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Seminararbeit
Deutsch

Universität, Schule

Universität Duisburg-Essen - UDE, Essen

Note, Lehrer, Jahr

1.3, Kocher, 2017

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Maren T. ©
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sternsternsternsternstern
ID# 72306







Was tun wir, wenn wir eine sprachliche Äußerung tätigen und warum können wir mehr meinen als wir wörtlich sagen?

Zur Sprechakttheorie Austins, deren Weiterentwicklung durch Searle und zum Beitrag der Konversationstheorie Grices zum Verständnis indirekter Sprechakte.


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung. 4

2. Die Sprechakttheorie Austins. 5

2.1 Ausgangsthese: Die strenge Dichotomie zwischen konstativen und performativen Äußerungen. 5

2.1.1 Die Lehre von den „Unglücksfällen“6

2.2 Rückzug von der Ausgangsthese. 9

2.2.1 Der Versuch Performative linguistisch zu charakterisieren. 9

2.2.2 Warum Performative und Konstative nicht nach den beschriebenen Dimensionen voneinander getrennt werden können. 10

2.3 Aufgabe der Dichotomie zugunsten einer allgemeinen Sprechakttheorie. 11

2.3.1 Zur Struktur sprachlicher Äußerungen. 12

2.3.2 Die verschiedenen Familien von Sprechakten. 13

3.1 Die Struktur von sprachlichen Handlungen. 14

3.2 Searles Beschreibung illokutionärer Akte: Von Bedingungen und Regeln. 16

3.2.1 Bedingungen für den Vollzug eines Sprechaktes am Beispiel des Versprechens. 16

3.2.2 Regeln für den Gebrauch der illokutionären Indikatoren für Versprechen. 18

3.3 Searles Taxonomie illokutionärer Akte. 19

3.3.1 „Unterschiedliche Arten von Unterschieden zwischen unterschiedlichen Arten von illokutionären Akten.“20

3.3.2 Die fünf Sprechakttypen. 21

4. Indirekte Sprechakte. 23

4.1 Indirekte Sprechakte bei Searle. 23

4.1.1 Unterscheidung zwischen primären und sekundären Illokutionen. 23

4.1.2 Indirektheit als Schlussfolgerungsprozess. 24

4.2 Der Beitrag Grices Konversationstheorie zum Verständnis indirekter Sprechakte. 26

4.2.1 Grice Implikaturentheorie. 26

4.2.2 Das Kooperationsprinzip als Grundlage zum Verständnis indirekter Sprechakte. 29

5. Fazit30

I. Literaturverzeichnis. 31

II. Anhang. 32

1. Einleitung

In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich der philosophische Diskurs um die Begründung einer logischen, empirischen Wissenschaftssprache bemüht, die nicht, wie wohl die meisten alltäglichen Äußerungen, von Ungenauigkeiten, Mehrdeutigkeiten oder Leerstellen geprägt ist. In Folge dieser Bemühung wurden fast alle ethischen, literarischen und auch alltäglichen Sprachverwendungen für bedeutungslos erklärt, da sie nicht einmal prinzipiell verifizierbar seien.

Dennoch wenden sich einige Sprachphilosophen und Linguisten von den Postulaten dieses logischen Positivismus ab und widmen sich der Frage, wie Sprache in der alltäglichen Kommunikation wirklich gebraucht und verstanden wird. Der Philosoph Austin macht während seiner sprachphilosophischen Untersuchungen die Beobachtung, dass einige Äußerungen keine Beschreibung der Welt darstellen, sondern den Vollzug konkreter Handlungen.

Die Annahme über den Handlungscharakter der speziellen Äußerungsform weitet er im Fortlauf seiner Untersuchungen sogar auf alle sprachlichen Äußerungen aus, sodass er zu der Schlussfolgerung gelangt, dass mit jeder sprachlichen Äußerung auch eine Handlung vollzogen wird. Damit gilt Austin als Begründer der Sprechakttheorie, die besonders von dem Philosophen und Linguisten Searle weiter systematisiert und ausgearbeitet wurde.

Auch heute noch ruft die Sprechakttheorie großes Interesse hervor, wird kritisiert, weiterentwickelt und auf neue Gebiete angewandt.

