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Seminararbeit
Geowissenschaften

Universität Bremen

Katharina F. ©
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ID# 27282







Bilinguale Geographie: Eine Brücke zwischen Kulturen und Sprachen in Europa

1. Einleitung

1.1. Anlass und Zielsetzung


„Die Eigentümlichkeit Europas besteht in der ungeheuren Vielfalt seiner Spra­chen und der durch sie repräsentierten Kulturen. Diese Vielfalt könnte als ein Hindernis für die gemeinsame Zukunft der europäischen Sprachen angesehen werden. Vielfalt oder Einheit: Ist ihre Vereinbarkeit eine Illusion oder gar nur eine rhetorische Floskel? Wir antworten mit einem entschiedenen Nein.

Denn der Erhalt der ersteren ist in Wahrheit die Vorraus­setzung der letzteren. Die Europäer leben inmitten einer Vielzahl von Sprachen. Sie sollten ihre Kinder mehrsprachig und nicht einsprachig erziehen. So lautet für Europa die Forderung der Vergangenheit und der Zukunft. So lautet die These des vorliegenden Buches.“[1]


Und so lautet auch die These der vorliegenden Arbeit, die ich als Beitrag des Unterrichtsfaches Geographie zu mehrsprachiger Erziehung und interkulturel­lem Lernen in einem vereinten und vielfältigen Europa verstehen möchte. Die­ses Europa, in dem wir gegenwärtig leben, ist nicht nur gekennzeichnet durch die Vielfalt seiner Sprachen und Kulturen und damit einhergehenden Kontakten und Begegnungen durch Mobilität und Migration in beruflicher und privater Hin­sicht, durch multinational agierende Unternehmen, den sogenannten ‚Global Player’, sondern auch durch daraus resultierende enorme zukünftige ge­sellschaftliche Herausforderungen im Hinblick auf Kultur, Identität und Sprache.

Vielfach sind junge Menschen gegenwärtig durch das Internet, speziell durch das ‚social networking’ auf Plattformen wie ‚Facebook’, durch andere Medien wie Kino und TV, durch umfassende Mobilität im Zuge der Konjunktur von Billigfliegern und durch ein umfangreiches Warenangebot an Produkten aus aller Welt schon in ihrem privaten Alltag häufig mit anderen Kulturen und Fremdsprachen konfrontiert.

Dennoch ist es ein oberstes Bildungsziel, unsere Schüler, die zukünftigen Bürger Europas, auch in einem schulischen Kontext auf ein Europa in einer globalisierten Welt vorzubereiten – und zwar in ihren Denk-, Lebens- und Handlungswei­sen sowie auch mit der Ausbildung konkreter Schlüsselqualifikation wie interkultureller Kompetenz und Mehrsprachigkeit.

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission auf höchster bildungspolitischer Ebene bereits zahlreiche Vorgaben und Empfehlungen erteilt, wie beispielsweise den Aktionsplan zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003) oder die neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2005).

In beiden Veröffentlichungen wird insbesondere dem bilingualen Sachfachunterricht ein enormes innovatives Potential zur Umsetzung von mehrsprachiger Erziehung in Europa eingeräumt. Da der traditionelle Fremdsprachenunterricht die so wichtige Ausbildung von fremdsprachlichen Schlüsselkompetenzen alleine nicht leisten kann, ist die Entwicklung neuer Unterrichtskonzepte, wie bilingualer Unterricht in Sachfächern, beispielsweise in Geographie, eine dringende Notwendigkeit. 

Im europäischen Kontext und auch von der deutschen Kultusministerkonferenz (vgl. KMK 2006) wird dieses Unterrichtskonzept als engl. CLIL (content integrated language learning oder frz. ÉMILE (Enseignement d’une Matière par l’Intégration d’une Langue Étrangère) bezeichnet und ausdrücklich nicht als erweiterter Fremdsprachenunterricht, sondern vor allem als integrierter Sachfach- und Fremdsprachenunterricht verstanden.

