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Lehrer-Wirth-Grundschule Messestadt Riem


1.Klasse (11Mädchen, 11 Jungen, 22 Schülerinnen)


Frau Lin Birgitt Aschenbrenner


Stunde im Fach Sport (60 Minuten Zeit)


„Blinde Kuh“ - Hilfe ich ich sehe nichts mehr!


- Eine Stunde ohne das Sinnesorgan Auge in der der Fokus auf die verbleibenden eigenen Sinne sowie auch die Unterstützung und das Vertrauen durch/in die Sinne der Mitschüler/innen gelegt wird -


Lehrplanbezug:


    1. Grundlegende Erfahrungen

      1.1.1 Orientierung in neuer Gemeinschaft und Umgebung

    2. Gesundheit

      1.2.2 Bewegungserleben, Körpergefühl und Entspannung

    3. Gemeinschaft

      1.3.2 Handeln in der Gemeinschaft

      1.3.3 Helfen


Grundidee:


Ich möchte die Kinder durch ausschalten des vorherrschenden Sinnesorgans (die Augen) dazu bringen sich auf spielerische Art und Weise vor allem mit dem Tastsinn, aber auch dem Hörsinn zu beschäftigen. Sie sollen sich dabei auf ihr eigenes „Gefühl“ verlassen und damit vertrauen in ihren Körper gewinnen, aber auch in Partnerübungen lernen sich auf der einen Seite auf den Partner zu verlassen (als Blinde/r). Auf der anderen Seite sollen sie auch direkt selbst spüren wie wichtig es ist, dass man sich auch auf sie selbst verlassen kann. (als „Blindenführer/in“)






Verbindung zu den vorangehenden Stunden:


Die Kinder haben sich durch Gruppenspiele und Gruppenbewegungsaufgaben, Orientierungsspielen und Orientierungsaufgaben bereits in der neuen Umgebung begonnen zurecht zu finden. Dabei ist der Sehsinn ein vorherrschendes Erforschungsorgan und überlagt viele andere Sinneseindrücke und Erfahrungen. In den direkt vor der ausgewählten Einheit stattfindenden Sportstunden wurde besonderes Augenmerk auf koordinative Fähigkeiten gelegt. Dies reicht von einfach Balancieraufgaben auf Fliesenmarkierungen in der Aula bis zu einem komplexen Koordinationsparkur in welchem sich die Kinder an ihre Grenzen herantasten können und sich ihrer Fähigkeiten bewusst werden.


Lernziele:


  • Die Schüler gewöhnen sich in sicherer Umgebung an das blind sein und fühlen den Boden unter ihren Füßen, indem sie mit verbundenen Augen in einer Schlange mit Kontakt zum Vordermann/Vorderfrau von der Lehrkraft geführt über verschiedene Untergründe gehen

  • Die Schüler lernen sich auf der einen Seite gegenseitig „blind“ zu vertrauen und auf der anderen Seite mit der Verantwortung des sehenden umzugehen dem vertraut wird, indem sie sich in 2er Gruppen selbständig und eigenaktiv durch angebotene Hindernisse, über verschiedene Untergründe und in selbstgewählten Bewegungsformen führen.

  • Die Schüler sollen das Erlebte reflektieren, indem sie in einem Gesprächskreis darüber nachdenken und ihre Gefühle und Erfahrungen verbalisieren und konkretisieren


    Materialien:


  • Tücher für das Verbinden der Augen

  • Hütchen, Kegel, Stangen, Taue, Seile, Rundhölzer, Reifen, Ringe



    Unterrichtsplanung und Artikulation:


    Zeit
    (in Min)

    Phasen

    Unterrichtsschritte und Verbalisierung

    Sozial-,Lehr- und Lernformen

    Medien/Material

    3

    Stundeneröffnung

    Begrüßung und bewusst spärliche Information über die Stunde:
    „Wir wollen heute eine spannende Sportstunde Barfuß und die meiste Zeit blind zusammen erleben!“

    Halbkreis

    Betonhalbkreis im Pausenhof vor dem Sportplatz

    3

    Vorbereitung

    Die Kinder sollen ihre Schuhe und Socken ausziehen um das Gefühl barfuß zu sein zu erleben:

    „Wir ziehen jetzt alle unsere Schuhe und Socken aus!“

    Halbkreis

    Betonhalbkreis im Pausenhof vor dem Sportplatz

    5

    Gewöhnung

    Die Kinder sollen sich an dieses für viele gänzlich ungewohnte Gefühl annähern:

    „Lauf jetzt mal Barfuß wie du willst über den Sportplatz und komm wieder zurück in den Sitzkreis!“

    „Wilde Horde“

    Rasenplatz (tau-naß)

