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Zusammenfassung
Pädagogik

Universität Paderborn

2007 Prof. Schneider

Elke M. ©
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ID# 6696







Selbstqualifikation als Leitidee der beruflichen Bildung

Einleitung

  • Im Zeitalter der Wissensgesellschaft ist Wissen selbst zum entscheidenden Produktions- und Wertschöpfungsfaktor geworden, wobei die Fähigkeit, Wissen zu erschließen und selbstständig zu organisieren zur Schlüsselkompetenz wird.
  • Wissensmanagement und Kompetenzentwicklung markieren somit zwei entscheidende Faktoren auf dem Weg der kontinuierlichen Aktualisierung und Weiterentwicklung beruflicher Qualifikationen.
  • Die individuelle Einsicht ist das Nadelöhr einer vom Selbst bestimmten Handlung.
  • In dieser Freiheit zu einem selbst gesteckten Ziel oder einer selbst verantworteten Bindung begründet sich letztlich die Kompetenz eines Individuums.
  • Diese Kompetenz bedeutet ein Handeln oder Arbeiten aus Einsicht / Erkenntnis und muss – dies liegt im Kompetenzbegriff begründet – vom einzelnen selbst erarbeitet werden.

Auswirkungen auf die Berufs- und Arbeitswelt

  • Gemäß den o.g. dynamischen Entwicklungen hat sich die Berufsausbildung, beginnend mit der Neuordnung der Berufe 1987, zu einem Feld der Auseinandersetzung um die Modernisierung und Anpassung des Wirtschaftsstandortes Deutschland entwickelt.
  • Kerngedanken waren u.a. die veränderten Ansprüche an Arbeitstätigkeiten im Industrie- und Dienstleistungsbereich, die sich besonders in der Verbreitung und Ausweitung der selbstständigen Planungs- und Kontrollanteile in den traditionellen Arbeitsumfängen manifestieren.
  • Zielvorstellung ist eine berufliche Handlungskompetenz, mit der die Vorstellung verbunden ist, dass die so kompetenten Beschäftigten allen zukünftigen Berufsanforderungen gewachsen sind.
  • Die auf der gesellschaftlichen Ebene angesiedelten kulturellen, ökonomischen und technischen Veränderungen führen zu einem Wandlungsdruck auf der Ebene von Betrieben, Organisationen und somit auf der Ebene der arbeitenden Menschen.
  • Neue Berufsbilder, schlanke Verfahren, moderne Prüfungen, flexible Strukturen und Freiräume für Betriebe markieren die zentrale Zielrichtung zur Bewältigung des Wandels.
  • Gefordert ist die Beherrschung des Wandels durch eine steigende Selbstverantwortung des einzelnen für seine Lernfähigkeit und sein ständiges Weiterlernen, also die Eigenverantwortlichkeit des Subjektes.
  • Die offenen und dynamischen Entwicklungen bedingen ein entsprechendes Qualifizierungskonzept der beruflichen Bildung, das genauso offen und dynamisch angelegt ist und letztlich die Fähigkeit des permanenten Lernens veranlagt.
  • Entscheidend ist die Fähigkeit der Spezialisierung auf diese neuen Anforderungen.
  • Berufliche Erstausbildung vermittelt dementsprechend heute einen Einstiegs- oder Startberuf in lebenslange (berufliche) Weiterbildung.
  • Vor diesem Hintergrund bedeutet die ab 1987 als „rollende Reform“ angelegte Neuordnung der Berufe mehr als eine Anpassung und Reformulierung von Ausbildungsinhalten.
  • Mit ihr ist ein neues Denken verbunden, das dem dynamischen Wandel unserer Gesellschaft langfristig Rechnung tragen will.
  • Die aus berufspädagogischer Sicht entscheidenden Neuerungen der Neuordnung der Berufe sind
    • Die Formulierung eines neuen Qualifikationsbegriffes, der die alte Formulierung der „Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen“ zugunsten der Veranlagung einer beruflichen Handlungsfähigkeit ablöst, die selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren der Arbeit einschließt.
    • Das Stufenkonzept der Ausbildung, das im wesentlichen die durch das gesellschaftliche und technologische Entwicklungstempo mitbedingte permanente Entwertung von einstmals Gelernten auffangen und eine notwendige Spezialisierungsfähigkeit (i.S. des Lernen lernens) bei den Auszubildenden verlangen soll.
  • Für die neue Ausbildung bedeutet dies, dass Berufskompetenz vermittelt werden soll, die auf der einen Seite die berufsfachlichen Anforderungen beinhaltet (Umgang mit der Sache / Aufgabe), auf der anderen Seite wichtige personale Fähigkeiten wie Eigeninitiative und Selbstständigkeit (Umgang mit sich selbst, selbstmotiviertes und selbstgeführtes Lernen), Teamfähigkeit (Umgang mit den anderen, Lernen und Arbeiten im Team) und Bereitschaft zu einem ständigen Lernprozess (Spezialisierungsfähigkeit, berufliche Lernkompetenz) einschließt.
  • Dabei schwingt in kompetentem beruflichen Handeln ein innovatives Wechselspiel von Individuum und Gesellschaft mit.
  • Es geht nicht nur darum, dass junge Auszubildende berufsfähig werden, sondern auch lebenstüchtig.
  • Wer selbstständiges Handeln und Denken in der Berufsausbildung gelernt hat, wird dies in die Gesellschaftsbereiche hineintragen.
  • Somit ist der Beruf heutzutage das soziale Medium zur Mitgestaltung gesellschaftlicher Prozesse.
  • Gesellschaftlicher und technologischer Wandel, eine daraus abgeleitete neue Bestimmung beruflicher Handlungskompetenz, Spezialisierungs- und Lernfähigkeit sowie verstärkte quantitative und qualitative Koordination und Kooperation der Lernorte markieren also die entscheidenden Zielpunkte einer modernen Berufsausbildung.
  • Es ist einsichtig, dass die Umsetzung der Neuordnung der Berufe als aktiv ergriffene Reform der Berufsbildung mit ihren Trägern, den Berufspädagogen, steht und fällt.
  • Um Jugendlichen innerhalb des Ausbildungszeitraumes eine moderne Berufsausbildung zu gewährleisten, sind Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Berufspädagogen wesentlich gefordert.
  • Somit kommt im Zuge einer geforderten Professionalisierung der neuen Qualifikation des (betrieblichen) Ausbildungspersonals eine entscheidende Bedeutung zu.
  • Denn hier gilt ein berufspädagogisches Simile-Prinzip.
  • Die Qualität der Berufsausbildung ist engstens verbunden mit der Kompetenz als neues Ziel der Berufsausbildung kann nur derjenige leisten, der diese übergeordneten Schüssel-Fähigkeiten selbst besitzt.
  • Selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Handeln kann nur von dem herangebildet werden, der seinerseits entsprechend handelt und somit Ausbildungskompetenz erwirbt und kontinuierlich erneuert.
  • Ausbildungskompetenz bedeutet allgemein die Fähigkeit, die Ausbildungstätgkeit (Praxis) immer wieder neu, kritisch-verantwortlich, zu überdenken (Theorie) und aus diesem Wechselbezug heraus ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Ausbildungshandeln zu vollziehen.
  • Gemäß dem oben angedeuteten „Zeitalter des Selbst“ bedeutet Selbstqualifikation in einem ersten vorläufigen Sinne, dass jeder einzelne aufgerufen ist, in unserer komplexen und dynamischen Gesellschaft sich selbst für seine Aufgaben zu qualifizieren und dafür entsprechende Verantwortung zu übernehmen.
  • Bezogen auf den skizzierten Wandel in der Berufs- und Arbeitswelt wird aber hier schon deutlich und später weiter ausgeführt, dass Selbst-Qualifizierung nicht autistisch und egoistisch sein kann.
  • Für den Beruf bedeutet dies auch die innere Einsicht, dass der einzelne für sich allein heute nichts mehr bewirken kann und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in der Gruppe / im Team um der Sache / Aufgabe willen erkennt.
  • Selbstorganisation weist also in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass diese Aufgabe nicht nur eine Sache des Einzelnen und seiner Einsicht bzw. Erkenntnis ist, sondern es gilt, im polaren Spannungsfeld zwischen Individuation und Sozialisation mit anderen aus Erkenntnis zu handeln und initiativ zu werden.
  • Dabei leuchtet ein, dass eine zusammengestellte Gruppe von selbstständig sein wollenden Individuen noch lange kein Team ist.
  • Die vom einzelnen erreichte „Autonomie des Bewusstseins“ muss mit der „Kooperation im Handeln“ verbunden werden.
  • Ein solches kooperatives, von der Gruppe selbstorganisiertes und selbstverantwortetes Handeln muss erlernt und ständig aktualisiert werden.
  • Bezogen auf das Ausbildungspersonal bedeutet dies, dass Berufspädagogen für ihre eigene (Weiter-) Qualifizierung verantwortlich sein sollen, hierfür ein entsprechendes Maß an Selbstständigkeit erwerben und erhalten, um ihr eigenes Lernen selbstständig planen, durchführen und kontrollieren zu können (Selbstqualifikation) und dies kooperativ in einem Ausbilderteam zu organisieren und zu praktizieren (Selbstorganisation).
  • Ausbilderqualifikation als Kompetenz zu erwerben, also selbstständig und eigenverantwortlich, weist somit auf die „Leitidee“ eines neuen beruflichen Bildungsverständnisses hin:
  • Durch Selbstqualifikation (und Selbstorganisation) zur Ausbildungskompetenz!

