20.11.11
Klausurersatzleistung „Darstellendes
Spiel“
Name:
Figur der Rollenbiographie: Kriminalinspektor Richard Vo
Aufgabe 1: Erstellen einer Rollenbiographie
Mein Name ist Richard Voß. Ich
bin 54 Jahre alt und von Beruf Kriminalinspektor. Dieser Tätigkeit gehe ich
seit 29 Jahren nach. Meine familiäre Situation ist schnell geschildert: Meine
Mutter trug den Name Ursula Voß, geborene Ramchowski. Sie verstarb kurz nach
meiner Geburt, sodass mein Bruder Konrad und ich bei meinem Vater aufgewachsen
sind. Über ihn möchte ich nur wenige Worte verlieren. Er war ein Alkoholiker,
der gelegentlich auf Baustellen im Umkreis ausgeholfen hat. In meiner Familie
gab es nur zwei Personen zu denen ich eine tiefere emotionale Beziehung geführt
habe: Meinen zwei Jahre älteren Bruder Konrad und meine Großmutter Astrid.
Beide wurden mir vorzeitig genommen. Konrad kam im Alter von 7 Jahren bei einem
Unglück ums Leben. Die Beziehung zu meinem Vater ist an diesem Tag endgültig
gebrochen, sodass ich im Heim aufgewachsen bin. Meine einzige Bezugsperson
blieb Großmutter Astrid, die aber bereits früh an schwerer Demenz litt und vor
einem halben Jahr an Herzversagen gestorben ist. Das Gründen einer eigenen
Familie kam für mich nie in Frage, da meine Kindheit es mir sehr schwer macht
eine auf Gefühlen basierende Beziehung zu jemandem aufzubauen. Ich habe bisher
keine längere Partnerschaft geführt und habe keine Kinder.
Momentane Situation:
In meinem Berufsstand als
Kriminalinspektor verdiene ich genug um mir ein weitestgehend angenehmes Leben
zu ermöglichen. Dennoch mache ich mir nicht l aus materiellen Dingen nicht
viel. Vor 19 Jahren habe ich mir eine schöne Altbauwohnung am Stadtrand
zugelegt. Sie ist neben meinem Volvo 120 Amazon 54er Baujahr die wohl einzige
große Ausgabe, die ich je getätigt habe. Wie bereits gesagt ist meine Familie
in ihrer Beschaffenheit stark eingeschränkt, um nicht zu sagen außer zu meiner
kürzlich verstorbenen Großmutter pflegte ich keine familiären Beziehungen mehr.
Meine Mutter Ursula habe ich nicht in Erinnerung. Aus Erzählungen und von
Fotographien ist mir aber bekannt, dass sie eine stattliche, im Leben stehende
Frau war, die in einer Margarinefabrik gearbeitet hat. Mein Vater, sein Name
ist oder war Helmut, ist ein nichtsnutziger Alkoholiker. Er hat auf einer
Baustelle gearbeitet, als er meine Mutter kennengelernt hat. Nach ihrem Tod hat
sich seine Sucht verschlimmert und er hätte niemals das Sorgerecht über Konrad
und mich behalten dürfen. Mein Bruder Konrad war mir immer ein guter Bruder und
mein bester Freund. Wir haben vieles zusammen getan und das gemeinsame Spielen
habe ich sehr genossen. Unser spannendster Spielplatz war die Baustelle unseres
Vaters, bis zu dem besagten Unglück. Ich rede nicht über diesen Tag, möchte aber
so viel dazu sagen, dass ich meinen Vater für den Konrads Tod verantwortlich
mache und seit 48 Jahren keinen Kontakt zu ihm habe und auch keinen haben will.
Daher weiß ich auch nicht, ob er noch am Leben ist.
Ich habe im Alter von 18 Jahren
das Abitur mit der Note 2,2 bestanden. Der Berufswunsch des Polizisten ist tief
in meiner Kindheit verankert und daher habe ich mich direkt an mehreren
Ausbildungsstätten beworben. In dieser Zeit hat mir der familiäre Rückhalt sehr
gefehlt und der Aufbau einer Existenz in jungen Jahren hat mich bereits früh zu
einer Art Einzelkämpfer gemacht. Nachdem ich endlich eine Zusage erhalten habe,
habe ich mich Hals über Kopf in meine Ausbildung gestürzt und mein Beruf hat
mich vollständig ausgefüllt. Dies tut er auch heute noch. Die Karriereleiter
habe ich mit viel Ehrgeiz und Fleiß schnell erklimmt und bereits nach sechs
Jahren den Berufsstand des Kriminalinspektors erreicht. Der Beruf im Sinne der
Erwerbstätigkeit ist mir sehr wichtig, da ich es mir nicht vorstellen könnte,
wie zum Beispiel mein Vater ständig auf das Geld anderer angewiesen zu sein. Die
Höhe des Gehaltes ist für mich jedoch weniger relevant, ich sehe es als Pflicht
an meine Arbeit, egal für welches Geld, bestmöglich zu bewerkstelligen.
