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Protokoll
Literaturwissenschaft

Karl-Franzens-UniversitÀt Graz - KFU

1, Wolf, 2018

Katja RĂŒ. ©
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Lyrik Theorie
10. Versformen und lyrische Gattungen

10.2 Lyrische Gattungen (Prosagedicht)

Literaturwissenschaft Allgemein
11.Literaturwissenschaftliche AnsÀtze und `MethodenŽ
(am Beispiel von Wordsworth, „The world is too much with us“)
11.1 Einleitung: die PluralitÀt der Herangehensweisen an das `AndereŽ/an Texte als
Beitrag zur menschlichen Selbsterkenntnis und der hermeneutische Ansatz
11.2 Der marxistischer Ansatz
11.3 Der Ansatz der gender studies

Lyrik Theorie

  1. Versformen und lyrische Gattungen

    1. Lyrische Gattungen – Prosagedicht
      Um ein SchriftstĂŒck der Großgattung Lyrik und im nĂ€chsten Schritt zu einer bestimmten lyrischen Gattung zuordnen zu können wird unter Anwendung der Prototypensemantik, mit `mehr oder weniger zutreffendenÂŽ Merkmalen, versucht eine Bestimmung zu finden.
      Prosa kommt vom lateinischen prƍsa oratio und bedeutet gerade heraus, schlichte Rede.

      Der Begriff bezeichnet eine Sprache die im Gegensatz zur Formulierung in Versen, Reimen und Rhythmus ungebunden ist.
      Das Prosagedicht zeigt Devianz von der Alltagssprache, Tendenz zur KĂŒrze, emotionale PerspektivitĂ€t ist wichtiger als ObjektivitĂ€t, suggerierte PrĂ€senz eines belauschten Bewusstseins, wenig bedeutende Ă€ußere Handlung, Absolutheit und erhöhte Selbstreferenz als wichtige Eigenschaften der lyrischen Gattung.
      Die auffÀlligste Besonderheit ist die Verfassung in alltagssprachlicher Betonung, in prosa, und dem damit verbundene totalem Ausfall der Versifikation und des Metrums.

      Daraus ergibt sich eine geringe NÀhe zur OralitÀt und der Performanz Simulation. Des weiteren wird die Eigenschaft der NarrativitÀt nur angedeutet.
      Beispiel Seasamus Heaney, “Incertus” aus New Selected Poems TP11

      Einen wichtigen Kontext stellt der dominante Katholizismus in Irland, der Heimat des Dichters Seasamus Heaney, dar.
      Im Gedicht wird die Unsicherheit eines lyrischen Ichs im Raum einer kirchlichen Schule in GegenĂŒberstellung von zwei AbsĂ€tzen als Entwicklung dargestellt.
      Der Sprecher zeigt sich im ersten Absatz bemĂŒht gegen die Unsicherheit „tagged under my efforts like a damp fuse“ aber akzeptiert das erhaltene Pseudonym „incertus“ mit dem Bewusstsein jemand anderer zu sein „I went disguised in it“.

      Es wird durch die Konnotation von „expert obeisance“ eine bestimmte Distanz zum erwarteten Gehorsam impliziert und zeigt eine Differenz der inneren Befindlichkeit und dem Ă€ußerlichen Verhalten.
      Im zweiten Absatz zeigt „I crept before I walked“ einen starken Kontrast der Entwicklung.

Kroch der Sprecher zuvor noch unter der Last, so steht er jetzt aufrecht und lĂ€sst sein Pseudonym als vermodertes Kleid zurĂŒck „lies there like a mouldering tegument“.
Zwischen den beiden AbsĂ€tzen fĂ€llt die BegrĂŒndung fĂŒr die Entwicklung aus, dies nennt man nach Wolfgang Iser Leerstelle oder ausgesparte Sinnanschließbarkeit.
Unter der folgenden Anwendung der Prototypensemantik lÀsst sich dieser Text, trotz Abweichungen, als Gedicht zuordnen.
Devianz von der Alltagssprache 
Innerhalb von wenigen Zeilen finden sich viele nicht umgangssprachliche Begriffe und stellt somit eine sehr starke Abweichung dar.
Beispiele:
incertus – unsicher, Unischerheit disguised – getarnt, verkleidet
tagging – to tag – kennzeichnen, markieren a fuse – ZĂŒndschnur, Sicherung, Lunte
tegument – Bedeckung mouldering – zerfallend, vermodernd
pseudonym – Psydonym, Deckname obeisance –

Allerdings fehlt die KausalitÀt als Nexus
zwischen den beiden Phasen der Entwicklung als typisches narratives Merkmal,
auch ist nicht klar wieviel Zeit dazwischen verstrichen ist.
Absolutheit 
Der Text ist anwendbar auf mehr als eine Figur und Situation.
Erhöhte Selbstreferenz 
Die Isotopie Unsicherheit zeigt mit „incertus, ancertain, shy soul, pseudonym“ eine
semantische Rekurrenz welche selbstreferentiell zueinander steht, ansonst
sind hier keine weiteren Beziehungen zu finden.
Versifikation 
Verfassung in Prosa und damit an den Vers durch formale Mittel wie
Metrum und Reim ungebunden.
NÀhe zur OralitÀt und Performanz Simulation -
Perfomanz kann durch Beispiele wie „Oh yes“ simuliert und als im Moment
gedacht vorgestellt werden, aber aufgrund der fehlenden Versifikation lÀsst sich
im allgemeinem wenig NÀhe zur OralitÀt herstellen.