Dies bedeutet, dass das Sachfach die vom jeweiligen Lehrplan festgelegten Themen und Inhalte vorgibt und diese aus der Perspektive der Länder der Unterrichtssprache behandelt werden sollen. Auf diese Weise wird ein fächerübergreifendes und interkulturelles Lernen möglich, welches qualitativ bei strikter Trennung von Sachfächern und Fremdsprachenunterricht in dieser Form nicht erreichbar wäre.

Da fächerübergreifendes Lernen, interkulturelle Kompetenzen und Mehrsprachigkeit bei Schülern aufgrund eingangs genannter aktueller Erfordernisse wichtige allgemeine bildungspolitische wie auch geographiedidaktische Ziele darstellen (vgl. DGfG 2008: 7), die ich zudem als außerordentlich bedeutsam für meine persönliche zukünftige Berufspraxis erachte, möchte ich mit dieser Arbeit einen Beitrag zur unterrichtspraktischen Umsetzung dieser Bildungsziele im bilingualen Sachfach Geographie leisten.

Aus verschiedenen Gründen möchte ich mich deshalb an dieser Stelle inhaltlich mit der „Salzgewinnung an der französischen Atlantikküste“ als Unterrichtsgegenstand in der gymnasialen Oberstufe mit der Arbeitssprache Französisch beschäftigen. Zunächst ergibt sich für mich eine besondere persönliche Motivation durch meine Bildungsbiographie und Studienfächerkombination.

Weder während meiner Schullaufbahn, noch während des Studiums oder schulpraktischen Studien an diversen Bildungsinstitutionen, bin ich vertieft mit geographischen Fachinhalten in der Unterrichtssprache Französisch in Berührung gekommen. Deshalb ist es für mich ein besonderer Anreiz am Ende meiner universitären Ausbildung mit der vorliegenden Arbeit beide Fächer schlussendlich sinnvoll miteinander zu verbinden.

Ein weiterer Anlass der Beschäftigung mit dem Thema besteht in der äußerst unbefriedigenden Lehrmaterialsituation für das bilinguale Sachfach Geographie mit der Zielsprache Französisch. Im Gegensatz zu einer ansteigenden Fülle an Materialien für den bilingualen Geographieunterricht auf Englisch, besteht hier ein enormer Entwicklungsbedarf, zu dem ich ebenfalls mit dem vorliegenden Unterrichtsvorschlag einen Beitrag leisten möchte.  

Ausschlaggebend für die konkrete Themenauswahl des Unterrichtsgegenstandes erwies sich dann letzten Endes eine aufschlussreiche Exkursion des Fachbereiches Geographie der Universität Bremen im März 2008, die nach einer erlebnisreichen Erkundung der Bretagne mit Herrn Prof. Dr. Venzke schließlich in die Salzgärten von Guérande führte, welche sich als multiperspektivischer und anregender Gegenstand eines modernen, kompetenzorientierten bilingualen Geographieunterrichtes hervorragend anbieten.    


1.2. Aufbau der Arbeit

Nach einleitenden Worten und der Hinführung zum Thema wird im Theorieteil in Kapitel 2 zunächst ein einführender begrifflicher Rahmen sowie ein Überblick über die aktuelle Situation des bilingualen Sachfachunterrichtes in Deutschland im Allgemeinen und die des bilingualen Sachfachunterrichtes im Fach Geographie im Speziellen dargelegt.

Weiterhin wird in diesem Teil der Arbeit auf die didaktische Legitimation des bilingualen Sachfaches Geographie eingegangen und Überlegungen zu einer speziellen Methodik und Didaktik für diese Unterrichtsform angestellt. Anschließend daran möchte ich aufbauend auf diesen theoretischen Grundlagen in Kapitel 3 einen konkreten Vorschlag für eine realisierbare Unterrichtseinheit liefern und diesen didaktisch und methodisch begründen.

Als fachliche Verständnisgrundlage dient in diesem Kapitel die Sachanalyse zum Unterrichtsgegenstand, die sich konkret mit der Technik der Salzgewinnung an der französischen Atlantikküste beschäftigt. Im Anschluss an die Ausführungen zur Realisierung der Unterrichtseinheit folgt ein Kapitel zur Reflexion und zu möglicherweise auftretenden Problemen bei der unterrichtspraktischen Umsetzung.

