Film
ab! : Eine Rezension zu Petra Ganglbauers „Manchmal rufe ich dorthin“
„Wo
die Geschosse niedergehen, sind ein Zwitschern, ein Kreischen und Zischen,
stetes Gellen und Heulen, dumpfe Schläge und Krachen hörbar“.
Das Bild,
welches durch diese Worte in unserer Vorstellung entsteht, die Geräusche, die
wir deutlich zu vernehmen glauben, könnten uns ebenso unterkommen, wenn wir
eine der täglichen Kriegsberichterstattungen in den Medien verfolgen. – Wäre da
nicht diese poetische Sprache.
Das Zitat
stammt aus Petra Ganglbauers 2004 im Milena Verlag erschienenem Werk „Manchmal
rufe ich dorthin“.
Das Buch
ist aufgeteilt in zwei Teile, folgt keiner fortlaufenden Handlung und es ist
kaum zu definieren, ob es sich hier um Prosa oder Lyrik handelt. Damit kann
sich jede/r Rezpient/in von seiner/ihrer herkömmlichen Leseweise verabschieden
und auf etwas neues einlassen.
Auf den
linken Seiten befindet man sich mitten im Krieg, auf den rechten Seiten in
Traumsphären.
Mit
eigentlich einfachen Sätzen, jedoch „schwerem“ Inhalt, muss man die Verbindung
zwischen den beiden Seiten erst in der eigenen Vorstellung herstellen.
Abseits
von Handlung und 08/15 Reimschemata wird der/die Leser/in endlich die gewohnte
Last los, verstehen zu müssen, „worum es in diesem Buch geht“. Es reicht immer
ein paar Zeilen zu lesen, sich sofort in eine fiktive, stimmungsvolle Welt
ziehen lassen und die Fantasie ihre Arbeit tun zu lassen..
Nicht was
Ganglbauer schreibt, sondern wie sie es tut, lässt diese starken Bilder
entstehen. Mit Hilfe von Farben, sehr vielen Elementen aus der Natur,
Helligkeit und Dunkelheit, Lauten und Geräuschen erschafft die Autorin diese
Welten.
Die
Sprache wirkt durch gekonnte Adjektivhäufung, Wortwiederholungen, die Kürze der
einzelnen Texte an sich, und den häufig unvollständigen, knappen Sätzen. Diese
formalen Eigenschaften des Textes und das Fragmentarische unterstützen
schließlich das „Lyrikhafte“, das man auch in Ganglbauers Gedichtbänden wieder
finden kann.
Zu Beginn
des Buches hat man, dank immer wiederkehrenden Vogelgesängen, hellen Farben und
Naturidyllen, den Eindruck, die Traumwelt der Ich-Erzählerin soll den konkreten
Kontrast zu den grausamen Kriegsberichterstattungen auf den gegenüberliegenden
Seiten bilden. Immerhin ist Frieden auf der einen Seite, aber keine heile Welt.
Es schleichen sich immer wieder Szenen des Schmerzes auch in diese Sequenzen
und diese Figur, die Erlebende Ich-Erzählerin, wirkt unsicher, unruhig und fast
verfolgt. „Ein Blinzeln geht durch die Rinde. Die Winken. Die Äste wippen
und schaukeln als Einladung für Gäste. Ich hänge mich daran mit den Affenarmen
und entkomme so der Dunkelheit. Die Blutspur jedoch, die Blutspur ist da. Sie
rinnt über Stämme und nimmt sie gefangen. Das Blut ist ein schwerer Traum.“
Diese Berichte wirken authentisch und man würde Ganglbauer Glauben schenken,
dass es hier nicht zuletzt um ihr eigenes Seelenleben geht.
Die
Vorstellungskraft leistet ihre Arbeit von selbst, wobei die „Kriegsbilder“, die
intensiveren zu sein scheinen und stärker wirken, was wohl aber nicht
zwangsweise an Petra Ganglbauers Künsten liegt, sondern an der riesigen Palette
an grausamen Bildern, die sich in unseren Köpfen bereits festgesetzt haben.
Das
heißt, man kann sich die Szenen erstaunlich gut vorstellen, wird aber dennoch
während des Lesens beängstigend immun gegen diese Darstellung von Gewalt, Tod
und Angst, wie man sie aus den täglichen Medien Fernsehen, Zeitung und Radio
bereits kennt.
Ganglbauer
holt den/die Leser/in im Wesentlichen jedoch gekonnt wieder zurück in die von
ihr erschaffene Welt, ruft auf zur Konzentration und klarer Vorstellung anhand
detaillierter Beschreibung und auf den Punkt gebrachter Sprache.
Somit
liegt es in der Konstruktion des Buches, dass man als Leser/in gewillt ist,
sich verlocken zu lassen, um sich zwischen den Kriegspassagen in der Phantasie
auszuruhen, um dann wieder auf das befangene Gefühl der nächsten Seite zu
warten.
Gegen
Ende hin nimmt die Imagination überhand, die Traumszenen werden stärker, je
größer das Elend ist. Die Traumbilder verselbständigen sich, und schließlich
wird der/die Leser/in, von dieser Welt gänzlich eingeholt und eingehüllt.
Was
bleibt, sind die Visionen.
Eintauchen
in “Weißes Rauschen“ – dorthin kann manchmal gerufen werden.