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Seminararbeit
Betriebswirtschaftsle­hre

Georg-August-Universität Göttingen

2012/2013

Katja B. ©
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ID# 51476







Georg-August-Universität Göttingen

Abteilung für deutsche und internationale Besteuerung

Prof. Dr.


Hausarbeit

im Rahmen des


Seminars

in


Steuerliche Gewinnermittlung

WS 2012/2013


zum Thema


„Die Eignung des ökonomischen Gewinns zur Analyse von Steuerwirkungen“


Fachrichtung: BWL

Inhaltsverzeichnis



Tabellenverzeichnis



Abkürzungsverzeichnis


bzw. beziehungsweise

C0 Kapitalwert vor Steuern

C0,S Kapitalwert nach Steuern

d.h. das heißt

Dt Ertragswertabschreibung

Et Ertragswert am Ende der Periode

Et-1 Ertragswert zu Beginn der Periode

EZÜt Einzahlungsüberschuss

Gt ökonomischer Gewinn

i Kalkulationszinssatz vor Steuern

is Kalkulationszinssatz nach Steuern

rs Rendite nach Steuern

s Steuersatz

z.B. zum Beispiel


  1. Einleitung

Eine natürliche oder juristische Person, die nach dem deutschen Steuerrecht dazu verpflichtet ist Steuern zu zahlen, wird von dem Staat in der Verwirklichung ihrer Ziele beeinträchtigt. Aufgrund dieser Tatsache reagieren Steuerpflichtige oftmals durch rechtlich zulässige Anpassungshandlungen. Diese Ausweichhandlungen bei verwirklichten und geplanten Steuerrechtssetzungen sind zu untersuchen.1 Dabei stellt sich die Frage: „Gibt es Steuerrechtssetzungen, die bei vernünftigem Handeln keine Ausweichhandlungen auslösen?“2 Werden die Bedingungen ersichtlich, unter denen ein Steuerpflichtiger auf Steuerausweichhandlungen verzichtet, werden Kenntnisse einer Art Nullpunkt von Entscheidungswirkungen erlangt.

Wirkungslose Steuerrechtssetzungen werden als entscheidungsneutral bezeichnet. Die Erkenntnis der Nullpunktfunktion entscheidungsneutraler Modelle hilft dem Gesetzgeber Steuerwirkungen zu analysieren.3 Das Modell des ökonomischen Gewinns, welches einen kapitaltheoretischen Einkommensbegriff darstellt, ist eines der Modelle, das dazu in Betrachtung gezogen werden kann.4

In dieser Seminararbeit wird die Eignung des Modells des ökonomischen Gewinns zur Analyse von Steuerwirkungen kritisch hinterfragt.

Zur Analyse dieser Fragestellung wird zunächst näher erläutert, was unter Entscheidungsneutralität, in Bezug auf Investitionen, zu verstehen ist. Dabei werden die Voraussetzungen und Ziele dargelegt. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang auf die Besteuerung des ökonomischen Gewinns eingegangen und die Einflusslosigkeit des Modells anhand eines Beispiels aufgezeigt.

Nachdem der Darstellungsteil abgeschlossen ist, erfolgt die Überleitung zur Kernanalyse. Hier wird die Beurteilung von Steuerwirkungen über den Eichstrich der Entscheidungsneutralität thematisiert. Es wird zunächst auf die Entstehung von Steuerwirkungen eingegangen und danach der Eichstrich einer entscheidungsneutralen Besteuerung erläutert. Weiterhin werden die Vorzüge des Modells des ökonomischen Gewinns in Bezug auf die Analyse von Steuerwirkungen diskutiert und anschließend die Probleme des Modells aufgezeigt.

  1. Entscheidungsneutrale Besteuerung von Investitionen

Eine entscheidungsneutrale Besteuerung zählt, neben der Einfachheit, zu den ökonomischen Kriterien, die bei der Beurteilung eines Steuersystems beachtet werden sollten. Darüber hinaus bestehen systemtragende, grundlegende Prinzipien, wie die Gleichmäßigkeit und Rechtssicherheit der Besteuerung.5 Ein entscheidungsneutrales System ist von Bedeutung, da es den zur Messung von Steuerwirkungen erforderlichen Eichstrich bereitstellt.