Die Arbeit schließt ab mit Kapitel 4, in dem anknüpfend an die Aussagen in Kapitel 2 eine Synthese von theoretischen Aussagen und handlungsorientierter Anwendung vollzogen wird.


2. Bilingualer Unterricht

2.1. Begriffliches

Im Folgenden werden die Begriffe ‚Bilingualer Unterricht’ und ‚bilingualer Sachfachunterricht’ verwendet, da sie gebräuchlicher sind als die eigentlich korrekte Bezeichnung ‚fremdsprachiger Sachfachunterricht’ (vgl. MEYER 2003: 27). Dieser Begriff bezeichnet „im Sinne eines unterrichtsmethodischen Prinzips das Lehren und Lernen in einem schulischen Sachfach unter Einsatz zweier sog.

Lern- und Arbeitssprachen, nämlich einer Fremdsprache (Profilsprache) sowie des Deutschen (als Muttersprache)“ (HELBIG 2003: 179). Dabei ist es wichtig zu betonen, dass die Fremdsprache hier nicht Lerngegenstand ist, „sondern sie wird benutzt, um fachliche Inhalte zu erarbeiten und darüber sachorientiert zu kommunizieren. Dabei ist nicht der quantitative Aspekt eines ‚Mehr’ an Fremdsprache entscheidend, sondern die qualitative Andersartigkeit des Gebrauchs der Fremdsprache, der nicht primär den sonst vorherrschenden Korrektheitsnormen unterworfen ist“ (SCHMID-SCHÖNBEIN / SIEGISMUND 1998: 201).

In diesem Zusammenhang ist weiterhin die Unterscheidung zwischen dem englischen und dem deutschen Begriff ‚bilingual’ von elementarer Bedeutung. Während der englische Begriff ‚bilingual’ zweisprachige Aufwachsende bezeichnet und auch die Integration ethnischer Minderheiten beinhaltet (wie in Kanada), wird im Deutschen mit diesem Begriff im schulischen Kontext ein zusätzliches Bildungsangebot im unterrichtlichen Sinne verstanden.

Die international allgemein gebräuchliche Übersetzung für Bilingualen Sachfachunterricht ist ‚Content and Language Integrated Learning’ (CLIL). Gemeint ist in diesem Sinne und im Hinblick auf die vorliegende Arbeit damit immer das didaktische Prinzip eine Fremdsprache und ein Sachfach inhaltsbezogen und integriert zu lernen, indem eine Fremdsprache als Arbeitssprache verwendet wird (vgl. VOLLMER 2000b).  

In besonderer Weise trifft dies auch auf offiziell mehrsprachige Länder wie beispielsweise Kanada oder die Schweiz zu, die auf eine langjährige Tradition bilingualer Bildungssysteme verweisen können. Dabei ist Unterricht in einer anderen Sprache als der Muttersprache der Schüler keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts. Archäologische Funde von zweisprachig beschrifteten Keilschrifttafeln aus Ton, die verwendet wurden um Sumerisch und Eblaitisch zu unterrichten, dokumentieren um 3000 v. Chr. historische Anfänge zweisprachiger Bildung in der antiken Stadt Ebla, im heutigen Norden Syriens (vgl. AKADEMIE f. LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 1993).

Im antiken Griechenland wurden nach der Kolonisation weiter Teile des Mittelmeerraumes (ca. 700-500 v. Chr.) alle Kinder, deren Muttersprache nicht Griechisch war, in sämtlichen Fächern in dieser Sprache unterrichtet, um somit auf zukünftige Positionen in Politik und Wirtschaft vorbereitet zu sein. Weitere Ursprünge finden sich in der beginnenden Kaiserzeit im Vielvölkerstaat des Römischen Reiches, in welchem die Koexistenz von Griechisch und Latein als Amtssprache und Unterricht in beiden Sprachen selbstverständlich war.

Im Verlauf der Geschichte bis in die Neuzeit lassen sich zahlreiche weitere Hinweise auf zweisprachige Bildung finden (v.a. auch im Deutschland des 18./19. Jh. zweisprachige Erziehung durch französischsprachige Gouvernanten in Adel und Bürgertum), deren explizite Ausführung an dieser Stelle allerdings den Rahmen sprengen würde.

