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Fachbereichsarbeit

Streit um Verhalte­n: Soziolog­ische Thematis­ierungen psychisc­her Störunge­n

4.749 Wörter / ~19 Seiten sternsternsternsternstern_0.5 Autorin Sabine M. im Nov. 2011
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Fachbereichsarbeit
Soziologie

Universität, Schule

Universität Kassel

Note, Lehrer, Jahr

2009, Herr Dellwing

Autor / Copyright
Sabine M. ©
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Format: pdf
Größe: 0.23 Mb
Ohne Kopierschutz
Bewertung
sternsternsternsternstern_0.5
ID# 10956







Streit um Verhalten:

Soziologische Thematisierungen
„psychischer Störungen“


Universität Kassel


Institut für Gesellschaftswissenschaften

Sommersemester 2009


Inhaltsverzeichnis


1.  Ausarbeitung Teil 1 S.


2.  Ausarbeitung Teil 2 S.


3.  Ausarbeitung Teil 3 S.


4.  Literaturliste


Einleitung


In dieser Ausarbeitung werde ich mich mit der sozialen Rolle des „Kranken“ beschäftigen und darauf untersuchen, inwieweit die Rolle des „kranken“ einem von den Medizinern zugeschrieben wird. Und ob in allen Ländern die gleichen Symptome gleich behandelt werden.

Meine Hypothese lautet „Schreibt die Medizin dem Individuum die Rolle des Kranken zu?“


Zunächst stellt sich die Frage was ist „Krank“ und was ist „Gesund“

Nach T. Parson ist Gesundheit „ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert worden ist.“ Gesund heißt also, dass man im Alltag zu funktionieren hat körperlich sowohl als auch geistig.

Jeder Mensch übernimmt im Laufe seines Lebens mehrere Rollen, an diese Rollen sind bestimmte von der Gesellschaft vorgegebenen Normen gebunden.

Normen sind festgelegte Regeln einer Gemeinschaft, es sind die Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten des Individuum, das sind Regelmäßigkeiten sozialen Verhaltens, die über Konformität und Abweichungen, Gebote und Verbote Auskunft geben. Normen sind gesellschaftlich und kulturell bedingt und unterliegen immer den sozialen Wandel.

Ebenfalls Gesundheit und Krankheit sind keine festen Größen, sie variieren über Jahrhunderte, in den verschiedenen Kulturen in den sozialen Schichten und vor allem unter den Fachleuten. Bedingt durch Globalisierung und Modernisierung ebenfalls.


Man könnte die Krankheit, als einen Konstrukt der Medizin sehen, den die Gesellschaft übernommen hat. Diese Ansicht vertritt auch Eliot Freidson. Er sagt, dass „die Medizin die Macht hat, jemandes Sich-krank-Verhalten zu legitimieren, indem sie einräumt, dass er tatsächlich krank ist.“[1] Das führt dazu, dass die Medizin „die Autorität besitzt zu bestimmen, was Krankheit ,wirklich' ist – die sozialen Voraussetzungen für das Sich-krank-verhalten überhaupt erst schafft.

In diesem Sinne beinhaltet das Monopol der Medizin das Recht, Krankheit als eine förmliche soziale Rolle zu schaffen.“[2]

Dementsprechend wird Krankheit von uns „der Gesellschaft“ als ein sozialer und nicht biologischer Zustand gesehen.

Wie schon erwähnt erfüllt der Mensch in seinem sozialem Umfeld mehrere Rollen, wie Irving Goffman es nennt „ wir alle spielen Theater“. In jeder Situation und in jeder Institution haben wir unterschiedliche Verhaltensmuster um bestimmte Rollen im Alltag zu erfüllen. Sei es die Rolle der Tochter, der Mutter, des Arbeitskollegen usw. Ebenso existiert die Rolle des „Kranken“, die es zu erfüllen gibt.

Durch die Diagnose der Krankheit verändert der Arzt das Verhalten des Menschen und erschafft die sogenannte Krankheitsrolle.