Begriffliche Klärungen: Das „SELBST“

  • In der pädagogischen Fachsprache bzw. in der Pluralität erziehungswissenschaftlicher Theorien und pädagogischer Konzepte scheint ein gewisser Konsens dahingehend zu bestehen, dass als ein oberstes Ziel pädagogischen Handelns „Selbstständigkeit“ zu gelten habe.
  • Damit verbundene Begriffe Mündigkeit, Freiheit, Autonomie, Emanzipation etc. weisen i.S. der Zielsetzung auf den Weg der vom Individuum zu vollziehenden Selbstentfaltung oder Selbstbestimmung hin.
  • Das Ziel von Unterricht, Erziehung und Bildung scheint in, durch und mit diesem „Selbst“ getroffen zu sein.
  • Der zentralen Bedeutung dieses Begriffes „Selbst“ steht aber ein großes Desiderat seiner wissenschaftlichen Erschließung gegenüber.
  • Die genannten Termini sind augenscheinlich so „selbst“-evident, dass eine genauere Analyse bislang minimal ausfällt oder ganz unterbleibt.
  • Bei der Suche nach den Wortbedeutungen von Selbstständigkeit, Selbstbildung, Selbstbestimmung etc. stößt man auf große Schwierigkeiten, da ein und derselbe Begriff in einer verwirrenden Vielfalt divergierender Begriffsvarianten benutzt wird.
  • So finden sich beispielsweise Komposita mit „Selbst“ in folgenden Bereichen:
    • Im philosophisch-ethischen Bereich mit Begriffen wie Selbstreflexion, Selbstsein, Selbstbestimmung u.a.m.,
    • Im psychologischen und sozialpsychologischen Bereich mit Begriffen wie Selbstkonzept, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Selbstentwicklung, Selbstrolle u.a.m.,
    • Im erziehungswissenschaftlichen Bereich besonders im schultheoretischen, bildungspolitischen und unterrichtspraktischen Sektor mit Begriffen wie Selbsterziehung, Selbstbildung, Selbstbestimmung, Selbstunterricht u.a.m.
  • Zwar ist der Terminus „Selbstqualifikation“ nicht verbreitet wie letztgenannte Begriffe, aber in seiner Reichweite z.T. mit ihnen bedeutungsverwandt.
  • Zur Präzisierung und Operationalisierung des Begriffes „Selbst-Qualifikation“ im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit muss daher zunächst der Begriff „Selbst“ genauer untersucht bzw. eingegrenzt werden.
  • Diese „Spurensuche zum Selbst“ beschränkt sich im Rahmen dieser Arbeit – wie in Kap. 1 dargestellt und begründet – auf eine begriffsrechtliche Fokussierung unter etymologischen, philosophischen, psychologischen und synthetisierend-antroposophischen Aspekten.

  • Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bedeutung des Terminus „Selbst“ einerseits von der unterschiedlichen Flexionsweise des Wortes, andererseits von dem „Bezugspunkt“ abhängig ist.
  • Der Terminus ist also ein relationaler Begriff.
  • Nachfolgende kurze Übersicht soll der Verdeutlichung dienen:

  • Die hier vorgenommene verbaldefinitorische Analyse hat deutlich werden lassen, dass sich der Terminus Selbst als relationaler Begriff darstellt.
  • Ändern sich die Relate, verschiebt sich die Bedeutung des Begriffes.
  • Allein schon die Bedeutung von Selbst als „Substanz“ oder „Auton“ zeigt, dass es sich in diesem Zusammenhang weniger um ein grammatikalisches Problem handelt, sondern eher um anthropologische, mithin ontologische Sachverhalte.
  • Daher ist eine weitere Analyse des Begriffes Selbst im jeweiligen historischen bzw. ideengeschichtlichen Bezugsrahmen notwendig, der sich nachfolgend zunächst auf einen ausgewählten philosophischen Aspekt – Selbst als Entelechie – konzentriert.

