Es ist ein
wunderschöner Samstagmorgen und Olaf kommt mal wieder nicht aus den Federn.
Sein Wecker klingelt schon zum vierten Mal und zum vierten Mal kommt auch seine
Hand über die Bettkante geschwungen und hämmert auf den großen, runden Knopf,
auf dem An/Aus steht. Olaf zieht sich wieder die Decke über den Kopf, dreht
sich um und schläft weiter. Erst als aus der Küche eine verärgerte Stimme die
ruhige Beschallung durch die Singvögel in Grund und Boden schreit, macht Olaf
erste Anstalten, sich auf den Weg ins Badezimmer zu machen. „Olaf mein Schatz,
wir haben schon fast zwölf!“ Nach dem Zähneputzen, oder eher Streicheln, einer
„Katzenwäsche“ und den üblichen Trödeleien beim Anziehen, schnappt sich Olaf,
auf dem Weg in den Garten, noch eine Scheibe Fleischwurst vom Küchenbrett.
„Hee!! – das wird das Mittagessen!“ Nicht im Geringsten mit dem Gefühl, gemeint
zu sein und keineswegs von den Aussagen anderer beeinträchtigt, marschiert Olaf
schnurstracks in Richtung Gartenlaube, wo seine alte Spielkiste steht. Mit
großen Augen und einem sichtbaren Strahlen im Gesicht, macht er sich damit auf
der Wiese breit. Eine Kiste mit allem, was das Herz begehrt: Blechautos,
Trommeln, Teddybären, Holzbausteine, Jonglierbälle und mitten im Getümmel ein
zufrieden wirkender Olaf. …
…
Es ist einfach unglaublich, mit was für Mitteln man solch alten Herren viel
Freude und einen riesigen Spaß bereiten kann. Sobald sie in den Ruhestand
begleitet werden und eigentlich ihre Zeit mit Entspannung füllen wollen, fangen
sie mit neuen Sachen an. Neue Sachen, die sie in ähnlicher Art und Weise schon
in der
Kindheit
beschäftigt haben. Sie sitzen da und scheinen nie glücklicher gewesen zu sein.
Erst
wenn man sie an den Alltag erinnert, kehren sie wieder zurück – zurück aus
ihrer Welt. …
… Olaf, kommst du?
Unsere Enkel sind da und warten auf dich.
Mit einem lauten Stöhnen
und der Hand an den Bandscheiben, richtet sich Olaf langsam und fast schon
unsicher auf und beugt sich mit knarrender Hüfte schwerfällig hinab zu seinem
Gehstock. …
…
Tja, so kann es halt auch kommen: Man wird alt, Kondition und Kraft lassen
nach, die Gelenke spielen nicht mehr mit, alles fällt schwerer und von der
Beweglichkeit wollen war gar nicht reden.
Die
einen meinen, es sei besser, zu arbeiten, bis es nicht mehr geht und dann das
Leben zu genießen und die anderen nehmen sich dauernd Urlaub. Das bedeutet,
dass die einen sich so kaputt machen, dass sie ihr Leben im Alter nicht genießen
können und die anderen verpulvern ihr Geld so, dass sie sich mit 70 über die Runden
kämpfen müssen.
Egal
was man macht, es scheint den richtigen Weg nicht zu geben und auf
„Scheinhilfen“ wie Hüftprothesen, Hartz4 und Sozialgelder vom Staat sollte man
sich auch nicht verlassen. …
… „Opa, erzählst du
uns bitte eine Gruselgeschichte?“
(Olaf) … „Also, vor
einigen Jahren lebte hier im Dorf ein kleiner, alter Mann. Ein Mann, der die
meiste Zeit seines Lebens glücklich war. Er hatte einen harten Job, der ihm
aber sehr gefiel und ihm genügend Geld einbrachte – genügend für ein
entspanntes Leben in Alter. Mit der Zeit aber machte sein Körper die harte
Schufterei auf dem Bau nicht mit und als er mit 60 Jahren die Arbeit niederlegte,
war es schon zu spät – ein kaputter Rücken und zwei noch viel schlimmer zugerichtete
Hüften! Die Krankenkasse übernahm nur einen kleinen Teil der Operationskosten,
sodass der mittlerweile nicht mehr so glückliche Mann fast seine ganzen
Ersparnisse auf den Tisch blättern musste. Trotzdem brachte es keine Besserung
mit sich. Nachdem er viel Zeit im Krankenhaus verbrachte und sich Morphium und
andere Drogen zum Freund gegen den Schmerz machte, verbrachte er den Großteil
seines Daseins im Schaukelstuhl vor dem Kasten, der die viereckigen Augen
macht.
Sämtliche
Sozialgelder reichten ihm gerade so um Miete und das tägliche Brot zu bezahlen.
Er verlor die Lust am Leben und sah nur noch schwarz. Mit nicht einmal 70
Jahren starb er.“
… „Mann, war das
gruselig!“…
…
Aber solch üble Umstände sind für viele bittere Realität. Auch die jüngeren Generationen
machen sich schon Gedanken über ihr Leben im fortgeschrittenen Alter. Man sieht
ja, dass es zum Beispiel der Generationenvertrag faustdick hinter den Ohren
hat. Nicht viel ging schon immer so in die Hose. Auch viele andere Versuche
sind schon gescheitert. Die Wörter Rente oder Rentenversicherung sollte man
eigentlich eher mit Nasführen und Betrug in Verbindung bringen. Langfristige
Investitionen und Anlagen scheinen doch die beste Lösung zu sein. Aber wie und
wann und mit was? …
… „Opa, geht es dir
auch so schlecht wie dem alten Mann aus der Gruselgeschichte?“
Nein, nein und
solang ich keinen Gummi im Rücken und Keramik oder Titan in der Hüfte habe,
kann es mir auch nicht so schlecht gehen. Außerdem hab ich gelernt wie man
spart und steh jetzt nicht auf trockenem Grund. Ich bin ein alter, glücklicher
Mann mit sehr viel Zeit. …
…
Also gibt es doch den richtigen Weg. Man muss ihn nur früh genug einschlagen.
Und dann muss man noch wissen, was man eigentlich machen will – was man machen
will, wenn Zeit keine Rolle spielt. …
… „Opa, spielst du
mit uns?“
„Warum nicht, aber
kommt mir ja nicht mit so „neuzeitlichem Plastikfirlefanz“! Als ich so alt war
wie ihr es jetzt seid, gab es noch richtig schöne Holzbauklötze und Blechautos.
Die gingen nicht gleich kaputt, wenn man sie durch das Treppenhaus geschmissen
oder sie mit dem Blasrohr beschossen hat. Im Garten steht eine ganze Kiste
voll.“…
…
„Neuzeitlicher Plastikfirlefanz“ – Auch geistig bauen die meisten Rentner mit
der Zeit ab. Vieles macht ihnen zu viel Arbeit und sie verstehen moderne
Gerätschaften einfach nicht mehr – oder wollen sie auch einfach nicht mehr
verstehen. Sie wollen es sich leicht machen und meiden gerne die Konfrontation
mit Neuem. …
… „Aber meinen
MP3-Player nehme ich mit.“ … „Ach lass doch den Quatsch mit dem
„Em-Peck-3-Dingsdabums“. Früher gab es Grammophone, da hat Musik hören noch
Spaß gemacht. Außerdem wollten wir in den Garten spielen gehen und nicht mit so
Stöpsel in den Ohren auf dem Sofa rumlungern! …
…
Ja, ja – Erziehung von Großeltern und durch Großeltern, das sind noch mal zwei
heikle Themen, aber in diesem Fall ist die Diagnose klar: Spielkind!
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