Das Individuum spielt seine Rolle, indem es sein Verhalten den Erwartungen, die an diese Rolle geknüpft sind erfüllt. Zur glatten Durchführung einer Rolle muss derjenige (der Akteur) an seine Rolle wirklich glauben, dazu gehört auch ein kooperatives Publikum, dass den Akteur in seiner Rolle bestätigt und unterstützt.

Die Soziologen haben die Krankheit in eine spezielle Kategorie eingereiht: „ weil sie fälschlicherweise eine umfassende soziale Übereinkunft für Tatsachen nehmen, die von jeder Übereinkunft unabhängig wären“ denn „für eine große Zahl von Fällen, die als ,Krankheit' bezeichnet werden, besteht unter den Menschen ein hohes Maß an Übereinkunft darüber, welche physischen Symptome unerwünscht (und damit auch abweichend) sind.“[3]

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Genau dieses von der Norm, die durch die sozialen Regeln geschaffen wurde, abweichende Verhalten ist das was von uns als „Krank“ bezeichnet wird. Krankheit ist ein sozialer Zustand, den ein Mensch annehmen kann. Die Diagnose und Behandlung sind keine biologischen Vorgänge sondern soziale.

„Daraus folgt, dass Wahrnehmung und Bezeichnung der Abweichung mindestens genauso wichtig sind wie das tatsächliche Handeln oder Verhalten, wenn festgelegt werden soll, ob die soziale Rolle der Abweichung eingenommen wird oder nicht.“[4]

Denn sobald jemand auf eine uns unerklärbare Weise handelt und seine Verhaltensweise durch keine uns logische Erklärung darlegen kann, neigen wir dazu diese Person, als Krank zu bezeichnen. Das ist dann die einzige Erklärung, die sein abweichendes Verhalten legitimiert. Somit wird derjenige nicht komplett vom sozialen Geschehen abgekoppelt, sondern kriegt seine eigene Rolle, die auch zum Teil der jeweiligen sozialen Struktur gehört. „ Wenn ein Mensch eine solche Rolle tatsächlich übernimmt, dann muss er seine Ansicht sich selbst, über andere und über seine Beziehung zu den anderen neu organisieren, und oft muss er eine spezifische abweichende Subkultur oder soziale Organisation finden, die ihm seine Anpassung erleichtert.“[5]

Im Sinne einer „self-fulfilling prophecy“ übernimmt der Betroffene immer mehr die gesellschaftliche Zuschreibung, bis er diese nicht mehr umkehren kann.

Sobald jemand eine „Alltagsregel“ verletzt, fangen die Menschen an nach Erklärungen zu suchen weshalb derjenige auf diese Weise gehandelt hat. Wenn sie aber keine Erklärung für das jeweilige Verhalten finden können, dann bleibt nur noch die Krankheit als Erklärung übrig. Erklärungen nehmen uns die Angst vor Sachen, die uns unheimlich sind.

Diese Art von Erklärung nennt sich performativ. Diese Erklärungen fragen nicht nach der Ursache, sondern bieten eine Erklärung an um mit dieser Situation fertig zu werden.

Man schreibt dem Individuum eine psychische Störung zu, wenn es Regeln verletzt und es keine rationale Erklärung dafür gibt. Wenn das Individuum sich aber an die vorgegebenen Regeln hält, handelt das Individuum nicht nur aus biologischem oder psychologischem Antrieb, sondern in zwingender Weise, um der sozialen Umgebung gerecht zu werden. Die Handlung wird zum großen Teil unabhängig vom individuellem Denken ausgeführt.