Der Selbst-Begriff aus philosophischer Perspektive: Das Selbst als Entelechie

  • Ein geschichtlicher Abriss der Entwicklung des philosophischen Selbstbegriffes während 2500 Jahren Philosophiegeschichte ist im Rahmen dieser Arbeit verständlicherweise nicht leistbar.
  • Statt dessen soll im folgenden exemplarisch ein philosophischer „Selbstbegriff“ dargestellt werden: Der aristotelische Entelechiebegriff.
  • Diese Fokussierung erfolgt aus folgenden Gründen:
    • Zum einen weisen zentrale Aussagen der Philosophie des Aristoteles, als dem „Vater der Seelenlehre“ und somit – gemäß eben genanntem – dem „Vater der Selbstforschung“ und Begründer des modernen wissenschaftlichen Denkens, dessen Gedanken grundlegend für die weitere abendländische Philosophie waren, auf die „Ur-Quelle“ eines Veständnisses von „Selbst“ hin, das von zahlreichen Interpreten in der Folgezeit übernommen wurde und – wie zu zeigen ist – auch die psychologische Selbstforschung beeinflussten.
    • Zum anderen beinhaltet der aristotelische Entelechiebegriff eine sowohl transparente wie auch dynamische Begriffsbestimmung, die geeignet scheint, dem Phänomenbereich der interaktiven Selbstqualifikation (und Selbstorganisation), wie er in dieser Arbeit entwickelt ist, methodisch und inhaltlich zu entsprechen.
    • So greifen auch FINTELMANN / SCHNEIDER (1986) in ihrer Darstellung über die Waldorfpädagogik auf den Begriff der Entelechie zurück.
  • Die Begriffsbestimmung zeigt sich – hier in einer ersten hinweisenden Übersicht – an den in Kap. 3.3 ff dieser Arbeit dargestellten anthropologisch-pädagogischen Voraussetzungen und Leitideen des Konzeptes KoKoSS,
    • Die sich in einem „ganzheitlichen-polaren Menschenbild mit einem autonomen Wesenskern im Spannungsfeld von Erkennen-Handeln, Individuation-Sozialisation, Tradition-Innovation“ manifestieren,
    • In denen Begriffe wie Polaritäten, Dynamik, offene Entwicklungsprozesse, selbstbestimmtes und selbstverantwortetes Handeln im Sinne eines Handelns aus Erkenntnis (=Kompetenz) struktur- und erkenntnisleitend sind,
    • Die Selbstqualifikation und Selbstorganisation als Autopoiesis begreifen, d.h. hier zunächst, dass „Systeme“ offene, flexible Gestalten sind, die sich durch zirkuläre, sich selbst entwickelnde Prozesse definieren und im Sinne von KoKoSS den Lernprozess sowohl individuell als auch gruppenbezogen aus eigenem Potential und eigener Zielsetzung organisieren und durchlaufen.
  • Prozesse der Selbststeuerung von Systemen können u.a. kybernetisch oder systemtheoretisch beschrieben bzw. simuliert, aber gerade im Hinblick auf (berufs)pädagogische Fragen, Aufgaben und Problemstellungen damit letztlich noch nicht in ihrer eigentlichen Tiefenstruktur erfasst werden.
  • Die Frage, was denn dieses „Selbst“ sei, was sich selbst organisiert oder selbst qualifiziert, verweist in diesem Zusammenhang auf ein „lernendes System“, das aus menschlichen Persönlichkeiten besteht, welche mit Bewusstsein handeln.
  • Im Sinne der Autopoiesis (d.h., dass ein System als Ganzes sich aus seinen Teilen und diese wiederum aus dem Ganzen selbst erzeugen) bedeutet dies, dass jede menschliche Persönlichkeit als Teilelement des Systems jeweils autonom gegenüber dem Ganzen ist und en Bewusstsein des Ganzen entwickelt.
  • Die prinzipielle Unberechenbarkeit der menschlichen Individualität und das Überraschungsmoment ihres kreativen Vermögens weisen wohl schon auf ein „Selbst“ hin, das nicht „ist“, sondern ein „ständig Werdendes“ darstellt.
  • Was am Ende eines autopoietischen Prozesses in Erscheinung tritt und durch (abstrakte) Allgemeinbegriffe oder lineare Kausalprozesse (Ursache-Wirkung) beschrieben werden kann, wird der Dynamik eines offenen Gruppenprozesses dann nicht gerecht, wenn damit quasi ein „definitiver Endpunkt“ der sozialen Interaktion gesetzt wird.
  • Das Aufschließende und Belebende eines Gruppen(lern)prozesses entspringt nämlich aus dem Gegenteil des Definitiven; aus der Frage, der Krise, dem aktuellen Problem.
  • Begrifflichkeiten, die der interaktiven Dynamik einer offenen Situation gerecht werden sollen, müssen selber dynamisch geprägt sein, mit offenen Grenzen (also nicht definitiv) und entwicklungsfähig (also in einer sich selbst ordnenden Vielfalt beziehbar).
  • Es müssen damit Begrifflichkeiten sein, die das dynamische Bild des ganzen Menschen so ausdrücken können, dass im Zentrum dieses Menschenbildes die schöpferische Instanz der Autopoiesis sichtbar wird.
  • Hier kann der aristotelische Entelechiebegriff aktualisiert werden.
  • Es handelt sich dabei um Denkformen, die auf den ersten Blick anscheinend historisch längst ad acta gelegt worden sind und deren Aktualisierung deshalb zunächst hochgradig problematisch erscheinen muss.
  • Denn das teleologische Denken des Aristoteles und der dieses Denken fundierende Begriff der Entelechie gilt spätestens sei Kants „Kritik der Urteilskraft“ als überwunden.
  • Dennoch impliziert der aristotelische Entelechiebegriff, also das Hingeordnetsein aller Dinge auf eine Zweck als Grundvorraussetzung zur Erkenntnis der Welt, ein Verständnis von „Selbst“ als dynamische, prozessual-polare, offene Instanz, die sich selbst steuern kann.
  • Was eine solche Aktualisierung des Entelechiebegriffs im Kontext des Themas „Selbst-Qualifikation“ zu leisten vermag, wird nun unter folgender Systematik aufgezeigt:
    • Rekonstruktion des aristotelischen Entelechiebegriffes im Dreischritt von Möglichkeit, Verwirklichung und Zielerreichung,
    • Zielgerichtetheit und Zielerfüllung als Selbstverwirklichung des Wesenskerns des Menschen,
    • Zugrundeliegendes Menschenbild und Bestimmung des eigentlichen Selbst als sich aktiv denkend selbstergreifende und –bestimmende Instanz,
    • Aktualisierung des Entelechiebegriffes im Zusammenhang mit dem Thema der Arbeit.

