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Seminararbeit
Deutsch

Universität Trier

2,3; Bauschmid M.A.; 2015

Leon P. ©
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ID# 68256







Universität


Fachbereich II - Germanistik - Sprachwissenschaften


Seminar:
"Ich fürchte dieser Jargon hat nicht wenig zur Unsittlichkeit des gemeinen Mannes beigetragen" - Darstellung des Jiddischen in literarischen und theoretischen Texten


Modul: Sprachvariation (BA2GER509)

Sommersemester 2015

Dozentin: Bauschmid M.A.


Sprachentod?

Die Konfrontation der jiddischen Sprache mit ihrer potentiellen Agonie

von

Bachelor of Education

22 Germanistik / Biologie

54295 6. Fachsemester

Matrikelnr.: 1112107

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

2. Das Verschwinden von Sprachen 2

3. Die jiddische Sprache 3

3.1 Sprache oder Jargon 3

3.2 Eigendynamik einer Sprache 6

3.3 Jiddisch seit dem Zweiten Weltkrieg - Der Phönix aus der Asche? 11

4. Fazit 15

Literaturverzeichnis 17


1. Einleitung

"Von allem, was die Menschen erfunden und ausgedacht, bei sich gehegt und einander überliefert, was sie im Verein mit der in sie gelegten und geschaffenen Natur hervorgebracht haben, scheint die Sprache das größte, edelste und unentbehrlichste Besitztum" [ CITATION Ste88 \p 100 \l 1031 ].

Obig angeführtes Zitat weist auf den unausgesprochenen Eigenwert der Sprache als den kostbarsten Besitz des Menschen hin. Ein solcher Besitz - durch seinen außergewöhnlichen Wert gekennzeichnet - sollte durch das Zuteilwerden einer besonderen Pflege und Aufmerksamkeit ausgezeichnet sein, um jenes besondere Gut zu konservieren. Laut einer Studie der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) ist derzeit jedoch nahezu die Hälfte der weltweit 6.000 gesprochenen Sprachen vom Verschwinden bedroht [ CITATION UNE15 \l 1031 ]. Einer der Hauptgründe hierfür liegt darin begründet, dass viele Sprachen lediglich von kleinen Gemeinschaften gesprochen und bewahrt werden, weswegen besonders diese Sprachen gefährdet sind der Verdrängung anheim zu fallen.

Die vorliegende Hausarbeit dient der Untersuchung der Gründe des Verschwindens von Sprachen, welche einleitend allgemein thematisiert und dargestellt werden sollen. Darüber hinaus wird das Jiddische herangezogen, zur Beleuchtung der Situation einer bedrohten Sprache u.a. im deutschsprachigen Raum. Um dieses Vorgehen zu erleichtern soll vorab die Entstehungsgeschichte des Jiddischen sowie dessen Verbreitung thematisiert werden.

Gleichzeitig gilt es der Frage nachzugehen, ob das Jiddische überhaupt als Sprache gewertet werden darf, oder ob es im Anklang an verschiedene Autoren lediglich unter dem Terminus "Jargon" [ CITATION Alt93 \p 50 \l 1031 ] zu führen ist. Dies würde eine weitere Beschäftigung unter obiger Fragestellung verbieten, da formuliertes Ziel dieser Hausarbeit ist, das Verschwinden von Sprachen im engeren Sinne zu beleuchten.

Eine Sprache im engeren Sinne ist per definitionem "[ .] das vermögen seine gedanken durch worte, d. i. articulierte . töne auszudrucken, das vermögen worte als zeichen der gedanken zu gebrauchen" [ CITATION Gri151 \t \l 1031 ]. Unter diesen und zusätzlichen, im Folgenden erläuterten Voraussetzungen der Kennzeichnung als Sprache, soll das Jiddische eingehend betrachtet werden um einen exemplarischen Ausblick für mögliche Bedrohungen der Existenz von Sprachen anhand des Jiddischen zu erstellen.


2. Das Verschwinden von Sprachen

Laut einer Schätzung der Ethnologue-Enzyklopädie gibt es derzeit weltweit 6.909 aufgelistete Sprachen, derer 473 als stark bedroht gelten (vgl. Schlobinski, 2014, S. 31). Die meisten dieser Sprachen weisen lediglich einen geringen Anteil an Muttersprachlern auf, weswegen die Vermutungen naheliegen, dass viele der bisher nicht als stark bedroht klassifizierten Sprachen in naher Zukunft als solche deklariert werden.

