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Interpretation

Szenen­ana­lyse: Iphigenie auf Tauris Akt II, Szene 1 (Vers 680 - 761). Goethe

928 Wörter / ~2½ Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Ina S. im Jan. 2012
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Interpretation von  Pflichtlektüren zum Abitur: Schülerwerke zu Faust I, Iphigenie auf Tauris, Die Leiden des jungen Werthers (Pflichlektüren, Band 3)
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Dokumenttyp

Interpretation
Deutsch

Universität, Schule

Pädagogium Bonn - Otto-Kühne-Schule Päda/Paeda

Note, Lehrer, Jahr

2012

Autor / Copyright
Ina S. ©
Metadaten
Format: pdf
Größe: 0.31 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 13310







Szenenanalyse: Iphigenie auf Tauris

Akt II, Szene 1 (V.680-761)

 

Ausschnitt aus Akt II, Szene 1 (V.680-761)

  1. Ordnen Sie die Textstelle in den Handlungszusammenhand ein (auch nach der Theorie des Dramas nach Gustav Freytag).
  2. Erarbeiten Sie am Text, wie Orest und Pylades jeweils ihre Abhängigkeit von den Göttern definieren und erläutern Sie den Satz "Du mehrst das Übel/und nimmst das Amt der Furien auf dich" (V. 756).
  3. Ergänzen Sie Iphigenies Position zwischen Determination und Freiheit bezogen auf ihre Handlungsoptionen bis einschließlich Akt III.

1) Einorden der Textstelle

Der vorliegende Ausschnitt aus dem 1. Auftritt des 2.Aufzugs aus Johann Wolfgang von Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ (1786) welcher der Epoche der Weimarer Klassik zuzuordnen ist, stellt einen Dialog zwischen Orest und Pylades dar, in welche Pylades versucht Orest von seinem Fluchtplan zu überzeugen.

Die beiden waren kurz zuvor am Ende des 1. Aufzugs, der die Exposition darstellt, auf Tauris angekommen und sollen nun, wie es das Gesetz vorschreibt, der Göttin Diane geopfert werden. Im 1. Auftritt des 2. Aufzugs, der der steigenden Handlung zuzuordnen ist, möchte Orest in seinem Wahnsinn schon den bevorstehenden Tod akzeptieren, da er den Willen der Götter, für unausweichlich hält, wohingegen Pylades an ihre Rettung glaubt. Darauf trifft Pylades im 2. Auftritt auf Iphigenie und appelliert an ihr Mitgefühl um sie dazu zu bewegen ihnen bei ihrer Flucht zu helfen, wobei er seine und Orest’s wahre Identität nicht preisgibt, was ebenfalls zur steigenden Handlung gehört.

 

2) Im Folgenden werde ich die unterschiedliche Einstellung Pylades’ und Orest’s zu den Göttern analysieren.

Der Ausschnitt beginnt damit, dass Pylades Orest daran erinnert, was die Götter durch ihn schon alles getan haben,  und er sich glücklich schätzen solle („Allein, o Jüngling, danke du den Göttern, dass sie so früh durch dich so viel getan“ V.699-700), was mittels einer Anapher („so […] so[…]) betont wird und auf eine optimistische Einstellung hindeutet. Darauf entgegnet Orest jedoch, dass alle Taten, die die Götter durch ihn vollbracht hätten, nämlich den Mord an seiner Mutter, der durch den Tantalidenfluch unausweichlich war,  nur negativ seien. Er versinkt dabei in Selbstmitleid und Schuldgefühlen („Glaube, sie haben es auf Tantals Haus gerichtet, und ich der letzte, soll nicht schuldlos, soll nicht ehrenvoll vergehn“ V. 710-713), da er zu dieser Tat von den Göttern gezwungen wurde. Auch diese beiden Verse werden durch eine Anapher hervorgehoben. Orest möchte sich in seiner pessimistischen Denkweise dem Schicksal ergeben und hat nur noch den Wunsch zu sterben („So hab ich wenigstens geruh’gen Tod“ V. 729), Pylades jedoch schwärmt ihm vor, dass die Götter sich vielleicht schon längst einen Plan zu ihrer Rettung  ausgedacht hätten („vielleicht reift in der Götter Rat schon lange das große Werk“ V.733-734). Pylades denkt im Gegensatz zu Orest sehr optimistisch und legt den angeblichen Willen der Götter nach seinen Interessen aus.