  • Seiner Bedeutung nach gehört der Begriff Entelechie in den Zusammenhang der aristotelischen Lehre von „dynamis und energia“ als Grundlage seiner Lehre vom „Sein“.
  • Der Begriff Entelechie bedeutet Vollkommenheit, Vollendung, Verwirklichung, Wirklichkeit.
  • Entelechie bezeichnet demzufolge die Verwirklichung der in einem Seienden angelegten Vermögen oder Möglichkeiten, oder anders ausgedrückt: Das Wirklichwerden des Möglichen.
  • Diese fundamentale Aussage weist bereits auf die eminente Relevanz der aristotelischen Entelechie hin, ohne jedoch ihren philosophischen Sinn deutlich zu umreißen oder zu erschöpfen.
  • Aristoteles Verständnis von Wirklichkeit ist ohne die Wirksamkeit der Entelechie undenkbar.
  • Mit seinem Enetelechiebegriff steht oder fällt die gesamte aristotelische Philosophie.
  • Der Prozess des Werdens wird auf sein wesensnotwendiges Ziel ausgerichtet, d.h. auf die Erreichung und Vollendung dessen, was in seiner Substanz veranlagt ist.
  • Nur das Veranlagte kann wirklich werden.
  • Jedoch die akzidentielle Entscheidungsform dieses Substanzpotentials ergibt sich nicht vom Wesensziel her, das zunächst keiner Beschränkung unterliegt.
  • Die Eingrenzung eines Zieles ergibt sich erst aus der konkreten Situation, in der eine bestimmte Form mit einem bestimmten Stoff durch den Anlass der causa movens in ein Wirkverhältnis gebracht wird.
  • So bedingen sich auch „causa finalis“ und „causa movens“ gegenseitig und stehen als Polarität in Wechselbeziehung.
  • In dem Moment also, in dem die Wirkursache einen bestimmten Werdeprozess in Gang setzt, gewinnt zugleich dieser Prozess seine zielgerichtete Spannkraft und Entwicklungsdynamik aus der Wirksamkeit der Zielursache.
  • Erst das Zusammenwirken aller vier Ursachentypen lässt die Wirklichkeit entstehen.
  • Ein Beispiel:
    • Marmor ist die materielle Ursache für eine Statue („causa materialis“).
    • Die Form („eidos“) ist die Gestalt, welche der Marmor annimmt („causa formalis“).
    • Der Marmor wird aber nicht von selbst zur Statue.
    • Um das bloße Vermögen in Wirklichkeit zu transformieren, bedarf es einer „bewegenden“ Ursache („causa movens“), die in diesem Beispiel durch die Hand des Bildhauers konstituiert wird.
    • Die „causa movens“ erklärt aber nur den rein mechanischen Vorgang.
    • Da eine Statue aber einen Zweck erfüllen soll wirkt zusätzlich noch die Zweckverwirklichung als „causa finalis“.
  • Die Zeitgestalt dieses Wirklichkeitsprozesses wird nun von Aristoteles in drei sich überlagernde Aspekte, quasi Zeitdimensionen, unterschieden.
  • Wie die Raumdimensionen als Linie, Fläche und Körper aufeinander aufbauen und ineinander integriert sind, so entfalten sich die Zeitdimensionen aufeinander und ineinander.
    • Als Kraft der Möglichkeit (dynamis),
    • Als Kraft der Verwirklichung (energia) und
    • Als Kraft der Zielerfüllung (entelechia).
  • Stellen die Kategorien das „Nebeneinander“ der Rangklassen des Seins dar, so muss durch das substantielle Sein des konkreten Einzeldinges ein Längsschnitt erfolgen können, der das „Nacheinander“ der Seinsmomente beschreibt.
  • Darunter sind nicht zeitliche Etappen zu verstehen, sondern konstituierende Elemente, die zum Aufbau einer Ganzheit dienen.
  • Begrifflich-analytisch lassen sich diese Elemente „nacheinander“ fassen, in der Realität wirken sie zusammen.
  • Der Grundvoraussetzung für die Entfaltung der Zeitdimensionen besteht in der interaktiven Spannung zwischen zwei Polen (Polaritäten), die entweder auf zwei (oder mehrere) Wissen verteilt oder in strukturell verschiedenen Teilen eines übergeordneten Ganzen angesiedelt sind.
  • Ein Aktives steht einem Passiven gegenüber, beide sind dabei in Wechselwirkung auf derselben Ebene und in derselben Hinsicht.
  • Die Interaktion betrifft also ein bestimmtes Substanzpotential, das in beiden Polen auf verschiedene Weise repräsentiert ist.
  • Dieses Potential hat das Vermöge (dynamis) sich zu realisieren; es wäre andernfalls kein Potential.
  • Ontologisch gesprochen „wartet“ es nur auf den Augenblick, in dem seine Manifestation in Gang gebracht wird.
