Antigone
– Das erste Chorlied
Das erste Chorlied
befindet sich in Antigone auf den Seiten 14-15. Das Buch wurde von
Sophokles geschrieben und 442 v. Chr. uraufgeführt. Das Drama hat
den Konflikt zwischen gesetzlichen, religiösen und moralischen
Vorstellungen zum Thema. Die Protagonistin, Antigone, möchte ihren
Bruder Polyneikes verbotenerweise beerdigen. Sie wird erwischt und
ihr droht der Tod. Der Herrscher Kreon kommt jedoch durch den Seher
Teiresias zur Besinnung. Bevor er die Jungfrau begnadigen kann muss
er jedoch feststellen, dass diese bereits Suizid begangen hat und
sich in Folge der Trauer sein Sohn sowie seine Frau das Leben nahmen.
Dem ersten Chorlied
geht eine Meinungsverschiedenheit der Schwestern Antigone und Ismene
voran, aus dem das Ziel Antigones ihren im Kampf gefallenen Bruder zu
beerdigen herausgeht. Darauffolgend erlässt Kreon jedoch das Verbot
gerade dieses zu tun verkünden und erhält die Hiobsbotschaft, dass
sein Gesetz bereits gebrochen wurde. Direkt nach dem Chorlied wird
Antigone als Schuldige überführt und das Drama nimmt seinen Lauf.
Antigone beugt sich über Polyneikes' Grab inmitten einer zerklüfteten griechischen Landschaft unter der Beratung des Sehers Teiresias an Kreon.
Das Chorlied
gliedert sich in zwei Strophen sowie zwei Gegenstrophen. Jede Strophe
besteht aus 10-11 Versen. Durch Zwischenüberschriften ist eine klare
Strukturierung in Strophenform erkennbar. Die erste Strophe hat das
Reich der Natur zum Thema. Es wird erzählt, dass der Mensch Macht
über drei der vier Elemente hat, „nichts ist gewaltiger als der
Mensch“. (Z. 333-334) Die Rede ist von Luft, Wasser und Erde. Auch
die zweite Gegenstrophe hat inhaltlich ein ähnliches Thema. Sie ist
jedoch auf die Tiere der Natur bezogen. Dem Mensch wird Macht über
„Vögel“ (Z.334), Fische und „Wild“ (Z. 350) zugesprochen und
damit über die Lebewesen der Elemente der ersten Strophe. Die
Elemente der Natur werden als Gegenspieler des Menschen aufgefasst
und Gäa ist als Mutter und Beschützerin aller Lebewesen
dargestellt. Wer die Rechte dieser Lebewesen nicht achtet hat Rache
zu fürchten. Durch sein Verbot Polyneikes zu beerdigen ignoriert
Kreon diese Rechte und „müdet ab der Götter höchste, Gäa“ (Z.
339-340), beleidigt sie also. In der ersten Strophe findet man zwei
Alliterationen, „die dunkele“ (Z. 335), sowie „durch die“(Z.
342). Dadurch wird der Lesefluss erleichtert und der Satzbau
aufgelockert. Außerdem findet man einige Enjambements wie zum
Beispiel „und den mähnigen/ Nacken umschirrt er dem Ross mit dem
Joche rings“ (Z. 350-351), wodurch ein die Strophe flüssiger und
gleitender wird und der inhaltliche Zusammenhang verdeutlicht wird.
Des Weiteren befinden sich in der ersten Gegenstrophe zwei Metaphern.
Zum einen werden die Fische als „ wimmelnde Brut der See“ (Z.
345) dargestellt und Fischernetze werden als „netzgeflochtene
Garnen“ (Z. 347) umschrieben. Dies dient dazu den Leser zum
Nachdenken anzuregen und das Textverständnis zu erhöhen. Eine
Allegorie ist die Benutzung von „vom Süd umstürmt“ (Z. 336)
anstelle der Verwendung des Wortes Wind, weshalb der Zugang zu dem
Thema einfacher ist.
