Proseminar
- Textverständnis und Essaytraining
Hausaufgabe
Aufgabe: Rekonstruieren
Sie das im Text (Platon, Phaidon, 69e- 72d) formulierte Argument für die Unsterblichkeit
der Seele und diskutieren Sie anschließend die Qualität der Argumentation, d.h.
-
Ordnen Sie das Argument (benennen
Sie Prämissen und Konklusion)
-
überprüfen Sie, ob das
rekonstruierte Argument gültig ist und
-
bewerten Sie die Prämissen
In
Platons Text „Phaidon“, 69e-72d diskutieren Sokrates und Kebes die
Unsterblichkeit der Seele und suchen nach einem Beweis für diese These. Laut
Sokrates gibt es klare Beweise für den Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Das
Hauptargument von Sokrates ist die Abhängigkeit zweier gegensätzlicher Dinge in
ihrem Sein. Es gäbe also nichts Schönes ohne das Hässliche und nicht Gerechtes
ohne die Ungerechtigkeit. Also nichts könne existieren, ohne eine Sache oder
ein Ding zu haben, dass zu diesem ein Gegenteil ist.
Zunächst möchte ich diese These entkräften.
Es
gibt groß und klein auch ohne das jeweils andere, und sie entstehen nicht
auseinander. Für Menschen sind Gegensätze lediglich dazu notwendig, die Dinge
zu benennen. Hätten wir keinen Begriff für Schön, dann könnten wir auch nicht
definieren was hässlich ist oder wunderschön.
Die
Gegensätze sind lediglich Richtlinien an denen Menschen sich orientieren um
eine Wertung abgeben zu können. Für die Natur und die Dinge an sich sind keine
Gegenteile notwendig um zu sein. Ein Baum wächst einfach, und wenn er aufhört
zu wachsen ist er entweder groß oder klein. Es muss aber nicht einen kleinen
Baum geben, damit ein anderer groß sein kann und es ist nicht ein Baum knorrig
damit ein anderer gerade wächst.
Die
Dinge sind wie sie sind, oder jedenfalls wie sie uns scheinen. Keine
Bezeichnung macht sie zu dem was sie sind sondern wir sehen sie als was sie
sind, weil sie so sind.
Entscheidend
in dieser Argumentation ist die Bedingtheit von Leben und Tod, denn laut
Sokrates gibt es nur totes aus lebendem und somit auch nur lebendes aus totem,
was zur Folge hat, dass die toten Dinge, seien es Pflanzen, Körper oder eben
die Seele,an einem Ort - in diesem Fall die Unterwelt- verweilen müssten, bis
sie „wiederaufleben“. Die Möglichkeit, dass die Seele einfach so „verschwindet“
zieht Sokrates nicht in betracht.
Im
vorliegenden Text wird die Seele als solches nicht näher erläutert sondern
einfach vorausgesetzt. Es scheint also bewiesen, dass so etwas wie eine Seele
existiert. Demnach ist Sokrates Argumentation nachvollziehbar und schlüssig.
Was aber, wenn man all das unter dem Aspekt betrachtet, dass die Seele
vielleicht gar nicht so sicher als eine Sache, ein greifbares und
untersuchbares Ding, wie etwa eine Blume oder ein Regentropfen, existiert.
Was
genau ist denn eine Seele überhaupt?
Meiner
Meinung nach ist die Seele eine ungreifbare Erscheinung, sie ist nicht aus
einem Menschen zu extrahieren und untersuchen. Eine Seele ist nicht materiell
sondern befindet sich auf der Meta- Ebene des Denkens und bildet sich aus
vielen unterschiedlichen Segmenten.
Vergleichbar
zwar mit einem Regentropfen, doch ist der Tropfen hier nur ein Teil des Ganzen.
Man kann ihn untersuchen und vielleicht feststellen dass er aus Wasserstoff und
Sauerstoff und vielleicht ein wenig Dreck besteht und, dass die
Oberflächenspannung von Wasser ihn zu seiner Form bringt, aber eine Seele ist
kein Tropfen sondern ein Ozean. Bestehend aus vielen Tausend Tropfen und in
seiner Gesamtheit unberechenbar. Man kann anhand eines einzelnen Stückes nicht
definieren, wie das Ganze sich verhält. Es ist ein Zusammenspiel vieler
ungleicher Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen.
Ebenso
wie bei dem Charakter eines jeden Menschen einzigartig. Dann kommen dazu noch Umwelteinflüsse
und persönliche Erfahrungen die ein Mensch sein leben lang erlebt, und auch
diese Erfahrungen nimmt ein jeder Mensch unterschiedlich wahr. Die Seele eines
Menschen entwickelt sich erst mit ihm und ist nicht bereits vorher vorhanden. Ein
Kind wird geboren ohne eine Seele, denn diese bildet sich erst mit dem
Wachsenden Bewusstsein des Kindes. Ebenso wenig, wie ein Kind aus einem toten
Körper wiedergeboren wird.
Ein
Kind, aber nicht nur ein Kind, sondern auch Tiere, Pflanzen und andere
Organismen, entsteht aus einem immensen Energieaufwand heraus und nicht etwa
aus einem Fehlen von Energie. Biologisch betrachtet entsteht leben durch
Zellteilung und das Sterben ist ebenso ein sterben von Zellen.
Sokrates
Theorie, dass Leben aus Tod entsteht kann ich also nicht akzeptieren, dass
jedoch Tod von lebendem herrührt ist plausibel, denn würde nichts leben könnte
nichts sterben. Es ist jedoch möglich, dass etwas lebendes entsteht ohne den
Tod, immerhin stirbt nicht jedes mal wenn ein Mensch geboren wird ein anderer
dafür. Oder es verrottet kein Baum, damit ein anderer wachsen kann. Eher wird
für einen gefällten toten Baum ein neuer gepflanzt.
So
etwas wie eine Seele gibt es nun zwar, aber nicht in der Form, wie Sokrates sie
erwartet. So ist es also nicht möglich zu sagen, dass eine Seele, nach dem
Ableben eines Menschen in eine Zwischen- oder „Unterwelt“ wandert um dann von
dort wieder aufzuleben. Immerhin ist sie nicht ein selbstständiges etwas, das
sich seinen Aufenthaltsort, oder seinen Menschen aussucht und irgendwo in der
Welt umherfliegt.
Meiner
Meinung nach ist es eher so, dass eine Seele untrennbar mit dem zugehörigen
Menschen verbunden ist und das sie sich nach seinem Tod einfach „auflöst“, bzw.
dass sie mit ihrem Körper verwest und damit ausgelöscht wird. Die Erfahrungen
und die Erinnerungen dieses Menschen, also das was seine Seele ausmacht, nimmt
er ja, wie auch Geheimnisse, bekanntlich „mit ins Grab“. Und dort bleiben sie,
unzugänglich für andere. So ist es auch mit der Seele, sie wird zusammen mit
dem Menschen begraben, dem sie angehört und verflüchtigt sich nach und nach,
bis nichts mehr von ihr übrig bleibt.