Wichtig erscheint es mir dagegen im Kontext dieser Arbeit kurz darauf hinzuweisen, dass insbesondere die kanadische Tradition des zweisprachigen Systems im institutionellen Sinne (seit 1867 durch den British North America Act) und deren Verankerung in den Bildungsplänen viele Forschungsarbeiten hervorgebracht hat, die den fachdidaktischen Dialog der Einrichtung bilingualer Bildungsgänge in Europa und Deutschland maßgeblich beeinflusst haben.

Dennoch ist das kanadische Unterrichtsmodell der Immersion[2] (= Sprachbad) nicht zuletzt aufgrund seiner Vielzahl an lerntheoretischen, unterrichtspraktischen und neurolinguistischen Evaluations-Studien seit der Einführung Anfang der 1960er Jahre (vgl. LAMBERT et. al 1972; SWAIN et. al 1996) im Hinblick auf die Anwendbarkeit in Deutschland vielfach kritisch diskutiert worden (vgl. VOLLMER 1992) und findet gegenwärtig vor allem in der Didaktik und Methodik des frühen Fremdsprachenlernens im Kindergarten und in der Grundschule viel Unterstützung (vgl. WODE 2009; ZYDATIß 2000).    


2.3. Entwicklung und Verbreitung in Deutschland

Die Einrichtung der Unterrichtsform des bilingualen Lehrens und Lernens in Deutschland ist untrennbar mit demvom deutschen Bundeskanzler Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten de Gaulle abgeschlossenen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag im Jahr 1963 verknüpft. Dieser so genannte Elysée - Vertrag sollte nach der langen historischen „Erbfeindschaft“ beider Nachbarländer als Fundament für eine zukünftige enge Zusammenarbeit auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene dienen und enthielt den ausdrücklichen Appell einer intensiven Förderung der Sprache des jeweiligen Partnerlandes imRahmen bilingualer Unterrichtsprogramme - mit dem Ziel, die Schüler durch fremdsprachliche und landeskundliche Kompetenzen für eine nachhaltige Friedenssicherung zu sensibilisieren (vgl. MENTZ/NIX/PALMEN 2007: 11).

Diese Zahl nimmt für beide Sprachen bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre graduell zu, während die Zahl der Neueinrichtungen deutsch-französischer Züge deutlich überwiegt - bis es im Jahr 1989 zu einer drastischenTrendwende kommt. Ab diesem Zeitpunkt ist ein starker Anstieg der bilingualen Züge in beiden Sprachen zu erkennen, wobei insbesondere die Zahl deutsch-englischer Einrichtungen erheblich steigt.

Die Gründe hierfür sind hauptsächlich auf die fortschreitende europäische Einigung sowie die Ankündigung des europäischen Binnenmarktes Ende der 1980er Jahre, bzw. Anfang der 1990er Jahre zurückzuführen, womit das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer verstärkten sprachlichen Kompetenz und interkultureller Bildung auch in der Öffentlichkeit wuchs (vgl. KMK 2006: 8).

Aus diesem Grunde kann man die Daten in Abb. 1 zusammenfassend als Folge zweier bedeutungsvoller politischer Abkommen interpretieren, die besonders in Bezug auf die Einrichtung der verschiedenen bilingualen Bildungsgänge in Deutschland eine wichtige ‚Motorwirkung’ hatten: der deutsch-französische Kooperationsvertrag von 1963 und der Vertrag über die Europäische Union (Maastricht – Vertrag) von 1992.



Bis heute ist die Zahl der Schulen mit bilingualem Bildungsangebot in fast allen Bundesländern weiter angestiegen. Im Themenheft „Bilingualer Unterricht“ der Praxis Geographie von 2001 werden 393 Schulen mit bilingualen Zweigen in Deutschland angegeben (vgl. ERNST/REITZ 2001: 5). Der Bericht der Kultusministerkonferenz zählt fünf Jahre später bereits 776 allgemein bildende Schulen mit diesem Bildungsangebot (vgl. KMK 2006: 15).

