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Seminararbeit
Pädagogik

Universität Hamburg

Wintersemester 2006/2007

Jacqueline L. ©
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ID# 18669







Sprachsystematische und funktionale Analyse eines Kindertextes einer nicht deutschsprachigen Schülerin

Kinder sollen eine Geschichte anhand von Bildern nacherzählen
- Eine Riesengeschichte/ Ein Mäusemärchen


INHALT

1 Einleitung

2 Analyse

2.1 ZTAR

2.2 Das Bühlersche Zeigfeld

2.3 Mündlichkeit/ Schriftlichkeit

2.4 Kohärenz

3 Fazit


1)Einleitung

Zur Analyse habe ich mir einen Text von einem Kind aus der ersten Klasse ausgesucht. Den Kindern dieser Klasse wurde von einer Praktikantin aus dem Buch „Eine Riesengeschichte/ Ein Mäusemärchen“ vorgelesen. Danach sollten sich die Kinder Zettel aussuchen auf denen unterschiedliche Bilder zu der Geschichte waren und dazu aufschreiben, was sie sehen und was sie denken.

Die Kinder hatten hierfür 15 bis 20 Minuten Zeit. Anschließend wurden die Texte vorgelesen. Die Klassenlehrerin der Klasse praktizierte eine Form des offenen Unterrichts. Hierfür nutzte sie keine Standardfibel, sondern die Kinder kreierten eigene Fibeln. Zusätzlich dazu arbeitete die Lehrerin mit selbst gestalteten Arbeitsblättern, die sich zum Teil in den Schwierigkeitsgraden unterschieden.

In der Klasse gibt es viele Spiele, wobei sich diese fast ausschließlich auf Lese- und Rechenspiele beschränken. Das freie Schreiben wurde von der Lehrerin von Anfang an gefördert, wobei sie auch Wert auf die Richtigschreibung legte. Die Klasse hatte eine Leseecke in der eine Bücherkiste stand, die die unterschiedlichsten Bücher enthielt. Der vorgelesene Text der als Anlass zur Schreibaufgabe galt handelt von der Maus Rosinchen und dem Riesen Bartolo.

Das Buch kann von vorne und von hinten gelesen werden. Daher hat es die bereits genannten zwei Titel „Eine Riesengeschichte/ ein Mäusemärchen“. Der Riese Bartolo ist zwar groß und stark, aber er fürchtet sich vor allem. Die Maus Rosinchen hingegen ist klein, hat aber vor nichts Angst. Aus diesem Gründen werden beide von anderen gemieden. Rosinchen wandert daraufhin aus um einen Freund zu finden.

Bartolo hingegen traut sich nicht etwas an seiner einsamen Situation zu ändern. In der Mitte des Buches treffen die beiden jedoch aufeinander und schließen Freundschaft.

Im Folgenden werde ich einen Kindertext analysieren der zu einem Bild dieser Geschichte geschrieben wurde.


2) Analyse


Der von mir ausgesuchte Text stammt von einem Mädchen Namens Yassemin, das in die von mir bereits vor gestellten erste Klasse geht. Yassemin kommt ursprünglich aus Afghanistan und geht bei der Entstehung des Textes seit einem halben Jahr zur Schule. Sie hat sich ein Bild ausgesucht auf dem der Riese zu sehen ist, wie er sich hinter einem Baum versteckt. Der von ihr verfasste Text lautet:


Bartolo hat vor alles Angst, auch vor Vögeln.

BARTOLO HAT FOA ALES AGS AUCH FOA VOGEL

Er versteckt sich immer wenn er ein Tier sieht.

ER FASCHTEKT SICH EMA WENER EIN TIA SET

Aber Rosinchen hat vor nichts Angst, auch nicht vor Riesen.

ABER ROSINCHEN HAT FOA NIKS ANGZ AUCH NICHT FOA RIESEN

Die beiden passen zusammen.

DIE BEIDE PASEN ZUSAMEN


2.1  ZTAR


Zum Null Teil: Bezugsgrößen

0.1 Textlänge: 30 (bzw. 31) Wörter

0.4 Charakterisierung der Syntax: einfach/ komplex; normal/ ausgefallen: Einfache bis normale Syntax.

0.5 Charakterisierung der Kohäsionsleistung: viel/ wenig; einfach/ schwierig: Viel Kohäsion. Die einzelnen Sätze beziehen sich aufeinander. In den ersten beiden Sätzen wird die Situation von Bartolo dargestellt. Im dritten Satz geht Yassemin auf Rosinchen ein, stellt diese Bartolo gegenüber („Aber Rosinchen…“).

Im letzten Satz schließt Yassemin, dass die beiden gut zusammen passen, vermutlich da sie sich ergänzen. Sie bezieht sich damit auf ihre ersten drei Sätze. Insgesamt sind die Sätze also aufeinander abgestimmt und beziehen sich aufeinander.