Aus diesem Grund muss ein gutes Steuersystem auch Effizienzanforderungen erfüllen.6

    1. Bedeutung der Entscheidungsneutralität

Ein vernünftiger Steuerpflichtiger reagiert, aufgrund seiner Beeinträchtigung durch die zu tätigen Steuerzahlungen, mit rechtlich zulässigen Anpassungshandlungen. Eine Steuerrechtssetzung ist entscheidungsneutral, wenn sie bei einem Steuerpflichtigen keine Ausweichhandlungen verursacht. Das bedeutet, es wird ein Nullpunkt an Steuerwirkungen definiert.7 „Entscheidungsneutralität eines gerade betrachteten Steuerrechtssystems bedeutet: Die Rangordnung der unternehmerischen Handlungen, wie sie für eine Welt ohne Steuern unter sonst gleichen Bedingungen geplant würden, ändern sich bei Berücksichtigung der Steuerzahlungen aufgrund eines gerade im Modell betrachteten Steuerrechtssystems nicht.“8 D.h. die Rangordnung der Handlungsalternativen in einer Welt ohne Steuern ist identisch mit der Rangordnung in einer Welt, in der Steuerzahlungen eingerechnet werden.

Dabei sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst einmal sollte das Steuerrecht nicht die angestrebten Zielgrößen eines Entscheidenden ändern, sondern lediglich das Ausmaß der finanziellen Zielerreichung. Des Weiteren sollte es weder die zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten, noch die Anfangsausstattung an Mitteln beeinflussen. Zuletzt sollte es nicht das Ausmaß an Rationalität, unter denen Menschen handeln, verändern.

Gemäß dem Fall, dass eine dieser Voraussetzungen nicht eintritt, erfolgen, trotz eines entscheidungsneutral gestalteten Steuerrechts, Steuerwirkungen. Daraus lässt sich schließen, dass entscheidungsneutrale Modelle als Diagnosehilfe dienen, um einen Einstieg in die Steuerwirkungsanalyse zu finden.9

Darüber hinaus sollte ein neutrales Steuersystem nicht die Allokation knapper Mittel verändern, sondern Allokationseffizienz sichern. Dadurch können Zusatzlasten verhindert werden.

Neutralität wird sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit auf Investitionsneutralität beschränken. Investitionsneutralität liegt vor, wenn sich die Rangfolge der Investitionen durch Steuerzahlungen nicht verändert, d.h. sie finden im gleichen Umfang statt, wie sie auch vor Steuern durchgeführt wurden wären.10 Investitionsneutrale Steuerbemessungsgrundlagen verfolgen eine Zielgrößenbesteuerung und dienen als eine Art Maßstab zu Analyse der Zahlungswirkungen des geltenden Steuersystems.

Damit investitionsneutrale Besteuerung erreicht werden kann, liegen folgende Bedingungen zugrunde: Es sollte Planungssicherheit durch vollständige Kenntnis der Zahlungsströme vorhanden sein. Die Zahlungsströme vor und nach Steuern sollten gleich sein, was zu einer Nichtüberwälzbarkeit der Steuer führt. Des Weiteren sollte eine Nichtenteignung und Konstanz des Steuersatzes im Zeitablauf zugrunde liegen und der Steuertarif sollte proportional, d.h. unabhängig von der Bemessungsgrundlage sein.

Sobald die Unternehmung aufgrund einer Mehrperiodigkeit der Investition im Kapitalmarkt tätig wird, beschränkt sich eine entscheidungsneutrale Gewinnermittlung auf den Fall, dass ein Kapitalmarkt im Konkurrenzgleichgewicht besteht. Mit dieser Annahme können Liquiditätsprobleme ausgegrenzt werden.12

Hinsichtlich der entscheidungsneutralen Bemessungsgrundlage für den Gewinn lässt sich zwischen einer investitionsneutralen Einkommensteuer und einer investitionsneutralen Konsumsteuer unterscheiden. Im Folgenden wird sich auf die investitionsneutrale Einkommenssteuer, in Form einer Besteuerung des ökonomischen Gewinns, beschränkt.

    1. Modell des ökonomischen Gewinns

Der ökonomische Gewinn stellt einen kapitaltheoretischen Vermögensbegriff dar, daher kann ersetzend der Name kapitaltheoretischer Gewinn verwendet werden.13 Bei diesem Modell verlangt die Investitionsneutralität der Besteuerung eine Zahlungsrechnung unter Ausklammerung der Anfangsinvestitionsausgabe. Daher tritt an die Stelle dieser Anfangszahlung ein Periodisierungsbetrag
(= Ertragswertänderung) in jedem Zahlungszeitpunkt, der zu einem Gesamtbetrag in Höhe des Ertragswerts führt.