Elmar Weingarten sieht die psychische Störung auch, als Regel verletzendes Verhalten: „Jenes abweichende Verhalten, das zum Gegenstand psychiatrischer Bemühungen wird, weil man für dessen Verursachung das Vorliegen einer psychischen Störung annimmt, zeichnet sich dadurch aus, daß es Regeln verletzt, die sich in ganz besonderer Weise auf das Verhalten der Menschen in Gegenwart anderer beziehen.“[6]



Das was bei uns im Okzident eine Abweichung ist kann zum Beispiel im Orient ein willkommenes Verhalten darstellen. Ebenso gibt es zwei Seiten der Krankheit, nämlich die soziale aber auch die biologische darf man nicht vergessen. Sprich der Mensch kann zwar die gleichen biologischen Symptome einer Krankheit in unterschiedlichen Kulturen aufweisen wie zum Beispiel starken Druck im Kopf, jedoch kann die jeweilige Gesellschaft in der sich diese Person befindet unterschiedlich damit umgehen.

Die einen würden dieser Person Bettruhe verschreiben und sich um diese Person Kümmern, währenddessen die anderen behaupten können, er sei ein Lügner und ist einfach nur zu faul um zu arbeiten. Wiederum andere könnten behaupten, er sein von einen Dämon besessen und würden versuchen diesen mit grausamen Ritualen aus seinen Kopf zu vertreiben.

Lynn Payer, die in Europa als Medizin-Journalistin arbeitete untersuchte in ihrer Studie „Andere Länder andere Leiden“ ob Medizin tatsächlich eine internationale Wissenschaft ist.

Dabei fand sie heraus, „dass zwischen der US- amerikanischen und der mitteleuropäischen Medizin deutliche Unterschiede bestanden.“[7] Sie beschränkte sich auf Ärzte mit abgeschlossenen Medizin Studium, die sogenannte Schulmedizin.

Und tatsächlich fand sie heraus, dass es in der Tat Unterschiede im Umgang mit der Diagnose ebenso wie bei der Verabreichung der Medikamente erhebliche Unterschiede bestanden oder immer noch bestehen.

„Nicht nur die Art der ärztlichen Versorgung ist von Land zu Land verschieden; die Medizin selbst sei es auch. Die Unterschiede sind so groß, dass eine Behandlungsmethode, die in einem Land bevorzugt und häufig verwendet wird, im Nachbarland womöglich als Behandlungsfehler gilt.“[8]

Es geht sogar soweit, dass zwei Individuen mit den gleichen Symptomen in verschiedenen Ländern unterschiedliche Diagnosen gestellt kriegen. „Manchmal genügt es in ein Land zu reisen, in dem eine bestimmte Krankheit als solche „anerkannt“ ist, um plötzlich auch schon von ihr befallen zu werden. Das verlassen dieses Landes bringt die Heilung – oder eine andere Diagnose“[9]

Diese Zahl haben Humangenetiker anhand des Erbguts verschiedener Menschen berechnet. Das heißt die heutige Menschheit ist sich genetisch sehr viel ähnlicher als man zu denken vermag.[10]

Wieso fallen dann die Diagnosen und Behandlungen so unterschiedlich aus? „Die Antwort lautet, dass von der Wissenschaft zwar wichtige Impulse für die Medizin ausgehen, der Einfluss kultureller Faktoren sich jedoch immer und überall bemerkbar macht.“[11] Hinzu kommt noch, dass Ärzte selten „andere als die Publikationen ihres eigenes Landes“[12]lesen.

Dementsprechend passiert es, dass Ärzte eines bestimmten Landes, die Diagnosen bestimmter Symptome, ihren jeweils Kulturell anerkannten Normen anpassen.


Fazit

Meiner Meinung nach hat sich die Hypothese „Schreibt die Medizin dem Individuum die Rolle des Kranken zu?“ bestätigt.

Meine Hypothese, dass die sogenannte psychische „Krankheit“ eine medizinische Zuschreibung ist, zeigt sich darin, dass der Stand der Ärzte nicht in allen Ländern unbedingt gleich ist. Vor allem ist es wichtig nicht zu vergessen, dass in jeder Gesellschaft unterschiedliche Normen und Regeln vorhanden sind, an die sich das jeweilige Individuum zu halten hat.

Wenn man wirklich von der Tatsache ausgeht, dass alle Menschen genetisch gleich sind dürften die Diagnosen ein und der selben Symptome nicht unterschiedlich ausfallen.

