem materiellen Wohlstand eingerichtet hat und inzwischen ganz andere Ziele als die Durchsetzung des Sozialismus verfolgt, dies aber vor Loth nicht offen sagen möchte und aus diesem Grund nur seine übereilte Vorgehensweise erwähnt. Er beginnt wie bereits zuvor Loth aufgrund seiner finanziellen Situation, gesellschaftlich unter ihm zu positionieren indem er ihn fragt, ob es Loht nicht bereut, sich für seine Ziele kompromittiert zu haben (Z.29ff.). Mit dieser Aussage spielt er wahrscheinlich auf den zweijährigen Gefängnisaufenthalt Loths in Amerika an.

Erneut nimmt Loth die Verteidigungsrolle ein und rechtfertigt sich vor Hoffmann (Z.32 und 36-38), er sei “ohne Schuld” verurteilt worden. Für ihn stehen die vergangenen Zeiten im Vordergrund, ausgedrückt durch die Wiederholungen des Wortes “wir” (Z.37). Als er anfängt auf Zustimmung Hoffmanns aufgrund seiner damaligen MItgliedschaft zu hoffen, fällt ihm dieser ins Wort. Mitglied sei er angeblich nicht gewesen, sagt Hoffmann über sich selbst (Z. 39). DIe Tatsache, dass er Loth unterbricht, zeigt erneut die Differenzen zwischen den beiden. Er respektiert seinen Gesprächspartner nicht und zieht erneut über seine Einstellungen her (Z.40-43). Er rät Loth von einer Veränderung “von unten herauf” ab, da diese erfolglos scheine und sich das Volk nicht genug auskenne. Durch seine herablassende Bezeichnung der unteren Bevölkerungsschichten als “armes Volk” (Z.43) oder “Pöbel”, unterteilt er die Gesellschaft in deutlich voneinander unterscheidbare Klassen. Vermutlich fühlt er sich ,als nun wohlhabender Bürger, bereits zu diesem Zeitpunkt von Loths Motiven bedroht. In späteren Szenen versucht er ihm das Schreiben eines Artikels über die sozialen Missstände der Umgebung auszureden.

Mit seinen offensiven Anschuldigungen scheint er bei Loth nicht auf Zustimmung zu treffen, da dieser sagt, aus seinen Worten nicht schlau geworden zu sein (Z. 47). Hoffmans Reaktion ist nun noch deutlich, indem er Loth die DIfferenzen zwischen sich und ihm darstellt. Hoffmann sieht sich selbst in der Lage (wahrscheinlich durch seinen erlangten Wohlstand), zu tun was er will. Er könne auch die damals gesetzten Ziele in die Tat umsetzen (Z.48f.). Loth hingegen, ist in seinen Augen Machtlos und nicht in der Lage, eine Veränderung zu bewirken (Z.50).


Offensichtlich handelt es sich bei Loth und Hoffmann um 2 Charaktere mit deutlich unterschiedlichen Motivationen und Zielen. Loth stellt das “wir” der beiden Jugendfreunde in den Vordergrund, während sich Hoffman darauf konzentriert, die Unterschiede zwischen den beiden dar zu stellen und seine übergeordnete Position zu verdeutlichen. Dies ist vor allem in der Ausdrucksweise erkennbar. Loth spricht ruhig und geduldig in vollen Sätzen. Hoffmann hingegen spricht ohne nachzudenken, weswegen er in unvollständigen Sätzen spricht.

Die Unterschiedlichkeit der Charaktere lässt darauf schließen, dass sich ein größerer Konflikt annähert.


Alles in allem ist diese Szene typisch für die Epoche des Naturalismus. Ein zentrales Thema sind die sozialen Missstände, da Loth als überzeugter Sozialist aus diesem Grund nach Schlesien kommt und somit den Grundstein für das Drama legt. Zum anderen ist dies in der Tatsache, dass eine reich gewordene Familie neben armen Arbeitern lebt, erkennbar. DIe Realität wird somit ungefiltert dargestellt. Im späteren Verlauf des Dramas wird dies noch in den Familiären Problemen der Familie wie Alkoholismus oder Inzucht deutlich. Zudem spricht der Autor zu Beginn der Szene direkt das Zentrale Thema an.

Trotz ihrer Unterschiedlichen Ansichten reden beide Figuren in einer einfachen und alltäglichen Sprache, was ein weiteres Zeichen für den Naturalismus ist.

Gerhart Hauptmann hat mit seinem Werk vor allem ein damals relevantes Thema angesprochen, aber auch heute ist es noch von Bedeutung. Die Schere zwischen arm und reich ist nach wie vor real, wenn auch deutlich geringer als früher.




Swop your Documents

G 2 - Cached Page: Friday 29th of March 2024 02:01:18 AM