Aufgrund der Abzugsfähigkeit dieses Periodisierungsbetrags, wird der gesamte Ertragswert steuerfrei gestellt und zählt zum zu erhaltenden Kapital.14

Zur Berechnung der Bemessungsgrundlage werden die Einzahlungsüberschüsse einer Investition um die innerhalb der Periode eingetretenen Ertragswertänderungen korrigiert. Gt = EZÜt - Dt Die Differenz zwischen dem Ertragswert am Anfang einer Periode und dem am Ende, nach Entnahme der Einzahlungsüberschüsse, wird als Ertragswertabschreibung bezeichnet.
D
t = Et-1 - Et = EZÜt – i * Et-1 Unter Ertragswert wird der Barwert der zukünftig aus der Investition zu erwartenden Einzahlungsüberschüsse verstanden.

Aufgrund dieser Berechnungen, kann die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage alternativ als Zinsen auf den zu Beginn des Jahres vorhandenen Ertragswert definiert werden.

Im Allgemeinen gilt, dass sich anhand des Kapitalwertkriteriums feststellen lässt, ob die Besteuerung von investierenden Unternehmungen Einfluss auf ihre Investitionsentscheidungen nimmt.16 Bei dem Modell des kapitaltheoretischen Gewinns stimmt der Kapitalwert vor Steuern mit dem Kapitalwert nach Steuern überein (C0=C0,S). Dieser Tatbestand unterstreicht die entscheidungsneutrale Wirkung des Systems, da sich die Vorteilhaftigkeit von Investitionen durch eine Besteuerung nicht verändert.17 Des Weiteren ist das Modell des ökonomischen Gewinns das einzige, das Investitionsneutralität mit Kapitalkostenneutralität koppelt.18 Damit der Kapitalwert vor Steuern dem Kapitalwert nach Steuern gleicht, muss der Barwert der Steuerzahlung der zu beurteilenden Investition betragsmäßig mit dem steuerbedingten Zinsminderungseffekt übereinstimmen.

Außerdem ist Investitionsneutralität gewahrt, wenn der Barwert der Abschreibungen nach geltendem Recht dem Barwert der Ertragswertabschreibung über den gesamten Berechnungszeitraum entspricht bzw., wenn die steuerliche Bemessungsgrundlage mit dem kapitaltheoretischen Gewinn übereinstimmt.19

Im Folgenden wird anhand eines Beispiels aufgezeigt, dass das Modell des ökonomischen Gewinns entscheidungsneutral wirkt.
Annahmen: i=10% i
s=6% s=40%

Tabelle 1: Zahlungsreihe der Beispielinvestitionen


In einem ersten Schritt werden die Ertragswerte für den Beginn einer jeden Periode berechnet Dabei wird die Anfangsauszahlung nicht berücksichtigt. Um den Ertragswert zu Beginn der ersten Periode zu berechnen, werden alle Ein- bzw. Auszahlungen auf die erste Periode mit dem Kalkulationszinssatz vor Steuern abgezinst und diese anschließend addiert.
Z.B für Investition E: E
1 = -30 000/ 1,101+80 000/ 1,102+180 000/1,103 =174 080
In der zweiten Periode sind die Zahlungsreihen der verbleibenden Perioden zwei und drei heranzuziehen und der Abzinsungszeitraum um eine Periode zu verkürzen.

Zu Beginn der dritten Periode wird lediglich die Einzahlung einmal abgezinst. Mit den Ertragswerten können im Folgenden die Ertragswertabschreibungen und weiterhin der ökonomische Gewinn berechnet werden (Formel dazu siehe Seite 4).

Im letzten Schritt wird der Kapitalwert nach Steuern berechnet. Um diesen zu erhalten, wird die Zahlungsreihe der zu beurteilenden Investitionen um die Ertragsteuern vermindert. Die Ertragsteuern ergeben sich durch Multiplikation des kapitaltheoretischen Gewinns mit dem Ertragsteuersatz (s). Danach wird die Zahlungsreihe nach Steuern mit dem Kalkulationszinssatz nach Steuern abgezinst Bei diesem Vorgang entsteht der Barwert.

Tabelle 2: Entscheidungswirkung des ökonomischen Gewinns

Quelle: Vgl. Scheffler, W., Besteuerung von Unternehmen, 2010, S. 90.

Anhand dieser Übersicht lässt sich erkennen, dass das Modell des kapitaltheoretischen Gewinns entscheidungsneutral wirkt. Es hat sich weder die Rangfolge noch die Vorteilhaftigkeit einer Investition verändert. Die Tatsache, dass sich der Kapitalwert nicht verändert hat, deutet auf die Einflusslosigkeit der Besteuerung hin. Sowohl vor als auch nach der Besteuerung lohnt es sich Investition D durchzuführen.20

  1. Steuerwirkungslehre über Eichstriche der Entscheidungsneutralität

Eine entscheidungsneutrale Steuerrechtssetzung ist das einzige System, das bei vernünftigem Handeln des Steuerpflichtigen keine Ausweichhandlungen auslöst. Daraus lässt sich schließen, dass sie einen Nullpunkt bzw. Eichstrich von Steuerwirkungen definiert.21 Im Folgenden wird auf die Analyse der Steuerwirkungen eingegangen und die Eichstrichfunktion des Modells des ökonomischen Gewinns dargelegt.

