Sommer
in Schweden
Es
ist mitten in der Nacht als mein Vater mich aufweckt.. um genau zu
sein 2 Uhr morgens. Er will, das wir früh losfahren. Also nehme ich
mir mein Kissen und noch eine dünne Decke, schlüpfe in meine Schuhe
und schlurfe ins Auto um da weiterzuschlafen.
Als
ich wieder wach werde sind wir schon fast bei Berlin.. 7 Stunden
Fahrt hat Papa schon hinter sich. Da wir sehr im Süden Deutschlands
leben ist das auch eine ganz schöne Strecke bis nach Schweden. In
Dänemark gehen wir auf die Autofähre also ist das noch alles ok für
meinen Vater. Im Gegensatz zu damals, vor 30 Jahren als meine
Geschwister und ich noch nicht geboren waren, da sind meine Eltern
zusammen jeden Sommer die komplette Strecke nach Schweden in unserem
alten VW Bus gefahren. Die ganze Ostsee entlang. Doch als meine
Schwestern geboren waren haben sie angefangen das Schiff zu nehmen.
Das wäre sonst bestimmt zu anstrengend für meine Mutter gewesen.
Sie hasst solche langen Autofahrten sowieso und dann noch mit 2
Kleinkindern auf dem Rücksitz. Jetzt ist es schon 3 Jahre her, das
wir das letzte Mal in Schweden waren. Seit meine Eltern sich haben
scheiden lassen. Und das erste Jahr in dem meine großen Schwestern
nicht dabei sind. Nur mein Papa, mein Bruder und ich. Ich bin die
Jüngste. 16. Volle Kanne in der Pubertät und jetzt 4 Wochen mit
zwei Schnarchmaschienen in einer kleinen Hütte im Wald in
Nordschweden. Aber ich freue mich. Ich sehe die beiden nichtmehr so
oft. Mein Bruder ist letztes Jahr bei unserer Mutter ausgezogen und
wohnt jetzt bei meinem Vater, der arbeitet viel und deshalb sehen wir
uns zwar nicht so oft, aber das macht mir nichts aus denn wenn wir
uns sehen ist es wirklich immer total schön. Und meine Schwestern
sind auch schon lange ausgezogen. Die älteste, Malin, ist schon
verheiratet und bekommt bald ihr erstes Kind. Und die andere, Anna,
studiert in Dresden an der Kunsthochschule. Mein Bruder wird auch
bald ausziehen. Seine Ausbildung wird bald anfangen und dafür muss
er in die Schweiz umziehen. Also wird das wohl unser letzter
gemeinsamer Urlaub sein. Naja es wird schon komisch sein in die
gleiche Hütte zu fahren in der wir immer zu sechst waren, aber das
ist schon okay, ich hab jetzt zum ersten Mal dort ein ganzes Zimmer
nur für mich allein. Wahrscheinlich werde ich das sowieso nicht
benutzen, sondern schon am zweiten Abend zu meinem Bruder ins Zimmer
kriechen, so eine Hütte im Wald ist nachts dann schon etwas
gruselig. Am meisten freue ich mich jedoch auf meine Freunde dort.
Ein paar Kilometer weiter von unserer Hütte ist nämlich ein kleiner
Ort in dem wir vier Kinder früher immer mit den Fahrrädern
hingefahren sind um etwas für unsere Eltern einzukaufen und um ein
paar andere Kinder zum Spielen zu finden, oder um Angelköder für
meinen Vater zu besorgen. Damals haben wir noch ein paar andere
Mädchen kennen gelernt. Sie waren alle so alt wie meine Schwestern
also bezweifle ich das irgendeine von ihnen noch Zeit mit mir
verbringen wird. Früher haben sie das auch nicht gemacht da waren
meine Schwestern immer mit ihnen auf die Wiesen gegangen um sich die
Frühjahrslämmer anzusehen und ich war im Wald oder mit meinem Vater
angeln. Zwei Brüder haben wir auch getroffen. Welche sich allerdings
nie verstanden haben. Thomas der Jüngere der beiden ist nur 1 Jahr
jünger als mein Bruder, die beiden haben sich auf Anhieb gut
verstanden, sie waren immer stunden lang Rad fahren. Thomas müsste
jetzt also 17 sein. Mein Bruder Till freut sich schon seit Wochen
darauf ihn wiederzusehen. Ich mich eigentlich nicht so. Die beiden
haben mich immer geärgert wenn mal niemand der Erwachsenen hinsah,
und haben an meinen blonden Zöpfen gezogen. Doch meistens kam dann
Lasse. Der ältere der beiden Brüder. Er war damals schon 2 Köpfe
größer gewesen wie sein Bruder, obwohl er gerade mal drei Jahre
älter war als er. Lasse. Er war immer nett zu mir gewesen, und hat
mit mir im Wald gespielt. Und er war derjenige der mich zum ersten
Mal zur alten Scheune mitgenommen hatte. Diese stand auf einer
riesigen Wiese voller Sommergräser und Blumen. Ich frage mich ob sie
immer noch dort steht. Und ob Lasse immer noch dort ist. Er hatte mir
einmal erzählt er wolle niemals von dort weg. Es sei dort der
schönste Ort den er kannte. Allerdings war Lasse auch nie wo anders
gewesen. Doch ich konnte ihn verstehen. Dort war es wunderschön.
Große Wiesen und Felder lagen unten im Tal und mittendrin das kleine
Dorf. Durch das Dorf und die Felder zog sich ein großer Fluss der
ein paar Kilometer weiter in einen kleinen Weiher mündete und dort
dann wieder versickerte. Viele kleine Bäche flossen in den Fluss und
in den Weiher. Die Bäche kamen aus den Bergen und flossen zuerst
durch die Wälder die hinter den Wiesen lagen. Und oben auf dem
höchsten der Berge lag sogar im Sommer Schnee der in der Sonne immer
glitzerte als lägen funkelnde Diamanten darunter. Ich habe Angst,
dass sie die Wälder schon abgeholzt haben. Und der Schnee auf dem
Berg schon im Frühling, durch die globale Erwärmung, anfängt zu
schmelzen. Ich habe einfach Angst das dieser Ort, der alles ist was
an unserer Zeit als komplette Familie erinnert, etwas von seinem
Zauber verloren hat. Und das sie die alte Scheune abgerissen haben.
Und damit der einzige Ort an dem ich mich nicht verstellen musste.
Der Ort der nur Lasse und mir gehörte.