Abb. 2: Anteil bilingualer Schulen in den verschiedenen Bundesländern. Stand 2001. (Quelle: MEYER / HOFFMANN 2009: 5)


Zwar liegen keine offiziellen neuen Daten vor, jedoch ist davon auszugehen, dass sich die Zahl vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Einrichtung flexibler bilingualer Module und der Entwicklung von speziellen bilingualen Schulprofilen weiter erhöht hat, so dass man gegenwärtig behaupten kann, die „bili-Küche boomt“ (ZYDATIß 2002: 32).

Quantitativ ist dabei eindeutig ein Übergewicht des deutsch-englischen Angebotes festzustellen, was neben der bereits angesprochenen Entwicklung Anfang der 1990er Jahre auch darauf zurückzuführen ist, dass bilingualer Unterricht meistens an die erste Fremdsprache angebunden ist. Die erste Fremdsprache stellt in allen Bundesländern Englisch dar, was damit begründet wird, dass die englische Sprache als ‘lingua franca’ in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Politik und zahlreichen anderen Lebensbereichen in Europa und der Welt gilt.

Im Folgenden möchte ich hingegen näher auf die quantitative Verteilung des bilingualen deutsch-französischen Sprachangebot an Gymnasien eingehen. Zwar führte der Zuwachs bilingualer Bildungsangebote an anderen Schulformen (z.B. an Grund-, Gesamt- oder Berufsschulen) in den letzten Jahren zu einer klaren Verringerung der Monopolstellung des zweisprachigen Unterrichtes an Gymnasien, nichtsdestotrotz findet sich die Mehrheit der bilingualen Bildungsgänge immer noch an dieser Schulform.

Sowohl im Bereich der Sekundarstufe I, als auch in der Sekundarstufe II,  finden sich flächendeckend in allen Bundesländern bilinguale Angebote, was auf alle anderen Schulformen in Deutschland so nicht zutrifft. Die also immer noch gegenwärtige, relative ‚Monopolstellung’ des Gymnasiums im Hinblick auf bilinguale Unterrichtsangebote in fast allen deutschen Bundesländern lässt sich anhand folgender Tabelle nachvollziehen:  

Abb. 3: Bilingualer Unterricht an verschiedenen Schulformen in Deutschland (Quelle: KMK 2006:  14)



Bundesland

Französisch -GY

Baden - Württemberg

14

Bayern

4

Berlin

3

Brandenburg

0

Bremen

1

Hamburg

3

Hessen

11

Mecklenburg-Vorpommern

1

Niedersachsen

1

Nordrhein-Westfalen

20

Rheinland-Pfalz

13

Saarland

9

Sachsen

2

Sachsen-Anhalt

0

Schleswig-Holstein

1

Thüringen

3


86

Abb. 4: Anzahl der Gymnasien mit bilingualen deutsch-französischen Bildungszweigen nach Bundesländern (eigene Darstellung; Datenquelle: AG FRANZ-BILING, Stand: 27.12.2009)


Auffällig ist hier vor allem die zahlenmäßige Verteilung deutsch-französischer Bildungsangebote auf die drei Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, auf die mit 47 Gymnasien zusammen mehr als die Hälfte des gesamten Angebots aller Bundesländer entfallen. Dies ist einerseits zum Teil begründet durch die Grenznähe zu Frankreich und zum anderen auch Folge des verstärkten Ausbildungsangebotes für Lehramtsanwärter an den Universitäten (z.B. „Europalehramt“ für künftige Grund-, Haupt- und Realschullehrer in Baden-Württemberg) und der Möglichkeit anerkannte Abschlüsse mit bilingualer Lehrbefähigung auch in der zweiten Phase der Lehrerbildung an den Studienseminaren aller drei ‚grenznahen’ Bundesländer zu erwerben.

Was die Unterrichtsfächer betrifft, so werden seit der Einführung bilingualer Bildungsangebote an deutschen Gymnasien hauptsächlich gesellschaftswissenschaftliche Fächer wie Geschichte und Geographie auf Französisch angeboten, da diese Fächer auf erzieherischer Ebene unmittelbar eine interkulturelle Zielsetzung haben und Dienst der Völkerverständigung stehen sollen (vgl. ERNST 1995: 260).