Anschließend erfolgt eine kritische Betrachtung des Modells.

„Steuerlasten erzeugen Steuerwirkungen. Steuerwirkungen umfassen Handlungen, die wegen der Besteuerung so und nicht anders erfolgen, und dadurch bewirkte Ergebnisse (Zustandsänderungen).“22 Sie können in zwei verschiedenen Formen auftreten. Zum einen treten sie in der Planung (ex ante) als Entscheidungswirkungen auf, denn sie veranlassen jeden vernünftig handelnden Steuerzahler, zu prüfen, inwieweit sie einer drohenden Steuerbelastung ausweichen können.

Zum anderen ergeben sich nach Ablauf eines Handlungszeitraums (es post) Verteilungsfolgen zwischen dem Einkommen vor und nach Steuern. Gemäß dem Fall, dass Steuerzahlungen bei der Planung beachtet werden, tritt im Regelfall eine Steuerbelastung auf.23

Um eine Untersuchung der Steuerbelastung vorzunehmen, wird Bezug auf eines der entscheidungsneutralen Modelle genommen, die es erlauben, wirtschaftliche und nominelle Steuerbelastung gegenüberzustellen.24 Der Vergleich der rechtlichen mit der nominellen Steuerbelastung hat nur einen Aussagegehalt, wenn als Hilfenahme ein Eichstrich konstruiert wird, für den die rechtliche gleich der wirtschaftlichen Steuerbelastung entspricht.25 Erst dieser Vergleich gibt Auskunft darüber, ob und in welcher Höhe Steuervergünstigungen und Steuerbenachteiligungen vorliegen.

Damit die rechtliche der wirtschaftlichen Steuerbelastung gleicht, will der Gesetzgeber die Bemessungsgrundlage so wählen, dass keine Ausweichhandlungen ermöglicht werden. Daher folgen Steuerwirkungen allein aus der Minderung des verfügbaren Einkommens durch Steuerzahlungen.26

Aus diesen Fakten lässt sich schließen, dass eine Abweichung zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Steuerbelastung als Messgröße für die Entscheidungswirkungen der Besteuerung dient. D.h., die Differenz gibt Art und Ausmaß der Verzerrung an, die durch eine Besteuerung ausgelöst wird. Die rechtliche Steuerbelastung ergibt sich aus der Multiplikation des Steuersatzes mit der steuerlichen Bemessungsgrundlage, die wirtschaftliche Belastung ist der Steuersatz bezogen auf eine betriebswirtschaftliche Vorteilhalftigkeitsgröße (z.B. Rendite).

Ist die wirtschaftliche Steuerbelastung größer als die rechtliche, liegt eine Steuerbenachteiligung vor. Eine Steuervergünstigung entsteht, wenn die wirtschaftliche Steuerbelastung kleiner als die rechtliche ist.27

Modelle entscheidungsneutraler Besteuerung gelten als Ausgangspunkt um die folgenden Aufgaben zu lösen: Werden in Modellen, die entscheidungsneutral wirken, einzelne Annahmen über die Umwelt durch andere und entscheidungsneutrale Steuerrechtssetzungen durch geltende oder geplante Steuerrechtssetzungen ersetzt, so wird deutlich, wie nicht-steuerliche Umweltbedingungen und Steuerrechtsetzungen gemeinsam unternehmerische Handlungen beeinflussen.

Auf diese Weise werden vor allem unbeabsichtigte Wirkungen von einzelnen Steuerrechtsetzungen aufgedeckt. Das bedeutet, dass sich ohne die Zuhilfenahme der Entscheidungsneutralität nicht beurteilen lässt, ob eine Steuerrechtssetzung als Vergünstigung oder als Benachteiligung wirkt. Ein Urteil über Vergünstigungen bzw. Benachteiligungen lässt sich dabei nur unter den vereinfachenden Modellannahmen rechtfertigen.28

Steuerrechtssetzungen lassen sich in der Wirtschafts- und Finanzwissenschaft nach zwei Gesichtspunkten ordnen. In beiden Fällen dient die Entscheidungsneutralität als Diagnosehilfe um Wirkungen dieser Rechtssetzung aufzuzeigen. Zum einen gibt es Lenkungssteuern, mit denen wirtschaftspolitische Zwecke erreicht werden sollen. Die Entscheidungsneutralität dient dieser Art von Steuer, um zu beurteilen, unter welchen Bedingungen diese ihre beabsichtigten Wirkungen erreicht und wann der Lenkungszweck verfehlt wird.