An meiner Seite haben bereits
mehrere Partner gearbeitet. Das Verhältnis ging meist nicht über das Berufliche
hinaus und bisher habe ich zu keinem meiner Kollegen eine wirkliche
Freundschaft aufgebaut. Seit drei Wochen habe ich eine junge, motivierte und
sehr strebsame Polizistin an meiner Seite. Sie bemüht sich, muss aber noch viel
lernen.
Ich gehe nicht vielen
Freizeitbeschäftigungen nach. Neben meinem Beruf interessiere ich mich aber für
Briefmarken, Autos und Pferderennen. Jeden letzten Samstag im Monat gehe ich
auf die Rennbahn und verspiele einen kleinen Teil meines Gehaltes. Das ist aber
wohl schon das aufregendste, was ich über meine außerberufliche Zeit zu
erzählen habe.
Bisher hatte ich vier
Partnerinnen in meinem Leben, aber keine dieser Partnerschaften dauerte länger
als ein paar Monate an. Der Grund ist mir nicht ganz klar, es könnte wohl an
meiner leichten Bindungsangst liegen oder an der Tatsache, dass ich nicht gerne
über Gefühle rede und daher sehr kalt auf die Leute in meinem Umfeld wirke.
Die Zufriedenheit mit meiner
momentanen Situation lässt mit der Zeit immer mehr nach. Ich erfreue mich zwar
bester Gesundheit, dennoch nimmer die Verdrossenheit stark zu. Mein Beruf ist
zu reiner Routine geworden, meine soziales Umfeld existiert quasi nicht und
alle in allem bin ich mit dem Lauf den mein Leben genommen hat nicht ganz
zufrieden.
Kleidung:
Zu Beginn meiner Laufbahn als
Polizist habe ich sehr auf mein Äußeres geachtet. Stets uniformiert und
gepflegt. Doch das hat sich mit der Zeit eingestellt. Ich habe zwar immer noch
ein Auge auf ein seriöses Äußeres, aber die Hemden werden seltener gebügelt,
die Schuhe seltener poliert, die Krawatte sitzt lockerer und mein Trenchcoat
ist sicherlich auch nicht das neueste Model. Dennoch fühle ich mich in diesen
Klamotten sehr wohl und mir wird nachgesagt, dass sich die Leute mich gar nicht
in anderem Aufzug vorstellen können. Der letzte Anlass zu dem ich etwas
wirklich anderes getragen habe, war die Beerdigung meiner Großmutter. Den
schwarzen Anzug hatte ich noch aus dem Ende meiner Ausbildungszeit. Er saß zwar
ein wenig zu eng, doch ich konnte mich darin sehen lassen. Aber um ehrlich zu
sein habe ich mich darin nicht wirklich wohl gefühlt. Zu mir gehören einfach
das weiße Hemd, was für mich schon etwas Elegantes hatte, die Krawatte,
schließlich bin ich Beamter und die Formalität sollte doch ein wenig gewahrt
werden und natürlich der Trenchcoat, der für mich einfach ein Klassiker ist und
mir außerdem noch recht gut steht. Da ist natürlich auch noch mein Hut, den ich
gelegentlich trage. Meist nur um wichtiger zu wirken und wenn ich jemanden bei
der Befragung beeindrucken möchte.
Brüche:
Ich bin ein Mensch der sehr stark
über seine Vergangenheit nachdenkt und ich habe immer noch nicht mit ihr
abgeschlossen. Das ist mein wohl größter Fehler, den ich aber jetzt nicht mehr
beheben kann. Ich habe mir stets vorgenommen mich auf modernere
Ermittlungsmethoden einzulassen, mich mal von meinem Beruf frei zu machen oder
einfach mich einfach mal wieder auf einen neuen Menschen einzulassen. Aber das
ist mir nie gelungen. Ich bin stets der kühle Kriminalinspektor geblieben, den
nichts schockieren und nichts aus dem Konzept bringen kann. Für mich wahren
Gefühle immer ein Zeichen von Schwäche. Liebe und Vertrauen boten immer die
Chance enttäuscht zu werden. Ich habe mich lange gefragt, wie ich zu dieser
Einstellung gekommen bin und denke ich kann mir diese Frage inzwischen
beantworten. Mein Vater. Ich habe ihn nie mit den Geschehnissen die zu Konrads
Tod führten konfrontiert. Ich habe ihm nie gesagt, was ich von ihm denke. Die
Schuldfrage wurde nie geklärt. Ich bin vor allem deswegen Kriminalinspektor in
der Mordkommission geworden, um anderen Leuten mein Schicksal zu ersparen.