In der vorliegenden Arbeit werde ich in den ersten Schritten die beiden `Klassiker´ der Sprechakttheorie, d.h. die Theorie Austins und die Weiterentwicklung und Systematisierung seiner Ansätze durch Searle, in ihren Grundzügen darstellen. Um die Entstehung der Grundgedanken der Sprechakttheorie nachzeichnen zu können, folge ich bei der Darstellung der Theorie Austins weitgehend den Argumentationsschritten, die er selbst in seiner Vorlesungsreihe, die posthum unter dem Titel „How to do things with words“ veröffentlicht wurde, unternommen hat.

Daraufhin stelle ich vor, wie Searle seine Sprechakttheorie in Kritik an den Hypothesen Austins entwickelt hat. Dabei steht besonders die These Searles im Mittelpunkt, nach der die Gelingensbedingungen, wie Austin bereits formuliert hat, nicht bloß Dimensionen sind, in denen Sprechakte misslingen können, sondern sie ihre spezifische illokutionäre Kraft erst erzeugen.

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Im letzten Schritt thematisiere ich die sogenannten indirekten Sprechakte, die die bisherige Konzeption der Sprechakttheorie vor ein Problem stellen. In der Darstellung Searles Theorie der indirekten Sprechakte wird deutlich werden, inwiefern er auf die Annahmen der Konversationstheorie Paul Grices angewiesen ist, um erklären zu können, wie indirekte Sprechakte vom Hörer überhaupt interpretiert werden können.


2. Die Sprechakttheorie Austins

Der Philosoph bestreitet die These, dass ein Satz, der prinzipiell nicht verifiziert werden kann, bedeutungslos ist.  In seinem sprachphilosophischen Werk stellt er eine besondere Äußerungsform vor, die nicht einmal in der Absicht gebraucht wird verifizierbare Aussagen über Tatsachen zu machen.  Austin macht an einigen Deklarativsätzen die Beobachtung, dass sie nicht vorrangig dazu genutzt werden etwas über die Zustände oder Tatsachen der Welt zu sagen, sondern etwas zu tun, d.h. die Welt aktiv zu verändern.

Mit dieser Beobachtung knüpft er an die Theorie des späten Wittgensteins an, nach der die Bedeutung eines Wortes in ihrem Gebrauch liegt. (vgl. Levinson, 1994, S.228f).


2.1 Ausgangsthese: Die strenge Dichotomie zwischen konstativen und
      performativen Äußerungen

Zu Beginn seiner Vorlesungsreihe stellt der Philosoph einige paradigmatische Beispiele für diejenige Äußerungsform vor, die, obwohl sie nicht nach den Kriterien wahr oder falsch beurteilt werden kann, „im allgemeinen keine spezielle Form von Unsinn dar[stellt]“ (Austin, 1972, S.25). 

Z.B. Ich taufe dieses Schiff auf den Namen MS Linguistikus.

Wenn ich diese Äußerung tätige und dabei eine Flasche gegen den Rumpf des besagten Schiffes werfe und ich auch in der Position dazu bin, dann beschreibe ich nicht was ich tue, sondern vollziehe eine konkrete Handlung, nämlich die Taufe eines Schiffes. Mit dieser Äußerung habe ich die Welt verändert, da es in Folge dieser Handlung nicht in Ordnung wäre das Schiff anders zu nennen.

Die Ansicht, dass solche Äußerungen nicht sinnvoller Weise nach ihrer Wahrheit oder Falschheit befragt werden können, hält Austin für offenkundig und möchte sie daher nicht weitergehend begründen (vgl. Ebd., S.26f).

Zur Unterscheidung der Äußerungen, die grundsätzlich verifizierbar sind von denjenigen, die nicht nach diesem Kriterium beurteilt werden können und die dazu dienen eine Handlung zu vollziehen, führt er das Begriffspaar der konstativen und performativen Äußerungen ein. Unter die Konstative fallen demnach alle wahren und falschen Aussagen (vgl. Ebd., S.24).

Der Philosoph merkt weiterhin an, dass solche Handlungen nicht durch die bloße Äußerung bestimmter Worte vollzogen werden können, auch wenn dieser Aspekt entscheidend für den Vollzug der Handlung ist. Ganz allgemein gefasst müssen die Umstände, unter denen der entsprechende performative Satz geäußert wird, zu diesem passen (vgl. Ebd., S.29). Falls die Umstände nicht zu der performativen Äußerung passen, würden wir die Äußerung dennoch nicht als falsch klassifizieren.

Entsprechend der Eigenschaften grundsätzlich verifizierbar zu sein oder ge- bzw. misslingen zu können, sind die beiden Äußerungsformen, so zumindest die vorläufige Annahme des Philosophen, voneinander abgrenzbar.


