E.T.A. Hoffmanns Erzählung
“Das Fräulein von Scuderi „erschien erstmals 1819 in dem Almanach „Taschenbuch
für das Jahr 1820“. Die ganze Handlung gehört zu Hoffmanns eigener Erfindung,
die Grundlage ist eine wahre Anekdote von der berühmten französischen Schriftstellerin
des 17.Jh. - Madeleine de Scudery: Ludwig XIV. erhält einen anonymen Brief,
indem die Liebhaber den König um Sonderschutz für die Nachts Verabredung
bittet. Mit dem Ausspruch „Ein Liebender, der die Diebe
fürchtet, ist der Liebe nicht würdig!“ antwortet Scudery ihnen zurück.
Daraufhin sendet eine Herzogin ihren Diener, der als Räuber und Banditen
verkleidet ist, mit Geschenk aus Dankbarkeit zu Scudery. Hoffmann nimmt diese
Anekdote als Einleitung des Romans, bezieht das wahre historische „Fräulein
Scuderi“ auch auf diese Geschichte.
Über das Thema ob „Das
Fräulein Scuderi“ zu der Gattung Detektivroman gehört, gibt es immer wieder
heftige Diskussionen. Aber eine Sache ist unleugbar, dass einige Merkmale
dieses Romans später als Kennzeichen des typischen Detektivromans verwendet
werden. Gleich zu Beginn der Erzählung wird eine längere Passage eingeschoben,
die die verbrecherische Situation – dem Giftmord in Paris zu jener Zeit
beschreibt. Dieser Einschub dient dem weiteren Spannungsaufbau. Während die
Giftmorde aufgeklärt worden sind, bleibt der rote Faden - Juwelenmorde lange im
Dunkeln. Nun treten einige scheinbaren unlogischen Ereignisse auf: der
Goldarbeiter Rene Cardillac arbeitet wie besessen, verwirft aber Königs Auftrag
und verliert vor Fräulein Scuderi seine Beherrschung. Und der unschuldige
Olivier benimmt sich bei seinen beiden Auftritten sehr fragwürdig und
aggressiv. Die Frage ist, was der Autor nun erwartet, die Leser bei der
weitergehenden Handlung selbstständig denken oder nur passiv die Informationen
aufnehmen?
Ein anderes typisches
Detektivroman Schema ist in „Das Fräulein von Scuderi“ auch zu erkennen,
nämlich der Verdacht auf eine unschuldige Person abwälzen, wenn das
Verdachtsmoment bei dem echten Gewalttäter langsam auftaucht, wird die
Aufmerksamkeit des Lesers wieder abgelenkt. Einerseits Cardillacs „ ganz
besonderer Blick aus kleinen, tiefliegenden, grün funkelnden Augen hätten ihn
in den Verdacht heimlicher Tücke und Bosheit bringen können“, andererseits ist
er „in ganz Paris als der rechtlichste Ehrenmann, uneigennützig, offen, ohne
Hinterhalt, stets zu helfen bereit“ bekannt. Fräulein Scuderi muss es auch
gestehen, dass Cardillacs Betragen für sie etwas sonderbar „Ängstliches und
Unheimliches“ sei. Trotzdem kann sie sich nicht vorstellen, „wie überhaupt der
ehrliche, wackere Meister, das Vorbild eines guten, frommen Bürgers mit
irgendetwas Bösem zu tun haben soll“. Schließlich wird seine wahre Identität an
die Öffentlichkeit gebracht, für die Leser ist es etwa unerwartet, aber
irgendwie auch logisch.
Am Anfang des 19.
Jahrhunderts in der Zeit der Romantik. Der deutsche Romantiker steht ganz
besonders auf „Geheimnis“. Das Geheimnis, das bis zum Ende dieses Romans
endlich ans Tageslicht kommt, nämlich Cardillacs merkwürdiges Verhalten. Er ist
ein begnadeter Künstler und seine Finger können schon als Geschenk Gottes
bezeichnen. Er ist aber gleichzeitig ein grausamer und brutaler Mensch, der
immer seinem ,,bösen Stern" folgen müsst. Er bewegt ihn dazu durch
Raubmord seine Kunstwerke wieder an sich zu bringen. Er kann es nicht ertragen,
dass ein Dilettant eines seiner Werke besitzt. Cardillac spielt somit zwei
Rollen, die im totalen Gegensatz zueinander stehen und am Ende einander
vernichten, denn durch seine Gier wird er umgebracht und sein guter Teil stirbt
mit ihm. Hoffmann behandelt mit dem Verhalten Cardillacs ein seelisches Problem
von Künstlern, denn viele können sich von ihren Werken nicht trennen und, wenn
sie dies einmal getan haben, möchten sie wieder zurückgewinnen.(Cardillac-
Syndrom existiert wirklich!)
Man kann dieses
Doppelleben aber auch bei anderen Personen antreffen. Zum Beispiel spielt
Hoffmann selbst in zwei verschiedene Rollen. Tagsüber ist er ein
pflichtbewusster Beamter und geachteter Bürger, nachts wird er zum Künstler. Er
zeichnete oft stundenlang Karikaturen oder schrieb Gedichte und längere Werke.
Sobald „Das Fräulein von
Scuderi“ veröffentlich wurde, nahm es eine sensationelle Erfolg.
Die Geschichte ist süffig erzählt, ohne Längen und bringt genügend Atmosphäre
mit, um sie zu mögen. Im Gegensatz zu Hoffmanns anderen Geschichten ist sie von
Alltag und Phantastischem interessiert, geht auch auf historische Tatsachen
zurück. Wie unseres Alltagsleben, ehre auf Realität und Zukunft konzentriert,
Vergangenheit spielt kein großen Rolle.