Deswegen habe ich wohl auch mit dem Rauchen und Trinken angefangen, um mir ab
und zu den Kopf von all diesen Lastern frei zu machen. Vermutlich sieht man es
mir nicht an, dass ich trotz meiner eisern wirkenden Fassade von vielen
Gefühlen bewegt werde. Aber eine Änderung und ein Blick nach vorne sind nicht
mehr absehbar. Selbst wenn ich auf diesen Text hier blicke, fällt mir auf, dass
ich fast ausschließlich von meiner Vergangenheit erzähle. Denn das sind die
Dinge, die mich auch heute noch maßgeblich beeinflussen. Mehr als alles andere
was danach passiert ist.
Aufgabe 2: Verfassen eines
Tagebucheintrags
17. Mai 1942
Liebes Tagebuch,
mein Name ist Richard Voß. Das
ist wohl der einzige Eintrag, den ich hier jemals machen werde und das nur mit
dem Zweck später einmal auf ihn zurückgreifen zu können. Ich bin heute 15 Jahre
alt, das heißt seit Konrads Tod sind nun etwa 10 Jahre vergangen. Ich hatte mir
eigentlich vorgenommen dieses Ereignis zu verdrängen, aber gestern erhielt
meine Großmutter einen Anruf von der Polizei und erfuhr, dass diese die
Ermittlungen im Fall von Konrad wieder aufgenommen hat, da mein Vater erneut
gegen das Gesetz verstoßen hat. Mir hat man ziemlich unfreundlich mitgeteilt,
dass ich nun 15 Jahre alt sei und daher alt genug, um eine Aussage zu machen.
Obwohl man mir aufgetragen hatte mich vorzubereiten, habe ich bis zum Betreten
des Polizeireviers alle Erinnerungen an jenen Tag verdrängt. Ich hatte Angst
daran zu denken. Angst festzustellen, dass ich auch Schuld haben könnte. Was
wäre wenn die Polizei mich verhaften würde? Aber das werden sie nicht. Sie
ermitteln schließlich gegen meinen Vater, weil er Schuld an Konrads Tod ist.
Ich war tapfer bis zum Beginn der
Befragung. Dann hat die Erinnerung mich überwältigt…
… Konrad und ich liefen über die
Baustelle immer höher, immer schneller, immer weiter. Er war wie immer der
Räuber und ich als Polizist musste ihn einfangen. Für uns stellten die Abhänge
und Gerüste keine Gefahr dar, sie haben das Spiel erst richtig spannend
gemacht. Heute war Konrad besonders aufgedreht. Er sprang über Lücken die eigentlich
viel zu groß für uns waren und kletterte das Gerüst viel zu weit hinauf. Ich
hatte von Anfang an kein gutes Gefühl dabei, wollte aber nicht schon wieder der
Spielverderber sein. Der Spielverderber war heute unser Vater. Als wir fast
ganz oben angekommen waren, war immer noch bei der Arbeit und Konrad lief ihm
mitten in die Arme. Er hatte mal wieder getrunken und ist deswegen sofort
ausgerastet und hat Konrad gepackt und wollte ihn nach unten bringen. Aber
heute brauchten wir keinen Spielverderber, deswegen trat ich meinem Vater vor
sein Schienbein, damit er Konrad los lässt. Das tat er dann auch. Doch er war
wohl so betrunken, dass er vorne überfiel und Konrad mit viel Wucht von sich
stieß. Er stolperte gefährlich schnell in Richtung Rand und es gelang ihm nicht
nach etwas zu greifen. Mein Vater wäre wohl in Reichweite gewesen, doch er war
mal wieder zu betrunken, um irgendetwas wahrzunehmen. Konrad streckte seine
Hand vergeblich aus und viel mehrere Stockwerke in die Tiefe. Mir war klar,
dass er diesen Sturz nicht überlebt hatte. Genauso wie mit klar war, dass ich
meinem Vater von nun an nie wieder in die Augen sehen konnte. Er hatte mir
meinen Bruder und besten Freund genommen…
… Nach meiner Aussage habe ich
eine schneidende Leere verspürt. Nachdem ich das alles noch einmal durchlebt
hatte, war ich emotional völlig erschöpft. Kein Hass auf meinen Vater, keine
Sehnsucht nach meinem Bruder. Ich war nicht in der Lage etwas zu fühlen.
Heute sind mir zwei Dinge klar
geworden: Ich möchte später einmal Polizist werden, um solche Leute wie meinen
Vater zu verhaften und um die Erinnerungen an meinen Bruder in irgendeiner Form
für etwas stehen zu lassen. Viel wichtiger aber: Ich werde nie wieder über den
Mord meines Vaters an Konrad sprechen, weil ich merke, wie sehr ich daran
kaputt gehe.