2.1.1 Die Lehre von den „Unglücksfällen“

„Außer daß [!] man die Wörter der performativen Äußerung aussprechen muß [!], müssen in der Regel eine ganze Menge anderer Dinge in Ordnung sein und richtig ablaufen, damit man sagen kann, wir hätten unsere Handlung glücklich zustande gebracht.“ (Ebd., S.34).

Im Folgenden untersucht Austin auf welche Weise solche Misserfolge zustande kommen können und erstellt ein Klassifikationsmuster, das er die Lehre von den Unglücksfällen nennt. Er hält sechs Bedingungen fest, denen eine performative Äußerung genügen muss, damit die entsprechende Handlung erfolgreich vollzogen werden kann. Ernst (2002, S.93) spricht von ex negativo verstandenen Gelingensbedingungen, die er folgendermaßen interpretiert (ebd.):

A.1. Es muss ein übliches konventionelles Verfahren mit einem bestimmten konventionellen Ergebnis     geben.

A.2. Die betroffenen Personen und Umstände müssen angemessen sein, wie in dem Verfahren spezifiziert.

B.1. Alle Beteiligten müssen das Verfahren korrekt

B.2. und vollständig durchführen.

C.1. Oft müssen die Personen die verlangten Gedanken, Gefühle und Intentionen hegen, die das Verfahren spezifizieren und

C.2. sie müssen sich auch danach richten.

Wenn auch nur eine dieser Regeln bzw. Gelingensbedingungen nicht erfüllt ist, verunglückt die performative Handlung (vgl. Austin, S.35).

Austin betont, dass es große Unterschiede zwischen diesen Regeln gibt. Der größte von ihnen besteht dabei zwischen den A und B Regeln und den Regeln, die hier unter dem Buschstaben C zusammengefasst sind. Verstöße gegen die Ersteren nennt er Versager, Verstöße gegen die Letzteren dagegen Missbräuche. Bei Versagern wird die Handlung nicht erfolgreich vollzogen, weil beispielhaft die Formeln fehlerhaft benutzt wurden oder die beteiligten Personen nicht dem Verfahren entsprachen.

Für Regelverstöße der zweiten Art hingegen ist es charakteristisch, dass die entsprechende Handlung zustande kommt, auch wenn ihr Vollzug unter diesen Umständen einen Missbrauch des Verfahrens darstellt (vgl. Austin, S.36). Den Unterschied zwischen den Versagern des A- und des B-Typs macht Austin deutlich, indem er die Ersten als Fehlberufungen und die Zweiten als Fehlausführungen definiert.

Diesen zweiten Unglücksfall nennt er Fehlanwendung, für den ersten Fall führt er keine spezifische Terminologie ein.  Unter die Fehlausführungen, also verunglückte performative Äußerungen, die auf Verstöße gegen die B-Regeln zurückzuführen sind, fallen Trübungen und Lücken. Trübung entstehen durch ein inkorrektes Vorgehen während des Verfahrens und Lücken dadurch, dass das Verfahren nicht vollständig ausgeführt wird (vgl. Ebd., S.37f).

Die C-Regeln sind dann nicht erfüllt, wenn jemand nicht die richtigen Gefühle, Gedanken oder Absichten gegenüber der Handlung besitzt, die mit der performativen Äußerung vollzogen werden soll oder er sich anschließend nicht gemäß der Spezifizierungen des Verfahrens verhält (vgl. Ebd., S.56f). Unglücksfälle, die aus der Verletzung der C.1-Regel resultieren, fasst Austin unter dem Terminus der Unredlichkeit.

Verletzungen der C.2-Regeln bleiben unbenannt.

Ernst verdeutlicht diese sechs Bedingen am Beispiel der kirchlichen Trauung, die mit der performativen Äußerung Hiermit erkläre ich sie zu Mann und Frau vollzogen wird. Den A-Regeln entsprechend, muss es ein übliches konventionelles Verfahren der kirchlichen Trauung geben und die Personen und Umstände müssen diesem Verfahren angemessen sein.

So kann nur ein Geistlicher und nicht etwa der Metzger die Trauung vornehmen. Um den B-Regeln gerecht zu werden, müssen die Rituale der kirchlichen Trauung eingehalten werden, sodass man nicht ist mir egal oder von mir aus anstelle von ja ich will oder ja sagen kann. Ebenso müssen beide Partner einwilligen. Es wäre unredlich, wenn Braut und Bräutigam die Trauung zwar vollziehen, aber nicht die entsprechenden Gefühle, Gedanken und Intentionen haben.