  • Dem Potential eignet also das Streben, die Bedingungen zu seiner Aktualisierung entweder aufzusuchen oder herzustellen (wie der Hungrige das Essbare entweder sucht oder zubereitet).
  • Das seiner Auswirkung harrende Potential nennt Aristoteles die „dynamis“, also das Vermögen.
  • „Dynamis“ ist also die Kraft im Ruhezustand, vergleichbar einem Samenkorn, das zwar keimfähig ist, sich aber wegen ungeeigneter Umweltbedingungen noch nicht entwickeln kann.
  • In der „dynamis“ liegt alles beschlossen, was jemals werden kann; sie ist der vorauszusetzende Ausgangspunkt eines Wirklichkeitsprozesses.
  • Wird dieses Potential (Vermögen) im Prozess der Realisation zur Wirklichkeit, so wird die „dynamis“ zur „energia“, d.h. zur Kraft der Verwirklichung.
  • „Energia“ ist reines Werden als Bewegung und Veränderung an sich, impulsiert aus dem Substanzpotential.
  • Sie bildet den unvollendeten Aspekt des Werdens, weil ein spezifischer Richtungssinn noch nicht impliziert ist.
  • Da es aber keine Bewegung ohne Richtung gibt und ebenso kein Werden ohne Entwicklung wirkt eine Kraft, die den Werdeprozess zu einem Ziel bzw. zur Vollendung hinzieht und ihm den ontologischen Richtungssinn, mithin die „Treffsicherheit“ verleiht.
  • Diese Kraft nennt Aristoteles „entelechia“, als eine Bewegung von Möglichkeit zur Wirklichkeit.
  • Allein durch die Entelechie erreicht das Potential seine volle Aktualisierung; nur durch sie kommt der Bewegungsimpuls der Energie auf die Bahn einer realen, d.h. zielorientierten Bewegung.
  • Kernaussage ist also, dass das, was am Ende der Entstehung eines Dinges zur Vollendung (=Wirklichkeit) kommt, wesens- bzw. seinsmäßig von Anfang an in seinr Form / Zweckursache vorliegt.
  • Aristoteles begründet dies u.a. damit, dass alles, was entsteht, auf ein Prinzip und Ziel hingeht.
  • Für Aristoteles ist jede Bewegung die Bewegung zu einem Ziel hin, wobei verschiedene Formen der Bewegung zu unterscheiden sind.
  • Wenn wir z.B. ein Fahrzeug A nach B lenken, wäre es ungenau zu sagen, die Bewegung des Fahrzeuges selbst hätte das Ziel B.
  • Das Ziel hat der Fahrzeuglenker, dem Fahrzeug ist es gleichgültig, ob es nach B, C, oder D gesteuert wird.
  • Anders liegen die Verhältnisse, wenn sich etwas bewegt, das den Ursprung der Bewegung in sich selbst hat, denn wenn es den Ursprung der Bewegung in sich selbst hat, so hat es auch zugleich das Ziel der Bewegung in sich selbst.
  • Dies ist für Aristoteles im gesamten Bereich des Organischen wirksam.
  • In der Entelechie wirkt die „causa finalis“ in völliger Interaktion mit den drei anderen Kausaltypen.
  • Darum konstituiert erst die Entelechie das empirisch reale Dasein der Wirklichkeit;
  • Entelechie ist der Schlüsselbegriff für Wirklichkeit überhaupt.
  • Erst jetzt, wo jeglicher Werdeprozess als durch seinen Endzweck / Ziel („telos“) bestimmt und gedacht werden muss, und jede Form der Wirksamkeit („energia“) von dem in ihr stattfindenden und geleisteten Werke aus betrachtet und als durch diese bedingt und verursacht angesehen wird, ist Werden mehr als der bloße Ablauf von Ereignissen.
  • Entelechie ist also Kraft und Instanz, die das Werden zum Ziel, zu seinem Zweck, zu Sein führt, die jede Bewegung ankommen lässt.
  • Sie schafft die Erfüllung des Stoffes mit der Form und die der Form mit dem Stoff in gegenseitig gesättigter Durchdringung.
  • Steht am Anfang, in der „dynamis“, die unentladene Spannung zwischen zwei Polen, so steht am Ende, in der „entelechia“, der Spannungsausgleich der zwei Pole.
  • Unter den Kategorien herrscht die Substanz, unter den Momenten die Aktualität, unter den Gründen die Zweckursache.
  • Alle drei Begriffe, in einem gedacht, ergeben den Begriff „Entelechie“.
  • Das Konkrete, Einzelne als Aktualität einer Form an einem Stoffe, unter dem Gesichtspunkt, dass damit ein in der Substanz selber liegender Zweck verwirklicht wird, ist Entelechie.
  • Entelechie ist die Ursache, die ihr Ziel in sich trägt.
  • Sie ist das aktive Prinzip der ihre eigenen Ziele verwirklichenden Selbstorganisation eines in sich gegliederten Zusammenhangs – also das Wirklichwerden des Möglichen.