Orest’s Einstellung gegenüber den Göttern besteht also darin, dass er glaubt alles sei von dem Willen der Götter vorherbestimmt und hält deshalb eine Überwindung des Tantalidenfluchs für unmöglich. Er ist von der völligen Determination durch die Götter überzeugt und wird dadurch handlungsunfähig. Pylades dagegen glaubt nicht an den Tantalidenfluch („De Götter rächen der Väter Missetat nicht an dem Sohn“ V. 713-714) und bleibt, obwohl er an die Götter glaubt, handlungsfähig, da seiner Auffassung nach nur die Taten zählen („Ein jeglicher […] nimmt sich seinen Lohn mit seiner Tat hinweg“ V. 715-716).

Dies wird auch durch mehrere Antithesen verdeutlicht („Es erbt der Eltern Segen, nicht ihr Fluch“ V.717; „der hohen Götter Wille“ und „So ist’s ihr Wille denn, der uns verderbt“ V.720).

Pylades wirft Orest, der immer wieder betont, dass solange der Fluch auf ihm liege es keinen Sinn habe zu handeln, schließlich vor “Du mehrst das Übel und nimmst das Amt der Furien auf dich“ (V. 756-757). Die Furien können hier als Orests überwältigende Schuldgefühle gedeutet werden, die Orest handlungsunfähig machen. Dieser Deutung zufolge sind es also nicht mythische Wesen (die Furien), die Orest an einer selbstbestimmten Handlungsweise hindern sondern er selbst, durch seine Schuldgefühle.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass dieser Dialog ein Musterbeispiel der Aufklärung ist, da hier Determination (der Götter) und Freiheit gegenübergestellt werden. Jedoch führt die Überzeugung von der Determination durch die Götter letztendlich nicht zur Lösung des Problems, sondern das freiheitliche Denken, das die Grundlage für ein selbstbestimmtes Handeln ist. Man könnte das Drama also als einen Appell an das Publikum zur Mündigkeit sehen, was einem der Hauptanliegen der Dichter der Klassik entspräche, nämlich die Persönlichkeitsformung. Ein weiteres Merkmal der Klassik besteht in dem Bezug auf die Antike, der durch die Allgegenwärtigkeit des Tantalidenfluchs im Bewusstsein der Protagonisten, deutlich wird. Auch die revolutionären Ziele der Französischen Revolution spiegeln sich in diesem Drama wieder, da es sowohl um Freiheit, als auch Brüderlichkeit im Sinne von der Wertschätzung von Familienbanden, und auch Gleichheit geht, wenn Iphigenie als Frau schließlich die Lösung herbeiführt.

 

3) Iphigenies Handlungsoptionen am Ende des 3.Aufzugs bestehen in der gemeinsamen Flucht mit Orest und Pylades oder in deren Opferung.

Die beiden Möglichkeiten repräsentieren dabei Freiheit und Determination, da die Opferung der beiden eine Handlung nach dem Willen der Götter wäre, wohingegen sie selbstbestimmt handelt, wenn sie mit den beiden flüchtet. Jedoch ist auch hier die Frage, inwiefern sie autonom handelt oder doch von Pylades beeinflusst ist. Am besten wird Iphigenies Position verdeutlicht, als sie Diane um Orests Rettung durch sich selbst anfleht („Willst du mir durch ihn und ihm durch mich die sel’ge Hülfe geben“ V. 1329-1330). Sie glaubt also nicht an ein aktives eigenes Eingreifen der Göttin, sondern ist vielmehr von einem Handeln der Göttin durch sich selbst überzeugt. Dies entspräche dem Bild des klassischen Humanismus, demnach das Göttlich im Menschen ist, also keine vom Menschen losgelöste Instanz, und der Mensch somit autonom ist.


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