Vor allem aufgrund von Nationalisierungs- und Globalisierungstendenzen deutet sich ein Massensterben der weltweit verbreiteten Sprachen an - laut Schlobinski sind 43% selbiger "[ .] mehr (knapp 10%) oder weniger stark vom Aussterben bedroht, allein in Deutschland 13 Sprachen wie Sorbisch, Jiddisch, Saterfriesisch" [ CITATION Pet14 \p 159 \l 1031 ]. Die Gründe für diese Entwicklung sind mannigfaltig.

Im Vordergrund nennt Schlobinski sozioökonomische, politische und kulturelle Faktoren (vgl. Schlobinski, 2014, S. 159) - wie beispielsweise politische Grenzen oder Handelsbeziehungen - die für das Verschwinden einiger Sprachen verantwortlich sind. Besondere Beachtung verdient hierbei das auf Rudi Keller zurückzuführende Modell der "unsichtbaren Hand"[ CITATION Pet14 \p 167 \l 1031 ], welches eine auf menschliches Handeln zurückgehende Veränderung von Sprachen impliziert.

Zusätzlich spielen neue Informationsmedien eine wichtige Rolle bei der Begünstigung einzelner Sprachen, die somit einen weltweiten Verbreitungsgrad erlangen (vgl. WeltN24, 2012). Möglicherweise ist auch von Bedeutung, dass Sprachen oftmals nicht einem Druck von außen erliegen, sondern, dass die Pflege der Sprache sich für die Sprecher nicht mehr lohnt (vgl. WeltN24, 2012).

Sprachen verschwinden seit jeher, in der aktuellen Zeit verschwinden sie jedoch in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit, die einer besonderen Aufmerksamkeit verdient. Neben den bereits angeführten Gründen hat die Gesellschaft für bedrohte Sprachen e.V. (GBS) eine kurze Übersicht erstellt, die das Verschwinden von Sprachen erklären soll. Dazu zählen beispielsweise auch die sogenannte Stigmatisierung (vgl. GBS, 2007), welche in der Regel durch eine sprachliche Mehrheit gegenüber einer sprachlichen Minderheit geschieht, indem selbige als Unterrichtssprache oder Amtssprache unterdrückt wird.

Im Zuge der Globalisation geschieht es, dass Sprachen, welche lediglich in wenigen Situationen Verwendung finden, und die von den Kindern nicht mehr oder bestenfalls rudimentär erlernt werden, vom Aussterben bedroht sind (vgl. GBS, 2007). Dieser angesprochene Sprachwechsel geschieht in den seltensten Fällen freiwillig. Zumeist ist Assimilation "[ .] mit irgendeiner Form der Repression verbunden" [ CITATION Ges07 \l 1031 ], die sich nicht nur auf die Sprache per se erstreckt, sondern in erster Linie Menschen betrifft.

Der Verfall von Sprachen scheint unaufhaltsam, aber aus welchem Grund ist eine gesteigerte Aufmerksamkeit für dieses Phänomen überhaupt notwendig? "Zunächst einmal ist eine Sprache das wichtigste Mittel des sozialen Kontakts und das Medium, in dem eine Sprachgemeinschaft ihre Kultur überliefert" [ CITATION Ges07 \l 1031 ]. Somit wird ersichtlich, dass durch den Wegfall einer Sprache gleichzeitig auch die entsprechende Kultur bedroht ist.

Kulturspezifisches Wissen scheint dem Vergessen anheim zu fallen, weswegen Sprache zu Recht als "[ .] wesentlicher Bestandteil der Identität der Sprecherinnen und Sprecher" [ CITATION Ges07 \l 1031 ] zu bewahren ist.

Welche Gründe es letztlich sind, die das Schreckgespenst des Sprachentods herbeibeschwören, Fakt ist, dass viele Sprachen dem Ende ihres Gebrauchs entgegen blicken. Im folgenden Abschnitt soll nun eine exemplarische Betrachtung des Jiddischen erfolgen, die "[ .] Sprache des aschkenasischen, d.h. mittel- und osteuropäischen Teils des Judentums im deutschen Sprachraum [ .]" [ CITATION Ott73 \p 13 \l 1031 ], welche als Nahsprache des Deutschen gilt.