Die zweite Strophe,
sowie die zweite Gegenstrophe beziehen sich auf das Wesen des
Menschen. Die Intelligenz und der Fortschritt der Gesellschaft werden
durch die Fähigkeit des Gebrauchs von Sprache, das Vorhandensein von
Gesetzen sowie durch die Widerstandsfähigkeit gegen das Wetter und
Krankheiten verdeutlicht. Aber es wird auch gezeigt, dass der Mensch
zwar Vernunft besitzt, aber seine Handlungen trotzdem in Gut und Böse
unterteilt werden müssen. In der zweiten Gegenstrophe wird auch der
Konflikt zwischen moralischen und gesetzlichen Vorstellungen wieder
aufgegriffen. Ein guter Mensch müsse sowohl den Gesetzen seiner
Heimat als auch den Gesetzen der Götter folgeleisten, weshalb der
Chor sich der Meinung Ismenes anschließt, dass es nicht Recht sei
sich dagegen aufzulehnen. In den Strophen finden sich die
Alliterationen „erfand er, ersann“ (Z. 354), „Staatsordnende
Satzungen“ (Z. 355), „Seuchen schwerste“ (Z. 362) und „gleich
gesinnt“ (Z. 373). Als Wirkung entsteht eine höhere Einprägsamkeit
und Aufmerksamkeit des Lesers. Außerdem ist eine mit „Der
[…]/Der[…]“
(Z.
367-368) eine Anapher vorhanden, die einen angenehmen Sprachrhythmus
verleiht und eine Betonung setzt. Auch in diesen Strophen finden sich
einige Enjambements, wie „Der Götter heilig Recht und wird/hoch
geehrt!“(Z. 368-369)
Die Sprache in dem
ersten Chorlied ist alt, was durch den Gebrauch von unzeitgemäßen
Wörtern wie „Joche“ (Z. 351), „frönt“ (Z. 371) oder
„Frevler“ (Z. 374) deutlich wird. Die Sätze sind sehr lang und
bestehen durchschnittlich aus fast 22 Wörtern. Man findet
Aussagesätze bis auf eine Ausnahme in der ein Ausrufesatz vorhanden
ist (Z. 368-369).Die Wortwahl ist abwechslungsreich und es werden
verschiedenste Verben und vielgestaltige, aber auch komplizierte
Adjektive wie „ringsumtoste“ (Z. 338), „netzgeflochtenen“ (Z.
347) und „bergdurchwandelndes“ (Z. 350) verwendet. Insgesamt
kann findet man eine gehobene und rhythmische Sprache, die sich im
Stil jedoch vom Rest des Textes unterscheidet.
In dem ersten
Chorlied wird eine detaillierte Vorstellung von dem Wesen des
Menschen gegeben. Der Mensch wird als „listig“ (Z. 346),
„vielbegabt“ (Z. 348) und „schlau“ (Z. 349) dargestellt.