Aufgrund der hohen Bedeutung der Entscheidungsneutralität für die Wirkung einzelner Steuerrechtssetzungen, stellt sich die Frage, ob alle entscheidungsneutralen Bemessungsgrundlagen die Eigenschaft eines Nullpunktes erfüllen. Diese Frage wird im Folgenden aufgedeckt.

    1. Eichstrichfunktion des ökonomischen Gewinns

Als entscheidungsneutrale Bemessungsgrundlage stehen zwei Modelle zur Auswahl, die sich danach unterscheiden, wie Zahlungen für die Außenfinanzierung einer Unternehmung und die Einnahmen aus Finanzanlagen behandelt werden. Einerseits könnte das Modell der Cash-Flow-Steuer verwendet werden, das den Zahlungssaldo in jedem Zahlungszeitpunkt besteuert.

Andererseits könnte das Modell des kapitaltheoretischen Gewinns, das bereits unter Punkt 2.2 erklärt wurde, als Eichstrich dienen.

Beide Modelle haben die gleiche Zielsetzung, gleiche Handlungsmöglichkeiten und ein gleiches Ausmaß an entscheidungslogischer Rationalität. Des Weiteren schließen beide die Unsicherheit der Zukunft aus und unterstellen einen Kapitalmarkt im Konkurrenzgleichgewicht. Darüber hinaus findet bei beiden ein sofortiger Verlustausgleich statt und die Steuerzahlung erfolgt mit dem Einnahmenzufluss, also mit der Verwirklichung der Zielgröße.

Das modellgeschneiderte Maß, um darüber urteilen zu können, ob eine Steuerrechtssetzung als Vergünstigung oder Benachteiligung wirkt, wird dann geliefert, wenn Zinserträge besteuert werden und Zinsaufwendungen den steuerpflichtigen Gewinn mindern. Da diese Voraussetzung von dem Modell des kapitaltheoretischen Gewinns erfüllt wird, eignet sich dieses, um einen Eichstrich von Steuerwirkungen darzustellen.

Das Modell der Cash-Flow-Steuer eignet sich nicht als Eichstrich um Steuervergünstigungen von Steuerbenachteiligungen zu trennen, da der Kapitalwert vor Steuer proportional auf den Kapitalwert nach Steuer absinkt, während die Rendite vor Steuer der nach Steuer gleicht. Demnach ist der Renditenvergleich nicht aussagekräftig.30

„Das Rechenkonstrukt des kapitaltheoretischen Gewinns hat die Eigenschaft, daß der Ertragswert einer Investition ohne Steuern und der Ertragswert derselben Investition nach Abzug von Gewinnsteuern (wenn diese nach dem kapitaltheoretischen Gewinn bemessen werden) gleich hoch ist. Für noch nicht unvorteilhafte Investitionen (Kapitalwert = null) folgt daraus, daß die Rendite nach Steuern rs proportional dem Steuersatz (also gemäß der rechtlichen Steuerbelastung) sinkt:“31 Beträgt der Steuersatz z.B. 50%, sinkt die Rendite nach Steuern auf die Hälfte der Vorsteuerrendite.

Diese Fakten zeigen auf, dass allein mit dem Modell des kapitaltheoretischen Gewinns Steuerwirkungen einer bestimmten Steuerrechtssetzung analysiert werden können. Durch seine Funktion als Eichstrich, zeigt nur dieses Modell auf, wann ein Nullpunkt an Steuerwirkungen vorliegt und wann oder ob eine geltende oder geplante Rechtssetzung eine Steuervergünstigung oder Steuerbenachteiligung auslöst.32

    1. Problematik des Modells

Trotz seiner Eignung als Eichstrich von Steuerwirkungen, gibt es einige Punkte an dem Modell des ökonomischen Gewinns zu bemängeln.

Zuerst ist zu erwähnen, dass Entscheidungsneutralität eines Steuerrechtssystems kein empirisch zu beobachtender Sachverhalt ist. In der Realität sind weder die Umweltbedingungen außerhalb des Steuerrechts für eine entscheidungsneutrale Besteuerung erfüllt, noch ist irgendein geltendes Steuerrecht entscheidungsneutral abgefasst. Das bedeutet, dass jedes geltende Steuerrecht unternehmerische Handlungen beeinflusst und das Wirtschaften in eine bestimmte Richtung lenkt.


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