    4

    Zwischenreflexion

    Die Kinder sollen sich mit den neuen Eindrücken und Gefühlen auseinandersetzen um Selbstvertrauen für die kommenden Erfahrungen aufzubauen:

    „Wie war diese Erfahrung für dich? Was hast du gefühlt?“

    Halbkreis

    Betonhalbkreis im Pausenhof vor dem Sportplatz,
    Schüleräußerungen

    4

    Weitere Vorbereitung

    Die Kinder sollen sich selbst und in kooperativer Zusammenarbeit die Augen verbinden und sich in einer Schlange mit Griff an die Schultern des vorderen Kindes zusammen finden:

    „Jetzt wird es spannend! Verbinde dir ruhig und ohne Hektik die Augen und hilf dabei deinen Mitschülern. Wenn du nichts mehr siehst versuche dich langsam und vorsichtig mit den Händen zu orientieren und die Schultern eines anderen Kindes zu greifen“

    „Wilde Horde“ => 2er-3er Gruppen => Reihenform

    Tücher zum Augen verbinden

    1

    Konsolidierung

    Den Kindern die neue Situation bewusst machen; auf neue notwendige Verhaltensweisen hinweisen:
    „Du kannst nun nichts mehr sehen. Deine Hände, Füße und Ohren müssen nun deine Augen sein. Sei nun möglichst leise und ruhig um die auf meine Stimme und auf das was du fühlst zu konzentrieren. Bewege dich langsam und vorsichtig!“

    Reihenform

    Lehreräußerung

    6

    Erste Erfahrungen

    Die Lehrkraft führt die Kinder langsam über verschiedene Untergründe und gibt ihnen durch beruhigende, sanfte Erklärungen akustische Orientierung:
    „ Wir gehen jetzt ganz langsam gemeinsam los und lassen uns überraschen, was wir unter unseren Füßen wahr nehmen. Du brauchst keine Angst haben, ich führe die Schlange und es kann nichts passieren.“

    Reihenform

    Hindernisse: Große Taue, Rundhölzer, Seile Untergründe: Teer, Pflaster, Wiese, Tartan, Sand, Kies

    3

    Eigenaktiv werden

    Die Kinder sollen sich die Augenbinden abnehmen und sich in 2er Teams zusammen finden:
    „Nimm nun deine Augentuch ab und suche dir ein anderes Kind!“

    Pärchen


    3

    Erklärung Hauptteil

    Die Kinder sollen sich zu zweit über den durch Seile abgegrenzten Bereich bewegen. Es gibt verschiedene Untergründe und Hindernisse die selbstständig nach eigenen Ideen benutzt werden dürfen. Ein Kind führt und ist für die Sicherheit des anderen verantwortlich, das andere Kind folgt und muss für das führende Kind Vertrauen aufbauen:

    „Du besprichst mit deinem Partner/in wer von euch beiden als sehender Führer beginnt und wer als blindes Kind beginnt. Der Führer darf seinen Partner/in innerhalb der Seilumrandung frei herumführen. Du darfst dabei die Hindernisse benutzen und überwinden wie du willst. Aber denke daran, du bist für deinen blinden Partner/in verantwortlich und musst darauf achten, dass ihm/ihr nichts passiert. Du darfst die Rolle selbständig wechseln.“

    Pärchen in Gesprächsstehkreis

    Lehreräußerung

    15

    Erfahren und Erleben

    Die Kinder dürfen sich nun frei bewegen. Die Lehrkraft achtet auf den Umgang untereinander und schreitet nur dann behutsam ein, wenn etwas längere Zeit für eines der Kinder unbefriedigend verläuft.

    Ansonsten hält sich die Lehrkraft so weit wie möglich im Hintergrund und beobachtet:
    „Gibt es noch Fragen?...Wenn nicht, darfst du jetzt mit deinem Partner/in losgehen.“

    Pärchen

    Seile, Taue, Rundhölzer, Hütchen, Hürden, Reifen, Ringe, Stangen


    Ende Erlebnisteil

    Die Kinder sollen sich wieder zur „Lagerfeuerbesprechung“ zusammenfinden und ihre Augenbinden ablegen.
    „Beende bitte jetzt deinen Weg und komme langsam mit deinem Partner/in zurück zur Lagerfeuerbesprechung. Hier angekommen darfst du die Augenbinde abnehmen.“

    Freie Pärchen => Gesprächskreis


    8

    Reflexion

    Die Kinder sollen sich Gedanken über das Erlebte machen und diese Gedanken wenn sie wollen verbalisieren und damit den anderen Kindern mitteilen:
    „Wir sind jetzt am Ende der Stunde. Wie war die Stunde für dich? Was hast du gefühlt und was hast du besonderes erlebt? Denk kurz darüber nach und überlege dir eine Sache die du den anderen Kindern erzählen möchtest. Dabei sprichst du nur, wenn du den Hackysack in der Hand hälst.“