0.6 Charakterisierung der Komplexität des Themas sowie der Behandlung des Themas im Text: Yassemin verfolgt einen einheitlichen Gedankengang. Bei ihr geht es um das Thema Angst, was ja auch ein Kernpunkt des Textes ist. Dabei stellt sie dar, dass Bartolo viel und Rosinchen wenig Angst hat. Sie beleuchtet das Thema also von beiden Seiten und hält sich damit an die Vorgehensweise des Buches.


Zum A- Teil: Sprachsystematische und orthographische Richtigkeit

Rechtschreibung/ Orthographie: Yassemin schreibt noch viele Wörter falsch. Dabei macht sie typische Fehler bei denen sie die Wörter so schreibt, wie sie sie hört. Sie schreibt also noch auf der alphabetischen Schreibebene. So schreibt sie zum Beispiel „faschtekt“ statt „versteckt“, oder „foa“ statt „vor“. Auffallend ist, dass sie die Namen der Figuren richtig schreibt, sowie das Wort „Vogel“ (auch wenn es an dieser Stelle die Mehrzahl sein müsste).

Bei den Namen der Figuren ist das verständlich, da die Praktikantin diese vorher aufgehängt hat. Dass sie das Wort „Vogel“ allerdings orthographisch korrekt schreibt zeigt, dass sie wahrscheinlich Vorkenntnisse gehabt hat.   

Wort- und Formenbau/ Morphologie: Yassemin schreibt alle Wörter groß, sie macht also keine Unterschiede zwischen den Wortformen. Die Wörter sind, wie bereits erwähnt, meist falsch geschrieben. Sie hat anscheinend noch keine Erfahrung mit Doppelbuchstaben gemacht.

Satzbau/ Syntax: Der Satzbau von Yassemins Text ist sinnvoll. Sei würfelt die Wörter nicht wild durcheinander, sondern behält die Reihenfolge ein. Die Sätze hören sich nicht merkwürdig an und haben einen Sinn.

Textbau: Der Text ist insgesamt stimmig. Die einzelnen Sätze beziehen sich aufeinander und machen damit im Gesamtbild einen harmonischen Eindruck.


Zum B- Teil: Aspekte der Angemessenheit von Texten

B. 1 Funktionale Angemessenheit: Verständlichkeit/ Kohärenz

B.1.1 Gesamtidee, Thema, Absicht des Textes:

In Yassemins Text lässt sich eine Gesamtidee erkennen. Die Gesamtidee ist das Thema Angst. Die ersten drei Sätze sind von diesem Thema durchzogen und bestimmt. Im letzten Satz schließt Yassemin, dass die beiden (Rosinchen und Bartolo) zusammen passen. Außerdem verfolgt Yassemin in der Art wie sie ihren Text aufgebaut hat, den Ablauf des Buches.

Die Darstellung von Rosinchen entspricht dabei allerdings nicht dem was auf dem Bild zu sehen ist. Allerdings war ja auch nicht die Aufgabestellung „beschreibt was ihr seht“ sondern was ihnen bei diesem Bild einfällt. Insofern ist Yassemin die Freiheit gelassen, auch über das was auf dem Bild gezeigt ist hinaus zu schreiben. Abschließend hierzu wäre zu kritisieren, dass Yassemin  nicht erwähnt, das Bartolo ein Riese und Rosinchen eine Maus ist.

Für einen Rezipienten der das Buch und das Bild nicht kennt würde damit das paradoxe der Geschichte, nämlich dass sich der große Riese Bartolo vor allem fürchtet und die kleine Maus Rosinchen vor nichts Angst hat, nicht als solches zu erkennen sein.



B.1.3 Thematische Entfaltung: Die Texthintergrundslogik von Yassemins Text ist nachvollziehbar. Die ersten drei Sätze sollen im Grunde wohl dazu dienen, den abschließenden Satz „Sie passen zusammen“ zu erklären. Um dies zu erreichen stellt Yassemin die Gegensätzlichen Charaktere der beiden Figuren dar und möchte wahrscheinlich somit klar machen, dass sie sich ergänzen.


B.1.4 Grad an Implizitheit/ Explizitheit: Implizit zeigt der Text auf, warum sich der Riese auf dem Bild hinter dem Baum versteckt. Nicht ganz deutlich (also auch implizit) wird, warum Yassemin findet dass Rosinchen und Bartolo zusammen passen. Aus den vorhergehenden Sätzen soll womöglich eine Gegensätzlichkeit herausgestellt werden, jedoch wird nicht explizit erwähnt, dass die beiden daher zusammen passen.


Kohäsionsmittel: Yassemin benutzt einige Kohäsionsmittel. So betont sie mit dem Nebensatz „auch vor Vögeln“, die Furcht von Bartolo. Um eine Verbindung zwischen Bartolo und Rosinchen herzustellen, stellt sie der Furcht von Bartolo ein „Aber Rosinchen…“ gegenüber. Auch dies kann als Kohäsionsmittel zur Verknüpfung der beiden Sätze und Figuren gelten.