  • Das „Wesen“ oder „eigentliche Sein“ des Menschen kann auch als dessen „Selbst“ begriffen werden, dieses wiederum als Entelechie.
  • Entelechie ist das aktive Prinzip der ihre eigenen Ziele verwirklichenden Selbstorganisation eines in sich gegliederten Zusammenhangs.
  • Im Zentrum des Menschen wird die schöpferische, dynamische und ständig werdende Instanz der Autopoiesis erkennbar.
  • Der aristotelische Entelechie-Begriff kann für eine Beschreibung / Erklärung der kontinuierlichen und kooperativen Selbstorganisations- und Selbstqualifikationsprozesse genutzt werden.
  • Er begründet die Selbststeuerung (Autopoiesis) solcher Prozesse in dem schpferischen Potential der geistigen Aktivität des sich selbst verwirklichenden Bewusstseins und schließt die Fähigkeit zur ethischen Selbstbestimmung in sich ein.
  • Damit rückt der Kompetenzbegriff mit seiner Bindung an die Subjektivität als zentrale Kategorie des KoKoSS-Konzeptes in den Mittelpunkt der Betrachtung.
  • Der Entelechie-Begriff konstituiert ein Menschenbild, welches diejenigen Komponenten enthält, mit denen der Vorgang der menschlichen Selbstqualifizierung im Wechselbezug von Fach-, Individual- und Sozialkompetenz theoretisch und praktisch erschlossen werden kann.
  • Selbsterkenntnis des Menschen (durch seine Denktätigkeit) ist letztlich die Fachkompetenz bezogen auf den Menschen selbst.
  • Er erkennt Anlagen und Fähigkeiten, bestimmt aus diesen seine eigenen Ziele und muss lernen, wie er diese Ziele erreichen kann.
  • Die Selbsterkenntnis führt zur Selbstentwicklung (Selbstverwirklichung) es Menschen auf dem Weg der Selbstqualifikation.
  • Darin ist die Individualkompetenz des Menschen begründet.
  • Der aktive Geist als Entelechie des Menschen ist das Subjekt des Denkens und Lernens und dadurch auf dem Wege der Selbstqualifizierung und Selbstorganisation der entscheidende Faktor des Kompetenzerwerbes.
  • Dieser Geist besitzt eine unverletzliche Autarkie, die sich aber nicht autistisch von ihrer Umwelt abschließt, sondern sich durch sie und in ihr entfalten kann.
  • Und so wird der Mensch zum Sozialwesen, in aristotelischer Terminologie zum „zoon politikon“.
  • Menschen einer Gruppe sind füreinander transparent, können einander objektiv wahrnehmen und zugleich interaktiv entfalten.
  • In der Zusammenführung verschiedener Aktivitäten bildet sich durch die Wahrnehmung dieser Kooperation das gemeinsame Bewusstsein einer sich selbstqualifizierenden und – organisierenden Gruppe.
  • Gerade so wird Sozialkompetenz aufgebaut.
  • Gleichermaßen ist der Entelechie-Begriff strukturell auf gleichberechigte Interaktionen ausgelegt, weil jeder entelichale Prozess immer zwischen verschiedenen Polen stattfindet.
  • Deshalb ermöglicht er auch in optimaler Weise eine Vermittlung zwischen den Polaritäten Tradition – Innovation, Individualität – Sozialität und Erkennen (Theorie) – Handeln (Praxis).
  • Er lässt die Theorie aus der dynamischen Praxis des tätigen Geistes und die ethisch zielgerichtete Praxis aus der Theorie des selbsterkennenden Geistes hervorgehen.
  • Er zentriert das Individuum in einem autonomen Wesenskern und vermittelt es zugleich an alle ihm begegnenden Mitmenschen im Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und sozialer Verantwortung.
  • Somit erkennt der Mensch seine Entelechie im Spannungsverhältnis von Anlage / Disposition und Realisation als aktiver Begabung.
  • Wenn der Mensch bzw. sein Selbst als Entelechie verstanden wird, macht er sich selbst, bzw. die gesamte Gruppe auf dem Weg der Selbstqualifizierung und Selbstorganisation zu dem was er / sie
    • Werden kann (Potential),
    • Werden will (freie Entscheidung) und
    • Werden soll (Einsicht in die Notwendigkeit)
  • Auf Grundlage einer ethischen Selbstbestimmung und Selbsterziehung in der Interaktion freier Individuen.
  • Zusammenhang zwischen Entelechie und ganzheitlicher Kompetenz