Dort war die jiddische Sprache die Umgangssprache der aschkenasischen Juden (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXI). Jiddisch gilt als Nahsprache des Deutschen (vgl. Clauss, 2004, S. 4), welche von ihren Sprechern mit der Bezeichnung Máme-Lóschen versehen wurde (vgl. Landmann, 1988, S. 44). Der oben bereits erwähnte Terminus Aschkenas geht dabei auf die hebräische Bezeichnung für Deutschland - "erez aschkenas" (Clauss, 2004, S. 4) zurück.

Zusätzlich muss jedoch beachtet werden, dass die jiddische Sprache ein gutes Beispiel dafür bildet, welche Schwierigkeiten bei der Zuordnung einiger Sprachen zu Sprachfamilien entstehen können - dass hinsichtlich der methodischen Herangehensweise Grenzen gesetzt sind (vgl. Aptroot & Gruschka, 2010, S. 11). Die jiddische Sprache hat durch ihren mehrmaligen und vielfältigen Kontakt mit verschiedenen Kulturen und Sprachen den Anspruch einer Komponentensprache - einer schmélzschprach - erworben.

Eine solche ist gekennzeichnet als komplett ausgebildete Sprache, die über ein "[ .] eigenständiges grammatisches System, eigene Wortbildungsmuster und eigene semantische Felder [ .]" [ CITATION Mar10 \p 12 \t \l 1031 ] verfügt, wenn sie den ursprünglichen Quellsprachen kontrastiv gegenüber gestellt wird. Als Quellsprachen - schmélzwargschprachn - werden in diesem Zusammenhang jene Sprachen bezeichnet, die die Komponentensprache auf verschiedenen Sprachebenen mitbeeinflusst haben.

Der Gebrauch des hebräischen Alphabets für Hebräisch und Aramäisch, welche als Sprachen, die der jüdischen Tradition entspringen, gelten (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXVII), wurde auf das Jiddische, welches sich im Mittelalter als Schriftsprache entwickelt, ausgeweitet. Die für das Jiddische relevanten Quellsprachen sind jene, die "[ .] in den verschiedenen historischen und kulturellen Lebenswelten und Lebensbereichen der aschkenasischen Juden eine wichtige Rolle gespielt haben" [ CITATION Mar10 \p 12 \t \l 1031 ]. Dabei bildet das Deutsche den Grundstock der jiddischen Sprache (vgl. Landmann, 1988, S. 47f.). Neben jener grundlegenden Basis, die zunächst aus mittelhochdeutschen und frühneuhochdeutschen und später auch neuhochdeutschen Dialekten bestand, sind dies namentlich hebräisch-aramäische und slavische Elemente (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXI).

Nun zur eigentlichen Problematik dieses Abschnittes. Ist das oben beschriebene Jiddisch als Sprache oder lediglich als 'Jargon' zu verstehen? Hört man den jiddischen Satz, welcher einführend in Aptroot & Gruschkas Werk angeführt ist - "Jidn redn jídisch af ále kontinéntn"[ CITATION Mar10 \p 11 \t \l 1031 ] - so liegt es nahe das Jiddische als nichts weiter, denn als einendeutschen Dialekt zu bezeichnen.

Neben Althaus, welcher in seinem Werk auf diese Problematik eingeht (vgl. Althaus, 1993), betont Zweig den "[ .] Eigenwert des Jiddischen als [ostjüdische]FP Volkssprache" [ CITATION Alt93 \p 49 \l 1031 ]. Dies kommt einer Aufwertung gleich, das Jiddische als eigene Sprache zu sehen. Zu beachten ist jedoch, dass sich selbiges primär auf das Ostjiddische, des "[ .] lebenskräftigen, in fremdsprachiger Umgebung zu eigener Hochsprache ausgebildeten Zweigs des Jiddischen [ .]" [ CITATION Ott73 \p 45 \l 1031 ] bezieht.

Im Gegensatz dazu beschreibt Landmann, dass das Jiddische, gerade aus westlicher Perspektive sogar zu seiner Blütezeit nichts weiter als ein Jargon gewesen sei (vgl. Landmann, 1988, S. 58). Hinzukommt, dass die Stigmatisierung des Jiddischen als 'Jargon' oftmals auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass das Jiddische sowie das Rotwelsch - "[ .] die Geheimsprache der deutschen Gauner, Bettler und Vaganten [ .]"[ CITATION Sal88 \p 32 \l 1031 ] - in der Vergangenheit in Identität verbunden wurden.

