Hausaufgabe:
Analyse und Interpretation „Sie verlangen zu viel“
Die
Kurzgeschichte „Sie verlangen zu viel“, verfasst von Gabriele
Wohmann und veröffentlicht im Jahre 1995, geht es um eine Patientin
namens Isabel, die von einem Arzt Beruhigungsmittel verschrieben
haben will, doch er sie ihr aufgrund folglichem Unwohlsein strikt
verweigert.
Die
vorliegende Text lässt sich in insgesamt fünf Sinnesabschnitte
unterteilen, wobei der erste Abschnitt mit dem
Gespräch zwischen dem Arzt Dr. Küntzel und seiner Patientin Isabel
beginnt und den Leser sofort in das Geschehen „hineinwirft“:
„Isabel zwang sich zum Gegenangriff“(Z.1). Es handelt sich um
einen Kampf zwischen Patientin und Arzt, was insbesondere durch die
Begriffe „Gegenangriff“(Z.1) und „Fensterfront“(Z.1) sowie
durch das Gegenüberstehen hervorgehoben wird. Schon ab der ersten
Zeile wird vermittelt, dass es sich um eine angespannte Situation
handelt, in der Isabel sich in einer nachteiligen unterlegenen
Position befindet, was sich auch räumlich zeigt, denn Sie
muss immerzu in die pralle Sonne blicken, während der Arzt durch
Schatten geschützt wird, sie durch einen Schreibtisch auf Distanz
hält und sein Gesicht durch einen schwarzen Vollbart zum größten
Teil versteckt. Isabel beginnt das Gespräch mit der Anmerkung, sein
Lächeln sei keine ideale Basis für deren Zusammenarbeit (vgl.
Z.4f.); für sie erscheint er so, als würde er sie nicht ernst
nehmen. Doch der Doktor hört nicht auf ihre Anmerkung, was unter
anderem deutlich seine überlegene Machtposition hervorhebt, denn die
Patientin ist von ihm beim Verschreiben des Medikaments abhängig und
auf sein ärzliches Fachwissen angewiesen. Auch bei diesen
ungleichmäßig aufgeteilten Machtverhältnissen tritt Isabel
selbstbewusst und sicher auf, vermutlich rechnet sie sogar mit
Erfolg. Sie erkennt auf dem Gesicht des Arztes hoffend ein Zeichen
von Ängstlichkeit, als dann der Arzt die merkwürdige Situation mit
den Worten „Ich höre“(Z.7) unterbricht.
Die
langen Sätze in dem erstem Sinnabschnitt werden im zweiten
Abschnitt(Z.8-12) von kurzen Hauptsätzen abgelöst, die Isabels
Gedanken im inneren Monolog wiedergeben. Sie hält den Arzt für „zu
jung“ (Z. 9), bezeichnet ihn sogar innerlich als „Kindskopf“
und glaubt wegen seines „altväterische[n] Gehabe[s]“ (Z. 9),
dass er , sie für „eine amüsant verdrehte alte Schrulle“ (Z.
8f.) haltend, älter und weise wirken will, was aber besserwisserisch
und herablassend herüberkommt. Der Leser erfährt, dass sie aus
irgendeinem Grund aufgeregt ist und und ihn bittet, ihr das
Beruhigungsmittel zu verschreiben, so wie der vorherige Arzt dieser
Praxis es getan hat. Vermutlich hat sie auch zuvor mit dem
Arzneimittel gute Erfahrungen gemacht.
Der
dritte Abschnitt wird mit der kurzen, prägnanten Ablehnung des
Doktor eingeleitet: „Es ist mein Ehrgeiz, Sie davon
abzubringen.“(Z.13) Sie erhöht den Druck, appelliert an sein
Mitleid und dramatisiert ihr Befinden, indem sie dem Arzt die Schwere
ihres Schicksals darlegt. Sie erklärt ihm, dass sie sich aufgrund
eines „ekligen Schmerz[es]“ (Z. 14) im Bauch, der Diagnose eines
Internisten „stelle[n werde]“ (Z. 15). Sie rechnet mit dem
Schlimmsten und erwartet, nur noch ein kurzes Leben zu haben. Daher
möchte sie sich noch ein „schöneres Leben [gönnen]“ (Z. 16)
und fordert ihn auf, ihr das Mittel, das sie jetzt als „mein altes
Zeug“ (Z. 18) bezeichnet, zu verschreiben so wie sein Vorgänger.
Nun
beginnt im vierten Abschnitt(Z.20-25) ein schneller Wortwechsel.