2.2   Das Bühlersche Zeigfeld


Nach Karl Bühler gibt es drei Arten des Zeigens. Dabei ist zu beachten, dass diese Arten nicht verschiedene Zeigfelder bezeichnen, sondern dass sie das eine Zeigfeld auf verschiedene Arten differenzieren. Die erste Art ist 1. Demonstratio ad oculus, die zweite 2. Anaphora und die dritte 3. Deixis am Phantasma. Auf den von mir ausgesuchten Text bezogen, kann damit folgendes analysiert werden: Nach dem Demonstratio ad occulus müssen sich beide, Sender und Empfänger einer Nachricht, im selben Bezugsrahmen befinden um sich zu verstehen.

Sie haben also einen gemeinsamen Bezugsrahmen Besonders der Satz „Er versteckt sich immer, wenn er ein Tier sieht“ bezieht sich auf das dem Kind vorliegende Bild.  In Yassemins Text lassen sich außerdem Anaphora finden. Anaphora sind Verweise in einem Text. In den meisten Fällen sind das Rückverweise, d.h. eine Person/ ein Ding usw. wird vorher genannt und im späteren Verlauf zum Beispiel nur noch „sie“/“es“ genannt.

Im bearbeiteten Text lassen sich Anaphora zum Beispiel im zweiten Satz wieder finden: „ Er versteckt sich immer, wenn er ein Tier sieht.“. Das er bezieht sich hierbei auf den vorher erwähnten Bartolo. Auch im letzten Satz ist ein Rückverweis zu finden „Die beiden passen zusammen“. Dieser Rückverweis bezieht sich sogar auf beide im Text aufgetretenen Figuren. Als letztes gehört zum Bühlerschen Zeigfeld die Deixis am Phantasma.

Würde jedoch jemand den Text lesen, der beides nicht kennt, würde diese Art des Verweises nicht erfüllt.


2.3  Mündlichkeit/ Schriftlichkeit


Anders als bei der Mündlichkeit muss der Schreiber eines Textes dafür sorgen, dass ein Leser an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit seinen Text verstehen kann. Bei der Mündlichkeit ist durch Handeln und Erklären ein anderer Rahmen möglich, der sich beim Schreiben so nicht eröffnet. Im Gegensatz zur gesprochenen Sprache ermöglicht allerdings der geschriebene Text Gestaltung.

Durch z.B. Interpunktion hat der Schreiber die Möglichkeit Anweisungen zu geben, wie sein Text verstanden werden soll. Beide der aufgeführten Punkte sind im vorliegenden Text ungenügend realisiert. Das Kind ist bei der Erstellung des Textes nicht davon ausgegangen, dass ein Leser, der keinen Bezug zu dem Buch und dem Bild hat, Schwierigkeiten haben wird, seinen Text zu verstehen.

Yassemin hat noch nicht realisiert, dass es beim Schreiben auch darum geht anderen Menschen etwas zu vermitteln. Ihr Text allein erklärt nicht die Situation und ist somit völlig losgelöst.


2.4   Kohärenz


Der Text kann, wie ich bereits erwähnte, insofern als kohärent gelten, dass sich die Sätze aufeinander beziehen, in einer Verbindung miteinander stehen. So stellt Yassemin im ersten Satz dar, dass Bartolo vor allem Angst hat. In dem anschließenden Nebensatz führt sie diesen Umstand weiter aus, dass Bartolo auch Angst vor Vögeln hat.

Im zweiten Satz bezieht sie sich auf die im vorigen von ihr beschriebene Angst und erläutert Bartolos Verhalten darauf. Im nächsten Satz stellt sie Bartolos „Angst vor allem“, Rosinchens „Angst vor nichts“ gegenüber. Eine Kohärenz zu den vorangegangenen Sätzen erreicht sie dadurch, dass sie am Anfang des Satzes ein „Aber“ setzt. Damit hat sie eine Verknüpfung zwischen den Sätzen hergestellt.


3     ) Fazit

Bleibt die Frage, ob Yassemins Text ein guter oder ein schlechter Text ist. Yassemins Text kann als gut bezeichnet werden, da er in sich stimmig ist und Aufbau und Inhalt einen Sinn machen. Andererseits wird für einen Leser, der die Rosinchen und Bartolo Geschichte nicht kennt, das Außergewöhnliche an Yassemins Text nicht deutlich (Riese Bartolo- Angst vor allem; Maus Rosinchen- Angst vor nichts).

Auch der letzte Satz ist nicht komplett schlüssig, da Yassemin nicht erwähnt, dass die beiden aufgrund ihrer Unterschiede gut zusammen passen. Dass sie das so meint, muss der Leser selbstständig schließen. Dennoch stufe ich den Text abschließend als einen guten Text ein.    




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