Einerseits lässt sich nachweisen, dass das Rotwelsch viele jiddische Ausdrücke wie beispielsweise Kaff oder Schmiere enthält. Dies gilt jedoch ebenfalls für das Hochdeutsche. Begriffe wie beispielsweise meschugge, mies und nebbich sind dem Jiddischen entlehnt und im Deutschen übernommen worden (vgl. Landmann, 1988, S. 34). Andererseits ist jedoch keinesfalls von einer Identität mit der jiddischen Sprache zu sprechen.

Wiederholtes Bestreben verschiedener Autoren die jiddische Sprache bald als 'Jargon', dann wiederum als eigenständige Sprache zu bezeichnen, ist Inhalt eines leidenschaftlich geführten Diskurses. 1916 beispielsweise schreibt Moses Calvary Jiddisch sei "[ .] nicht Mundart sondern Sprache" [ CITATION Eli11 \p 184 \l 1031 ]. Dies begründet er unter Rückbezug der Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen Sprache und Dialekt auf die Existenz einer eigenen Literatur zurückzuführen sei (Loentz, 2011, S. 184).

Demzufolge ist das Jiddische unzweifelhaft als eigenständige Sprache, nicht jedoch als Dialekt oder 'Jargon' zu kennzeichnen. Die Entwicklung dieser Charaktereigenschaft geschieht erst im Laufe der Jahrhunderte, beschert der Definition jedoch keinen Abbruch (vgl. Landmann, 1988, S. 19). Auch Timm stützt diese Annahme des Jiddischen als eigenständige Sprache. Es sei eine ideale Kontrastsprache, welche sich hervorragend zur Untersuchung der Entwicklung des Frühneuhochdeutschen heranziehen ließe (vgl. Reershemius, 1997, S. 5).

Jiddisch und Frühneuhochdeutsch werden hier als zwei eigenständige Sprachen charakterisiert, die sich einerseits auf einer strukturellen Ebene ähneln, andererseits jedoch auch aufgrund ihrer verschiedenen Ausformung unterscheiden (vgl. Reershemius, 1997, S. 5). Zuletzt sei an dieser Stelle noch die Sichweise Zweigs angeführt, der sich ähnlich wie Döblin für die Eigenständigkeit der jiddischen Sprache ausspricht.

3.2 Eigendynamik einer Sprache

Ausgehend von den zuvor thematisierten Grundzügen des Jiddischen als eigenständige Sprache, denn als solche konnte sie überzeugend durch sprachwissenschaftliche Untersuchung klassifiziert werden (vgl. Aptroot & Gruschka, 2010, S. 11), soll im folgenden Abschnitt der Frage auf den Grund gegangen werden, ob und inwiefern das moderne Jiddische bereits in seiner Entstehungsgeschichte mit seinem Niedergang konfrontiert wird.

Bereits frühe Entwicklungsstadien, in denen noch nicht von einer eigenen jiddischen Sprache per se gesprochen wird, als auch die erste Blütezeit des Jiddischen, während welcher das kulturelle Zentrum des aschkenasischen Judentums in Westeuropa zu finden ist, sind durch Veränderungstendenzen die jiddische Sprache betreffend gekennzeichnet. Weiterhin ist die Verlagerung desselbigen nach Osteuropa und damit die Entstehung der modernen jiddischen Sprache (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXI) Ursache für einen Wandel des Jiddischen, welche potentiell in das Verschwinden des Jiddischen zu gipfeln vermag.

Durch die Beschlüsse des Laterankonzils von 1215, welche striktere Reglementierungen mit sich bringen, bleibt ein lediglich wirtschaftlicher Kontakt zwischen Juden und Nichtjuden bestehen (vgl. Landmann, 1988, S. 58). Dies wiederum prägt die Ausformung der Eigenart der vorherrschend gesprochenen Sprache, namentlich des "Judenteutsch" [ CITATION Sal88 \p 61 \l 1031 ] der Juden in der Diaspora (griech.