Wie man aber in der Ausarbeitung sieht tun sie das aber. Und das liegt vor allem daran, dass jede Kultur anders ist. Die Menschen müssen aber überall die selben Rollen erfüllen, nur das an diese Rollen, die ja überall vorhanden sind, unterschiedliche Erwartungen geknüpft sind.

Diese tragen aber dann für immer den Stempel „Krank“. Obwohl wie wir gesehen haben dieselbe Person woanders eventuell „gesund“ wäre.


Teil 2

Einleitung

In dieser Ausarbeitung werde ich mich mit den Symptomen und Therapiemöglichkeiten der Geisteskrankheit beschäftigen. Meine Hypothese lautet:

„ Diagnosen einer bestimmten geistigen Krankheit werden verallgemeinert und diese dann auf alle Individuen gleich anzuwenden.“ Ich werde diese Untersuchung auf die Schizophrenie beziehen.


In der Definition von Schizophrenie heißt es, dass Schizophrenie eine Desorganisation der Persönlichkeit ist, aber ist eine Desorganisation der Persönlichkeit dann wirklich Schizophrenie und nicht etwa Depressionen oder sonstiges? Das wichtigste Messinstrument des Psychiaters ist die verbale und nonverbale Kommunikation mit dem Patienten.

Auf Grund dieser Interaktion wird eine Diagnose gestellt, jedoch weist die Zusammenfassung der Forschung von Sarbin und Mancuso nach, „dass keine zuverlässigen Profile bei der Verwendung des Labels 'Schizophrenie' benützt werden.“[13] so kann man den Diagnostiker mit einem Theaterkritiker vergleichen, „der Diagnostiker hat einen ähnlichen Status wie der Theaterkritiker“[14] Beide beurteilen etwas anhand des ihnen zugesprochenen Status und man kann es nicht vermeiden, die eigene Wertschätzung aus diesem Urteil herauszunehmen.

Goffman hat es virtuelle Definition genannt.

„Die Behandlung, die ein Individuum anderen zukommen läßt, und die ihm selbst zuteil wird, bezeugt oder unterstellt eine Definition von ihm, nicht anders als die unmittelbare soziale Szene, in der sich diese Behandlung abspielt. Es handelt sich dabei um eine >>virtuelle<< Definition […] Virtuelle Definitionen eines Individuums können zugesprochen sein“. [15] Sprich ein Diagnostiker schreibt den Patienten eine Rolle zu, die auf seinen persönlichen Wertsystem beruht.

Hinzu kommen noch die „Stereotypen“, die den Diagnostikern während ihrer Ausbildung in den Kopf gesetzt werden.[16]

Die American Psychiatric Association hat Kriterien der „charakteristischen schizophrenen Symptomen“ in der DSM – III zusammengefasst (1979). In der Zusammenfassung stand mitunter, dass bei einer Diagnose der Schizophrenie muss bei dem Patienten „wenigstens eines der charakteristischen Symptome vorhanden sein“ „und das Anzeichen der Krankheit 'wenigstens während sechs aufeinander folgenden Monaten irgendwann im Leben eines Patienten vorhanden gewesen sein müssen; außerdem muß das Individuum zum gegebenen Zeitpunkt irgendwelche Anzeichen der Krankheit zeigen'(c11)“[17]

Cohen und seine Mitarbeiter machten 1974 Untersuchungen zum Thema Kommunikation. „Sie entwickelten eine originelle Methode, um den Teil der Kommunikation eines Menschen zu untersuchen, der von dem Diagnostiker kognitiv verarbeitet wird und ihn dann zur Erklärung, einer der Teilnehmer an der Kommunikation sei schizophren, veranlaßt.“[18] Aber sogar bei dieser Untersuchung ließ sich klar erkennen, dass Cohens Gruppe „ihre Untersuchung auf positive Ergebnisse hin manipulierte.