Weiterhin können sie sich nach der Trauung nicht ohne weiteres so verhalten, als seien sie nicht verheiratet (vgl. Ernst, S.94).

Der Philosoph stellt im Anlauf mehrerer Versuche fest, dass die performativen Äußerungen linguistisch nicht charakterisierbar sind und auch die beschriebenen Dimensionen der Verifizierbarkeit und der Möglichkeit des Ge- bzw. Misslingens nicht dazu dienen können die beiden Äußerungsformen sinnvoll voneinander zu unterscheiden.

„Der Leser von How to do things with words sei gewarnt: die Argumentation macht eine innere Entwicklung durch und das anfänglich Postulierte wird schließlich zurückgewiesen. Was als Theorie über einige besondere und eigenartige Äußerungen – Performativa – begann, endet als übergreifende, alle Äußerungen betreffende Theorie“ (Levinson, S.231f).


2.2.1 Der Versuch Performative linguistisch zu charakterisieren

Austin beginnt seine Nachforschung mit der Suche nach einem grammatischen bzw. lexikographischen Kriterium, das charakteristisch für performative Äußerungsformen ist und dazu dienen kann sie präzise von den Konstativen zu unterscheiden. Er stellt fest, dass die paradigmatischen Fälle der Performativa ein Verb in der ersten Person Singular des indikativ Aktiv Präsens enthalten.

Unter diese `typischen´ Formen fallen beispielsweise Ich verspreche, Ich vermache, Ich taufe, ich erkläre… für usw.  Gegen dieses Kriterium spricht allerdings, dass viele performativen Äußerungen nicht in der beschriebenen Form vorliegen. Beispielsweise gibt es einige formelle performative Äußerungen, die üblicherweise ein Verb in der zweiten oder dritten Person im Passiv und dazu ein unpersönliches Subjekt enthalten (vgl. Ebd., S.74ff).  Er führt folgenden Beispielsatz an: „Hiermit wird allen für ihre freundliche Anteilnahme am Grabe des Verstorbenen gedankt.“ (Ebd., S.76).

Auch der Bestimmungsversuch, der auf das verwendete Vokabular in den Äußerungen gerichtet ist, scheitert, weil die ausgewählten Kandidaten, zu denen u.a. erlaubt, schuldig oder versprechen gehören, auch in nicht-performativen Äußerungen verwendet werden (vgl. ebd.).

Zwar können performative Äußerungen in ihrer `typischen´ grammatischen Form, d.h. mit einem Verb in der ersten Person Indikativ Aktiv Präsens, immer in der Kombination mit dem Adverb hiermit auftreten, damit ist man aber auf diese „sehr formalisierten, sehr expliziten performativen Äußerungen beschränkt.“ (Ebd., S.76). 

Austin kehrt in der Folge wieder zu seinem, seiner Meinung nach, vielversprechendsten Versuch zurück und formuliert folgende These: „Wenn eine Äußerung überhaupt performativ ist, dann muß [!] man sie durch Reduktion, Ausweitung oder sonstige Analyse auf eine Form bringen können, in der sie ein Verb in der ersten Person Singular Indikativ Aktiv Präsens enthält.“ (Ebd., S.79f).

Er räumt allerdings ein, dass die Ausweitung oder Reduktion auf diese explizit performative Form nicht in allen Fällen gelingt. Es gibt, so der Philosoph, beispielsweise Äußerungen mit denen zwar etwas ganz Bestimmtes getan wird, für die in unserer Sprache aber keine sprachliche Formel vorliegt. Deutlich wird dies am Phänomen der Beleidigung. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten diese Handlung zu vollziehen aber die explizite sprachliche Formulierung Ich beleidige… gibt es in unserer Sprache nicht (vgl. Ebd., S.84).


Ebenso sind Feststellungen „jeder Art von Unglücksfall ausgesetzt […], denen auch die performativen Äußerungen zum Opfer fallen können.“ (ebd.). Er gibt an, dass einige Feststellungen die Existenz dessen, worüber sie sprechen voraussetzen. Die Feststellung Der gegenwärtige König von Frankreich hat eine Glatze misslingt, d.h. ist nichtig, wenn es keinen König von Frankreich gibt (vgl. Ebd., S.153f).