Nachdem sich das Gespräch zuvor angespitzt hat, scheint es in diesem
Abschnitt den Höhepunkt erreicht zu haben. Der Arzt versucht ihr
klar zu machen, dass das Beruhigungsmittel, bei dem es sich um ein
Psychopharmakon handelt, ihr nicht gut tun wird und ihren Blick auf
die Welt trüben wird (vgl. Z. 20), sie dagegen besteht darauf, dass
sie nicht gegen rosa Brille hätte und sehr gerne eine haben würde
(vgl. Z. 21). Das Gespräch wird vom Doktor spontan abgebrochen,
indem er den Titel der Kurzgeschichte „Sie verlangen zu viel“(Z.22)
aufgreift. Dem Leser ist der Grund der Verweigerung des
Psychopharmakon nicht bekannt, vermuten lässt sich, dass der Arzt
das Risiko nicht eingehen will, negative Erfahrungen mit diesem
Medikament gemacht hat, sie als abhängig davon sieht oder ihr
Auftreten als hypochodrisch, also als übertrieben, wahrgenommen hat
und sie deswegen nicht den Bedarf nach diesem Medikament hat. bietet
er ihr an, dass sie ihn „jederzeit“ (Z. 21) anrufen könne. Zum
Abschluss beendet er das Gespräch mit der oberflächlichen und
belanglosen Floskel: „Einen schönen Tag noch“ (Z. 23), was in
diesem Zusammenhang zumindest unüberlegt, wenn nicht ironisch
klingt, da Isabel noch wenige Minuten zuvor von der bevorstehenden
Diagnose des Internisten erzählt hatte. Sie fügt hinzu, dass er wie
ihre Postbotin rede und obwohl sie wütend ist und leidet (vgl.Z.25),
erwidert Isabel die Konvention mit einem Ausruf und verlässt mit
einem „künstlich“ aufgesetzten Lächeln die Praxis. Dem Leser
ist am Ende dieses Abschnittes nicht ganz aufgeklärt, ob es sich um
eine Übertreibung oder sogar um echte psychische Probleme von Seiten
der Frau handelt.
Im
Anschluss an den vierten Sinnabschnitt folgt eine ganz neue
Situation, bei der es sich um ein Gespräch zwischen dem Doktor und
seiner eigenen Frau handelt, die ihm in der Praxis hilft. Sofort wird
deutlich, dass es sich um ein viel näheres Gespräch handelt und
seine Frau ihm vertraut erscheint. Das Gespräch wird nämlich mit
der direkten Frage „Wie war Sie?“(Z.26) eingeleitet, gefogt von
einem Seufzen von Seiten des Doktors und einem schwer aufgesetzten
Lächeln, das er sich förmlich auf sein Gesicht
„grimassiert[...]“(Z.27). Er gibt zu verstehen, dass es sich ihr
zuliebe anstrengt und ironisch mit ihr umgeht, da sie anscheinend
Ironie mag (vgl. Z. 28). Zudem zeigt er damit, dass er sich mit einem
ernsten Ausdruck auf den nächsten Patienten einstellt (vgl. Z.29
f.), dass er sich auf jeden Patienten individuell einstellt und
versucht, den richtigen Umgang mit den Patienten zu pflegen , was ihm
jedoch bei Isabel nicht ganz gelungen ist. Und auch ob sie Ironie mag
ist aus Sicht des Lesers fragwürdig.
Im
letzten abschließend Abschnitt wird ein Gespräch zwischen Isabel
und ihrem Mann aufgegriffen, in dem sie sich über den Arzt
beschwert. Aus ihrer Sicht sei er nicht besorgt um sie, stattdessen
sei er sogar ironisch und das obwohl sie nur will, dass es ihr gut
geht (vgl. Z.32f.). Auch in dieser Konversation greift sie die
letzten Worte des Arztes und somit auch den Titel der Kurzgeschichte
auf: „Sie verlangen zu viel“(Z.33). Doch ihr Mann bestätigt die
Richtigkeit des Arztes und zeigt ebenso wie der Doktor kein
Mitgefühl, was zum einen auf die nicht so enge Beziehung hinweisen
könnte, zum anderen jedoch vielleicht auch unterstreicht, dass ihm
die Dramatisierung der Umstände und das hypochodrische
Auftreten
seiner Frau durchaus bekannt ist.
Betrachtet
man die erzählerischen Merkmale so wird deutlich, dass es wie
bereits angesprochen einen offenen Beginn und einen offen Schluss
gibt. Zudem sind in dieser Kurzgeschichte wenige Protagonisten
beteiligt, bei denen es sich um Altagspersonen handelt. Ebenfalls
lässt sich feststellen, dass aus der Er-/Sie-Form erzählt wird,
sodass das Miterleben im Gegensatz zur Ich-Form eher im Hintergrund
bleibt. Es zeigt sich, dass es sich in der Geschichte um einen
personalen Erzähler aus der Sicht der Patientin Isabel handelt, da
man z.T. Ihre Gefühle erfährt (z.B. vgl.Z.25) und auch im zweiten
Abschnitt ein innerer Monolog aus ihrer Sicht wiedergegeben wird.
Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass hier eine merkwürdige Situation stattfindet,
das zusätzlich von dem großem Kommunikationsproblem unterstützt
wird. Die Ironie, die zuerst überhaupt nicht deutlich wird, scheint
zum Schluss von hoher Bedeutsamkeit zu sein, denn das
Kommunikationsproblem zwischen Isabel und dem Arzt noch deutlicher
hervorgehoben. Pointiert ist festzuhalten, dass nach der
Interpretation trotzdem nicht eindeutig bestätigt werden kann, ob es
sich um eine übertriebene Angst der Patientin handelt oder sie
tatsächlich auf das Medikament angewiesen ist.