Zerstreuung oder Verbreitung). Diese Anfänge des Jiddischen gelten als "[ .] Jargon, ein fehlerhaftes und verkommenes Deutsch" [ CITATION Sal88 \p 59 \l 1031 ]. Aufgefangen von der jüdischen uralten Tradition, auf welche sich die nun stark auf das Gemeindeleben isolierten Juden entsinnen, fließen vermehrt hebräische und aramäische Vokabeln in den deutschen Grundstock ein.

In den Folgejahren kommt es zu immer schwerwiegenderen Repressalien gegenüber den Aschkenasim. Durch Vertreibung und Verfolgung werden diese Anfänge einer jiddischen Sprache zusätzlich durch französische Ausdrücke eingefärbt. "Die Sprache, welche die Juden jetzt sprachen, enthielt, außer einem starken deutschen Grundstock, hebräische, aramäische und vereinzelte italienische und französische Elemente" [ CITATION Sal88 \p 40 \l 1031 ]. Diese Anfänge einer jiddischen Sprache seien laut Landmann jedoch kaum geeignet gewesen die Jahrhunderte zu überdauern und "[ .] die volle Leuchtkraft einer echten Volks- und Schriftsprache [ .]" [ CITATION Sal88 \p 41 \l 1031 ] zu entfalten.

Zusätzlich sind faktisch nicht alle Juden aus Deutschland geflohen oder vernichtet worden, weswegen die im Osten neu beheimateten Juden nur über eine gemeinsame Umgangssprache mit jenen in Kontakt verbleiben können (vgl. Landmann, 1988, S. 43). Darauf lässt sich ein Satz des von Weinreich herausgegebenen Lehrbuches der jiddischen Sprache, "Yidish fareynikt yidn fun ale lender" (vgl. Cohen, 2015), anwenden, welcher diese Verbindung charakterisiert.Für diese Zwecke hätte nun auch das Hebräische dienen können, welches gemeinsam mit dem Aramäischen unter dem Begriff "loschn-kójdesch" [ CITATION Mar10 \p 13 \t \l 1031 ] zusammengefasst wurde, was zu Deutsch in etwa 'Sprache der Heiligkeit' bedeutet.

Diese zweite Komponente der inneren Mehrsprachigkeit (vgl. Aptroot & Gruschka, 2010, S. 13) gilt als "[ .] traditionelle 'Hochsprache' der inneren Zweisprachigkeit, ähnlich wie Latein bei den Christen"[ CITATION Mar10 \p 13 \t \l 1031 ], deren Kenntnis als Ausweis hoher Bildung anzusehen ist. Darin liegt jedoch auch ein gewisses Paradoxon begründet. Während das Studium der hebräischen Schrift der männlichen jüdischen Bevölkerung vorbehalten ist und zugleich nur von einer gebildeten Elite gesprochen wird (vgl. Landmann, 1988, S. 43), gilt es eine Form zu finden, innerhalb welcher die Aschkenasim im häuslichen, alltäglichen Verkehr Konversation betreiben können.

Dieses, durch Abtrennung vom deutschen Sprachraum und damit einhergehender Slawisierung charakterisierte Jiddisch, wird Beranek zufolge als 'Altjiddisch' eingestuft (vgl. Landmann, 1988, S. 49). Nach wie vor ist der Grundstock der jiddischen Sprache das Deutsche, jedoch ist der restliche Teil geprägt von der weiteren Übernahme aramäischer, hebräischer und slawischer Komponenten.

Die Gefahr eines Aussterbens respektive Zerfalls dieser altjiddischen Sprache in einzelne, regional abgewandelte Dialekte durch den Einfluss verschiedenartiger Komponenten ist aufgrund zweier Faktoren zu zerstreuen. Der ständige Kontakt mit regional getrennten Gruppen durch Handelsbeziehungen bedingt eine einheitliche Sprache als Basis (vgl. Landmann. 1988, S. 48). Hinzu kommt die semitische Spracheigentümlichkeit des Jiddischen, die aus dem "[ .] Gebrauch der hebräischen Schrift, die ursprünglich nur Konsonanten kennt [ .]" [ CITATION Mar10 \p 30 \t \l 1031 ] abgeleitet ist, und den Vokalen keine allzu starke Gewichtung beimisst.