„Das Präsuppositionsversagen im Bereich der Konstativa hat demnach eine klare Parallele im Bereich der Performativa […].“ (Levinson, S.235).  Im weiteren Verlauf seiner Argumentation entkräftet er ebenfalls die These, dass nur konstative Äußerungen etwas mit der Kategorie wahr oder falsch zu tun haben. Eine Warnung kann als gut bzw. schlecht oder berechtigt bzw. unberechtigt eingestuft und beurteilt werden, es kann darüber entschieden werden, ob Lob, Tadel oder Glückwünsche verdient ausgesprochen wurden usw.

Austin stellt die kritische Frage: „Können wir wirklich sagen, die Beurteilung einer Feststellung als zutreffend […] sei etwas ganz anderes als die Beurteilung einer Begründung als zwingend, eines Ratschlags als gut […]? Haben nicht auch diese in verwickelter Weise etwas mit Tatsachen zu tun?“ (Austin, S.158). Der Philosoph macht ebenso deutlich, dass man Feststellungen nicht so objektiv nach ihrer Wahrheit beurteilen kann, wie es häufig den Anschein macht.


2.3 Aufgabe der Dichotomie zugunsten einer allgemeinen Sprechakttheorie

Austins Untersuchungen führten dazu, dass er seine Dichotomie zwischen Konstativen und Performativen zugunsten einer allgemeinen Sprechakttheorie aufgab und sich nunmehr darauf konzentrierte zu untersuchen, was alles dazu gehört eine sprachliche Äußerung zu tätigen und wie sich die verschiedenen illokutionären Rollen voneinander unterscheiden.


2.3.1 Zur Struktur sprachlicher Äußerungen

Der Philosoph hält zunächst fest, was der Sprecher alles tun muss, um eine sprachliche Äußerung zu produzieren. Es müssen gewisse Geräusche produziert werden, indem der Sprecher seine Artikulationsorgane bewegt. Diese Geräusche müssen von einer bestimmten Gestalt sein, sodass sie dem Vokabular einer bestimmten Einzelsprache angehören.

Hinzu kommt, dass die geäußerten Worte der Grammatik dieser Sprache folgen müssen. Das geäußerte Vokabular wird darüber hinaus dazu genutzt, etwas Bestimmtes über etwas Bestimmtes zu sagen. Dieser letzte Aspekt beschreibt also ganz allgemein formuliert, dass eine Referenzsituation entsteht. Diese gesamte Handlung nennt Austin den Vollzug eines lokutionären Aktes, der sich, gemäß der vorangegangenen Beschreibung, in drei simultan ablaufende Akte unterteilt: den phonetischen, den phatischen und den rhetischen Akt (vgl. Ebd., S.108).

Im Mittelpunkt soll daher der illokutionäre Akt stehen, d.h. der Akt „den man vollzieht, indem man etwas sagt; im Unterschied zum Akt, daß [!] man etwas sagt.“ (Ebd., S.115). Die Theorie, die versucht etwas darüber herauszufinden, welche Funktionen Sprache unter diesem Aspekt haben kann, nennt er die Theorie der illokutionären Rollen (vgl. ebd.).

Von den beiden bisher genannten Akten unterscheidet der Philosoph den perlokutionären Akt und beschreibt unter diesem Begriff das Phänomen, dass eine sprachliche Äußerung bestimmte Wirkungen auf die Gefühle, Gedanken oder Handlungen des Hörers haben kann und häufig auch zu diesem Zweck geäußert wird (vgl. Ebd., S.116). So kann ich jemanden mit meiner Äußerung aufmuntern, verängstigen von etwas abhalten etc.

Austin merkt an, dass auch beim illokutionären Akt spielen gewisse `Folgen´ bzw. Wirkungen eine Rolle spielen, die notwendig für den geglückten Vollzug des Aktes sind. Eine Wirkung, die der Akt beim Hörer erzeugen muss, ist das Verständnis der Bedeutung der Äußerung und der illokutionären Rolle. Weiterhin hat ein jeder illokutionärer Akt ein konventionelles Ergebnis.


2.3.2 Die verschiedenen Familien von Sprechakten

Nach Austin besteht die nächste Aufgabe in einer „ausgedehnte[n] Feldforschung“ (Ebd., S.164), um eine Klassifizierung illokutionärer Rollen zu erarbeiten. Er sucht, mit Hilfe des Tests der Transformation in explizite performative Äußerungen, im Lexikon nach performativen Verben. So ergibt sich, nach den Einschätzungen Austins, eine Liste von Verben, die in der Größenordnung von 1000 bis 9999 anzusiedeln ist.