    Gesprächskreis

    Hackysack ,
    Schüleräußerungen

    5

    Stundenende

    Die Kinder sollen zusammen alle Materialien aufräumen und sich anschließend wieder zur Lagerfeuerbesprechung treffen um dann gemeinsam wieder ins Klassenzimmer zu gehen:
    „Hilf mir bitte noch alle Materialien in unseren Container zu räumen. Wenn wir fertig sind treffen wir uns wieder am Lagerfeuer.“

    „Wilde Horde“

    Teamwork

    60







    Reflexion:


    Die Stunde hat meine Erwartungen und Wünsche erfüllt. In Teilen sogar weit übertroffen. Ich werde deshalb in der Reflexion meinen Fokus auf Besonderheiten, Überraschungen und Modifizierungen legen.


    Gleich zu Beginn wurde meine Befürchtung bestätigt, dass selbst so etwas scheinbar banales wie barfuß laufen für einige Kinder ein großes Problem darstellt. „Ich darf nicht barfuß laufen“ „Das hab ich noch nie gemacht“ waren nur zwei gefallene Äußerungen. Zu Beginn haben sich leider zwei Kinder standhaft geweigert ihre Schuhe auszuziehen. Ich bin davon überzeugt, dass Zwang nur selten zum Ziel führt und habe deshalb gehofft, dass die Neugier und der Gruppendruck siegen wird. Kurz nach dem freien laufen über den Rasenplatz waren wir dann auch wieder komplett, weil die Neugier wie erwartet gesiegt hat und sich die beiden Nachzügler ebenfalls der Barfußgruppe angeschlossen haben.

    Leider habe ich nur Tücher zum verbinden der Augen benutzt, was das Verbinden und Tragen unnötigerweise erschwert hat. Hier muss ich in Zukunft eine bessere Lösung finden (Augenklappen aus dem Flugzeug....)

    Auch wenn die Stunde weit weg von Aktion und Wettkampf war, folgten die Kinder begeistert und konzentriert den weiteren Stundenschritten. Selbst meine immer wieder gern ausbrechenden „Problemkinder“ mussten nur selten in die richtigen Bahnen gebracht werden. An den offenkundigen Gefühlsregungen jeglicher Art war sehr gut zu erkennen wie interessant, neu und spannend die Erfahrungen für die Kinder waren.

    Ich habe mich ganz bewusst im Verlauf der Stunde immer mehr aus dem Vordergrund zurückgezogen. Die Kinder sollten am Anfang eine Stütze haben und mit steigendem Selbstbewusstsein ihre Erfahrungen immer mehr alleine machen. Im Hauptteil, der Partnerübung habe ich dann ganz bewusst eine Viertelstunde lang keinen Einfluss mehr genommen. Ich habe beobachtet und darauf geachtet, dass es jedem Kind auf Dauer gut geht. Wie die Kinder die Angebote nutzen ist egal, solange sie sich nur damit selbständig beschäftigen. In diesem Fall als Einschränkung, dass dies eben bei der Hälfte blind erfolgen soll. Die Kinder haben gerade im kooperativen Bereich meine Erwartungen übertroffen und so war es nicht mal im Ansatz nötig einzuschreiten.

    Natürlich gab es auch kurze Phasen in denen mal ein Pärchen abgelenkt war und nicht einander führend umhergewandert ist, jedoch gehört dies dazu und wenn sie wieder zur Aufgabe zurück finden muss nicht eingegriffen werden, weil sie die Entscheidung sich mit den neuen Eindrücken zu beschäftigen selbst getroffen haben und somit eine eigene Motivation für ihr Handeln entwickeln welche nicht durch einen äußeren Zwang entstanden ist. Ein wichtiger Aspekt wenn es darum geht etwas spielerische zu erfahren, weil genau der spielerische Aspekt dann nicht erfüllt wäre.

    Die Reflexion am Ende der Stunde war im Nachhinein betrachtet fast das Eindrücklichste an meiner Einheit. Exemplarisch ein paar Äußerungen der Kinder auf meine Impulsfragen. Nochmal zur Erinnerung, die Kinder befinden sich erst mitten in ihrem ersten Schuljahr!


