GEGEN DIE UNKULTUR DES VERGESSENS: BÜRGER- UND
KÜNSTLERTREFF IM SALON
9.Februar 2011, 17 Uhr, Haus Dacheröden:
GAUNER, ALTE NARREN UND JUNGES LIEBESGLÜCK
Das Schauspiel Erfurt in der Erinnerung des Publikums
Theatergeschichtliche
Unterhaltung in Dias, Programmheften und Rezensionen
Zu Gast: Der
langjährige Erfurter Schauspieldirektor Prof.
Ekkehard Kiesewetter sowie der Schauspieler und Regisseur Karl-Heinz Krause
Moderation: Ingeborg
Wolf, Theaterwissenschaftlerin
Die Säule der Erinnerung
Zwischen Desillusionierung und Dankbarkeit schwanken die
Emotionen
22 Jahre nach dem Mauerfall. Denn: Die Wende veränderte das
Leben vieler Künstler radikal. Der Zusammenbruch der DDR zerstörte viele
Gefüge, auch die der Theater. Darauf will ein Bürger- und Künstlertreff unter
dem Titel „Salon Erinnerungen“ verweisen, der am Mittwoch, dem 9. Februar 2011
ab 17 Uhr in das Erfurter Haus Dacheröden lädt (Eintritt: 2 €).
Zum Auftakt gibt es eine theatergeschichtliche Unterhaltung
mit Prof. Ekkehard Kiesewetter und Karl-Heinz Krause. Beide wirkten
unzählige Jahre als Schauspieldirektor, Regisseur und Mime an den Städtischen
Bühnen Erfurt.
Trotzdem die Frage: Warum haben Sie zugesagt?
Kiesewetter: Theater, ganz besonders Schauspiel, ist
immer eine Geschichte des „Jetzt“. In Erfurt gab es von 1949 bis 2003 ein gut
funktionierendes Sprechtheater. Deshalb ist Erinnerung vonnöten. Auch, um immer
wieder darauf zu verweisen: Erfurt ist die einzige Landeshauptstadt ohne
Schauspiel!
Krause: Daraus resultiert noch immer eine immense
Entrüstung,. Oder besser Ohnmacht und Wut. Die Politik beschloss die Abwicklung
eines hoch gelobten Schauspiels. Und wir beschlossen 2003 Demos wie zur Wende.
Die nichts brachten...
Krause: Trotz Wahljahr wurden wir hingehalten. Man
wollte schlichtweg große Oper.
Da haben wir beschlossen, noch einmal im Ensemble,
erinnerungswürdiges Theater zu präsentieren.
„Noch ist Polen nicht verloren“ war nicht nur ein
symbolträchtiger Titel, sondern auch ein fulminanter Erfolg...
Kiesewetter: Hier konnte der Regisseur Krause noch
einmal belegen, was kontinuierliche Theaterarbeit bedeutet. Bis dahin wurden
im Sprechtheater immerhin noch Inhalte debattiert und Probleme der
Gesellschaft aktualisiert.
Krause: Theater, so haben wir unsere Arbeit – trotz
Widrigkeiten - bis zur Wende verstanden, muss Kontinuität haben.
Quotenschielerei war für uns ein Fremdwort.
Kiesewetter: Der Spielplan wurde gemeinsam formuliert
und oft recht hart erkämpft. So haben wir zum Beispiel gemeinsam beschlossen,
„Lysistrate“ zu machen. Die in diesem antiken Stück verhandelte
Kriegsverweigerung ist ja noch immer aktuell. Oder wir setzten Dürrenmatts
„Physiker“ auf den Spielplan, um die „Verantwortung der Wissenschaft“ zu
thematisieren.
Die brisanten und vom Publikum gern angenommenen
Inszenierungen ließen sich weiter aufzählen: „Fiktiver Report über ein
amerikanisches Pop-Festival“ wurde 100 (!) mal gegeben. Hinzu kamen „Blaue
Pferde auf rotem Gras“ oder „Zement“ von Heiner Müller.
Krause: Letztere Produktion war für mich als junger
Darsteller unter dem neuen Schauspieldirektor Kiesewetter ein Meilenstein.
Sowohl, was Ausstattung, aber auch Interpretation anbelangt. Wir haben uns
damals gern und auf deutsch gesagt „den Arsch aufger...“.
Ende September 1989 verfassten auch die Theater Briefe,
Resolutionen und Erklärungen zur politischen Lage in der DDR. Das Ensemble des
Schauspielhauses Erfurt prägte den Satz: "Wir treten aus unseren Rollen
heraus. Die Situation in unserem Land zwingt uns dazu."
Kiesewetter: Eine lebendige und irre Zeit. Für mich
war dieser Tage interessant, dass man die gegenwärtigen Demonstrationen in
Kairo mit den Künstlerdemonstrationen zur Veränderung der DDR vergleicht...
Krause: Damals haben wir uns die Nächte um die Ohren
geschlagen. Und sogar unser Generalintendant Bodo Witte stand neben seinem
Darstellern mit auf der Bühne.
Unter der Kiesewetter-Leitung hat sich ja nicht nur der
Regisseur Krause einen Namen erworben. Große Rollen prägen Ihre Vita...
Krause: Über den Adam im „Zerbrochenen Krug“ oder
den „Amadeus“-Salieri – auf den ich immer noch angesprochen werde, und vieles
andere berichte ich gern am kommenden Mittwoch.
Kiesewetter: Und ich hoffe, dann auch ein paar
„Anekdoten hinter den Kulissen“ beisteuern zu können.
Die Abschlussfrage geht an Andreas Günter. Sie sind
Projektleiter von „Menschen mit Demenz in der Kommune“ und somit auch
Veranstalter der Salons. Was bietet das Kompetenz- und Beratungszentrum der
Landeshauptstadt Erfurt außerdem an?
Günter: Immerhin 26 Veranstaltungen, darunter eine
Fachtagung, 4 Fachvorträge, eine Gesundheitsmesse oder die 4 Salons bis zum
Juni 2011. Unsere Abschlussveranstaltung haben übrigens die traditionellen
„Erfurter Federlesen“ am 8. September 2011 im Dacheröden-Festsaal übernommen.
Die Schirmherrschaft obliegt der 1. Beigeordneten und Bürgermeisterin Tamara
Thierbach.
Gespräch: Ingeborg Wolf
Foto: Prof. Ekkehard Kiesewetter (rechts), Karl-Heinz Krause