Der Selbstbegriff bei James

o       William James Auffassungen zum Selbst sind vor dem Hintergrund seiner These des Strom des Bewusstseins zu verstehen.

o       Während idealistische Bewusstseinsbegriffe hinter der Erscheinung des Bewusstseins nach dem Sein fragen, welches Bewusstsein überhaupt erst ermöglicht, postuliert James, das es keine Realität hinter dem Bewusstsein gibt.

o       Die Existenz des Bewusstseins muss also vorausgesetzt werden.

o       Nach James gibt es eine Einheit des Erlebens, die sich in einem von der Geburt an beginnenden kontinuierlichen Bewusstseinsstrom darstellt und nicht als zusammengesetzte Struktur von einzelnen, aus einfachen Bewusstseinszuständen aufgebauten Erlebnissen.

o       Der empirische Zugang zum Selbst ist nach James über das Erleben des Bewusstseinsstroms möglich.

o       Er unterscheidet zwei wesentliche Aspekte des Selbst,

o       Das Selbst als Objekt der Erkenntnis (Me) und

o       Das Selbst als erkennendes Subjekt.

o       Beide können nicht unabhängig voneinander existieren.

o       Inhalt (Me) und Subjekt (I) sind immer eng miteinander verknüpft, wobei James hinsichtlich des Verständnisses der beiden Komponenten den Gedanken eines „Verdopplungseffektes“ des Selbst entwickelt.

o       Im weitesten Sinne gehört dazu die Summe dessen, was der Mensch – gedanklich – als sein eigen bezeichnen kann.

o       Diese empirische Selbst teilt James auf Basis der körperlichen Empfindungen in ein

o       Materielles Selbst / Mich (z.B. Familie, Besitz),

o       Soziales Selbst / Mich (z.B. soziales Ansehen, Gedanken darüber, wie der Mensch von anderen gesehen wird),

o       Geistiges Selbst / Mich (z.B. psychisches Vermögen, Dispositionen, die den dauerhaften Teil des empirischen Selbst ausmachen.

o       Diese Elemente werden in eine hierarchische Ordnung gebracht, an deren Basis sich das körperliche Selbst und an deren Spitze sich das geistige / spirituelle Selbst befindet.

o       Die übrigen Bestandteile liegen dazwischen.

o       Das Selbst als Objekt der Erkenntnis enthält die Summe der Erkenntnisse und Erfahrungen, die eine Person über sich selbst gesammelt hat und beinhaltet somit alle Einstellungen, Informationen, Wahrnehmungen, Gefühle und Bewertungen, die eine Person auf sich selbst bezieht.

o       In diesem Sinne verfügt jedes Individuum über jeweils ein materielles und spirituelles Selbst, jedoch über eine Vielfalt an sozialen „Selbsten“.

o       Hier wird die gruppenbezogene, mithin sozialpsychologische Perspektive des Selbst erkennbar, die von MEAD und COOLEY aufgegriffen und weiterentwickelt wurde.

o       Selbstbezogene Gedanken oder Selbstbewusstsein entwickelt sich demnach in bezug auf bestimmte soziale Gruppen.

o       Die von James getroffene Unterteilung des „Me“ kann als Vorläufer von bereichsspezifischen Selbstkonzepten angesehen werden.

o       Das „Me“ wurde im weiteren Verlauf der psychologischen Forschung der klassische Untersuchungsgegenstand der Selbstforschung.