Die aus dem Hebräischen stammenden Wortschatzbestandteile folgen dem hebräischen, weitgehend auf Konsonanten beschränkten Schriftbild (vgl. Margolin, Molodowsky, Tussman, & Korn, 2013, S. 475), während der Teil des Sprachmaterials, welcher aus den germanischen beziehungsweise slawischen Wurzeln abgeleitet wird, der phonetischen Schreibweise folgt. Dies ist möglich, da einige aus dem hebräischen Alphabet entnommenen Buchstaben einer neuen Bedeutung zugeführt wurden (vgl. Margolin, Molodowsky, Tussman, & Korn, 2013, S. 475).

In den nachfolgenden Jahrhunderten unterliegt das Jiddische einer von verschiedenen Einflüssen geprägten Eigendynamik. Viele der im Osten ansässigen Juden fliehen aufgrund der Vernichtungswellen im 17. Jahrundert in ihre ursprüngliche deutsche Heimat (vgl. Landmann, 1988, S. 52). Durch Synthese der im Gepäck befindlichen, durch slawische Eindrücke geprägten jiddischen Sprache mit den vor Ort spachlichen Gepflogenheiten, entsteht das bis ins Zeitalter der jüdischen Aufklärung gesprochene Westjiddisch.

"Ich fürchte dieser Jargon hat nicht wenig zur Unsittlichkeit des kleinen Mannes beigetragen, und verspreche mir sehr gute Wirkung von dem unter meinen Brüdern seit einiger Zeit aufkommenden Gebrauche der reinen deutschen Mundart"[ CITATION Jac02 \p 17 \l 1031 ].

Die Haskala, "[ .] die die Eingliederung der Juden in den Staat unter gleichzeitiger Bewahrung der jüdischen Identität [anstrebt]FP" [ CITATION Isr11 \p 109 \l 1031 ] schreibt dem Jiddischen, welches als Umgangssprache der aschkenasischen Juden vorherrscht, den Ruf eines verstümmelten Dialekts, eines Jargons zu. Das Jiddische, welches als das "[ .] schlimmste Verderbnis innerhalb der jüdischen Gemeinschaft [ .]" [ CITATION Isr11 \p 110 \l 1031 ] gilt, hat in den Augen der Anhänger der jüdischen Aufklärung, den sogenannten Maskilim, keine sprachliche Zukunftsbedeutung mehr.

Der Kampf der Maskilim gegen das Jiddische - "[ .] zugunsten des Hebräischen (als nationale Sprache und Protest gegen die Diaspora) und der jeweiligen Landessprache" [ CITATION Arm12 \p 52 \l 1031 ] - führt in Westeuropa, darunter besonders in Deutschland, zu beachtlichem Erfolg, was sich im Verschwinden des Westjiddischen bemerkbar macht. Selbiges stützt die These der Agonie der jiddischen Sprache, zumindest beschränkt auf die regionale Ausbreitung in Westeuropa.

So werden die Maskilim "[ .] nolens volens die Vorväter der modernen jiddischen Literatur, indem sie sich des Jiddischen [bedienen]FP, mit dem Ziel es aus der Welt zu schaffen" [ CITATION Isr11 \p 110 \l 1031 ]. Dieser unbewussten Förderung des Jiddischen als eigenständiger Sprache stehen die gezielten Bestrebungen einer, durch politische und wirtschaftliche Veränderungen geprägten Arbeiterbewegung - der "Bund" - welcher sich für eine kulturelle Autonomie der Juden einsetzt (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXIII) die jiddische Sprache aufzuwerten entgegen. "[ .] Jiddisch [gilt]FP als die Sprache des unterdrückten Volkes [ .]" [ CITATION Apt02 \p XXIII \t \l 1031 ], deren Förderung in den Folgejahren wesentlich zur Stärkung und Verbreitung der weltlichen jiddischen Kultur und Erziehung beiträgt.

Im Osten entstehen so ein weltliches Schulsystem, innerhalb dessen Jiddisch als Unterrichtssprache gelehrt wird, zahlreiche jiddische publizierende Zeitschriften sowie eine wissenschaftliche Thematisierung des Jiddischen (vgl. Aptroot & Nath, 2002, S. XXIII). Die Czernowitzer Sprachkonferenz von 1908 stärkt das Bewusstsein um die jiddische Sprache dergestalt, indem erwirkt wird, dass "[ .] das Jiddische als eine, nicht aber als die nationale Sprache [ .]" [ CITATION Arm12 \p 65 \l 1031 ] anerkannt wird.


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