Außerdem wird er mit den Worten „Überall weiß er Rat; Ratlos
trifft ihn nichts“ (Z. 358-369) als allwissend beschrieben. Der
Mensch hat ziemlich viel Einfluss auf die Natur und seine Tiere. Er
ist in der Lage sie zu dressieren beziehungsweise zu fangen. Ein
Übermensch ist laut Definition „der Idealtypus des über seinen
Grenzen hinauswachsenden Menschen“ und wird als „Schlagwort für
einen neuen höheren Typus des Menschen, der in absolutem Selbstsein
alles Verlogene, Krankhafte und Lebensfeindliche überwindet“
bezeichnet. [1] Anhand des Textes sind einige der Merkmale für einen
Übermenschen klar zu erkennen. Durch Kontrolle über die Natur und
die verschiedenen Beschreibungen seiner Intelligenz wird
verdeutlicht, dass der Mensch über sich hinauswächst. Man darf auch
nicht außer Acht lassen, dass der die Tragödie vor fast 2500 Jahren
geschrieben wurde. Dies erschwert die Sicht auf dem Text, da wir uns
heutzutage an einem anderen Standpunkt befinden. Gesetzgebungen,
„Staatsordnende Satzungen“ (Z. 355) und Medikamente, „für die
Seuchen schwerster Not […] Heilung (Z. 362-363) können für die
damalige Zeit, auch wenn wir diese Dinge heute als selbstverständlich
betrachten, als sehr fortschrittlich angesehen werden Anhand dieser
Gesichtspunkte kann man durchaus von einem Übermensch sprechen, den
Sophokles in seinem Text beschreibt. Auf der anderen Seite spricht
die Definition auch davon alles „Verlogene, Krankhafte und
Lebensfeindliche“ [1], kurz Böses zu überwinden. In dem Chorlied
steht jedoch dass der Mensch auch „zu Bösem“ (Z. 366) neigt.
Dies würde die Theorie wiederlegen. Durch die Tatsache, dass in der
ersten Strophe nur von einer Macht über drei der vier Elemente
gesprochen wird findet sich ein Wiederspruch in der Allmächtigkeit.
Einen weiteren Anhaltspunkt in diese Richtung machen die Zeilen „vor
dem Tod nur späht er kein Entrinnen aus“ (Z. 360-361). Ein
weiterer Sachverhalt über den keinerlei Macht besteht wird gezeigt,
auch wenn durch das Wort „nur“ die Knappheit dieser Vorkommnisse
präzisiert wird. Im Fazit würde ich aus heutiger Sicht aufgrund der
beschriebenen Fähigkeiten nicht von etwas übermenschlichen
sprechen. Die beschriebenen Fertigkeiten erscheinen nicht
ungewöhnlich. Dressierte Tiere können in jedem Zoo, Reitstall oder
sogar bei vielen Hundebesitzern gesehen werden. Auch das Fangen von
Fischen oder Vögeln ist nicht außergewöhnlich. Das Vorhandensein
von Sprache, Gesetzen und Medikamenten ist für uns alltäglich und
auch den meisten Wettern können wir problemlos trotzen.
Insgesamt stellt das
erste Chorlied eine interessante Sichtweise auf den Menschen da. Sehr
skeptisch finde ich jedoch die erste Strophe. In ihr wird die Macht
über die Elemente beschrieben. Dies ist jedoch etwas das ich mir nur
sehr schwer vorstellen kann. Auch heutzutage ist der Mensch meiner
Meinung nach nicht annähernd in der Lage die Mächte der Natur zu
kontrollieren. Zwar macht uns ein einfacher Regen in aller Regel
nichts aus, aber in seiner wollen Macht gibt es kein Element welches
wir auch nur annähernd beeinflussen können. Gerade in diesen Tagen
versuchen Rettungskräfte mehr oder weniger erfolglos einen Waldbrand
in Agentien unter Kontrolle zu bekommen und in Bali wurden aus Angst
vor einem Vulkanausbruch viele Tausend Menschen evakuiert. In
Norddeutschland hat Sturmtief Xavier große Schäden angerichtet und
Wirbelsturm Irma hat in den USA viele Tote gefordert. Bei dem
schweren Erdbeben in Mexiko Ende September hatten die Menschen knapp
20 Sekunden Vorwarnzeit (aus [2]). Auch Tsunamis haben wie zum
Beispiel 2011 in Japan schon große Schäden angerichtet. All diese
Beispiele zeigen wie wenig der Mensch die Natur kontrollieren kann,
weshalb ich Sophokles Worten „nichts ist gewaltiger als der Mensch“
(Z. 333-334) nur wiedersprechen kann.
Quellen
[1] Universal
Lexikon in 18 Bänden, Band 17(2002) Stuttgart: Reader`s Verlag,
Seite 263
[2] URL:
(Stand 07.10.2017=