o       Das „Selbst als Bewusstsein Habendes“ nennt James „Ich oder reines Ego“ und führt aus, dass dieses ein viel schwierigeres Untersuchungsobjekt ist, als das „Mich“.

o       James geht von der Einheit des Bewusstseinsverlaufes aus, der nicht aus aggregierten Einzelvorstellungen zusammengesetzt ist, sondern bereits die Kombination derselben darstellt.

o       Alle bekannten Kombinationen sind Wirkungen, die von den kombinierten Einzelheiten hervorgerufen werden und zwar in einer von ihnen selbst verschiedenen Wesenheit.

o       Die Summe besteht nur für einen Zuschauer, der die Einheit als solche übersieht und erfasst.

o       Die erlebte oder erfahrene Einheit ist also von einem Bewusstseinsträger abhängig.

o       Dinge, die zusammen erfasst werden, sind einzelne Wellen des Bewusstseinsstromes, die kombiniert werden können.

o       Aus einer Menge von Bewusstseinsinhalten können bzw. werden einige als zueinander und zum Subjekt gehörig erfasst und somit von den nicht zum Subjekt gehörigen unterschieden und schaffen daher das Bewusstsein der persönlichen Identität.

o       Das Selbst als erkennendes Subjekt I enthält also die hoch aktive erkenntnisleitende, prozessuale Komponente.

o       Es ist Teil des Bewusstseinsstromes.

o       Dies bedeutet, dass das „Mich“ – als Selbst-Wissen – sich verändert, während des „Ich“ den anderen Teil des Selbstbewusstseins darstellt.

o       Das Ich ist das, was immer dasselbe bleibt, obwohl sich sein Bewusstseinszustand ständig wandelt.

o       Das Ich, welches sich selbst zum Gegenstand seiner Gedanken macht, besteht in der Funktion des Denkens.

o       Es ist selber ein Prozess, ein der Beobachtung entzogenes Subjekt aller Bewusstseinsvorgänge, ein „wissendes Selbst“, um das der Mensch zwar weiß, das er aber nicht „fassen“ kann.

o       Mit dieser Formulierung begegnet James der Möglichkeit einer essentialistischen Fehldeutung der Unterscheidung zwischen „I“ und „Me“ weist hier auf das Polaritätsprinzip des Entelechiebegriffes hin.

o       Wenn das „I“ nach James in der Funktion des Denkens besteht, kann damit nur der der aktive, tätige Geist im aristotelischen Sinne gemeint sein.

o       Das „I“ als eine dynamische, prozessuale Instanz, ist das Subjekt des Denkens.

o       Das „Me“ entspricht dem passiven Geist als dem entgegengesetzten Pol in diesem Spannungsfeld, der Wahrnehmungen und Erlebnisse aus der sozialen Umwelt aufnimmt.

o       Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass James die vorhandene Polarität und die Wechselwirkung von „I“ und „Me“ postuliert und anerkennt, gleichermaßen aber auf die Schwierigkeiten der empirischen Erforschung des „I“ hinweist.

Das Selbstkonzept

o       Unter der Prämisse, dass die psychologische Beschäftigung einer Person mit sich selbst dem Grunde nach funktionell nichts anderes ist, als die Beschäftigung der betreffenden Person mit anderen Personen oder Objekten außerhalb der eigenen Person, hat sich bei vielen Autoren ein sozialpsychologisches Selbstkonzept durchgesetzt.

o       Als Selbstkonzept wird die Gesamtheit der auf die eigene Person bezogenen Beurteilungen bezeichnet.

o       Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass es sich hierbei um mehr oder weniger überdauernde Merkmale im Sinne von Eigenschaften handelt, welche sich die Person selbst zuschreibt.

o       Selbstkonzepte sind somit Einstellungen mit der Besonderheit, dass das Einstellungsobjekt die eigene Person ist.

o       Daraus wird geschlossen, dass Selbstkonzepte Spezialfälle einer wichtigen, bereits gut erforschten psychischen Funktion, nämlich der Einstellungen darstellen.

o       Im Falle des Selbstkonzeptes sind Subjekt und Objekt der Einstellung identisch.

o       Die Abkehr von einem irgendwie substantiierten Selbst hat anstelle eines Substanzverlustes einen offensichtlichen Gewinn gebracht.

o       Dies bedeutet, das die Entwicklung, Struktur und Funktion des Selbst einer Person immer in Abhängigkeit von der Reaktion und dem Urteil von für die betreffende Person wichtigen Interaktionspartnern gesehen wird.

o       Begründet wird die Fokussierung auf das soziale Selbst damit, dass menschliche Existenz nicht ohne Kontakt zu anderen Menschen denkbar ist.

o       Die Erfahrungen des Menschen in dieser Interaktion bilden z.T. rückwirkend die Persönlichkeit des Menschen aus.

o       Selbsterkenntnis kann daher nur ausschließlich aus der Interaktion der Person mit seiner sozialen Umwelt geleistet werden.

o       Die Ausprägung des Selbst und der eigenständigen Persönlichkeit ist ohne Bezug zu den Mitmenschen unmöglich.

o       Neben der Determiniertheit es Selbst als reinem Objekt der sozialen Umwelt ist das Individuum aber mit Selbstreflektiertheit und Selbstbewusstsein ausgestattet.

o       Die Ausprägung des Selbst aber ist nur in Verbindung mit Interaktion zu sehen, wobei das Individuum selbst aktiven Einfluss auf diese Interaktion nehmen kann.


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