Er unterscheidet fünf größere Familien von Sprechakten, die sich überlappen und mit einander verwandt sind (vgl. Ebd., S.164f).

Das beste Beispiel für verdiktive Äußerungen sind Urteile einer Jury oder eines Schiedsrichters. Im Wesentlichen geht es darum, über Fragen, die Werte oder Tatsachen betreffen, zu entscheiden (vgl. Ebd., S.168). Unter diese Kategorie fallen exemplarisch für Recht befinden, freisprechen oder veranschlagen. Mit exerzitiven Äußerungen kann man Rechte, Macht und Einfluss ausüben.

Man entscheidet also darüber, wie etwas sein soll und fällt nicht etwa ein Urteil (vgl. Ebd., S.170). In diese Kategorie gehören z.B. anweisen, beauftragen oder vorscheiben. Durch kommissive Äußerungen legt man sich auf ein bestimmtes Verhalten fest. Als typisch kommissive Äußerungen gelten daher alle Formen der Verpflichtungsübernahme (vgl. Ebd., S. 173). Konduktive Äußerungen haben etwas mit den eignen Einstellungen und dem Verhalten in der Gesellschaft zu tun (vgl. Ebd., S.175).


3.Weiterentwicklung der Sprechakttheorie durch Searle

 „Im wesentlichen hat Searle die Sprechakttheorie Austins systematisiert und teilweise gestrafft.“ (Levinson, S. 238). Vor allem wollte Searle die Charakterisierung der Sprechaktklassen als `lockere Familienbeziehung´ nicht dahingestellt lassen, sondern notwendige und zusammengenommen hinreichende Bedingungen für die Klassifikation angeben.

Er möchte zeigen, wie die illokutionäre Kraft durch bestimmte Bedingungen konventionell mit den Indikatoren, die die illokutionäre Rolle der Äußerungen anzeigen, verbunden ist und wie solche Bedingungen den illokutionären Akt überhaupt erst konstituieren (vgl. Ebd., S.238).


3.1 Die Struktur von sprachlichen Handlungen

Anhand folgender Beispielsätze beginnt Searle seine Untersuchungen der verschiedenen Teilakte einer Sprechhandlung (vgl. Searle, 2003, S.39):

Sam raucht gewohnheitsmäßig.

Raucht Sam gewohnheitsmäßig?

Sam, rauch gewohnheitsmäßig!

Würde Sam doch gewohnheitsmäßig rauchen!

Alle diese Beispielsätze verweisen auf dasselbe Objekt Sam und in allen Sätzen wird diesem Objekt die Eigenschaft raucht gewohnheitsmäßig prädiziert, obwohl es sich um die voneinander verschiedenen Sprechakte des Feststellens, Fragens, Befehlens und Wünschens handelt. Searle macht auf diese Weise deutlich, dass wir die Referenz und Prädikation von vollständigen Sprechakten unterscheiden müssen, da, wie sich in den vorangegangenen Beispielen gezeigt hat, beim Vollzug verschiedenster Sprechakte die gleiche Referenz und Prädikation vorkommen können (vgl. Ebd., S.39).

Der illokutionäre Akt wird, wie auch schon bei Austin, als kommunikative Funktion der Äußerung verstanden. Searle betont, dass es sich bei diesen Akten nicht um etwas Getrenntes handelt, das bloß zufälliger Weise synchron getan wird, sondern dass es für den Vollzug eines illokutionären Aktes notwendig ist ebenfalls einen propositionalen und einen Äußerungsakt zu vollziehen.

„Der illokutionäre Akt wird nämlich vollzogen, i n d e m man einen Äußerungsakt hervorbringt“ (Hindelang, S.10). Searle fügt den bisher unterschiedenen Teilakten Austins perlokutionären Akt hinzu, da illokutionäre Akte eng mit den Konsequenzen und Wirkungen verbunden sind, die sie auf die Gedanken und Handlungen der Hörer haben (vgl. Searle, S.42).

Die Unterscheidung von propositionalen und illokutionären Akt ist für seine Argumentation so wichtig, weil er im Folgenden die Analyse der Propositionen, d.h. im Speziellen die Frage nach Referenz und Prädikation, von der Analyse der verschiedenen Sprechakte, besonders ihrer illokutionären Kraft, trennen kann (vgl. Ebd., S.51).


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