Im Hinblick auf das Thema dieser Arbeit möchte ich an dieser Stelle die Rolle des Geographieunterrichtes im Kanon der bilingualen Sachfächer unter Einbeziehung unterrichtspraktischer und fachdidaktischer Gesichtspunkte näher betrachten.


2.4. Einordnung des Geographieunterrichtes

Aufgrund der fachimmanenten kulturellen Bezüge zum Partnerland Frankreich wurden seit Anfang der 1960er Jahre insbesondere die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wie Politik, Geschichte und Geographie als außerordentlich geeignet für den deutsch-französischen bilingualen Unterricht bewertet (vgl. MÄSCH 1981: 20).

Speziell das Fach Geographie gilt aufgrund seiner globalen Orientierung und holistischen Ausrichtung als generell prädestiniert für den bilingualen Sachfachunterricht - auch in anderen Arbeitssprachen -, weshalb vermutlich der prozentuale Anteil in Relation zu allen bilingual unterrichteten Sachfächer am höchsten ist (vgl. THÜRMANN 2000). Obschon bilingualer Geographieunterricht in der Praxis auf eine lange Tradition blicken kann und heute quantitativ flächendeckend in Deutschland weit verbreitet ist, kann man diesbezüglich eine verhältnismäßige lange Zurückhaltung der geographiedidaktischen Forschung feststellen, die sich erst in den letzten Jahren vermehrt mit diesem Thema beschäftigt.


2.5. Didaktischer Begründungsrahmen des bilingualen Geographieunterrichtes

Unter dem Aspekt des interkulturellen Lernens wird so vielfach eine Legitimation des bilingualen Unterrichtes im Sachfach Geographie abgeleitet. So soll bilingualer Geographieunterricht „den Blick der Schülerinnen und Schülern in besonderer Weise für Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Lebensformen, Denkrichtungen, der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leistungen anderer Völker und Nationen schärfen.

Auf diese Weise sollen gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Gewaltfreiheit im Sinne interkultureller Erziehung gefördert und die Identitätsentwicklung der Schülerinnen und Schüler gefördert werden“ (BIEDERSTÄDT 2005: 122), ebenso wie „die Fähigkeit und Bereitschaft zu einer mehrperspektivischen Annäherung an Themen und Lernfelder, zur Reflexion und Neubewertung eigener Wertvorstellungen und somit die Entwicklung von Toleranz und Verständnis des Fremden“ (HOFFMANN 2003: 97 f.). 

Diese Ziele im Hinblick auf interkulturelles Lernen sollen natürlich genau so auf den traditionellen einsprachigen Geographieunterricht zutreffen, zumal dies fest verankerte und zentrale Eckpunkte in den Lehrplänen aller Bundesländer und den nationalen Bildungsstandards für das Fach Geographie sind (DGfG: 7).

Dies widerspricht der Auffassung, dass eine fachdidaktische Legitimation des bilingualen Sachfachunterrichtes „nur über das Lernziel der interkulturellen Kompetenz möglich ist“ (MÜLLER 2000: 42), was KÜSTER gleichzeitig als einer der langjährigen „Gründungsmythen des bilingualen Sachfachunterrichtes“ (KÜSTER 2004: 127) bezeichnet.

Deutlicher wird diese Position, wenn MEYER folgendes Verhältnis von Sprache und Kultur in Bezug auf bilingualen Unterricht zugrunde legt: „Ich stimme zwar der Überlegung zu, dass Sprache ein Ausdruck von Kultur ist, aber das bedeutet m.E. nicht, dass mit dem Sprachenlernen automatisch interkulturelles Lernen verbunden ist“ (MEYER 2003: 36).

Abgesehen davon, dass es im bilingualen Geographieunterricht nicht primär um das Sprachenlernen geht (s.u.), gibt es allerdings durch die Verwendung einer Fremdsprache einen gesteigerten Anlass, die Länder der Zielsprache intensiver einzubeziehen und so ein erweitertes und ein realitätsnäheres Informationsspektrum für die Schüler zu ermöglichen, welches Vorraussetzung für interkulturelle Lernziele ist.


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