Die Diagnostiker wurden um die Auswahl von Leuten mit 'Sprach- und Denkstörungen'(S.5) gebeten. Natürlich entdeckte der Diagnostiker 'Sprach- und Denkstörungen' und dadurch 'Schizophrenie' “.[19]

Sarbin und Mancuso haben die bekannte Tatsache offengelegt und dokumentiert, „dass die psychiatrische Diagnose nicht zuverlässig ist. Diagnostiker stimmen in ihren Urteilen oft nur in beunruhigend geringem Ausmaß überein.“[20]

Das beste und bekannteste Beispiel dafür ist das Experiment von David L. Rosenhahn welches von 1968-1972 andauerte. Das Experiment soll zeigen, ob die Kompetenz von Psychiatern tatsächlich ihrer Macht entspricht. Rosenhahn schickte acht Pseudopatienten, also geistig gesunde Menschen (ein Psychologiestudent, drei Psychologen, ein Psychiater, ein Kinderarzt, ein Maler und eine Hausfrau) in zwölf verschiedene amerikanische Psychiatrische Anstalten mit der Behauptung sie hätten Stimmen gehört.

Nach der Entlassung, die bei jedem Pseudopatienten unterschiedlich ausfiel ( im Schnitt 19 Tage), wurde kein Patient als geheilt eingestuft, sondern „in Remission“.

Einem Institut, das nach Bekanntgabe der Ergebnisse des ersten Experiments behauptete, bei ihnen würde so etwas nicht passieren, wurde mitgeteilt, dass Rosenhan innerhalb von drei Monaten einige Pseudopatienten zu ihnen schicken würde und sie daher alle Patienten nach ihrer Wahrscheinlichkeit, Pseudopatienten zu sein, bewerten sollten.

Während dieser 3 Monate wurden 193 Patienten aufgenommen, 41 davon wurden für Testpersonen gehalten. Weitere 42 wurden als verdächtig eingestuft, ohne dass tatsächlich Pseudopatienten aufgenommen wurden.

Das Experiment zeigt ziemlich eindeutig wie unzuverlässig Diagnosen sind. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass elf der zwölf Einweisungen als „schizophren“ eingestuft wurden und einer unter der Bezeichnung „manisch-depressive Psychose“[21]

Was Rosenhan, der an dem Experiment selbst teilnahm, besonders auffiel: Einmal als "abnormal" abgestempelt, färbt dieses Merkmal die Wahrnehmung von der betreffenden Person völlig ein und man übersieht die normalen Anteile oder interpretiert sie falsch. Die Lebensgeschichte der Scheinpatienten wurde so (um)gedeutet, dass sie mit der Schizophrenietheorie übereinstimmte.

Das Experiment stützt die Behauptung, dass die psychiatrische Diagnose nicht wissenschaftlich ist. Und unterstreicht die Behauptung, dass Diagnostiker mit Theaterkritikern verglichen werden können. Denn „wenn die Psychiater jemanden schizophren klassifizierten (…) , dann handelten sie nicht wie Ärzte, die eine Diagnose im Rahmen des anerkannten Krankheitsmodells stellen.

Sie handelten eher wie Theaterkritiker, die über die Darstellung eines Schauspielers schreiben.“[22]


Thomas Szasz vergleicht die Psychiatrie „nach ihrer traditionellen und heute noch gängigen Definition in einer Reihe mit Fächern wie Alchemie und Astrologie“[23] welche er zu den Pseudowissenschaften anrechnet. Ebenso sagt er, dass „ungeachtet dieses Zusammenhangs der Psychiatrie mit Disziplinen wie symbolischer Logik, Semiotik und Soziologie werden Probleme der geistigen und seelischen Gesundheit unbeirrt in den traditionellen Rahmen der Medizin eingespannt.

Nun stützt sich das Begriffsgerüst der Medizin aber auf die Prinzipien der Physik und Chemie (…), und gerade in diesen Begriffen läßt sich das Zeichenbenutzungsverhalten des Menschen weder leicht erforschen noch leicht verstehen.“[24]

Wenn a²+b²=c² ist, heisst es noch lange nicht, dass ein Patient, der möglicherweise eine dumpfe stimme hört schizophren sei.