  1. Literaturwissenschaftliche AnsÀtze und `MethodenŽ Approaches
    (am Beispiel von Wordsworth, „The world is too much with us“)
    Theoretischer Hintergrund S8 Faktoren der Textkommunikation und einige Dimensionen der Literaturwissenschaft

    1. Einleitung: die PluralitÀt der Herangehensweisen an das `AndereŽ/an Texte als Beitrag
      zur menschlichen Selbsterkenntnis und der hermeneutische Ansatz

Die Hermeneutik kann als Beschreibung des Weges zum Verstehen mit geisteswissenschaftlichen VerstÀndnis betrachtet wird. Im Gegensatz zur Naturwissenschaft, bei welcher ZusammenhÀnge bemessen und erfasst werden, deutet die Geisteswissenschaft vom menschlichen Geist geschaffenen Dinge.

Der hermeneutische Ansatz ist die Weise zu Beschreiben wie VerstÀndnis zustande kommt und stellt somit die Basis aller anderen approaches dar.
Es werden zwei Positionen mit unterschiedlichen Wissenshorizonten oder Verstehenshorizonten unterschieden:
das Subjekt: das verstehen will
das Objekt: das es zu verstehen gilt und von einem Subjekt geschaffen wurde
Verstehen wird in der Hermeneutik als Verschmelzung zwischen dem Horizont von dem der Verstehen will und demjenigen der das zu verstehende Objekt geschaffen hat gesehen.


Objekt


Text


Verstehen


Horizont Subjekt


Autor


Horizont Subjekt


Interpret


Horizontverschmelzung


Eine Möglichkeit zur AnnĂ€herung an den meist starren Horizont des Objekts, ist Vermittlung von Vorwissen ĂŒber den kulturellen Kontext, Autor, Zeitepoche. Dieses Wissen befördert das Wissen um den Text in höhere Positionen der Erkenntnis und kann in anderen FĂ€llen Vorwissen darstellen.

Diese Dynamik von Wissen und Erkenntnis wird im hermeneutischen Zirkel oder in der hermeneutischen Spirale dargestellt. Dabei gilt Verstehen als unabschließbarer Prozess.


Beispiel William Wordsworth „The world is too much with us” TP12


England steht um 1800 am Beginn der Industrialisierung und Kommerzialisierung. Der Text spiegelt die Mechanisierung des Lebens und die damit verbundene Entfremdung „getting and spending, waste our powers, given our hearts away“. Ebenso dient die Romantik in sich als eine Form der Antwort auf Trennung zwischen einer urbanen Kultur und der natĂŒrlichen Landschaft.


    1. Der marxistische Ansatz
      Es gilt Elemente nach dem bestimmten Raster des Marxismus hervorzuheben und zu bewerten. Grundlegende Kenntnis der marxistischen Weltanschauung und dem damit verbundenen Kommunismus sind Voraussetzung fĂŒr diese Herangehensweise. Die materialistische Weltanschauung manifestiert die Religion als falsches Bewusstsein und sanktioniert Gewalt als notwendiges Mittel um die klassenlose Gesellschaft herzustellen und ungerechte GĂŒter- und Machtverteilung aufzuheben.
      Der marxistische Ansatz reagiert sensibl gegenĂŒber MachtverhĂ€ltnissen im Text und kritisch auf geistige und religiöse Elemente.

Beispiel William Wordsworth „The world is too much with us” TP12

Dieser Ansatz erkennt im Gedicht die Entfremdung als leidvolle Erfahrung des Kapitalismus und sieht dies als Hinweis auf die gefÀhrliche Wirkung eines nur ökonomischen Wirkens. Die Lösung mithilfe der Religion wird als falsches Bewusstsein aufgefasst.

Geschichtlich zurĂŒckzufĂŒhren auf den Feminismus legt dieser approach den Fokus auf Formation der Geschlechterrollen, Metaphern und Personifikationen.


Beispiel William Wordsworth
„The world is too much with us“ TP12
Das lyrische Ich wird aufgrund von kulturellen Aspekten und aufgrund der dargestellten Sicht der Wohlhabenden als Mann gewertet. Weibliche Personifikationen finden sich in „sea, moon“ und der Religion und leiten zur Erkenntnis, dass das GefĂŒhl der Entfremdung bei der weiblich konjungierten Idee, der Religion, Zuflucht sucht.

Die Religion selbst ist durch mĂ€nnliche, griechische Gottheiten personifiziert, welche jedoch aus dem weiblichen Mutterbild „sea“ oder Religion hervorkommen.


Jeder Approach zeigt eine interessante Position des jeweiligen Textes auf, aber aufgrund der perspektivischen Brechung verbergen sich auch Aspekte unter der jeweiligen Hinsicht. Alleine mit einem Ansatz ist es unmöglich alle Facetten zu erfassen.

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