    „Des war voll cool“


    „Sowas hab ich noch nie gmacht. Des war so komisch an den Füßen“


    „Einmal ist Mehmet fast in Richad reingelaufen, da hab ich ihn gerade noch festgehalten“


    „Das war voll komisch nichts zu sehen, aber Medine hat mir geholfen“


    „Machen wir das nächste Stunde wieder?“


    „Zuerst hab ich Angst ohne etwas zu sehen rumzulaufen, aber dann hab ich gemerkt, dass der Luan auf mich aufpasst und mir sagt wann ich meinen Fuß hochmachen muss. Das war schön“


    Gerade die letzte Aussage hat mich begeistert und war auch zu Beobachten. Die Kinder waren durch die Bank am Anfang sehr zögerlich und haben dann immer mehr Mut gefasst und sich immer sicherer bewegt. Bei den Führern war zu sehen, dass ihnen am Anfang oft nicht bewusst war auf was es eigentlich ankommt. Mit der Zeit haben sie aber realisiert, was sie sagen und tun müssen um ihre Partner sicher zu leiten.

    Neben der kooperativen Herausforderung war auch gerade bei motorisch schwachen Kindern ein erheblicher Fortschritt zu erkennen, weil sie sich voll und ganz auf ihre Füße konzentrieren mussten und konnten. Zum Ende hin gab es eigentlich keine Berührungen mehr der Hindernisse, weil es allen Kindern gelungen ist sich auf die neuen Umstände einzustellen und sich dabei gegenseitig zu Unterstützen.


    Im Nachhinein betrachtet war es gut, großzügige Zeiteinheiten geplant zu haben. In einigen Teilen musste ich vom geplanten Zeitablauf abweichen, der aber in anderen Bereichen wieder kompensiert werden konnte. Trotzdem wurde mir klar, dass es noch schwer ist wirklich im geplanten Zeitkorsett zu bleiben. Ständig auf die Uhr blicken lenkt von der Stunde ab und hindert die Lehrkraft daran die Stunde aufmerksam und aktiv zu begleiten. Zeiten einzuhalten ist aber unerlässlich um im nicht andere Stunden zu behindern. Hier hilft nur mit der Zeit ein gutes Zeitgefühl aufzubauen. Zur Sicherheit haben wir die Stunde deshalb auch extra vor die Pause gelegt um hier einen kleinen Puffer zu haben.


    Ich habe mich durchwegs gut und vor allem sehr entspannt gefühlt. Ich denke, dass gerade diese „innere Ruhe“ für diese spezielle Sportstunde von besonderer Bedeutung für die Kinder war, da ich somit unterbewusst den Kindern Sicherheit geben konnte.


    Ich war mit meiner Stunde sehr zufrieden, was auch durch das durchwegs positive Feedback meiner Lehrerin und des zufällig anwesenden Didaktikfach Sport Studiengangleiters bestätigt wurde. Gerade im Bereich der Stundenplanung konnte ich von Frau Inckemann einige Verbesserungsvorschläge entgegen nehmen und sicher auch in Zukunft umsetzen. Hier habe ich definitiv noch Arbeitsbedarf jedoch sehe ich meine Stunde gerade im Gesamtkontext der Sportstunden in meiner Klasse als sehr gelungene Einheit die vor allem den Kindern etwas gebracht hat und viel Freude bereitet hat. Einen speziellen Kritikpunkt möchte ich nochmals aufgreifen: Die Stunde wäre zu Bewegungsarm gewesen und gerade der Reflexionskreis am Ende sei doch für eine erste Klasse unpassend. Ich bin hier gänzlich anderer Meinung. Sport ist Bewegung, ohne Frage, jedoch kann dynamische Bewegung nur funktionieren und weiterentwickelt werden wenn koordinative Fähigkeiten erlangt und verbessert werden und ein möglichst gutes Gefühl für den eigenen Körper entsteht. Gerade bei sehr dynamischen Einheiten wird dies oftmals überlagert und blockiert somit eine schnellere Entwicklung. Um sich selbst zu erproben ist es natürlich unerlässlich Dynamik und auch Wettkampf einzubauen, jedoch macht es für mich die Gesunde Mischung. Gerade bei ruhigeren Einheiten die viel mit Selbsterfahrung und Zusammenarbeit zu tun hat ist es sehr wichtig auch schon bei den Kleinsten eine Reflexion einzubauen. Sei es als Feedback für einen selber wie sich die Kinder gefühlt haben oder eben, dass die Kinder noch einmal die Stunde Revue passieren lassen.

    Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass dies nur eine exemplarische Stunde dargestellt hat und eben nicht in einem geplanten Jahresverlaufskontext stattgefunden hat. Ich hatte zwar die Möglichkeit ein paar wenige Stunden zu halten die ähnliche Schwerpunkte behandelten, jedoch fehlt mir im Sportunterricht generell etwas die Struktur. Dies ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich und muss verbessert werden, da der Sportunterricht ein wichtiges Puzzle-teil in der schulischen Entwicklung darstellt. Sportstunden scheinen mir großteils sehr spontan und zufällig geplant, ohne wirkliche Ziele im Hintergrund auf die man hinarbeiten möchte wie es in anderen Fächern der Fall ist.



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