Schon Albert Einstein sagte: „Wenn ihr von den theoretischen Physikern etwas lernen wollt über die von ihnen benutzten Methoden, so schlage ich Euch vor, an dem Grundsatze

festzuhalten: Höret nicht auf ihre Worte, sondern haltet euch an ihre Taten“ (1933)

Dementsprechend wäre die Psychologie als eine theoretische Wissenschaft zu betrachten. Und um eine der jeweiligen Person gerechte Diagnose zu stellen oder jemanden als „psychisch Krank“ oder „schizophren“ zu bezeichnen muss der Diagnostiker zwischen den jeweiligen Individuen ebenso wie der Theaterkritiker zwischen den einzelnen Charakteren auf der Bühne differenzieren.

Zu der Differenzierung kommen unterschiedliche Aspekte hinzu, wie der soziale Stand, die Familienverhältnisse usw.

„Ferner: Genau wie physikalische Gesetze in Bezug auf die Masse relativistisch sind, so sind psychologische Gesetze relativistisch in Bezug auf die sozialen Bedingungen.[25] Denn jeder Mensch ist individuell, man kann zwar Fälle miteinander vergleichen und versuchen ähnliches einander zuzuordnen, aber man kann keine zwei Fälle gleichsetzen und gleich behandeln.



Meine Hypothese „Diagnosen einer bestimmten geistigen Krankheit werden verallgemeinert und diese dann auf alle Individuen gleich anzuwenden.“ hat ergeben, dass es tatsächlich der Fall ist.

Leider ist das in der Psychiatrie so, dass die Diagnostiker, nicht wirklich frei urteilen.

Sie werden dazu ausgebildet ihre Urteile zu manipulieren auch wenn das unbewusst geschieht. Da die Symptome der „gängigen geistigen Erkrankungen“ im ICD und DSM Büchern niedergeschrieben sind versuchen die Diagnostiker sobald ein Patient vor ihnen sitzt und seine Beschwerden äußert, diese einzuordnen in die ihm bekannten Kategorien aus diesen Büchern. Was leider falsch ist.

Das Beispiel des Rosenhahn Experiments hat deutlich gezeigt wie falsch man damit liegen kann. Und das schlimmste dabei ist, dass die Menschen danach für immer angestempelt sind.

Die Diagnostiker der Psychiatrie fällen eine verfrühte Entscheidung und beeinflussen damit den weiteren Verlauf des Lebens ihrer Patienten und können mit einer falschen Diagnose das Leben dieser Patienten negativ beeinflussen.


Teil 3

Einleitung

In dieser Ausarbeitung werde ich mich mit der Geschichte der Psychiatrie in Europa beschäftigen. Dabei gehe ich besonders auf die Institution der Psychiatrie ein und versuche herauszufinden welche Rolle diese im Leben eines „Geisteskranken“ spielt. Ob es eher positive oder negative Aspekte hat.

Meine Hypothese lautet: „ Die Behandlung der Geisteskranken in der Gesellschaft hat sich im laufe der Jahre nicht viel verändert“.


Die Geschichte der Psychiatrie kann in drei große Epochen gegliedert werden, wobei bis zum Ende des 18. Jahrhunderts man die Psychiatrie als solches nicht kannte. Da wäre es korrekter von der Geschichte des Wahnsinns zu sprechen. „Im 15 Jahrhundert werden , zunächst in Spanien dann in Italien, die ersten großen, ausschließlich Irren vorbehaltenen Spitäler eröffnet.

Man unterzieht sie dort einer Behandlung, die zweifellos zum größten Teil an der arabischen Medizin orientiert ist. Aber diese Praktiken sind auf einzelne Orte beschränkt. Im wesentlichen ist der Wahnsinn ein Erlebnis im Zustand der Freiheit“.[26]


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